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Auf Terceira


Freitag, 27.06.2008 (404. Tag)

Wir beginnen den Tag mit einer Dusche, aber was für einer... Wie in Horta zahlt man auch hier 1,95 EUR, oder läßt sie anschreiben. Dafür bekommt man ein riesengroßes Handtuch und darf die heiligen Gemächer betreten. Es gibt einen überdimensionalen Waschsalon, in dem man bis hin zum Bügeln über alles verfügt, einen Jacuzzi-Raum, doch der Whirlpool ist leider leer. Dahinter beginnen die Sanitärräume für Männlein und Weiblein und die sind wirklich gigantisch. Vermutlich hat hier jeder Gast sein Privattöpfchen, die Waschbecken sind in Granit eingefaßt, der Boden ist feinster Schiefer und die Duschen hauen einem das Wasser in einem luxuriösen, dicken Strahl um die Ohren. Das ist natürlich alles sehr cool, zumal man nur 10 EUR/Nacht zahlt, doch irgendwo fragt man sich, ob die EU-Gelder denn wirklich SO reichlich fließen müssen. In der Ostsee kommen weit größere Marinas mit weit geringeren Sanitäranlagen aus.

Ein schönes Haus neben dem anderen, Angra gehört zum Weltkulturerbe..


Die Stadt ist noch ein wenig verschlafen, doch da überall die Leute in den Straßencafes frühstücken, herrscht ein gemütliches Treiben. Im Festbüro bekommen wir ein Programmheftchen, suchen in Schuhläden vergeblich nach Ersatz für Steffis geschundene Sandalen, checken beim Hafenmeister ein und kehren wieder zur Apelia zurück, deren Unterwasserschiff immer sauberer im Morgenlicht leuchtet. Die Fischchen tun hier wirklich gute Arbeit.
Die Sonne brennt heute von einem wolkenlosen Himmel und mangels Wind wird es richtig heiß. Wir verkrümeln uns ins Boot und verbringen eigentlich den ganzen Mittag mit dem Tippen des Tagebuchs und dem Beantworten von Emails. Danach noch schnell rüber zu den Sanitäranlagen, wo es auch gleich den Internetzugang gibt und weg sind die elektronischen "Verpflichtungen".

Heiße Nixe am Stadtstrand.


Steffi hat keine Lust, aber Mieke und Luc begleiten mich nachmittags in die Stadt, um der "Tourada a Corda das Avenidas" zuzusehen. Es ist die Azorische Art des Stierkampfes, bei dem unserer Meinung nach hauptsächlich die Menschen einen drauf bekommen. Der Stier trägt eine lange Leine am Hals, an der eine Gruppe von etwa 6 Mann halbwegs die Kontrolle behält und wird auf einem abgesperrten Stück Straße laufen gelassen. Der einzige Sinn der Sache ist, dass die echten Kerls ihren Mut beweisen können, indem sie den Stier reizen und dann wie wild vor ihm wegrennen. Das haben wir zumindest gestern abend in einem Fernseher gesehen, jetzt steht uns das Live-Erlebnis bevor.
Heute ist die "Avenida Infante D. Hernrique" für die Aktion abgesperrt. Auf der einen Seite begrenzen hüfthohe Mäuerchen mit einer Tribüne dahinter die Straße, auf der anderen Seite schützt eine Reihe Container die Glasfronten der Geschäfte. Es macht alles einen völlig chaotisch und quirligen Eindruck, als wir eintreffen. Bis zum ersten Bullen sind es noch 15 min, doch in dem regen Treiben finden wir zunächst kein Plätzchen. Die Tribüne ist schon völlig überladen und das Mäuerchen ist uns zu niedrig (im TV gestern sprang der Bulle schonmal drüber hinweg). Die Container scheinen da schon mehr Sicherheit zu bieten, also nutzen wir eine der wackeligen Leitern und bringen uns kurz vor dem Startschuß in Sicherheit.

In sicherer Höhe warten wir auf den Stierkampf.


