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Von Camaret-Sur-Mer (F) bis Santander (E)

Momentan liegen wir in Pornic und warten darauf, dass das Wasser hoch genug steigt, damit wir auslaufen können. Es weht nämlich Nordwind, der uns gemütlich über die Biskaya bringen soll. Wir wollen von hier bis Santander fahren, das sind 240 Meilen. Wir rechnen mit 2 bis 3 Tagen. Genug Wasser und Lebensmittel sind an Bord, jetzt muss nur noch das Wasser steigen....

Montag, 09.07.2007 (51.Tag)

Einlaufen nach Camaret


Frisch angekommen in Camaret wollen Barbara und Boris uns direkt zum Essen einladen, aber wir sind nach der Überfahrt aus England einfach zu erschlagen. Unsere Energie reicht nur noch zu einem kleinen Rundlauf durchs Dorf und einem Baguette auf die Hand. Dazu eine Orangina, das ist für uns schon ein kleines Festessen, die Ankunft im kulinarischen Paradies! Erstaunlicherweise klappt die Verständigung mit Tims Schulfranzösisch richtig gut. Ein schönes Gefühl, sprachlich nicht so ganz abgeschottet zu sein.

Frisch angekommen


Es ist der Geburtstag von Steffis Lieblings-Mischael (ehemaliger Arbeitskollege), also ist noch ein Telefonat fällig. Es tut sichtlich gut, die vertraute Stimme zu hören und wir befinden uns in Hochstimmung. Lange hält sie allerdings nicht mehr an, wir sind einfach zu k.o., fallen um 21:00 in die Koje und schlafen wie die Steine. Es tut gut, wenn sich mal nicht alles bewegt und Krach macht.

Dienstag, 10.07.2007 (52.Tag)

Nach einem herrlichen Frühstück macht Tim sich an das Tippen des neuen Reiseberichts. Boaz (der älteste Sohn von Barbara und Boris) hilft Steffi zuerst mit ein paar Bootsarbeiten (nach so einer Überfahrt sieht's aus wie im Saustall), danach gehen sie an den Strand, um einen Schwimmversuch zu starten. Steffi macht trotz der Kälte (17 Grad) ein paar Schwimmzüge, aber das Seegras treibt sie schnell wieder zurück.
Nachmittags bereiten die beiden noch einen Tomatensaltat und Leckereien vor, denn wir wollen gemeinsam grillen. Kurz vor dem Abmarsch schneidet Steffi Tim noch die Haare, dann kann's losgehen.

Boaz schneidet Tomaten für den Salat.


Unter Boris Führung klettern wir auf die Klippen hoch und lassen uns auf dem Dach eines alten Bunkers nieder. Von hier oben hat man einen tollen Ausblick über die Bucht, die ein- und ausfahrenden Boote und den Abhang, der vor lauter Erika lila leuchtet. Unser Einmalgrill aus GB kommt zum Zuge und zu gegrillten Mergueze-Würstchen, Gemüse und Salat leeren wir eine Flasche Champagner. Zum Nachtisch gibt's noch ein Obstsalat, dann sind die Bäuche voll. Mit diesen Temperaturen und dem Ausblick ein absolut sensationelles Essen.

Gemeinsames Picknick mit Ausblick über die Bucht und den Hafen.

Mittwoch, 11.07.2007 (53.Tag)

Heute wollen wir über die Klippen wandern! Der gestrige Ausblick und die vielen Blumen haben es uns angetan. Vorher schauen wir aber noch bei einem holländischen Ehepaar vorbei, die uns noch Tipps für die Südbretagne und Nordspanien geben. Die Pilotcharts versprechen gute Winde und nehmen uns etwas die Angst, dass wir nachher wieder wie in Südengland wegen des anhaltenden Westwindes festsitzen. Auf dem Weg zurück zur Apelia kommen wir kaum voran, weil wir hier und da angequatscht werden. Jeder ist fröhlich und mitteilsam. Das muss am sonnigen Wetter liegen.
So kommen wir erst mittags los. An der Touristinfo bekommen wir eine Karte und dann geht's über kleine Trampelpfade quer über die Halbinsel auf die andere Seeseite um von dort entlang der Klippen zurück zu wandern.
Unsere Karte ist zwar exakt, aber die Wege sind schon sehr abenteuerlich. Hier ist schon lange keiner mehr gelaufen und es ist unglaublich feucht. Überall entspringen Quellen und verwandeln den Pfad in matschige Tümpel. Das stört uns aber nicht sonderlich, so kommen wir mal wieder in engen Kontakt zum Medium "Land". Wir stapfen fröhlich mit unseren Profiwanderschuhen (Birkis) durch den Modder.

Profiwanderausrüstung für schwere Matschtouren.


Die Blumenpracht ist unbeschreiblich. Wir können uns kaum sattsehen an den vielen unterschiedlichen Arten in allen erdenklichen Größen und knippsen in einem fort.


So schlendern wir mehr als das wir wandern durch die tolle Landschaft, genießen die Ruhe an einem kleinen Privatstrand (wären fast schwimmen gegangen, war Tim aber dann doch zu kalt, die Memme) und die Ausblicke ins glasklare Wasser. In einem Café gibt's Far Breton. Das ist in unseren Augen dasselbe wie ein Flan und im wesentlichen ein Stück Puddingkuchen, das kalt gegessen wird und damit richtig erfrischend schmeckt.

Leuchtende Erika durch die der Pfad führt.


Glasklares Wasser lädt zum Baden ein. Tim schwächelt, zu kalt.


Zurück bei der Apelia wird schnell klar, dass die RoXanne-Kinder unseren Ausflug doof fanden. Sie haben uns eindeutig in ihre Herzen geschlossen und klettern fröhlich auf der Apelia herum, während wir unten basteln. Besonders gerne stellt Boaz sich am Mast auf unser Segelkleid und "surft" und wir bangen etwas um unsere oberste Latte, die aber mit seinen paar Kilos locker klar kommt.
Nachmittags kaufen wir Steffi eine neue Ölhose. Unsere alten scheinen runter zu sein und wenn wir auf den nassen Bänken sitzen, haben wir irgendwann feuchte Hosenböden. Der Kauf entpuppt sich als Volltreffer. Erst an Bord sehen wir, dass die Hose für Frauen geschneidert ist und sich links und rechts Reißverschlüsse öffnen lassen. D.h. für die Klogänge ist zukünftig kein vollständiges Auspellen mehr nötig.
Abends laden wir die gesamte RoXanne-Besatzung zu Salat mit Käse-Galettes und Geburtstagskuchen (mangels Ofen gekauft) ein. Sie überraschen uns mit dem Wunsch, lieber bei uns zu feiern und so quetschen wir uns am Ende alle zusammen bei uns in den Salon und futtern. Ist was anderes als auf der X55, aber trotzdem gemütlich.

Nachgeholte Geburtstagsfeier bei uns an Bord.


