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Von Bequia zu den Tobago Cays


Dienstag, 01.01.2008 (226. Tag)

Obwohl wir gestern lange ausgehalten haben, werden wir heute früh wach. Die warmen Temperaturen und der Sonnenaufgang um 6:00 treiben einen einfach aus den Federn. In Holland ist es am ersten Januar üblich, sich zum "Nieuwjaarsduik" ins eiskalte Meer zu stürzen. Normal war ich dazu zu feige, aber bei diesen Bedingungen natürlich nicht. Splitternackt (guckt ja keiner so früh morgens) stürzen wir uns ins türkisblaue, 28 Grad C warme Wasser und schimmen rüber zur Zeezot. Trotz Steffis Protest klopfe ich an, aber Joop, der schon wach war, kann sich so früh noch nicht zum Schwimmen aufraffen. Bis zur Luiza ist es uns zu weit, zumal auch die hin und her flitzenden Motorboote der Locals nicht gerade einen sicheren Eindruck machen.
Den Rest des Vormittags wasche und schleife ich das gesamte Holz in Höhe der Plicht an und Steffi repariert den Stecker unserer Buglaterne. Das Ding ist wirklich ein Quell ewigen Ärgers. Schon in England leckte der Sockel und auch jetzt ist der Stecker-Teil nicht dicht. Es kommt zwar durch den Sockel kein Wasser ins Boot, aber der obere Teil, wo sich die Pinne befinden säuft einfach ab und als ich in Barbados die Ankerlampe ausstöpselte, war einer der drei Pinne abgebrochen. Zum Glück bleiben uns damit noch zwei Pinne, mehr brauchen wir nicht.
Mittags gibt es auf der Luiza Lucs Geburtstagskuchen, ein richtig niederländisches Appelgebak. Nur die Sahne fehlt, aber auch so schwelgen wir. Beim Einstieg ins Dinghy löst sich dann der Knoten von unserem Schlüsslanhänger und unser Boots und Motorschlüssel verschwinden in 5 m Tiefe. Zum Glück liegen unsere Schnorchelsachen in Apelias Plicht, aber bevor Steffi damit zurück kommt, hat Luc unsere Schlüssel wieder aufgetaucht. Glück gehabt.
Gemeinsam fahren wir danach im Zeezot-Dinghy zum Strand und prüfen die Schnorchelbarkeit des Riffs. Da er bisher mit einer Schwimmbrille tauchte, schenken wir Joop dazu meine alte Brille. Ganz so klar wie erwartet ist das Wasser hier nicht (Luc: "Da kacken ja auch 200 Leute rein") aber die Dichte an interessanten Fischen ist so interessant, dass sogar Albertine sich ans Schnorcheln wagt und gleich angefixt ist. Morgen wird jemand Schnorchelsachen kaufen! Zwischen den Felsen entdecken wir Baby-Muränen, die schon feste ihre Mäulchen aufsperren, sobald wir uns ihnen nähern und vor dem Riff stehen ganze Schwärme von Sepias.

Baby-Muräne beim Posen.


Sepias stehen vor uns und ändern ihre Farben.


Auf dem Rückweg zu den Booten schwimmt Mieke und bleibt plötzlich verwundert auf der Stelle treiben. angeblich sieht sie einen Fisch, der über den Grund läuft. Das interessiert uns natürlich und so streifen Steffi und ich uns nochmal die Masken über und glauben dann selbst nicht so recht, was wir da 5 m unter uns sehen. Es ist ein Fisch, der aber an der Brust kleine Beinchen zu haben scheint, mit denen er über den Grund läuft. Und als ob das noch nicht genug sei, klappt er von Zeit zu Zeit richtig große Flügel auf. Ich tauche hinab und schieße ein paar Fotos. Zu Hause gucken wir dann in unserem Fischbuch nach und entdecken, dass dies ein Knurrhahn sein muss.

Ein ganz komisches Tier: Ein Knurrhahn.


Abends treffen wir uns zu sechst an Land, da Mieke und Luc uns zum Abendessen ausführen. Es ist wie im Katalog: In der Abenddämmerung sitzen wir auf einer Terasse, ein Meter über dem Wasser, hinter uns beginnt das Fiep- und Pfeiffkonzert des "Dschungels" und bei all dem bleibt es so warm, dass man in kurzer Hose und T-Shirt gerade eben nicht mehr schwitzt.

Abendstimmung in der Bucht von Bequia.


Das Restaurant überrascht uns mit einer mexikanischen Karte, aber es schmeckt super. Beim Zurückpaddeln staunen wir über das Sternenmeer über uns und den Wald von Ankerlämpchen. Auf der Luiza gibt es noch ein "Borrel" (was zu trinken), aber wir geben uns früh geschlagen und verschwinden gegen 21:00 in der Koje. Dass die Sonne hier schon um 18:00 untergeht, daran müssen wir uns echt gewöhnen. Zu Hause ist es ja kein bisschen anders, aber bei diesen Temperaturen kapieren unsere Körper das scheinbar nicht.


Mittwoch, 02.01.2008 (227. Tag)

Nach einem frühen Frühstück in der Plicht geht Steffi mit Joop joggen und ich verkrümele mich nochmal mit einem Buch in der Vorpiek und genieße es, die Seele baumeln zu lassen. Als Steffi zurück kommt nehmen wir dann aber wieder unser Vormittags-Arbeitspensum in die Hände. Als wir fertig sind, ist der Klarlack des gesamten Mittelbereichs angeschliffen und wir sind froh, so gut voranzukommen.
Bevor wir zum mittaglichen Schnorcheln aufbrechen, kommt Joao mit der Safari vorbei motort und nimmt Abschied. Dabei fährt er unser Dinghy über den Haufen, was das aber locker wegsteck. Bei 58 Fuß kann man halt von achtern nicht mehr so genau sehen, wo man langfährt.
Bevor wir mittags zum gemeinsamen Schnorcheln aufbrechen, paddeln Steffi und ich zum Ausgang der Bucht, wo seit gestern Abend die Maltese Falcon vor Anker gegangen ist. Ich habe schon früher Bilder dieser besonderen Megayacht im Internet gesehen, aber dieses Monstrum jetzt mal live zu sehen, ist schon etwas anderes. Vor allem, wenn man in einer kleinen Gummiwurst drumherum paddelt.