Es ist wirklich ein Böllerschuß, der den freilaufenden Stier ankündigt. Als er fällt, ist die Straße unter uns noch voller Menschen. Viele coole Halbstarke aber auch ältere Herren, sowie Eis- und Popcornverkäufer, die ihre Waren anpreisen. Am unteren Ende der Straße herrscht allerdings schon ein Tumult, der sich wie eine Welle durch die Menschenmenge fortsetzt, bis plötzlich alle völlig kopflos in unsere Richtung rennen und wir den Stier endlich zu Gesicht bekommen.
Er trabt locker die Straße entlang, macht hier und da mal eine kleine angedeutete Attacke, doch insgesamt scheint er nicht so viel Lust zum Raufen zu haben, wahrscheinlich ist es ihm genau wie uns viel zu Heiß für Sport. Die große Menschenmenge versetzt er allerdings in Aktion, denn sobald er lostrabt, flieht auch wieder der ganze Troß vor ihm die Straße hinunter. Es gibt eigentlich immer nur dieselben Typen, die ihn gezielt reizen und zu einer Attacke bringen.

Gemächlich trabt der King of the Road selbige entlang.


Beim zweiten Stier ist unsere anfänglichen Angst einem gesunden Respekt gewichen und wir trauen uns runter auf die Straße, von wo wir im Schutz einer Palettenwand zusehen. Es ist ziemlich deutlich, dass ein Stier kein Ausdauersportler ist, und an der Hatz hinter den Fußgängern her nicht viel Freude hat. Aus seiner Nase fliegt der fein zerstäubte Rotz wie Seifenblasen und von seinem Bauch tropft der Schweiß und die Pippi vor Anstrengung. Imposant ist der Anblick auf Augenhöhe allerdings schon, so ein Stier ist wirklich die geballte Kraft. Sein Metier ist allerdings mehr die Schieberei mit dem Kopf und den Hörnern. Das sieht man, als er einen kecken Bauernlümmel verfolgend vor eine Palette stößt. Ab da gibt es kein Halten mehr und er zerlegt die Palette mit einer Kraft und Gewalt, die man kaum erwartet hätte.
Beim dritten Stier stehen wir schon direkt neben den Käfigen hinter dem hüfthohen Mäuerchen und bekommen das Spektakel aus 4 m Entfernung mit. Dieser Bursche scheint deutlich fitter als die vorherigen zu sein und galloppiert flott die Straße hinunter, so dass wir sicher in der anderen Richtung verschwinden können. Diese Art des Stierkampfes scheint uns in Ordnung zu sein und Luc faßt das Stierleben so zusammen: "Ein ganzes Jahr Sex haben und dann eine Woche lang arbeiten müssen, das ist schon okay."
Abends ziehen wir mit Mieke und Luc los um das Partyprogramm in vollen Zügen zu genießen, doch man darf seine Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Die Polynesischen Tänze führt eine lokale Volkloregruppe vor und anstatt Baströckchen und Kokusnuß-Bikinis werden wir Jungs von Frauen in Röcken und Blusen enttäuscht. Dafür sind die Preise eine Freude, eine Runde Getränke für uns alle kosten weniger als 4 EUR, wir halten also durch.

Böse Jungs am Zuckerwattestand.


Die Parade des Volkes besteht aus einer endlosen Reihe von Flaggen- und Würdenträgern und wäre in Deutschland wahrscheinlich als nazionalistisch verpönt gewesen. Wie gut, dass die lokale Tanzschule unten am Hafen Standard- und Lateintänze vorführt, womit wir einiges mehr anfangen können.
Danach verabschieden sich die beiden Belgier und Steffi und ich folgen den Menschenmassen rüber zur Bühne, wo die Gruppe Cla schon in vollem Gange ist. Man muß sich in ihre Musik etwas reinhören, doch entgegen der Pop-Prinzesschen von gestern haben sie einen richtig ehrlichen und eigenständigen Sound, der irgendwo zwischen Punk, Hardrock und Elektropop liegt. Manche Lieder haben eine wahnsinnige Energie und dann gerät die ganze Zuschauermasse in Schwung, ist ziemlich cool. Trotzdem machen wir nach der Hälfte schlapp und fallen mit klingelnden Ohren in die Koje.