Später kommen auch noch Daniel und Eva von der Aphrodite dazu (da sind die Kinder schon im Bett). Sie haben eine ähnliche Tour vor wie wir, und warten schon seit ein paar Tagen auf gutes Wetter (bzw. guten Wind) für die Überfahrt nach La Coruna. Ihre Aphrodite ist noch etwas kürzer als die Apelia und es tut gut zu sehen, dass andere ähnlich "bescheiden" unterwegs sind.

Donnerstag, 12.07.2007 (54.Tag)

Auch heute können wir uns noch nicht so richtig dazu durchreißen weiter zu fahren. Der Wind kommt noch aus SW, d.h. bis zum Raz de Sein müssten wir kreuzen und davon haben wir erstmal die Nasen voll. Also nutzen wir den Tag zum Basteln. Die Reichweite unserer UKW-Anlage ist immer noch bescheiden und so langsam kommen wir in Gebiete, wo wir das beheben sollten. Nachdem wir die Stecker ausgetauscht haben, ist das Kabel im Mast in unser Visier gerückt. Eingezogene Feuchtigkeit soll den Empfang zunichte machen, also wollen wir es austauschen.
Im Segelladen stellt sich heraus, dass ein Komplettpaket mit Antenne + Kabel billiger ist als ein neues Kabel (sind halt Apothekenpreise), also bestellen wir es und kommen darüber mit Philipp, dem Verkäufer ins Gespräch. Er ist in unserem Alter und völlig begeistert von unserer Tour, so dass wir ihn für den Abend einladen.
Da zunächst nicht klar ist, wann die Antenne da ist, muss Tim öfter zum Laden, der aber ganz auf der anderen Seite des Hafens liegt, der sich in eine natürliche Bucht schmiegt. Zu Fuss sind das etwa 1,5 km und nach dem zweiten Mal nervt's. Also blasen wir die Gummiwurst auf und ab jetzt wird gepaddelt. Eva und Daniel erzählten uns von einem großen Tümmler, der ab und zu in den Hafen kommt und sich an den Booten reibt. Auch wenn es "nur" ein Delphin ist, ein Tümmler kann locker mal 3 m lang sein und in unserem Schlauchboot wären wir damit etwas überfordert. So ganz entspannt paddelt es sich also nicht.
Nachmittags legen Daniel und Eva ab. Es soll zwar die gesamten kommenden Tage aus SW wehen, aber sie sind inzwischen rappelig vom Festliegen. Das kennen wir noch zu gut aus England, aber über die gesamte Biskaya zu kreuzen, dafür liegen wir hier noch nicht lang genug fest. Wir drücken ihnen auf jeden Fall die Daumen, dass es trotz des Gegenwindes eine angenehme Tour wird.
Abends stellt sich heraus, dass Boris nochmal nach Holland fliegen muss. Weil es uns hier so gut gefällt und wir uns inzwischen richtig gut mit den beiden und ihren Kindern angefreundet haben, beschließen wir, Barbara nochmal für zwei Tage Gesellschaft zu leisten. Keine Ahnung wieso, aber irgendwie drängt es uns momentan auch nicht dazu, weiter zu kommen.

Freitag, 13.07.2007 (55.Tag)

Heute machen wir einen kleinen Ausflug nach Morgat um die dortigen Grotten mit einem Touristendampfer zu besuchen. Gemeinsam mit Barbara und den drei Kindern nehmen wir den morgendlichen Bus (es fahren täglich drei) und sind nach 20 min da. Unterwegs geht es an einem massiv abgesperrten und verbunkerten Berg entlang und später erfahren wir, dass hier Atomsprengköpfe gelagert werden.
Wegen der Tide startet die erste Bootstour erst um 14:00. Eigentlich kein Problem, da man sich die Zeit gut am Strand vertreiben kann, wenn nicht unser letzter Bus um etwa dieselbe Zeit abfahren würde. Taxen sollen allerdings günstig sein, also beschließen wir zu bleiben.

Eines der Produkte des Vormittags.


Die Bootstour entpuppt sich dann als langweiliger Touristen-Nepp. Es geht erstmal 45 min lang die Küste entlang. Sie ist wirklich malerisch, aber wenn man sowieso schon mit dem Boot unterwegs ist, beeindruckt einen das nicht wirklich. Die Wellen sind kurz und gut 1 m hoch, das Motorboot schaukelt und stampft, Schwingungsdämpfung des Motors scheint ein Fremdwort zu sein und es stinkt nach Abgasen. Wirklich alle kämpfen mit der Übelkeit und sind froh, als wir wieder umkehren, um in die eigentliche Grotte zu fahren.
Die Einfahrt ist dann auch wirklich eine seemännische Meisterleistung. An jeder Seite ist nur ein knapper Meter Platz und die Wellen machen das Manöver nicht einfacher. Trotzdem fahren wir ohne zu Touchieren in die Grotte ein. Einmal drinnen bietet uns (Ingenieuren) dann aber wenig Spektakuläres. Schleimige Felsen mit ein paar auskristallisierten Mineralien. Wahrscheinlich wäre ein Höhlenforscher ganz aus dem Häuschen, aber die Seemanschaft finden wir beeindruckender. :o) Die Höhle ist auch zu klein für ein Wendemanöver und so geht's achteraus wieder hinaus und dann zum Glück auf direktem Weg zurück in den Hafen.

Wieder rückwärts aus der Grotte.


Zurück in Camaret holen wir unser neues Antennenpaket ab und hauen uns erstmal auf's Ohr. Die ganze Zeit Kinder zu betreuen schafft ganz schön. Außerdem ist beginnt heute Abend die Feierlichkeit zum Gedenken an den Sturm auf die Bastille. Es soll heute Abend und morgen überall gefeiert werden, da wollen wir ausgeschlafen sein.
Um 23:00 regnet es und wir machen uns im Ölzeug auf in die Stadt, als genau neben der kleinen Burg am Hafen das Feuerwerk los geht. So stehen wir genau darunter im strömenden Regen und freuen uns an dem Geknalle über unseren Köpfen. Danach gehen wir noch ins Dorf, aber so viel ist doch nicht los und wir merken, dass wir noch ziemlich k.o. sind. Am Dorfplatz spielt noch eine ziemlich schlechte Band, es gibt also nichts mehr zu sehen, Zeit für's Bett.

Samstag, 14.07.2007 (56.Tag)

Wir machen einen Basteltag, lackieren ein wenig und dann ziehe ich Steffi endlich in den Mast und wir tauschen das Antennenkabel komplett aus. Zunächst hatte ich noch Bedenken, Steffi in die freistehende Mastspitze, wo es nur noch den Achterstag gibt, zu ziehen. Der Mast ist dort doch schon ziemlich dünn, aber meine Sorgen entpuppen sich als grundlos. Es geht prima und Steffi kommt an alles gut heran. Wir haben "am Boden" noch eine Checkliste geschrieben, die sie abarbeitet, so vergessen wir nichts und das Durchziehen des Kabels klappt problemlos. Der Test ist dann eine Ernüchterung, es hat sich nichts geändert. Wir empfangen mit der Handfunke immer noch mehr als mit dem Einbaugerät. Ziemlich ernüchternd, bleibt uns also nichts anderes übrig, als uns langsam weiter durch zu testen.