Ein besonderer Besucher in der Bucht, die Maltese Falcon.


Es lagen schon mehrere Megayachten vor der Bucht, aber die Maltese Falcon hebt sich aufgrund ihres Designs und Antiebs eindeutig vom weißen, PS-strotzenden Einerlei ab, denn sie segelt, bzw. kann segeln. Die Masten sind freistehend und drehbar, um die rah-ähnlichen Segel zum Wind auszurichten. Da hat wohl jemand schwer gerechnet, um das alles auszulegen und staunend paddeln wir den gesamten Rumpf entlang. An Deck nimmt natürlich niemand Notiz von uns und am Heck stutzen wir: Da rollen drei Jetskis in den Wellen, obwohl diese Nervtöter in den gesamten Grenadinen verboten sind. Wenn man reich ist, gelten scheinbar andere Regeln...
Mit den Luizas und Zeezots haben wir uns für den Nachmittag zu einer Taxi-Tour über die Insel verabredet. Auf dem Weg vom Anleger zum Zentrum des Orts werden wir schon angesprochen und nachdem ein annehmbarer Preis für drei Stunden Bespaßung vereinbart ist, steigen wir hinten auf den Pickup und lassen uns kreuz und quer über die Insel gondeln.
Bei jedem der feudalen Häuser auf der Westseite der Insel (hier wohnen keine Locals), sagt unser Fahrer, ob dort Schweden, Deutsche, Amerikaner oder Franzosen wohnen. Wir versuchen schon im Vorhinein zu raten, welche Nationalität welches Haus erbaut, aber bis auf ein ranch-ähnliches umzäuntes, amerikanisches Haus können wir keine eindeutigen Merkmale finden. Alle Bauten sind auf jeden Fall ziemlich groß.

Die teure Westküste von Bequia.


Unten am Wasser warten paradiesische Strände auf uns. Die Nähe, mit der hier alles am Wasser anfängt erstaunt uns immer wieder. Nach einem 3 m breiten Strand beginnt sofort eine palmenbestandene Wiese, auf der die Häuser einer Bar stehen. Klar, das Riff draußen hält die Wellen ab, aber bei einer Sturmflut steht hier alles sofort unter Wasser. Wir folgern, dass es hier sowas entweder gar nicht gibt, oder dass sich die Bauwirtschaft nach jeder Hurrican-Saison neu ankurbelt.

Die "Gang" am paradiesisch einsamen Weststrand.


Unseren Wendepunkt an der Westküste bildet eine Schildkrötenstation. Sobald irgendwo ein Nest entdeckt wird, sammelt man die schlüpfenden Babys ein und bringt sie hier her, wo sie ihre ersten fünf Jahre verbringen. Dann sind ihre Überlebenschancen sichtlich gewachsen und man hofft, die Populationen wieder aufzubauen. Auf Nachfrage erfahren wir viel Interessantes, während zu unseren Füßen die 10 cm langen Babys umeinander schwimmen. So können Meeresschildkröten bis zu 200 Jahre alt werden. In jungen Jahren sind sie "Fleisch"-Fresser und ernähren sich hauptsächlich von Quallen. Herumtreibende Plastiktüten sind damit ihre größten Feinde, da sie sie häufig verwechseln, auffressen und dann jämmerlich verrecken. Ab 5 Jahren schalten sie dann um und ernähren sich von da an vegetarisch von allem, was so am Seeboden wächst.
Es scheint also Hoffnung für die Schildkröten zu geben. Spaß am Leben erwartet sie aber erst nach der Freilassung. Bis dahin müssen sie hier in ziemlich trostlosen Betonbecken herumtreiben, vor allem die größeren Exemplare tun uns leid. In einem Becken schwimmt eine etwa 1 m große Schildkröte alleine. Sie ist das Haustier der Station, 11 Jahre alt und angeblich zahm. Sobald man seine Hand über das Wasser hält, kommt sie angeschwommen und wenn man dann feste über ihren Kopf rubbelt, streckt sie sich einem so wei wie möglich entgegen, so dass man auch an ihren weichen Hals heran kommt. Der fühlt sich ganz komisch zart an und steht in vollem Kontrast zum hart gepanzerten Rest.

Streichelverrückte Schildkröte.


Auf dem Weg zur Südseite halten wir an einem Kiosk und der Fahrer empfiehlt uns das auf St Vincent gebraute Hairoun Bier. Wir entdecken auch lokal hergestelltes Gingerale und rundherum versorgt geht es weiter zur Walfangstation. Ja, Ihr habt richtig gelesen. Es dürfen jährlich zwei Wale erlegt werden und nachdem wir das eine Fangboot besichtigt haben und klar ist, dass der Wal hier noch eindeutig Chancen hat davon zu kommen, stehen wir dem ganzen nicht mehr so kritisch gegenüber.
Sobald ein Wal gesichtet wird, legt das etwa 10 m lange offene Boot mit vier Mann ab. Motorengeräusch würde den Wal nur verschäuchen, also nutzt man die Segel und folgt den Anweisungen von Land, wo ein Mann mit einem Spiegel auf einem Berg steht und das Boot an den Wal heran leitet. Nachdem der Wal harpuniert wurde, legt er erstmal los und wie im Moby Dick Film bleibt den Walfängern nichts anderes übrig, als sich abschleppen zu lassen. Das kann manchmal Stunden dauern, bis der Wal so erschöpft ist, dass sie sich zum Todesstoß annähern können. Dann läuft die Zeit und muss das Atemloch und das Maul zugenäht werden, um ein Sinken des Kadavers zu verhindern. Erst jetzt bedient man sich modernen Hilfsmitteln und läßt den Fang vom lokalen Speedboot zum Land zurück schleppen, wo er vollkommen verwertet wird und die Leute aus weiten Umkreisen zum Kauf des Trans anlockt.

