Von Faial nach Terceira
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Montag, 16.06.2008 (393. Tag)
Während Steffi mit ihren Eltern zum Whalewatching fährt, bastle ich weiter am Boot und bereite die neue Mastwanne zum Harzen vor. Bei einem Schreiner konnten wir Buchenholz kaufen und damit ziehe ich die Ränder der Wanne um 8 cm höher. Die vorherigen 2 cm reichten einfach nicht aus, um das durch die Falldurchführungen eindringende Wasser aufzufangen, so daß es immer in die Bilge weiterlief. Dort durfte man es dann mit Spritzen, Schwämmchen und Läppchen zwischen den Bodenwrangen und Stringern herauswischen, eine blöde Frickelei, da Apelia als Sperrholzboot viele davon hat.
Das Whalewatching ist ein voller Erfolg, zumindest sieht Mama Roller ab heute in jeder Welle einen Pottwal. Auch Delphine haben sie getroffen, aber das ist ja für uns nicht so richtig besonders. Wir stehen dem ganzen sowieso etwas distanziert gegenüber. Sobald eine Herde Pottwale gesichtet wird, heizt eine ganze Meute von Booten zu ihr hin. Offiziell muß ein Sicherheitsabstand von 50 m gewahrt werden, doch jeder, der so eine Tour mitmachte erzählt, dass sich die Fahrer nur daran halten, wenn auch andere Boote in der Nähe sind. Sind sie alleine, darf es schonmal weniger sein. Vielfach wird auch ein Schwimmen mit Delphinen angeboten. In Steffis Boot saßen dazu vier Touristen in Neoprenanzügen. Schwamm die Gruppe neugierig um die Boote, wurden die Gäste paarweise ins Wasser gejagt, mit dem Erfolg, dass die Delphine plötzlich abdrehten und das Weite suchten. Von ihrer Seite besteht scheinbar wenig Interesse am Kontakt.
Große Tümmler beim Whalewatching.
Zum Mittagessen gibt es eine Pfannkuchenschlacht auf der Apelia, schließlich müssen wir unseren Eiervorrat aus den Bahamas dezimieren. Ohne Kühlschrank, aber mit Vaselineschicht halten sie sich bisher problemlos.
Um 15:00 fährt die Fähre rüber nach Pico und wir bewundern unseren Katamaran: Feinstes, graues Kunstleder, offene Lüftungsschächte unter der Decke und Vibrationen bis zum Abwinken. Er rollt und stampf ganz schön durch den Restschwell und wir sind alle froh, als wir in Madalena wieder an die frische Luft dürfen. Beim Whalewatching haben die anderen schon ein Appartment klar gemacht und während die Schlüssel organisiert werden, erholen wir uns in den breiten Sofas der Hafenkneipe, die ein karibisches Feeling ausstrahlt.
Die Suche nach einem Mietwagen verläuft etwas enttäuschend. Die Preise sind wie in Deutschland (vor unserer Abfahrt), also werfe ich meinen ganzen Charme in die Wagschale und schäkere mit dem Mädel von der Vermietung am Hafen. Das bringt mehr als erwartet: Ein Auto der Kategorie B für den Preis der Kategorie A könnte sie mir nicht geben, wohl aber eine Ermäßigung von 10%. Dass es damit noch günstiger wird, findet sie völlig okay und ich sowieso.
Da ist wohl eine Kachel verdreht.
Unser Appartment liegt in den oberen zwei Etagen eines knuffigen Stadthauses und bis auf das eine Zimmer mit einem schimmlig riechenden Bett ist es völlig in Ordnung. Zum Glück gibt es unter dem Dach noch einen kleinen Schmollwinkel mit Doppelbett, in dem Steffi und ich uns einnisten.
Das Abendessen ist wiedermal typisch portugiesisch und die Menge an Fleisch erschlägt uns. Es ist aber alles erstklassige, zarte Qualität, also für Fleisch-Liebhaber sehr zu empfehlen. Zusammen mit den wenigen Touristen die es hier gibt sitzen wir an den Fenstern und genießen den Ausblick auf Faial, während die Portugiesen alle innen sitzen und gebannt auf den Fernseher blicken, auf dem Deutschland gerade Österreich aus dem Rennen kegelt.