Toll, wie man dank der Tide kostenlos an sein Unterwasserschiff kommen kann.


Abends spielt direkt am Hafen eine Band bretonische Volksmusik. Das ist richtig klasse Folk, den man sonst eher aus Irland kennt. Es regnet, aber das hält die Bewohner des Dorfs nicht davon ab, sich hier vor der Burg am Hafen einzufinden und zu feiern. Es ist urig und gesellig und wir teilen uns ein "Soldatenmenü" und genießen die Stimmung.
Zurück an Bord sind wir dann leider ziemlich schnell genervt. Eine Gruppe von 6 Franzosen in unserem Alter ist nachmittags längsseits gegangen. Keiner scheint Ahnung vom Segeln zu haben und es tut weh, zu sehen wie sie ihr Boot so stramm an der Apelia vertäuen, dass die Fender scheuern. Außerdem trampeln sie dermaßen unbeholfen über unser Vordeck und veranstalten dabei ein wahres Konzert an rappelnden Wanten und Relingsdrähten, da sie überall hängen bleiben. Wir kämpfen mit uns um nichts zu sagen. Sie müssen uns für die letzten Oberspießer halten, da sie sehen, wie penibel wir auf unser Material achten, aber sie wissen ja auch nicht, wie sensibel der Lack ist und was wir noch vor haben. So leiden wir halt still vor uns hin und schlafen schlecht, da das Getrampel die gesamte Nacht durch geht.

Sonntag, 15.07.2007 (57.Tag) - Montag, 16.07.2007 (58.Tag)

Heute wollen wir weiter. Es ist interessant, wie man eine Zeit lang gar nicht weiter will, dann aber doch irgendwann Hummeln im Hintern bekommt und weiter will. Camaret erschien uns nach der Ankunft wie das Paradies, aber inzwischen nerven uns mehrere Kleinigkeiten (z.B. die dreckigen Klos) und wir sehnen uns nach einem Tapetenwechsel.
Steffi kauft ein und ich laufe nochmal durch die Gegend um ein paar typische Motive zu knippsen. Am urigsten sind die alten Fischerboote, die einfach nur bei Hochwasser im Hafen auf den Steinstrand gerammt wurden und jetzt dort vergammeln. Es sind Zeugnisse der vergangenen Hochphase der Fischerei, die aufgrund der Überfischung auch hier langsam stirbt. Die Besatzung eines Nachbarschiffes erzählte, dass sie 3 Tage in einem Hafen der Südbretagne fest saßen, weil die Fischer gegen einen EU-Beschluss zur Reglementierung des Sardinenfangs protestierten und kurzerhand den Hafen sperrten. Die Stimmung muss extrem agressiv gewesen sein, es brannten alte Netze und Autoreifen, eine riesen Schweinerei im Hafen und die Polizei traute sich nicht einzugreifen, bis sich die Segler als große Gruppe mobilisierten. Ein Glück, dass uns sowas erspart blieb. Bisher haben wir die Fischer immer als sehr freundlich empfunden. Treffen wir sie auf See kommen sie öfter mal knapp vorbei und winken uns fröhlich zu.

Wir dachten sowas gäbe es nur in Indien. Ein echter Schiffsfriedhof.


Auf dem Rückweg aus dem Dorf trifft Steffi Boris, der unglaublich froh ist, wieder zurück zu sein. Obwohl sie auch erst zwei Monate unterwegs sind, war seine Reise scheinbar ein richtiger Ausflug in die Vergangenheit und der Lärm und Dreck in Amsterdam haben ihn sichtlich abgeschreckt. Wir fragen uns manchmal, wie es zu Hause in Flensburg ist und wie es wäre, vorbei zu schauen. Unsere Freunde mailen ab und zu mal einen Statusbericht und es ist schön, an die Heimat zu denken und zu erfahren, was es z.B. auf der Werft oder im Katclub neues gibt. Danke an alle!

Boaz bringt noch eine Tasse mit einer Füllung und Pfannkuchen als Abschiedsgeschenk vorbei, dann starten wir um 13:00 endlich unseren Motor. Pünktlich setzt ein Nieselregen ein und unser Tiefenmesser+Log machen Mucken. Irgendwo scheint ein Wackler zu sein (wegen der anhaltenden Feuchtigkeit?), aber irgendwann bootet das System. Wir wollen uns gerade von den "RoXannes" verabschieden, da lenkt uns ein lautes Schnaufen ab. Direkt neben der Apelia hebt sich ein grauer Buckel aus dem Wasser, der Tümmler ist zu Besuch! Also gucken wir ihm noch eine halbe Stunde zu, wie er von Boot zu Boot schwimmt und irgendwie Gefallen daran findet, seine Stirn an den Unterwasserschiffen zu reiben. Er hat schon ein paar bleue Flecken vom Antifouling. Ist wahrscheinlich ein Antifouling-Junky...
Die Verabschiedung ist kurz, aber herzlich. Wer weiss, wo wir die RoXannes wiedersehen werden. Sie wollen die Biskaya in einem Stück queren, aber spätestens auf den Kanaren werden wir uns wiedersehen!
Gegen den schwachen SW kreuzen wir im Regen auf den Raz de Sein zu. Das ist die letzte Passage, bei der man auf schiebenden Strom (bis zu 5 kn) achten sollte. Alles ist grau in grau und ziemlich trist. Dafür gibt es kaum Wellen, ich komme also gut klar, obwohl ich ab jetzt dauernd in mich hineinhorche, ob da nicht doch ein wenig Seekrankheit aufkommt. Das ist wirklich extrem ärgerlich! Auf unseren ersten Nordseestücken war ich noch restlos entspannt, aber jetzt spielt die ganze Zeit die Angst vor der Seekrankheit eine Rolle und hemmt mich. Mal sehen, wie lange ich brauche, um darüber hinweg zu kommen.
Wir halten strikt unsere 3 h Wachen ein, aber Steffi kocht in ihrer Freiwache einen Linseneintopf. Er schmeckt bei diesem kühlen, feuchten Wetter einfach himmlisch und tut dem Magen unglaublich gut. Aus der Bucht von Douarnenez kommt ein unglaublich großes Squaretoppsegel auf. Es kreuzt auch in unsere Richtung, aber ist dafür mindestens doppelt so schnell. Als sie unser Kielwasser kreuzt, erkennen wir, dass es Groupama 3 ist. Ich glaube das ist ein 100 ft langer Trimaran, der dafür gebaut wurde, den Weltrekord zur Umrundung der Erde zu brechen. Es ist auf jeden Fall ein unglaublich großer Klotz, der da mal eben so an uns vorbei fährt. Wir sind dem Raz nicht mal deutlich näher gekommen, da ist Groupama schon durch und entrollt ihren Blister. Trotz des großen Abstands (die Rümpfe verschwinden fast hinter dem Horizont) ist die Beschleunigung deutlich zu sehen und kurze Zeit später ist der Tri hinter dem Kap verschwunden.