Unsere kleine Apelia im Ankerfeld.


Am Abend treffen wir uns noch zu einer "Borrel" bei uns an Bord. Wir haben extra Eis eingekauft um die Getränke zu kühlen (es schmilzt rasend schnell), aber nach all den Erlebnissen ist bei uns allen früh Schluss und fallen wir schon um 21:00 in die Kojen.


Donnerstag, 03.01.2008 (228. Tag)

Eigentlich wollten die anderen heute abreisen, aber es liegt noch soviel an Arbeiten an, dass sie heute noch bleiben. Auch wir nutzen den Vormittag wie immer zum Schleifen und abends komme ich bei untergehender Sonne endlich zum Lackieren. Am Ende sogar mit Stirnlampe. Dafür wird die Lackierung dann sauber, direkte Sonneneinstrahlung soll man angeblich vermeiden.
Den Tag verbringen wir mit Faulenzen und hängen zum ersten Mal unsere Hängematte auf. Es ist ein ganz billiges Modell aus Gran Canaria und das Liegen ist damit nicht so richtig entspannt. In der Mitte ist der Stoff stramm gespannt, aber links und rechts schlappert er locker im Wind, so dass man das Gefühl hat, man könnte leicht herausrollen. Von entspannt abfläzen also keine Spur.

Angespanntes Abhängen.


Beim Schnorcheln um die Apelia knibbele ich die ein oder andere Entenmuschel ab, die sich rasant ausbreiten. Allerdings nur bis zu einer bestimmten Größe. Danach tut das erodierende Antifouling seine Wirkung und wenn wir dann mal segeln, hinterlassen wir scheinbar einen Schwarm von halbwüchsigen Exemplaren im Kielwasser. Gut so.

Entenmuschel.


Gestern legte sich ein richtig gut aussehender Kat hinter uns vor Anker. Endlich mal etwas vernünftiges und nicht so ein Hausboot auf zwei Schwimmern a la Lagoon, oder was hier noch so herumtreibt. Das hier sieht aus wie ein skalierter Sportkat mit Kajüte und als sie ablegen schießen wir noch schnell ein paar Fotos.

Für uns wohl unbezahlbar, aber trotzdem geil.


Abends machen wir uns die Brotfrucht, die wir auf Barbados erstanden hatten. Das Ergebnis ist ziemlich enttäuschend. Die Messer sind völlig verklebt vom harzigen Saft und der Geschmack dieser Frucht ist einfach nicht vorhanden. Vielleicht war es ein unreifes Exemplar und müssen wir es später nochmal probieren. Die Kleberei an den Messern nervt auf jeden Fall tierisch beim Spülen, bis Steffi auf die Idee kommt, das Harz mit Öl anzulösen.

Ankern neben der Zeezot.



Freitag, 04.01.2008 (229. Tag)

Eine nach der anderen gehen die Luiza und die Zeezot ankerauf und verschwinden um die Landzunge Richtung Süden. Wir wollen uns bewusst noch etwas Zeit lassen um uns richtig zu entspannen. Die letzten Tage war dauernd irgend etwas los und jetzt wollen wir mal richtig die Seelen baumeln lassen und nach Herzenslust faulenzen.
Gleich morgens schon lese ich mich in dem Buch "Schloß aus Glas" fest. Aus ihren kindlichen Augen beschreibt eine Amerikanerin, wie sie in einer Obdachlosenfamilie aufwächst. So ähnlich wie "Die Asche meiner Mutter", aber eben nicht so weinerlich, sondern wohltuend naiv fröhlich. Man kann sich denken, wie hart das Leben war, aber das Elend wird eben nicht so breitgetreten.
So verpasse ich meine Schleifarbeiten während Steffi die Risse im Antislip-Feld am Bug steuerbord ausschleift und sie neu lackiert. Nur mittags zum Einkaufen kann ich mich kurz losreißen und nachmittags, als wir zur Terasse des Gingerbread-Hotel paddeln, wo es ein kostenloses WLAN gibt. Natürlich muss man dafür etwas zu Essen kaufen, aber die Preise sind gut, das einheimische Gingerale ist lecker und das Gingerbread ist der absolute Knaller. Wir mailen und nutzen zum ersten Mal die Skype-Out-Funktion. Für etwa 50 US Cent pro viertel Stunde können wir mit der Heimat telefonieren und wir machen kräftig davon gebrauch. Die Qualität ist gut und wir genießen es, unsere Freunde und Eltern ohne jeden Zeitdruck live zu hören.

Damit Ihr es uns endlich glaubt: So haben wir mit Euch telefoniert.


Abends paddeln wir für einen Cocktail zu einer der Strandbars paddeln. Unter den Bäumen sitzen wir dann auf einem Bänkchen, die Füße auf dem Mäuerchen zum Wasser und blicken auf das Meer von Ankerlämpchen. Seit Sylvester ist es in der Bucht deutlich leerer geworden, aber es liegen hier sicherlich immer noch um die 80 Yachten.

Buchladen an der Promenade.


Links der Strand, rechts die Läden.


Vor uns am Strand balgen sich spielerisch vier Hunde. Ausgerechnet der kleinste scheint den Unterschied zwischen Spiel und Sex nicht zu begreifen und rennt heftig rammelnd ausgerechnet dem einzigen anderen Rüden hinterher. So bleiben wenigstens die Mädels verschont vor diesem vor Potenz scheinbar überquellenden Winzling.