Dienstag, 17.06.2008 (394. Tag)
Als Wagen bekommen wir einen fast nagelneuen, stylischen Mitsubishi Colt und fahren damit die Nordküste entlang. Es fällt sofort auf, dass wir uns hier auf einer anderen Insel befinden. Pico ist ursprünglicher als alle anderen. Die schwarze Lave ist dauernd präsent und hier an der Küste läßt sich deutlich erkennen, wie die Magma zum Meer floß, als sie langsam erstarrte.
An der Küste endet der schwarze Lavastrom.
Alles ist hier aus dem schwarzen Stein, die Häuser, die Mäuerchen, ja selbst Blumentöpfe sind aus Basalt gehauen. Im starken Kontrast dazu leuchtet das überall wachsende Grün und schon bald entdecken wir die typischen Weingärten. Mit den brusthohen schwarzen Mäuerchen hat man die Hänge dicht unterteilt und in jedem Karo wachsen die Weinreben. So sind sie vor dem Wind geschützt und nachts gibt der Fels seine Wärme langsam ab. Ein tolles System, doch wir fragen uns, wie lange man wohl gebraucht hat, um all die vielen Mäuerchen aufzuschichten.
Der Wein wird von brusthohen Mäuerchen umgeben.
Diese wilden Gegensätze der lebensfeindlichen Lavafelder und der üppigen Vegetation nehmen uns so gefangen, dass wir schon nach wenigen Kilometern den Wagen am Straßenrand stehen lassen und zu Fuß einem Feldweg nach Santa Luzia folgen. Dabei sorgt ein schmusebedürftiges Eselchen für eine lange Streichelpause und als wir weiterlaufen blickt es uns traurig hinterher.
Schmuse"kater".
Auf der Weiterfahrt machen wir auf der leeren Bühne eines Festes vor der Dorfkirche unser Picknick, besichtigen in Sao Roque die Walfabrik und kehren über die schnurgerade Straße über den mittleren Höhenrücken der Insel zurück. Hier reiht sich ein kleiner Vulkan an den anderen und viele sind mit Wasser gefüllt. Allerdings sind die meisten Hügel schon dicht mit Gras bewachsen und so bietet sich uns ein malerisches Bild sanft geschwungener Hügel, zwischen denen Kuhherden grasen. Jede Herde wird von einem Bullen begleitet, so daß wir uns hin und wieder etwas angespannt umblicken.
Am Lagoa Di Capitao-Kratersee.
Den Abend hängen wir entspannt im Appartment ab. Zur Abwechslung gibt es Salat, endlich mal ein leichtes Abendessen und danach entspannen sich die anderen bei ihren Büchern, während ich ein offenes WLAN finde und nach Herzenslust im Internet surfen darf. Endlich mal eine flotte Verbindung, ohne Zeitdruck.
Mittwoch, 18.06.2008 (395. Tag)
Heute steht die Südküste auf dem Programm, die sich als viel lieblicher als ihr Pendant im Norden entpuppt. Vielfach fühle ich mich an den Schwarzwald erinnert. Die Straße windet sich in engen Kurven entlang steiler, dicht bewaldeter Hänge, die aber halt im Meer anstatt in einem Tal enden. An dieser Stelle muss Mama und Papa Roller ein dickes Lob ausgesprochen werden: Sie sitzen brav hinten im Auto und ertragen meine Kurvenschnippelei ohne eine Regung. Zumindest höre ich nichts, eventuell sind sie aber auch starr vor Schreck.
In Lajes machen wir einen Kaffee-Stopp und schauen uns die nageneue Marina an. Man investiert hier (mit Hilfe der EU) kräftigst in die Infrastruktur. Die Mole ist schon fertig, Stege gibt es auch schon, es gibt also keinen Grund der dagegen spricht, sich zwischen den überall aus dem Wasser blickenden Felsriffen durchzuschlängeln und hier mit herrlichem Blick auf den Ponta de Pico zu liegen.