Wir sind endlich im französischen Segel-Mekka angekommen: Groupama 3.


Als wir den Raz de Sein um 20:00 passieren hört es auf zu regnen und der Strom drückt uns mit 5 kn durch. Es herrscht kein Schwell, aber die strömenden Wassermassen sorgen im Strömungslee der Leuchttürme für eine kochende See, so dass wir zur Sicherheit einen etwas größeren Abstand wählen. Wir durchqueren riesengroße Strudel und steile Wellen, die wie aus dem Nichts entstehen. Es ist unglaublich beeindruckend, diese bewegenden Massen zu spüren und wir sind mittendrin.

5 kn Strom durch den Raz de Sein sorgen für große Strudel und Kabbelwasser.


Trotz der ruhigen Bedingungen konnte ich nicht gut schlafen und bin ziemlich groggy, als ich um 0:00 meine Hundewache beginne. Zum Glück steuert der Windpilot und ein unglaublicher Sternenhimmel lenkt mich ab. Ich liege also entspannt in der Plicht und gucke alle 15 min mal in die Runde, als ich um 1:00 plötzlich ein Schnaufen und Platschen höre. Beim Blick über die Bordwand erschrecke ich mich erstmal, kann mich dann aber schnell entspannen: Acht Delphine umschwimmen die Apelia. An sich fast schon "normal", aber hier bietet sich ein unglaubliches Schauspiel: Das Wasser ist glasklar und wir haben Meeresleuchten. Die Delphine ziehen also einen grünen Funkenregen hinter sich her und hinterlassen eine leuchtende Spur. Man kann jedes Tier verfolgen und sieht, wie sie unter uns durchschießen und wahnwitzig enge Spiralen ziehen. So begleiten sie uns etwa eine halbe Stunde lang und sind genau so schnell verschwunden wie sie kamen, hinterlassen mich aber mit einem euphorischen Gefühl. Das war der Kitsch pur, von dem man immer liest! :o)
In der nachfolgenden Wache bekommt Steffi viel zu tun, da uns eine ganze Fischer-Armada begegnet, die alle eher weniger koordiniert durch die Gegend fahren. Wir müssen dringend mal einen Fischer ansprechen und fragen, wie sie fischen. Für Schleppnetze sind sie einfach zu schnell und warum sie so plötzlich ihren Kurs wechseln ist uns völlig unklar.
Wir kämpfen in den Nachtwachen noch mit einem leichten Gruselgefühl, dass sich richtig ausbreiten kann, wenn man nicht dagegen ankämpft. Es ist einfach ein seltsames Gefühl, nachts so ganz alleine in der Plicht zu sitzen und zu wissen, dass man völlig blind über diese für uns so unbekannte Welt schippert. Was da so alles herumschwimmt will man gar nicht so im Detail wissen. Makrelen sind okay, Thunfische wären auch mal nett, Delphine sind klasse, aber es gibt ja auch ein paar unfreundliche Wesen und vor allem nachts regt dieses schwarze Wasser die Phantasie schon ganz gut an.
Steffi wird ganz gut unter Spannung gesetzt, als Apelia nachts knapp eine Fischerboje passiert. Sie sieht sie erst, als sie 2 m neben dem Bug auftaucht. Objektiv alles kein Problem, sie ist aus Gummi und wir hätten sie ohne Schaden rammen können, aber durch die Bewegung im Wasser leuchtet die Leine im Wasser hell auf, Steffi sieht also irgend ein leuchtendes Band, was in der schwarzen Tiefe verschwindet. Den Rest besorgt dann die Phantasie...
Ansonsten bietet diese Strecke keine Besonderheiten mehr. Wir hangeln uns zwischen dem Land und den vorgelagerten Inseln entlang. Alles schöne Orte, für die wir uns gerne mehr Zeit nehmen würden, die wir aber schon in England verplempert haben. Aber es liegen ja noch reichtlich schöne Orte vor uns. So durchsegeln wir in der Nacht drei Karten, was uns zu der Aussage: "Es war schön mit Euch, aber Ihr wart eben nur Karten für eine Nacht", hinreißen läßt, kreuzen ein riesengroßes Regattafeld und begegnen noch dem Maxi-Tri IDEC. Ab und zu ziehen Schauer durch und lassen den halben Wind auffrischen. Das beschert uns 7,5 kn auf der Logge und sorgt für Hochstimmung. Es ist einfach schön, auf einem schnellen Boot auf sein Ziel zuzufliegen.
Das Ziel heisst La Turballe und ist ein Mißgriff. Ein rein touristisches Kaff neben einer öden Marina ohne jeden Charme. Über den optischen Wert steht halt leider nichts im Hafenführer. Im Segelladen kaufen wir eine Seekarte für den nächsten Abschnitt. Sie haben keine Imray-Karten, also müssen wir auf die französischen Karten wechseln, die in unseren Augen die letzten Spielzeugkarten sind. Völlig bunt, unübersichtlich und mit einer Rasterung, die einen verzweifeln läßt. Wieso werden die Minuten in Sechstel statt in Zehntel geteilt???? Navigieren die in Frankreich mit Sekunden? Was Seekarten angeht schwören wir inzwischen auf die britischen Imray-Karten.
Abends schlendern wir noch durch den Ort. Eine Kugel Eis kostet 2 EUR, lassen wir also auch bleiben und da es anfängt zu regnen genießen wir eine Orangina in einem kleinen Restaurant. Auch diesmal liegen wir wieder im Päckchen. Unsere Nachbarn, zwei jüngere Franzosen, sind allerdings das totale Gegenteil zu denen in Camaret. Ohne einen Laut gehen sie über das Vordeck und sind zwar sehr schüchtern aber sehr nett. Sprachlich ist es allerdings wie mit allen Franzosen sehr schwer. Sie bleiben stur beim Französisch, auch wenn sie scheinbar alles auf englisch verstehen. Für ein richtiges Gespräch ist mein Französisch aber zu schlecht und so kommen wir nicht wirklich in Kontakt zu Einheimischen. Eine Ausnahme war da Philipp aus dem Segelladen in Camaret, mit dem wir einen sehr netten Abend hatten.