Samstag, 05.01.2008 (230. Tag)

Auch heute verbringen wir viel Zeit mit Nichtstun. Ich lese den ganzen Vormittag und nähe zwei Abnäher in jede Seite der Hängematte, während Steffi Spanisch lernt. Jetzt endlich können wir richtig abhängen, das Schaukeln der Apelia (die Speedboote nehmen null Rücksicht) bringt die Hängematte allerdings ganz ordentlich ins Wanken. Man braucht Vertrauen.

Jetzt kann man hemmungslos abhängen.


Nachmittags paddeln wir nochmal zum Gingerbreadhotel um das WLAN zu nutzen. Das Paddeln gegen den Wind ist anstrengend und wir fangen uns viele Kommentare ein, aber es macht uns Spaß und paßt in unseren Augen gut zum Segeln. Gegen unsere ruhige Fortbewegung sehen die um uns herum flitzenden Dinghys mit ihren Motoren ziemlich hektisch aus. "Nu mach mal nich' so'n Stress! Easyyyyyyyy!" wird für uns zur Standardfloskel.
Skypend hören wir vom Restaurant schöne Klaviermusik. Das muss live sein und da die Terasse einladend aussieht, entscheiden wir uns spontan zum Ausgehen. Der Klavierspieler ist wirklich gut und die Steaks, die es heute als Tages-Special gibt sind ausgezeichnet. Zum Nachtisch gibt es wieder Gingerbread, diesmal allerdings warm und mit Eis, was uns völlig umhaut. Das Zeug macht mich noch süchtig!
Auf dem Weg zurück zur Apelia brauchen wir kaum zu paddeln. Die 5-6 Bft, die die Bucht heruntergefegt kommen treiben uns flott vor sich her und wir haben viel Zeit, um uns herum zu blicken. So entdecken wir einen 42 ft langen Katamaran, der seltsamerweise quer zu allen anderen Booten steht. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass das Monstrum auf Drift ist und fast so schnell wie wir mitten durch das dichte Ankerfeld treibt. Wir können seinen Weg nicht gut vorhersagen, aber im Lee von uns liegt die Apelia, die mit so einem Brocken sicher nicht gut klar käme. Davor liegt (zum Glück) eine große irische Oyster und ich stemme mich in die Paddel um vor dem Kat bei ihr zu sein. Als wir die Eigner endlich herausgeklopft haben, passiert uns der Kat in 20 m Abstand, also keine Gefahr mehr für sie und die Apelia. Trotzdem bitten wir um Hilfe, was der Ire mit einem "okay, we'll see what we can do" quittiert und wieder nach unten verschwindet. "Was für ein Arsch", denken wir uns und paddeln schnell zurück zum Kat, der inzwischen schon 30 m weiter getrieben ist.
Wir versuchen unser Glück mit Paddeln, aber können bei diesem Monstrum und diesem Wind rein gar nichts ausrichten. Während Steffi im Dinghy standby bleibt und ich gerade an Bord klettere, trifft uns der Strahl einer dicken Taschenlampe. Der Ire und seine Frau sind im Dinghy angeflitzt gekommen und funken auf Kanal 68 um Hilfe. An Bord traue ich kaum meinen Augen: Die Tür zum Salon steht sperrangelweit offen und ich befürchte, dass gleich ein dicker Rottweiler vor mir steht. Ich rufe ins Boot, aber nichts tut sich. Da sind die Eigner wohl gutgläubig Essen gegangen, während ihr Boot die Mooring geknackt und sich auf die Reise gemacht hat. Mithilfe der Taschenlampe des Iren finde ich im Kettenkasten die Fernbedienung der Ankerwinde. Ein Knopf "up", ein Knopf "down", so einfach geht das. Polternd fällt der Anker in die Tiefe und ich gebe alle Kette, die da ist. Es rumpelt noch ein wenig, und dann kommen wir etwa 50 m vor einem Frachter zum Stehen.
Alle atmen auf und über das Marifon haben die Iren inzwischen erfahren, dass die Eigner unterwegs sind. Sie brauchen allerdings noch eine viertel Stunde, bis sie uns endlich finden. So eine Bucht ist halt groß, wenn das Boot sich selbstständig auf den Weg macht.
Das Eignerpärchen kommt aus Holland, lebt seit 16 Jahren in der Karibik und bietet mit ihrem Boot Charterfahrten an. Natürlich sind die beiden völlig aufgelöst und dankbar und nachdem ihr Boot an einer anderen Mooring hängt, müssen wir noch für einen Drink bleiben. Zum Dank laden sie uns für morgen Abend zum Essen ein.
Es kursieren viele Geschichten, dass man mit Moorings vorsichtig sein sollte und da man für eine Mooring meist einiges an Geld zahlen muss (10-15 US$), liegen wir lieber am eigenen Anker. Dies war allerdings die persönliche Mooring der beiden und sie wurde noch vor zwei Wochen gewartet. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass ein gebrochener Schäkel der Grund für das Abtreiben des Kats war. Es kann halt immer alles passieren.