Spannender Riff-Slalom am nagelneuen Hafen von Lajes.
Wir kommen heute bis zum Ostkapp und genießen in der Nähe des Leuchtturms unser Picknick auf den Lavaflächen. Natürlich gibt es dazu lokales Obst, lokales Brot (sehr lecker!) und lokalen Käse. Nur die Oliven sind importiert. Wir hatten uns auf den Kanaren damit eingedeckt, mußten allerdings erst den Weg über den Atlantik zurück finden, um wieder Lust darauf zu bekommen.
Es ist zwar erst Mittag, doch die anderen drängen darauf, zurück zur Westspitze zu fahren, denn sie wollen ihren Weindurst bei einer zünftigen Probe im Weinmuseum löschen. Vorher besichtigen wir die Gruta des Torres, eine Lavahöhle, die dadurch entstanden ist, dass ein Magmastrom außen erstarrt und eine Röhre bildet, wenn die Magma innen weiter herausfließt. Es ist ein richtig kleines Abenteuer, da nur die ersten Meter mit einem Betonweg befestigt sind und man sich danach über teils messerscharfen, teils glasartigen Fels vorantastet.
Entlang des Magmastroms durch die Lavahöhle.
Die anschließende Weinprobe ist leider eine Enttäuschung. Dabei riecht es hier bei der Weingenossenschaft schon so "gut". Pico ist die maßgebliche Insel für Azorenwein, doch als Besucher kann man nur von zwei likör-artigen Gesöffen kosten und muß den Rest ungetestet kaufen. Zum Glück haben sich die anderen schon die vergangenen Tage durch das Azorische Weinangebot getestet, so dass jetzt die richtigen Flaschen günstig gekauft werden können.
Das Abendessen im angesagtesten Fischrestaurant (Ancoradouro) von Areia wird zum Highlight. Die Hauptgerichte waren schon echte Gaumenfreuden, aber der Nachtisch stellt alles bisher gegessene in den Schatten. So gutes Tiramisu, Mousse auf Chocolat und so leckere Kuchen haben wir auf den Azoren noch nirgendwo bekommen. Wir sind hinterher allerdings sowas von vollgestopft, dass wir geisterähnlich heimwärts wanken.
Vollgegessen heimwärts wankend.
Wie auf Kuba werden auch hier wichtige, politische Botschaften vermittelt.
Donnerstag, 19.06.2008 (396. Tag)
Tim:
Zum ersten Mal auf unserer Reise verabschiede ich mich heute für mehrere Tage von Steffi. Sie wird mit ihren Eltern noch Sao Jorge besuchen, während ich die kleine Fähre heimwärts nehme, um die kommenden zwei Tage die letzten Punkte von unserer ToDo-Liste zu erledigen. Bald werden wir die Azoren verlassen und auf dem Weg nach Irland viele Grade Nord machen. Die Bedingungen werden damit rauher, also höchste Zeit, um Apelia wieder in Topzustand zu bringen.
Um 8:15 verläßt meine Fähre den Hafen und dampft mit Vollgas nach Horta. Der Propeller bekommt gar keine Chance das Kavitieren zu beenden und die Bugwelle spritzt locker hoch bis zur Back. Zusammen mit den Azorianern sitze ich entspannt auf dem Achterdeck und genieße die Bewegungen, mit der sich unser Schiffchen durch die Wellen suhlt. Beim ersten großen Schwell legt es sich dabei so weit über, dass das Wasser durch die Speigatten herein spritzt und die gesamte Gesellschaft fröhlich kreischend auf die Steuerbordseite flieht.
Apelia liegt friedlich an ihrem Platz und ich bilde mir ein, dass sie ein wenig mit ihrer Windfahne wedelt, als ich an Bord gehe. Von anderen Booten habe ich mir Schraubzwingen ausgeliehen, kann also direkt mit der Harzerei anfangen und klebe die neuen Bretter auf die Mastwanne. Dann ziehe ich den Lack vom vorderen Lukenrahmen und fange an, ihn komplett neu aufzubauen. Apelias Inneres verwandelt sich bei diesen Arbeiten sekundenschnell in das reinste Chaos, ein Glück, dass ich hier alleine hause.