Dienstag, 17.07.2007 (59.Tag)

Aufgrund der Tide können wir unser nächstes Ziel (Pornic) erst abends anlaufen, haben also den Vormittag zum Basteln. Zuerst suchen wir allerdings vergeblich nach unserer neuen Seekarte. Bis heute ist sie nicht mehr aufgetaucht und es ist uns ein Rätzel, wo wir sie verdaddelt haben. Es hilft nichts, in diesen Gewässern sollte man gut gerüstet sein, wir müssen also noch eine zweite kaufen.
Ich zerlege nach und nach unsere Bordelektronik. Finde einen Wackelkontakt und eine durchgebrannte Sicherung. Danach geht alles wieder uns sogar die SB Bedieneinheit piept wieder. Später bootet das System allerdings wieder nicht, das Hochfahren ist also momentan noch ein Glücksspiel und scheint von der Luftfeuchtigkeit abzuhängen. Das ist aber erstmal egal, denn endlich scheint die Sonne von einem fast wolkenfreien Himmel und es wird endlich mal richtig warm. So hatten wir uns das schon lange vorgestellt!
Um 16:00 reicht der Wasserstand um diesen Hafen zu verlassen. Wir müssen erst noch gegen eine ekelig kurze Welle aus der Bucht rauskreuzen. Nachdem wir dann allerdings die Westkardinale vor Le Croisic umrundet haben fallen wir auf halben Wind ab und jetzt folgt ein "Flieger", der fast so schön ist wie mit dem Kat. Mit bis zu 8 kn schießen wir los und das bei warmem Wetter und strahlendem Sonnenschein. Herrlich.
Die Loire-Mündung die wir hier kreuzen sieht so ganz friedlich aus, aber ein Blick auf die Karte zeigt, was für ein verräterisches Gebiet das hier ist. Überall verstecken sich Untiefen, Steine und Austernbänke unter der Oberfläche und werden erst bei Niedrigwasser sichtbar. Auch wenn die Karte einfach nur Mist ist, sind wir doch froh über sie und kommen dank Steffis Navigation ohne Zwischenfälle in Pornic an. Am Ende ließ leider der Wind Nach und mussten wir noch auf die Genua wechseln, aber angesichts des Hafens und des Städtchens ist uns das alles egal: Wir sind mal wieder in einem Paradies angekommen!
Auch wenn es schon 21:00 ist, zieht es uns einfach in dieses niedliche Städtchen. Oben auf der Felsküste stehen riesengroße alte Villen und verstecken sich hinter wilden Gärten voller Pinien. Schlagartig ist die Vegetation richtig südländisch und trocken geworden. Der Fußweg führt vor diesen Grundstücken entlang und ich entdecke mein absolutes Lieblingshaus. Zur Stadt zieht sich ein Einschnitt an dem der Weg tief unten am Wasser lang führt. Bei Hochwasser ist er überflutet. Am Schloss geht es über Stege entlang und das Wasser ist gepflastert mit kleinen Booten vor Moorings.

Tims absolute Lieblingsvilla steht in Pornic.


Wir würden gerne noch etwas essen, aber um 22:00 scheint das nicht mehr möglich zu sein. Da müssen wir wohl erst noch in Spanien ankommen. Also irren wir noch ein wenig durch die schnuckeligen Gassen um schließlich an einer Dönerbude "Kebab aux Frites" zu essen. Das ist ein Döner in einer Tüte aus Alufolie, der unter Pommes begraben wird. Ganz schön mächtig und alles andere als Haut Cuisine, aber das ist egal, es schmeckt. Danach noch ein riesengroßes Softeis (ist die kleinste Portion) für 2 EUR, dann fallen uns langsam die Augen zu und zieht es uns zurück zum Boot.

Mittwoch, 18.07.2007 (60.Tag)

Morgens ist erstmal wieder Waschen angesagt. Bis jetzt bieten fast alle Häfen hierzu die nötige Infrastruktur und mit allen zwei Wochen einer Ladung Wäsche kommen wir ganz entspannt hin. Dann wird halt alles bunt durcheinander gewaschen, ist ja eigentlich auch egal, ob die Unterhosen leicht gefärbt sind.

Bei Ebbe suhlen sich die Boote im Schlamm.


Um 14:00 können wir uns ein Tandem mieten. Ich will gerne die 30 km nach St Brevin radeln, wo wir früher als Kinder immer die Ferien verbracht haben. Das Tandem entpuppt sich dann leider schnell als Schrottgurke. Das sich der Sattel für mich nicht hoch genug schrauben läßt bin ich ja gewohnt, aber die Kupplungskette wird über ein Röllchen gespannt, was allerdings fest sitzt, also rappelt die Kette durchgehend darüber. Nach 10 km sind wir so genervt, dass wir eine Tube Fett kaufen und die Kette darunter begraben. Jetzt herrscht endlich Ruhe, aber der Sattel auf Kinderhöhe läßt meine Knie ganz gut leiden.
Trotzdem schaffen wir es nach St Brevin (und zurück) und schwelge ein wenig in Erinnerungen. Es ist allerdings erstaunlich, wieviel größer man als Kind alles wahrnimmt. Jetzt wirkte alles so winzig. Der Strand, der Hafen, der Dorfplatz... Obwohl es schon mehr als 20 Jahre her ist, dass wir hier waren, finde ich mich noch richtig gut zurecht und finde sogar das Ferienhaus, das wir uns immer mit Freunden teilten. Es war alles noch beim alten, nur eben viel kleiner als in der Erinnerung.
Da wir nur eine touristische Übersichtskarte zum Navigieren hatten, mussten wir auf dem Rückweg ein Stück durch's Grüne abkürzen, kamen aber sonst ganz entspannt wieder zurück. Diesmal waren wir so früh dran, dass wir mal richtig gut französisch aus essen konnten und das Restaurant entpuppte sich dann auch als Volltreffer. Wir schwelgten uns jeder durch ein Menü. Es kostete nur 16 EUR, war mengenmäßig keine Völlerei, aber geschmacklich ausgezeichnet. Kulinarisch ist Frankreich einfach die Spitzenklasse.

Abkürzung durch's Grüne mit unserer ratternden Schrottmöhre.



Donnerstag, 19.07.2007 (61.Tag) - Samstag, 21.07.2007 (63. Tag)