Sonntag, 06.01.2008 (231. Tag)

Als Steffi zur Kirche paddelt, krame ich das Laptop heraus um Tagebuch zu schreiben und entdecke, dass das Display zerbrochen ist. Nur noch am linken Rand ist ein 8 cm breiter Streifen funktionstüchtig. Damit wird schon das Einloggen zum Geduldsspiel, geschweige denn das ganz normale Benutzen des Laptops. Das ganze nervt mich masslos und als Steffi zurück kommt, ist vom Dinghy das eine Paddel krumgebogen, dass es sich unter den Steg geschoben hat.
Heute ist eindeutig nicht unser Tag, also atmen wir zusammen tief durch, trinken einen Tee und gehen es dann ganz gemächlich an. Das Paddel vom Dinghy läßt sich wieder gerade biegen (bricht zum Glück nicht...) und wir machen einen Ausflug zur Megayacht EXTASEA, die heute die Bucht beehrt. Aus der Entfernung sieht sie ganz schön schick aus, aber aus der Nähe nerven die Wülste, die als stylistisches Element überall drangepappt sind. Das sieht doof aus und wir paddeln schnell wieder weg, um einen größeren Abstand zum Betrachten zu haben.
Am Himmel hängen heute übermäßig viele Fregattvögel. Ab und zu haben wir schon einen dieser Flugkünstler gesehen, aber heute sind es sicher fünf Stück, die über uns ihre Kreise drehen und uns faszinieren. Die Viecher scheinen nur aus Flügel zu bestehen, haben etwa 2 m Spannweite und der Umriss der Flügel ist wild gezackt und wirkt dami irgendwie böse. Kein Wunder, nach meinem Vogelbuch ernähren sie sich hauptsächlich davon, dass sie anderen Vögeln ihren Fang abluchsen.
Um uns vom Laptop abzulenken paddeln wir an Land um einen großen Spaziergang zu machen. Am Boot wird heute nichts gearbeitet, es ist ja Sonntag. Auf dem Weg in die Bucht fällt uns schon der enorme Schwell auf und weiter innen staunen wir über die Brandung, die vor den Terrassen der Cafés heute meterhoch aufspritzt. Da ist wohl nichts mit gemütlich sitzen und skypen (geht ja eh nicht). Es ist allerdings gemütlich, im Dinghy gerade vor dem Brandungsbereich zu dümpeln und sich das Spektakel und den Spießrutenlauf der Passanten von See aus anzuschauen.

Auswirkung des Schwells an Land.


Zum Glück dürfen wir hier am Steg anlanden, der weit genug ins Wasser hinaussteht und den Pfad am Wasser entlang schaffen wir auch im Trocknen. Dann schlagen wir den Weg von letztlich zur Westküste ein und wandern einmal über die Insel zu den paradiesisch einsamen Stränden. Unterwegs versuchen wir das ganze Grün einzufangen um Euch einen Eindruck davon vermitteln zu können.

Dieser Baum hat nicht ein Blatt, aber dafür verschwenderische Blüten.


Brotfruchtbaum. Die stehen hier einfach so in der Landschaft herum.


An der Westküste trinken wir etwas an einer Strandbar und kraulen dabei die zwei örtlichen Hunde durch. Neben uns sitzen zwei Frauen die mit der ARC herübergesegelt sind. Wir kommen ein bisschen ins Gespräch und erfahren, dass sie die letzten vier Tage eine andere Yacht mit Ruderproblemen begleitet haben. Natürlich kommt die Sprache auch wieder auf das Für und Wider der ARC und wir bekommen zu hören, dass sie das Begleiten nicht so gerne gemacht hätten, wenn das andere Boot kein ARC-Teilnehmer gewesen wäre. Das läßt wohl tief blicken, oder?
Zurück Am Boot sind wir ganz schön geschafft vom Spazieren. Nicht dass es so weit gewesen wäre, wir sind die langen Wege einfach immer noch nicht gewohnt. Müssen uns in Zukunft einfach mehr bewegen, um wieder ein wenig fitter zu werden. Schnorcheln alleine scheint nicht auszureichn, auch wenn wir inzwischen bis in zehn Meter Tiefe kommen.
Das Restaurant in das wir eingeladen werden ist das Lieblingslokal der beiden Holländer und sie haben nachgefragt, damit heute garantiert ihre favorite Köchin die Steaks zubereitet. Sie sollen das beste sein, was man in der gesamten Karibik essen kann. Da brauchen wir dem Rest der Karte also gar keinen Blick schenken und alle vier bestellen dasselbe: Steak. Und es stimmt wirklich. Die Dinger sind sowas von unglaublich zart. Ich habe ehrlich in meinem ganzen Leben noch nie so gute Steaks gegessen.
Danach werden wir noch zur obligatorischen Borrel auf's Boot eingeladen, aber da er ein kleines Alkoholproblem zu haben scheint, ist die Stimmung nicht sehr entspannt. Was will man auch erwarten, wenn vor dem Essen schon Rum, zum Essen eine dreiviertel Flasche Wein, danach zwei Bier und zurück an Bord wieder weiter Rum getrunken wird? Dass ich so gut wie gar keinen Alkohol trinke stempelt mich dagegen natürlich klar als Weichei ab, aber das kenne ich ja schon. Er ist nicht unser erster Charterskipper der dem Alkohol gerne zuspricht. Immer nur Segeln scheint also auch nicht erstrebenswert zu sein.


Montag, 07.01.2008 (232. Tag)

Wir schlafen heute morgen ziemlich lange aus, fühlen uns danach aber beide noch nicht wirklich fit. Unseren Plan, hier auszuchecken und in einem Gewalttörn die 80 nm nach Grenada zu bolzen lassen wir also lieber fallen. Stattdessen wollen wir nach Union Island, das sind 30 nm, also ein Katzensprung.
An Deck finden wir heute zum zweiten Mal einen kleinen Kalmar, dessen Gestank alles andere weit in den Schatten stellt. Wir haben sie schon nachts im Licht der Taschenlampe um uns herumwuseln sehen. Bei Gefahr springen sie und kommen dabei bis auf unser Deck hoch. Dort sind sie dann allerdings völlig aufgeschmissen. Von Kraken habe ich gehört, dass sie wieder ins Wasser "wandern" können, aber mit ihren kurzen Ärmchen schaffen Kalmare das wohl nicht. Beim Sterben verspritzen sie dann ihren Tintenvorrat und seitdem haben wir neben der Holepunktsschiene einen Schattenriß unseres Besuchers.