Samstag, 28.06.2008 (405. Tag)

Steffi geht morgens in die Kirche und ich nutze die unbeobachtete Zeit, um Geschenkchen für ihren Geburtstag einzukaufen. Voraussichtlich "darf" sie ihn wieder auf See verbringen, denn die Prognosen sehen danach aus, dass wir Montag los können. Wir nutzen daher auch den Rest des Vormittags zum Einkaufen von Lebensmitteln und noch etwas Wasser. Die letzten "Jugs" von den Bahamas sind angebrochen, ab jetzt gibt es nur noch frisches, gutes Wasser von den Azoren aus Flaschen, die dicht sind.
Nachdem sie die gestrigen Fotos gesehen hat, will Steffi den Stierkampf heute sehen, doch wir sind damit leider zu spät. Heute, am vorletzten Tag des Festes findet der Kampf in traditionell portugiesischer Form in einer Arena statt. Soweit ich weiß, wird der Stier dabei nicht umgebracht, sondern eine Reihe mutiger Männer versucht ihn mit Muskelkraft in die Knie zu zwingen. Könnte auch ein tolles Schauspiel sein, aber die Eintrittskarten kosten 26 EUR/Person und das ist es uns nicht wert.

Diese echten Männer zwingen den Bullen nachher in die Knie.


Mit Mieke und Luc ziehen wir den Abend wieder los, doch es gibt heute Abend nur Folklore zu sehen und das ist nicht so unser Ding. Es ist platt, ich weiss, aber stattdessen sitzen wir mit den beiden unten am Hafen und trinken Caipirinhas. Die kennen sie nämlich nicht, doch sie kommen gut an, es bleibt also nicht bei einer.
Der heutige "Music-Act" trifft die Herzen der Azorianer. Es ist brechend voll vor der Bühne und so haben wir es schwer, aus dem Gedränge zu fliehen, nachdem die ersten Akkorde eines echten Schnulzenbarden erklingen. HIIIILLLLLFFFFEEEEEEEEEEEEEEEEEEEE!!!!!!!


Sonntag, 29.06.2008 (406. Tag)

Beim Caipirinha-Trinken entdeckte ich gestern Abend den Scooter-Verleih am Hafen. Seit wir zu dieser Tour aufbrachen, war es mein Traum, auf einer Atlantikinsel einen Roler zu mieten und mit Steffi hinten drauf über kleine, gewundene Sträßchen zu kurven. Wir sind nie dazu gekommen, doch hier ist der Mietpreis günstig und wahrscheinlich ist es unsere allerletzte Chance. In Irland durch den Nieselregen kurven ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe.
Mieke und Luc waren sofort mit von der Party und so haben wir heute einen guten Lehrmeister, da Luc ein alter Motorradjunky ist. Für mich ist es das erste Mal auf einem motorisierten Zweirad. Es ist ein Peugeot-Roller mit 125 ccm und ich staune über das Gewicht der Maschine. Das ist ja sowas von träge und wuchtig... Ob ich das überhaupt fahren darf ist mir nicht klar, aber der Vermieter meinte nach einem Blick in meinen Führerschein, dass das okay sei.
Wir gehen es langsam an. 50 km/h sind erstmal völlig ausreichend, auf geraden Strecken dürfen es auch mal 80 Sachen werden und nach den ersten wackeligen Kilometern übernimmt die Entspannung das Kommando und wir genießen die Fahrt.

Die Sandstraße quer über die Insel bringt die Anspannung wieder zurück.


Wir folgen der Küstenstraße nach Praia do Victoria, der großen Industrie-Hafenstadt im Osten, die uns im Gegensatz zu Angra allerdings viel zu steril vorkommt. Von da geht es über einen Sandweg die Berge hoch ins Zentrum der Insel, wo wir einen ehemaligen Vulkanschlunf besichtigen. Die mehr als 20 m hohen, kuppelförmigen Kammern lassen erahnen, mit welcher Gewalt, die Magma herausgedrückt wurde.