Heute ist unser großer Tag! Heute soll es losgehen zur 240 nm langen Abkürzung durch die Biskaya. Katharina wird heute Abend in Santander ankommen. Sie meint zwar wir sollten uns nicht stressen, aber der Wind soll die kommenden Tage sehr schwach aus WNW wehen, also ideale Bedingungen, um von der Loire-Mündung langsam vom Land weg auf Santander zuzuhalten. Wir hätten entweder früh morgens abfahren müssen, aber das Tandem muss zurückgebracht werden und einkaufen wollten wir gestern auch nicht. Also lassen wir es heute ruhig angehen und legen erst nachmittags ab.
Steffi geht noch in die Messe, während ich das Tandem zurückbringe, einkaufe und Postkarten besorge. Wir haben gestern nicht richtig nachgedacht und 8 Briefmarken gekauft, die jetzt noch genutzt werden wollen.
An der Kirche gabele ich Steffi auf und wir genehmigen uns jeder noch 30 min im Internet-Cafe. Unsere Postfächer sind voller lieber langer Emails, und wir haben nicht wirklich Zeit alles zu lesen. Eine Mail von der RoXanne läßt uns aufschrecken: Vor ein paar Tagen ging nachts der Alarm ihres Navtex' los: Sie hatten die Meldung, dass die Aphrodite ihren EPIRB aktiviert hatte und auf Anfrage bei der französischen Küstenwache erfuhren sie, dass Daniel und Eva von einem spanischen Hubschrauber abgeborgen wurden.
Das läßt uns das Herz natürlich in die Hosen rutschen und ziemlich gestresst googlen wir nach der Internetseite der beiden. Sie ist schon aktualisiert und so können wir uns zum Glück wieder entspannen. Nach ein paar Tagen Bolzerei gegen den SW ging ihr Mast über Bord. Die näheren Gründe sind uns nicht bekannt, aber sie ließen sich abbergen und die Aphrodite wurde von der Küstenwache nach La Coruna geschleppt, so dass sie inzwischen wieder darauf wohnten und auch schon wieder ganz entspannt schienen.
Uns bleibt trotzdem ein etwas seltsames Gefühl und wir machen uns nochmal unsere Gedanken darüber, worauf wir in einem ähnlichen Fall achten müssen. Auf dem Weg zurück zum Boot telefonieren wir unsere Telefonkarte leer. Sie ist von der Post und das Telefonieren ist hier wahnsinnig günstig, so dass wir uns alle Zeit der Welt nehmen können. Zurück am Hafen hauen wir uns dann noch eine Stunde an den Strand. Steffi schlummert und ich starre etwas verwirrt in den Himmel: Die hübschen Französinnen machen hier ihrem Ruf alle Ehre.