An Deck gesprungen und gestorben: Kalmar.


Wir sind mittags gerade dabei, unten alles seeklar zu machen, da hören wir ganz in der Nähe einer Ankerkette rasseln. Ich schaue mal nach und kann meinen Augen kaum trauen: 20 m neben uns ist die RoXanne beim Ankermanöver und die gesamte Kinderschar steht auf dem Vordeck und winkt zu uns herüber. Was für eine klasse Überraschung und während wir in die Badesachen schlüpfen, lassen wir den Plan vom Weitersegeln direkt mal fallen. Wir haben alle Zeit der Welt, jetzt muß erstmal das Wiedersehen hier auf der anderen Seite des Atlantiks gefeiert werden!
Es geht allen gut, nur die RoXanne trägt die ein oder andere Spur der langen Reise und Boris flucht über die Werft. Es ist halt immer dasselbe: Geworben wird mit überragender Qualität, aber in den Details sieht man den Zeitdruck, unter dem alles zusammen gehauen wird. So sieht es dann im Neuzustand gut aus, aber wehe man muß etwas ersetzen...
Das Hauptproblem ist momentan eine Schraube im Baum, in dem das Groß aufgerollt wird. Sie war zu lang und hat irgendwann das Vorliek auf mehreren Metern aufgeschlitzt. Die etwa 90 Quadratmeter Tuch wollen also im Wind abgerollt, gefaltet und mit dem Dinghy zum Segelmacher gebracht werden. Bei diesem Wind ein Haufen Arbeit, aber wir helfen natürlich und gemeinsam macht es Spaß.
Nachmittags zeigen wir den anderen unseren Schnorchel-Spot aber das Wasser ist heute seltsamerweise total trüb. Also machen wir einen Nachmittag am Strand (haben wir bis jetzt nicht ein Mal geschafft) und lassen die Seelen baumeln.
Das Abendessen gibt es auf der RoXanne und bei all den Stories von der Atlantiküberquerung, was uns bisher alles passiert ist und Fotos gucken wird es natürlich spät.


Dienstag, 08.01.2008 (233. Tag)

In der Nacht hat es angefangen zu regnen. Das kennen wir schon, aber heute ist es nicht nur ein kleiner Squall, sondern ein tropischer Dauerregen. Es gießt wirklich in Strömen und zeitweise verschwindet selbst die RoXanne hinter uns im grau. In der Plicht steht unser 10 l Eimer und als der Regen am Vormittag endlich aufhört, ist er zur Hälfte gefüllt. So haben wir jetzt also ein Regenfaß zum Abspülen der salzigen Sachen!
Als Morgengymnastik schwimmen wir einmal um die RoXanne herum und seifen uns hinterher auf der Badeplattform ab. Das ist unsere tägliche Morgenwäsche, ein Genuß, zumal Steffi ihre Haare heute in der Regenwassertonne ausspülen kann. Zum Frühstück lassen wir es uns dann richtig gutgehen: Es gibt Milchreis mit Banane, Rahmapfel, Grapefruit und Mango. That's life in paradise!
Jetzt wo wir die Bootsarbeiten so gut wie abgeschlossen haben, können wir den Tag ganz ruhig angehen lassen. Steffi baumelt in der Hängematte und ich schnorchele mit der Kamera bewaffnet um die RoXanne um Boris einen Eindruck seines Unterwasserschiffes zu vermitteln. Wegen eines entzündeten Ohrs darf er nicht tauchen. Interessant ist, dass der Bewuchs ein völlig anderer ist, als bei uns. Das muß wohl am Antifouling liegen, da die RoXanne mit hartem und die Apelia mit erodierendem gestrichen ist. Bei beiden gleich ist allerdings der eindeutig stärkere Bewuchs um die Austritte der Waschbecken und Klos. Hier zieht sich eine richtige Spur am Kiel vorbei nach achtern.
Nachmittags kommt Boris zum Kaffeetrinken vorbei und mit unserer Lindt Bitterschokolade aus Las Palmas machen wir ihn ganz heiß auf die Schokoladenfabrik auf Grenada. Nachdem wir ihm geholfen haben, sein Groß wieder ins Dinghy zu verladen (das gute 3DL-Segel muß wohl besser bei einem richtigen Vertragshändler von North-Sails genäht werden) paddeln wir weiter zum Gingerbread Hotel und klinken uns mit unserem 8 cm breiten Display ins Internet ein. Zu Hause sind die Mühlen direkt nach unserem letzten Tagebucheintrag in Gang gekommen und Andreas und Peter setzen wirklich alle Hebel in Bewegung, damit Andreas uns am 16.1. ein lauffähiges Laptop oder ein Ersatzdisplay mit nach Grenada bringen kann. Danke Ihr zwei!
Die vergangen Tage wurden wir wiederholt von einer schnuckeligen Jolle umkreist. Sie ist eindeutig amerikanisch, breit mit fast übertrieben geschwungenn Linien und es ist nicht klar, ob sie wirklich alt, oder nur auf alt gemacht ist. Wie wir auf Nachfrage erfahren ist es ein Cape Cod Kat Boat und da dem Eigner die Apelia so gut gefällt, kommt er immer mal wieder vorbeigesegelt. Irgendwann haben wir wohl all zu sehnsüchtig zu ihm rüber geblickt und so sind wir heute um fünf zu einem Sunset-Cruise eingeladen.
Peter verdient wohl so einiges an Geld durch den Börsenhandel, fing früher mit kleinen Booten an, die aber mit der Zeit immer größer bis am Ende sehr groß wurden. Als ihm das Organisieren der Crew zu aufwendig wurde, beschloß er, dass er eigentlich nur ein Wohnmobil und eine Jolle bräuchte um segeln zu können. In der Jolle sitzen wir nun und sein "Wohnmobil" ist die 30 m lange Motoryacht auf der anderen Seite der Bucht. Die hat nur noch einen Kapitän und liegt dort vor Anker, wo er segeln will.
Der Name am Heck des Dinghys sagt eigentlich alles: "Sweet" heißt es und wir sind völlig hingerissen davon. Es ist eine moderne Konstruktion, aber halt auf alt gemacht. Das 10 cm hohe, geschwungene Süll und die Bänke für maximal 6 Personen sind aus Holz, aber der Rumpf (5 m lang, 2,5 m breit) ist aus GFK und das gesamte Rigg sogar aus Kohlefasern. Die Beschläge sind allerdings aus Messing und so kommen wir uns vor wie eine feine Gesellschaft vor 50 Jahren, die sich zum Sonnenuntergang durch das Ankerfeld schippern läßt. Natürlich dürfen auch wir steuern und wir genießen das direkte und wahre Segelgefühl, dass einem einfach nur eine Jolle bieten kann. Da wundert es wirklich nicht, dass sogar die Edelstahlpolierer von den Megayachten neidisch herüberblicken.