Hundert Meter tief geht es in den Vulkanschlund hinab.


Wir dröhnen auf unseren "Feuersesseln" noch nach hier und da und stellen fest, dass Terceiras Herz um ein vielfaches idyllischer ist, als der Anblick vom Wasser vermuten ließ. Das perfekte, fast wolkenfreie Wetter trägt aber sicherlich zum guten Eindruck bei.

Mit den Feuersesseln entlang kleiner Küstenstraßen.


Es fällt auf, dass in jedem Dorf neben der Kirche ein kleines Kapellchen steht. Meist haben sie riesengroße Fenster und sind bunt lackiert. Ob sie nur für spezielle Anlässe genutzt werden, oder wozu überhaupt, dass konnten wir leider nicht herausfinden. Die meisten sehen auf jeden Fall aus wie die bunten Torten mit massig Zuckerguss, die wir so häufig in Kuba sahen.

Kapellchen-Torten gibt es in jedem Dorf.


In unserem Reiseführer steht, dass es in Sao Mateus ein Restaurant mit traditioneller Küche und gemütlichem Ambiente gibt. Wir brauchen ein paar Anläufe, bis wir die winzige Straße in ein Kleinod von einem Idyll finden, sind dann aber völlig gefangen vom Flair. Hier ist alles wie früher und unsere orangen Roller wirken völlig deplaziert. Ja, ich schäme mich sogar, die Ruhe mit dem Gedröhne gestört zu haben.
Die gesamte Einrichtung ist etwa gut 50 Jahre alt. Das Besteck hat noch Griffe aus Horn, lediglich die Gläser und das Geschirr ist neu, allerdings so perfekt gemacht, dass man es auch für alt halten könnte. Das Essen schmeckt wie bei Oma und ist viel zu reichlich. Schon nach dem weißen Käse mit Brot und der Suppe sind wir eigentlich voll. Zum Hauptgericht gibt es einen Kühnchen und einen Bohneneintopf (mit Zimt!), wovon wir leider genau wie vom Wein die Hälfte zurückwandern lassen müssen. Das ist einfach nicht zu schaffen.

Essen wie bei Oma.


Den Namen und die Adresse des Restaurants habe ich jetzt beim Tippen leider nicht parat. Sollte einer von Euch Lesern nach Terceira reisen, mailt uns, denn diese Attraktion sollte man auf jeden Fall besuchen!
Die Rückkehr zum Hafen entpuppt sich als schwieriger als erwartet, denn Angra quillt über vor Besuchern. Ein Polizist winkt uns freundlich am Gitter durch (undenkbar in Deutschland) und erklärt uns den Weg zur Polizeitstation, wo wir die Scooter sicher parken können. Auf der Luiza gibt es einen Absacker, bis über dem Hafen das Feuerwerk zum Abschluß der Festivitäten in den Himmel steigt. Es ist auch gleichzeitig unser vorerst letzter Abend mit den Belgiern Mieke und Luc, die wir seit Lissabon kennen und mit denen wir auf Madeira, den Kanaren, den Kapverden, der Karibik und zuletzt auf den Azoren eine tolle, gemeinsame Zeit hatten. Sie werden morgen weiter nach Sao Miguel reisen und Ende Juli ihren Heimathafen Nieuwpoort erreichen. Als jullie twee dit lezen: Een behouden vaart en veel success met de plannen voor de volgende ronde!

Feuerwerk zum Abschluß unseres Azoren-Besuchs.


Wie gesagt, morgen geht es für uns los. Bis Irland sind es 1100 nm, also sollten wir in 8-10 Tagen da sein. Es ist die letzte lange Etappe und wir sind ganz froh darüber, es dann hinter uns zu haben. Der Sprung im August über die Nordsee wird ja dann eher ein Klacks.

Bis aus Irland, Steffi & Tim