Um 17:15 reicht endlich der Wasserstand und wir verlassen den Hafen. Der Wind weht etwas stärker als gedacht aus W, aber mit dem I. Reff sind wir gut bedient und bolzen das erste Stück hart gegen die Wellen an, denn wir müssen die Ile Noirmoutier noch runden. Nach einer Wende krängen wir dabei soweit weg, dass Steffi auf der Leebank völlig durchnäßt ist. Das erste Stück beginnt also ein ganzes Stück wilder, als uns eigentlich lieb ist.
Nachdem wir die Enge zwischen der Ile du Pilier und der Ile Noirmoutier passiert haben können wir endlich auf den ersehnten Halbwinder abfallen und jetzt kommt die Rauschefahrt. Das ist Segeln wie wir es uns vorstellen! Gut 7,5 kn haben wir auf der Logge und nochmal 8 kn über Grund. Der Windpilot steuert sauber seine 200 Grad und wir fliegen durch das tiefblaue Wasser der Biskaya. Da lacht das Herz!
Zum Abendessen sollte es eigentlich Aprikosenknödel geben, aber auf See steht uns der Sinn immer nach eher herzhaftem Essen. Da die Kreuzerei aus der Bucht länger dauerte als erwartet und es schon spät ist (21:00), reißen wir eine Dose Erbsensuppe aus dem Werksverkauf von Erasco auf. Bine und Christian hatten uns zum Abschied mit einer ganzen Batterie versorgt und jetzt genießen wir sie und denken an Euch!
Während ich schlafe sieht Steffi die Ile de Yeu am Horizont vorbei ziehen. Dort wird ein Feuerwerk abgebrannt und als die Insel wieder im Dunkeln verschwindet, schaut sie ihr sehnsüchtig nach. Es ist erstaunlich, was die Aussicht auf einen ruhigen und sicheren Hafen für eine Anziehungskraft auf uns ausübt. Viel hätte nicht gefehlt und wir wären dort noch hingefahren.
In meiner Hundewache schalte ich alle elektrischen Geräte ab um Strom zu sparen. So hatten wir es für die langen Strecken geplant und es wird sich zeigen, dass wir so perfekt fahren. Auf langen Strecken muss man nicht dauernd seine Geschwindigkeit sehen und für den Kurs reicht der magnetische Kompass. Alle 2 h schalten wir mal den GPS für eine Positionsbestimmung ein. Kursabweichungen von 5 Grad lassen sich somit ohne große "Verluste" kompensieren und unser Akku war die ganze Überfahrt nie unter 75% seiner Kapazität abgesunken.
Das Meeresleuchten gehört schon zum Standardrepertoire, ist aber nicht besonders stark. Am meisten fällt es auf, wenn sich eine Welle bricht, oder man die WC-Pumpe betätigt. Der Himmel ist dafür wolkenfrei und wir sehen ein Meer von Sternen, die für erstaunlich viel Licht sorgen. Ab und zu huscht eine Sternschnuppe vorbei und manche ziehen einen richtig langen Streifen. In Richtung Frankreich sieht man Wolken und Meeresleuchten. Das ist etwas unheimlich, aber mit dem Westwind (der langsam nachläßt) sollte das Wetterleuchten über Frankreich bleiben.
In Steffis Wache kommen mal wieder ein paar Delphine auf Stippvisite. Man hört sie und sieht die Gischt aufleuchten. Die scheinen größer als die bisherigen, wahrscheinlich Tümmler.
Morgens machen wir nur noch 4 kn, aber dafür ist es sehr entspannt an Bord und wir sind halbwegs ausgeruht. So richtig fitt sind wir zwar wegen des Schlafmangels nie und man muss sich schon immer etwas aufraffen, um nicht in Lethargie zu versinken, aber es ist viel besser als auf der Überfahrt aus England. Wenn morgens die Sonne aufgeht ist das dann immer ein extrem wohltuendes Erlebnis. Mit der Sonne kommt auch die Wärme, man pellt sich aus dem Ölzeug und lebt richtig aus. Für mich ist es immer ein Hochgenuss, wenn ich meine nackten Füße von der Sonne aufwärmen lasse. Keine Ahnung wieso, der Rest steckt dann noch im Pullover und Jeans, aber wenn ich nach einer Nachtwache meine Füße der Sonne entgegenstrecken kann, bin ich immer runherum zufrieden.
So beginnt ein herrlicher Freitag. Die Sonne scheint, es ist warm und wir segeln über das strahlend blaue Meer und weit und breit ist kein Lebenszeichen zu erkennen. Steffi macht Müsli und wir hängen alles zum Lüften in die Reeling. Der Wind flaut ab und frischt wieder auf und im Schnitt kommen wir noch mit knapp 6 kn voran. Das würde bedeuten, dass wir schon morgen früh in Santander ankämen! Das läßt die Stimmung parallel zu den Temperaturen weiter steigen und eine Decke nach der anderen verschwindet aus unserer Koje, die wir uns teilen. So kann man wenigstens immer in ein warmes Bettchen kriechen!
Mittags denken wir, dass die Küstenwache uns ansteuert. Ein grünes Boot steuert gezielt auf uns zu und wir denken schon dass wir Besuch bekommen, als das Boot 200 m neben uns abdreht, eine Fischerboje hinterläßt und wieder wegfährt. Es scheint doch eher ein Fischer zu sein und wir rätzeln mal wieder, mit welcher Technik sie fischen.
Um 15:00 beginnt der Meeresboden unter uns in der Tiefe zu verschwinden. Von 150 m sinkt er auf 2500 bis 4500 m ab. Dieser Buckel ist einer der Gründe, weshalb die Biskaya so berüchtigt ist. Bei starkem Wind aus West "stolpern" die Wellen über diese Kante und sorgen für einen wilden Seegang an diesem Buckel. Aufgrund der ruhigen Bedingungen (auch schon in den letzten Tagen) bekommen wir davon allerdings nichts mit und vertreiben uns die Zeit mit dem Schreiben von Briefen und ich übe Gitarre. Otto hatte mir die Akkorde zu "Alles aus Liebe" von den Toten Hosen aufgeschrieben und jetzt übe ich eifrig.
Zum Abendessen macht Steffi Kartoffelsuppe. Wir haben zwar noch Aprikosen und alle Zutaten, aber die Süße der Knödel lockt uns einfach nicht. So eine Suppe, bzw. ein Eintopf ist um Längen willkommener.
Um 21:00 hat der Wind dann leider so stark nachgelassen, dass die Segel anfangen zu schlagen. Wir bergen das Groß und baumen die Genua aus, um sie vom Rigg weg zu halten. Sie schlägt zwar immer noch, aber so kommen wir wenigstens etwas voran. Es sind nur noch 70 nm bis Santander, aber unter diesen Bedingungen können wir unsere Hoffnung auf eine Ankunft in den Morgenstunden wohl begraben. Das dämpft die Stimmung erheblich, aber wir wollen uns natürlich nicht kleinkriegen lassen. Sonst hätten wir ein Motorboot kaufen müssen.
Um 23:00 hilft auch die Genua nicht mehr und wir bergen sie. Durch das Gerolle ist allerdings kaum an Schlaf zu denken, also starten wir um 0:15 den Motor und tuckern mit 4 kn los. Die Fahrt dämpft das Rollen erheblich, ist also trotz des Lärms eine gute Entscheidung. Nach einer halben Stunde ist ein einzelner Delphin zu Besuch. Er scheint aber kein großes Interesse zu haben, umkreist uns zweimal und verschwindet wieder. Kurz drauf spüre ich ein leichtes Rucken und danach läuft der Propeller unrund. Ich kupple kurz aus, aber das Ruckeln ist danach nicht weg. Als ich dann einmal achteraus einkupple wird der Motor abgewürgt. Na klasse, da haben wir also mal wieder etwas im Propeller, es ist mitten in der Nacht, kein Lüftchen Wind, Schwell und wir befinden uns mitten auf der Biskaya.
Trotzdem bleibe ich ziemlich entspannt. Weit und breit ist kein Verkehr zu sehen und da wir uns nicht in der Nähe einer Schiffahrtsroute befinden und sowieso nichts zu tun ist, legen wir uns beide runter und schlafen erstmal richtig aus. Um 8:00 setzen wir im aufziehenden Lüftchen die Genua und machen so wenigstens einen Knoten. Trotzdem ist es schon ziemlich frustrierend, nach 8 Stunden ein Kreuzchen in die Karte zu machen, das direkt neben dem alten liegt.
Um 9:00 steht die Sonne hoch genug und ist der Frust weit genug angestiegen, dass wir uns auf den Tauchgang vorbereiten. So ganz wohl ist uns dabei nicht und wir müssen etwas diskutieren, wer jetzt rein geht. Eigentlich will keiner, aber keiner will nachher untätig oben stehen, wenn der andere unten ist. Steffi ist letztendlich nicht davon abzubringen, dass sie es doof fände, wenn ich von einem Hai angeknabbert würde und während ich Ausschau halte gleitet sie ins Wasser, verschwindet unter dem Boot, ich höre zweimal den Propeller klappern und dann ist sie auch schon wieder da und sitzt auf der Badeplattform. Ein Seegrasbüschel hing in den Blättern und war in dieser 10-Sekunden-Aktion entfernt. Wir atmen beide auf und können lächelnd darüber hinwegsehen, dass uns dieser Büschel 8 h gekostet hat.
Endlich haben wir wieder Lärm unter Deck und schleichen mit 4 kn auf Santander zu. Das Groß haben wir dabei als Stützsegel gesetzt und wenn der Wind mal auf 3 kn anzieht, hilft es tatsächlich ein wenig. Mir schwahnt irgendwann, dass das Piepsen unseres Hausgeistes vom Laderegler des Solarpanels kommen könnte. Ein Blick ins Handbuch bestätigt das und da es nervt schalte ich es aus. Jetzt ist endlich Ruhe. Jeder Ladezustand wurde durch ein Piepsen angedeutet und als wir über den Ärmelkanal fuhren sank die Batteriespannung soweit ab, dass das Ding regelmäßig und penetrant piepste.
Beim Blick ins Wasser fallen mir ab und zu winzige Wellen auf, die von zwei winzigen Dreiecken (5 mm) zu kommen scheinen. Irgendwann entdecke ich, dass es kleine Krebse sind, die an der Oberfläche schwimmen. Wahrscheinlich ist es alles andere als schön für sie und strampeln sie um ihr Leben. Ich frage mich allerdings, wie sie hier her kommen. Auf der Nordsee waren sie uns bei ruhigem Wetter auch schon öfter aufgefallen. Das Krebse schwimmen können wir mir auch neu.
Nachmittags kocht 200 m neben uns das Wasser und wir sehen etwa 1 m lange Fische, die ab und zu völlig plump durch die Luft fliegen. Sieht völlig blöde aus. Dazwischen huscht ein grauer Schatten über das Wasser und sieht aus wie ein Schwarm Stare. Das müssen wohl fliegende Fische sein. Uns ist allerdings nicht klar, wer hier wen jagt. Die Ungelenk springenden Fische vielleicht die fliegenden Fische, wobei sie vor Eifer aus dem Wasser schießen, oder werden die dicken Brocken noch von einer dritten Art gejagt?
Vielleicht sind es jagende Thunfische. Es wimmelt auf jeden Fall irgendwann vor Fischerbooten. Dazwischen entdecken wir eine Gruppe von etwa 3 sehr großen Delphinen oder Walen, die ruhig ihre Bahn ziehen. Nach der Einsamkeit des letzten Tages geht hier richtig die Post ab und wir motoren langsam mitten durch. Irgendwann gibt Steffi zu, dass sie froh ist, dass wir mit Katharina eine Ausrede haben, den Motor zu benutzen und nicht länger auf der Stelle treiben müssen. Das ging mir auch schon durch den Kopf, ein Glück also, dass wir uns einig sind. Das Lärmen des Motors nervt auf Dauer, aber so sind wir beide bereit, das zu ertragen.
Um 16:00 bemerken wir, dass die vermeintlichen Wolken vor uns Berge sind! Und das, obwohl wir 40 nm entfernt sind. Das sagt eigentlich alles über die glasklare Sicht und die Höhe der Berge. Im ersten Moment macht sich dann natürlich schnell Euphorie breit, aber es liegen noch 8 h unter Motor vor uns, was irgendwann auch wieder frustrierend ist.
Um 17:00 frischt der Wind auf und dank der Genua können wir den Motor ab und zu ausschalten. Bei 20 nm Abstand kann ich Katharina die erste SMS schicken und uns für den Abend ankündigen. Um 21:00 sind die Konturen von Santander deutlich auszumachen und wir schwelgen in der Vorfreude, die durch den Besuch von etwa 6 kleinen Delphinen völlig überschäumt. Sie umspielen unseren Bug und man hört sie bis über's Wasser quietschen wie Meerschweinchen. Das ist mal ein Empfang und wir sind völlig aus dem Häuschen.