Mit "Sweet" zum Sunset-Cruise.



Mittwoch, 09.01.2008 (234. Tag)

Es regnet schon wieder den gesamten Vormittag bis 13:00 und wir vertreiben uns die Zeit mit Lesen, Spanisch lernen (Steffi) und duschen im Regen. Als wir mittags vom Einkaufen zurückkommen und Apelia seeklar machen, kommt Peter mit seinem Kapitän im Dinghy vorbei und will uns für den Abend zum Essen an Bord einladen. Das bringt uns ernsthaft ins Schwanken. So eine fette Motoryacht von innen sehen, das wäre schon mal interessant. Aber wir haben uns mit der RoXanne zum Weitersegeln verabredet, sagen also schweren Herzens ab. Schade.

Tropische Schauer am Morgen.


Nachdem der Anker vertäut ist, drehen wir unter Segeln noch eine Runde um die Motoryacht und es scheint, dass man uns von drüben mit sehnsuchtsvollen Blicken hinterher winkt. Auch wenn es bei uns häufig sehr spartanisch zugeht, das Segeln erlebt man auf einem Boot wie der Apelia schon sehr pur und das ist es ja auch, was wir wollen.
Leider schläft der Wind immer weiter ein, und so wird das "pure Segelvergnügen" brutal durch den Motor abgewürgt, als wir das West Cay umrunden und auf Canouan Kurs nehmen. Hier ist die Küste von Bequia wieder so richtig einsam und wild und wir genießen den Ausblick. Im Wasser schwimmen außerdem noch jede Menge Kokosnüsse und die fliegenden Fische gleiten in ganzen Schwärmen vor uns davon. Rechts von uns nähert sich die Sonne dem Horizont und geht spektakulär hinter den davonziehenden Schauerwolken unter. Die Luft ist heute Abend glasklar un reingewaschen und wir können uns an dem Schauspiel kaum sattsehen. Schade, dass von unten die 10 PS dröhnen.
Mustique lassen wir weit links liegen. Das gesamte Land gehört einer Firma, die die Grundstücke zu horrenden Preisen verhökern. Somit ist die Insel zum Rückzugsort der schönen und reichen dieser Erde geworden und viele laufen sie an, um in der Bar evtl. mal Mick Jagger und Konsorten zuprosten zu können. Wie Otto immer so schön sagt: Wenn man so reich ist, dass man sich vom Rest der Gesellschaft abgrenzen muss, um sein Vermögen genießen zu können, was ist das dann überhaupt für ein Reichtum?
Um halb sieben ist es stockfinster und Steffi haut sich eine Runde auf's Ohr. Mit entspannt Wache gehen ist für mich heute leider nichts, denn es sind viele Boote unterwegs und viele davon mit völlig trüben Funzeln. Ich erschrecke mich ziemlich, als 50 m neben uns plötzlich ein Zweimaster auf Gegenkurs auftaucht. Seine Navigationslichter sieht man nur bei ganz genauem Hinsehen.
Als wir gegen neun die Nordspitze Canouans querab haben, hat der Wind endlich so weit aufgefrischt, dass es zum Segeln reicht und der Motor verstummen darf. In der Charlestown Bay angekommen hat der Wind dann aber schon wieder nachgelassen und wir schieben uns mit müden 3 kn durch das spiegelglatte Wasser. Das kommt uns aber ganz gelegen, denn wir müssen zwischen zwei Flachs durch, die eigentlich durch beleuchtete Pfähle markiert sind. Davon sehen wir nichts, aber im Schein der Taschenlampe entdecken wir immer mal wieder große Hornhechte, die geblendet vom Licht regungslos an der Oberfläche treiben. Einer liegt friedlich vor unserem Bug, bis wir ihn sachte berühren und er wild aufspritzend das Weite sucht.
Die RoXanne und die anderen Ankerlieger entdecken wir erst relativ spät und nachdem der Anker auf 4 m gefallen ist, sitzen wir noch eine ganze Weile bei einem Portwein im Cockpit und genießen die nächtliche Ruhe.


Donnerstg, 10.01.2008 (235. Tag)

Den Morning-Swim kombinieren wir mit einer Schnorcheltour zu den Ankern. In 4 m Wassertiefe ist das runtertauchen absolut kein Thema mehr und uns bleibt reichlich Zeit am Boden um die Seeigel und Seesterne, so dick wie Kopfkissen, zu betrachten. Mehr zeigt sich allerdings nicht, der Boden ist dicht mit grünem Seegras bewachsen.
Boris kommt mit Fynne und Yoran vorbei und nach einem Tee, begleiten wir sie auf einem Dinghy-Ausflug entlang der Küste nach Norden. Auf einem Stein, der über und über beschissen ist (und auch entsprechend stinkt) entdecken wir eine Gruppe Pelikane. Im Gegensatz zum Fels ist das Wasser aber kristallklar und lockt uns zu einer Schnorchelrunde ein. Hier sehen wir dann zum ersten Mal richtig bizarr geformte Korallen und selbst Boris, der kein Wasser ins Ohr bekommen darf, wagt eine kurze Runde an der Oberfläche.