Ganz gemächlich bastele ich vor mich hin und lege immer wieder Pausen ein um in der neuen ZEIT, die Steffis Eltern uns mitgebracht haben, zu schmökern. So komme ich mal wieder auf den aktuellen Stand der Nachrichten, auch wenn uns eigentlich nichts direkt betrifft.
Nachmittags mache ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Fleckchen für unsere Molenmalerei. Eigentlich ist alles mit Zeichnungen vollgepflastert. Auf dem Boden wäre hier und da noch Platz, doch die Belastung durch die Fußgänger läßt diese Bilder schneller altern. Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich eine alte, fast vollständig verwitterte Zeichnung zu suchen und diese überzulackieren.
Am Mäuerchen vor der Promenade werde ich fündig und schrubbe das Mauerstückchen mit Seifenwasser ab. Das lohnt sich, denn das abfließende Wasser ist voller Dreck und so bin ich guter Laune, als ich nach einer Trockenpause, bewaffnet mit weißer Farbe für die Grundierung zurückkehre. Was ich da sehe läßt mich aber ungläubig blinzeln: Die fast verwitterte Zeichnung hat sich wieder in ein leuchtendes Bild verwandelt. Lediglich der Dreck der Jahre hatte sie alt aussehen lassen.
Zweimal wiederholt sich das und bis auf eine saubere Mole hinterlasse ich keine "Duftmarke". Auf der Suche nach einem Fleckchen latsche ich frustriert kreuz und quer durch den Hafen. Ich bin schon soweit, die Sache in den Wind zu schießen, da stolpere ich nochmal über das Logo der Nare Bazen. Die Zeichnungen daneben bestehen wirklich nur noch aus ein paar einzelnen Strichen. Der Rest ist eindeutig vom Beton gefallen und da es mir inzwischen sowieso egal ist, schrubbe ich alles sauber und ziehe die restlichen Striche mit einem Kratzer ab. Das wird das Fleckchen unserer Verewigung und bevor wiedermal ein Schauer durchzieht, grundiere ich die Fläche weiß.
Abends kickt Deutschland gegen Portugal und gewinnt. Ich spiele noch mit dem Gedanken, die Flagge etwas tiefer zu hängen, doch die Azorianer nehmen es gelassen und feiern trotzdem in den Abend hinein.
Steffi:
Tim ist zur Fähre abgezogen, ich winke nochmal hinterher. Es ist ein seltsamels Gefühl, nach so intensiver gemeinsamer Zeit plötzlich getrennter Wege zu gehen, auch wenn es nur für drei Tage ist. Meinen Eltern und mir bleibt noch gerade genug Zeit, um in der besagten Hafenkneipe mit Karibik-Flair einen Frühstückskaffee zu geniessen, dann müssen auch wir zur Fähre. Der Katamaran bringt uns mit Zwischenstopp in Sao Roque do Pico nach Velas (Insel Sao Jorge). Ein Taxifahrer empfiehlt uns als Unterkunft das Haus von Maria. Sie ist über 70 Jahre alt und lebt in ihrem Haus alleine. Wir sind sofort von den gemütlichen Zimmern mit antiker Einrichtung angetan. Am meisten lieben wir die weinüberwachsene Terrasse, die wir mit benutzen dürfen.
Mein Zimmer bei Maria.