Empfangskomittee von Santander.


An der Molnedo-Marina, die sehr zentral liegt, aber leider ausgebucht ist, gabeln wir um 23:00 Katharina auf und motoren weiter in die Bucht hinein. Das ist leider ein Nachteil von Santander: Der Yachthafen liegt weit ab vom Schuss hinter dem Industriehafen, direkt neben der Landebahn vom Flughafen. Der ist zwar klein mit wenig Verkehr, aber in die Stadt kommt man nur mit dem Bus, der einmal pro Stunde fährt.
Die Freude Katharina hier zu treffen ist riesig und wir schnacken noch eine ganze Zeit. Irgendwann übermannt uns dann aber die Müdigkeit und wir fallen in die Kojen. Die Stille im Hafen ist das letzte, was mir dabei auffällt.

Sonntag, 22.07.2007 (64. Tag)

Wir werden von plätscherndem Wasser geweckt. Es kommt von den vielen dicken Motorbratzen, die um uns herum liegen und die hingebungsvoll geputzt werden. Ich dachte in Spanien gäbe es einen Wassermangel, wenn man allerdings sieht, wie verschwenderisch die hier ihre (schon blitzeblanken) Boote abspülen, fragt man sich, ob die noch sauber ticken.
Der Hafenmeister ist fröhlich und freundlich, aber mit dem Englischen hat's hier wohl niemand. Auf Nachfrage folgt meist nur ein verächtliches "no", was mir ziemlich schnell auf den Geist geht. Was für eine Arroganz! Es ist meist keinerlei Bemühen zur Kommunikation zu erkennen. Ein Glück, dass wir Katharina haben, die uns mit ihrem Bisschen Spanisch weiter hilft, aber auch Steffi kann sich mit ihrem Schulspanisch verständlich machen. Wie sie in Frankreich stehe dann halt ich ab jetzt wie ein Idiot daneben und kann nur blöde grinsen.
Der Preis der Marina ist deftig. 30 EUR. Dafür wird uns die letzte Nacht nicht angerechnet, da wir ja nach Mitternacht ankamen. Das finde ich extrem fair und auch sonst ist der Hafenmeister ein Schatz und Quell von Fröhlichkeit. Er lacht sich schlapp über unser "on board", dass wir als Wohnort eintragen und findet's extrem cool, dass wir aus Deutschland bis hierher kommen. Der angewiesene Platz ist noch besetzt, aber wir sollen erstmal in Ruhe Duschen und Frühstücken. Hätten wir wirklich noch ein Brot gebraucht, hätte er es (trotz des Sonntags) auch noch organisiert.

Malerisches Hinterland von Santander.


Nachdem an Bord wieder Ordnung herrscht und wir landfein sind, fahren wir in die Stadt. Im Gegensatz zu Gestern herrscht heute allerdings viel weniger Leben. Katharina hatte uns noch vorgeschwärmt von den "schick" angezogenen Leuten, die überall herum flanierten. Die Mode ist hier teilweise wirklich etwas seltsam, aber heute ist wirklich wenig los, was wahrscheinlich am Sonntag liegt.
In einer Art spanischem Brauhaus genehmigen wir uns ein sehr experimentelles Mittagessen. Scheinbar kochen die Spanier gerne alles mögliche nebeneinander her. Am wildesten ist Katharinas Gericht, bestehend aus einem Brühwürstchen, einer angebratenen Banane und Reis mit Tomatensauce. Kulinarisch wirklich ein ganzes Stück schlechter als erwartet, aber mal sehen, was wir noch entdecken.

Reges Treiben an der Hafenmole.


Wir laufen durch die Stadt bis raus zum Strand, der direkt nebenan liegt. Hier aalt sich das pralle Leben in der Sonne und ich muss mich zwingen, auch mal einen bewundernden Blick auf die Kulisse der Felsküste zu werfen.
In der Kathedrale holt sich Steffi ein wenig Seelennahrung und besucht den Gottesdienst, während Katharina und ich uns mit weltlichem Kaffee, Tee und Gebäck versorgen. Abends wird in der Kathedrale ein Orgelkonzert gegeben, dass die beiden Mädels interessiert. Es ist erstaunlicherweise kostenlos! Das ist wirklich nicht schlecht, in der Oper sollte es auch ein kostenloses Konzert geben. Also reichlich Auswahl, wobei es mich eher zu dem Folk-Konzert auf der Bühne in der Stadt zieht. Das Problem bei all diesen Angeboten ist die Zeit: Alles beginnt erst gegen 21:30 und um 22:30 fährt unser letzter Bus. Somit ist die Lage der Marina kombiniert mit den Busfahrzeiten wirklich völlig untauglich für Spanische Zeiten.
Am Ende entscheidet die Müdigkeit: Wir sind einfach zu fertig um uns noch irgendwas anzuschauen. Außerdem beginnt es zu regnen. Also steigen wir in den letzten Bus und müssen dann noch 30 min durch den Regen um die Landebahn herum stiefeln, bis wir ans trockene und warme Boot kommen und schlafen dürfen.

Kreuzgang der Kathedrale.



Jetzt sind wir also in Spanien und haben zwei Wochen gemeinsames Segeln mit Katharina vor uns. Hoffentlich spielt der Wind mit und schiebt auch mal ein bisschen, wenn wir uns nach Westen durchschlagen. Das Wetter scheint hier schnell mal umzuschlagen: Gestern war es warm, sonnig und der Wind wehte mit 4 Bft aus Ost. Abends regnete es, heute Nacht stürmte und goß es, heute Vormittag blies es aus NW und war extrem heiss und jetzt weht es aus W und ist bewölkt. Wenn es so weitergeht, finden wir also schon die nötigen Momente um voran zu kommen.
Frankreich war für mich noch ein halbwegs bekanntest Pflaster, aber jetzt kommt wirklich Neuland. Steffi kennt die Region noch von ihrer Wanderung auf dem Jakobsweg. Der Übergang bis Portugal, wo für uns beide wirklich unbekannte Länder kommen wird also sanft gleitend gestaltet. Aber auf die Spanische Küste, die Lebensart und hoffentlich viele Delphine freuen wir uns jetzt schon. Und das mit der spanischen Küche bekommen wir wohl auch noch hin. Gestern Abend gab es Tapas und die waren schon so, wie wir es erwarteten.

Also alles im Grünen Bereich!