Kristallklares Wasser hinter Canouan.


Könnte eine Fächerkoralle sein.


Die Korallen sind wie in einem Gärtchen angeordnet.


Um halb zwölf gehen wir ankerauf. Seit wir in der Karibik sind, machen wir uns einen Spass daraus dieses Manöver ohne Motor durchzuführen. Nur wenn das Ankerfeld sehr dicht ist, starten wir zur Sicherheit die Maschine, aber ansonsten klappt es ohne. Da unsere verzinkte Kette im Kettenkasten ein Türmchen bildet, statt sich sauber hinzulegen, liegt Steffi zu Beginn des Manövers in der Bugkoje und ordnet den Haufen im Kettenkasten, während ich die 6 mm dicke Kette einhole. Ist der Anker einmal aus dem Grund gelöst, spurtet Steffi durch's Boot in die Plicht und während ich den Anker vertäue, hißt sie die Fock und steuert uns zwischen den anderen Booten hindurch nach draußen.
Unser heutiges Ziel liegt sieben Meilen weiter südlich und sind die Tobago Cays. Hier findet man die Karibik, wie man sie sich vorstellt. Hinter dem halbkreisförmigen Horseshoe Reef liegen mehrere palmenbestandene Inselchen, das Wasser ist glasklar und dank des weißen Sandgrundes ankert man geschützt durch das Riff in türkisfarbenem Wasser. Schon von weitem sieht man diese unwirkliche Farbe leuchten und da man die braunen Korallenbänke ganz klar erkennen kann, beschließen wir, bis zum Ankerplatz zu segeln. Die Karte ist extrem detailliert, also alles kein Thema. Unsere anfängliche Angst vor der Augapfelnavigation zwischen den Riffen legt sich unter diesen Bedingungen ziemlich schnell.
Wir segeln um die nördlichste Insel herum in die Lagune und zwischen den ankernden Booten hindurch. Das scheint hier nicht üblich zu sein und alle Köpfe drehen sich nach uns um. Dabei ist das hier mal endlich richiges Karibiksegeln, wie wir es uns seit einem Jahr erträumen. Bis die RoXanne nach kommt, können wir sogar nochmal durch die Passage zwischen zwei Inseln zurück segeln, bevor wir den Anker im Windschatten der Insel Baradel auf 4 m Tiefe versenken.

So sieht ein glücklicher Bügelanker aus.


Die Ranger vom Nationalpark kommen direkt längsseits und kassieren die 10 EC pro Person und Tag. Das ist nicht viel Geld und wir vermuten, dass sie es locker an einem Tag mit ihren 2x 200 PS Aussenbordern verbraten. Sie erzählen uns, dass wir hinter der schwimmenden Absperrung vor uns schwimmen dürfen, dass man dort aber nicht ankern darf, wegen der Schildkröten.
Wirklich war, sie reden von SCHILDKRÖTEN! Da hält es uns keine Sekunde länger an Bord und wir schnorcheln los. Der Boden des abgesperrten Stücks ist überwuchert mit Seegras und es dauert eine Weile, bis wir tatsächlich die erste Schildkröte entdecken. Sie liegt gut getarnt zwischen dem Seegras und mampft mit vollen Backen drauflos. Als wir uns nähern zeigt sie keinerlei Unruhe und frisst einfach weiter. Nur wenn man die 3 m zu ihr herab taucht, wird sie unruhig und schwimm ein paar Meter weiter. Hat wohl schlechte Erfahrungen mit den Touristen gemacht.

Wir entdecken Schildkröten beim Abendessen.


Als wir 20 m weiter noch ein viel größeres Exemplar entdecken kennt die Begeisterung kein Halten mehr. Den gesamten Nachmittag schnorcheln wir durch die Gegend und beobachten diese urzeitlichen Tiere. Es hat was unglaublich rührendes, wie sie da so gedankenverloren vor sich hinmampfen und von Zeit zu Zeit mal an die Oberfläche zum Luftholen kommen.
Zum Abendessen gehen wir wieder auf RoXanne. Wir haben einen Papaya-Salat gemacht, aber zwischen Barbaras gesammelten Werken geht er so gut wie unter. Wir sitzen in der Plicht am richtig großen Tisch und genießen die abendliche Ruhe. In der Ferne sieht man im Dunkeln die Brandung leuchten und über uns funkeln millionenfach die Sterne. Das ist wirklich Luxus pur, aber es kommt noch besser: In St Lucia hat Boris einen "Blender" gekauft und so gibt es zum Nachtisch eine frozen Margerita. Was für ein Leben.
Zurück auf unserer Hundehütte vermuten wir zunächst, dass unsere Uhr stehengeblieben ist, aber es ist wirklich erst 20:30. Dabei sind wir aber völlig k.o. und bettreif. Das Schnorcheln fordert eindeutig seinen Tribut. Vom Abendessen unter dem Sternenhimmel angeregt, sind wir nicht bereit, uns jetzt in die Bugkoje zurückzuziehen. Zu Hause hatten wir immer davon geträumt und jetzt endlich ist es mal soweit: Wir holen die Salonpolster heraus und machen es uns damit in der Plicht bequem. Ganz sicher ist dieser Schlafplatz aufgrund der Squalls nicht, aber wir sind für einen schnellen Rückzug gerüstet und genießen beim Einschlafen den Blick in den Sternenhimmel, während Apelia sachte an ihrem Anker schwojt.