Wir machen uns frisch (dabei entdecke ich eine große Kakerlaken-Leiche im Klosett) und begeben uns auf Stadterkundung. Der Ort Velas ist sehr gut in Schuss, finden wir. Alle Gehwege und Plätze hat man mit Mustern aus kleinen schwarzen und weissen Steinen verziert. In der Fussgängerzone bekommen wir bei einem Kaffee die besten Ausflugstipps für die Insel. Dabei stellt sich heraus, dass man ohne Mietwagen nicht so sehr weit kommt. Also noch schnell bei der Autovermietung vorbei und einen Wagen für den nächsten Tag reservieren. Wir besichtigen die Kirche mit angrenzendem Museum für "Sakrale Kunst". Ein sammelwütiger Priester hat hier in seiner ewigen Amtszeit alles mögliche zusammen getragen. Neben antiken Möbeln, alten Kirchenfiguren und Elfenbeinschniterzeien findet man auch Stuckverzierungen, die in der Kirche von der Decke gefallen sind und Fotos von Firmfeiern, Erstkommunionen und Taufen. Danach unternehmen wir einen Ausflug in den Botanischen Garten. Wir krakseln den Berg immer höher bis wir einen tollen Ausblick auf die Stadt haben. Leider ist das Eselchen, dem wir diesmal begegnen nicht so empfänglich für Streicheleinheiten, dafür aber um so mehr für unsere Möhrchen. Irgendwann machen meine halb kaputten Birkenstocks dem Wanderausflug ein Ende. Immer noch nicht laufmüde begeben wir uns auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt wieder auf Bergerklimmung. Diesmal ist der Weg besser und wir schaffen es bis oben. Man hat einen tollen Blick auf das Land. Sao Jorge ist, wie fast alle Azoreninseln durch Hecken in kleine Weideparzellen unterteilt. Es sieht aus, als ob das Land kariert ist. Jetzt sind wir endlich müde und hungrig begeben wir uns zurück zu Maria, wo wir auf der Terasse Wein, Wurst, Brot und Käse geniessen.
Das karierte Sao Jorge.
Nach dem Essen gehe ich erschlagen zu Bett, während Mama und Papa mit Maria noch das Fussballspiel schauen. Aber Maria ist genau so entspannt, wie die übrigen Azoreaner und setzt uns nicht mitten in der Nacht vor die Tür.
Freitag, 20.06.2008 (397. Tag)
Tim:
In der Nacht wurde deutlich, dass alleine schlafen doof ist. Saukalt war es so ganz alleine unter der Decke und morgens fehlte der Partner zum drankuscheln. Also kein Wunder, dass ich früh aufwache, doch dann nutze ich das Alleinsein erstmal voll aus, trinke in der Koje einen heißen Kakao und lese in der ZEIT. Seit etwa Mitternacht regnet es in Strömen, also hat es sowieso keinen Sinn, sich an die Arbeit zu machen. Die Mastwanne tut ihren Dienst auf jeden Fall fast wie gedacht. Hinten links muß ich wohl nochmal harzen, hier ist Wasser heraus geleckt, doch bis das Holz gut ausgetrocknet ist, muss ich wieder warten.
Mittags kommt zum Glück die Sonne wieder heraus und trocknet alles in sekundenschnelle. Also kann ich weiter am Lukenrahmen lackieren, die Mastwanne wenigstens schonmal anschleifen und bei unserem Molenbild mit dem Meer und dem Himmel anfangen. Ich hatte mir gestern viele Gedanken zur Gestaltung des Bildes gemacht, doch jetzt, wo ich vor der weißen Fläche sitze knülle ich den Zettel zusammen und beschließe, alles spontan und freihand zu gestalten. Ein echter Künstler braucht keine Schablonen, nur Drogen, weshalb ich über den Tag eine ganze Tafel Schokolade verputze.
Abends gehe ich ins Kino. Ja wirklich, Horta hat ein eigenes Kino! Mangels Ensemble nutzt man das Stadttheater zur Filmvorführung. Es ist ein richtig altehrwürdiges Gebäude mit einem hohen Saal, drei Rängen und einer neuen, modern gestalteten Decke. Das gefällt mir richtig gut und es tröstet in der Pause über den schlechten Film (Fools Gold) hinweg. Den Kartenreißer und den Filmvorführer kenne ich vom Hafen und da sie mich überschwenglich begrüßen, gucken mich die anderen 14 Gäste danach ganz interessiert an. Wenn sie meinen, dass ich hier den Flair der großen weiten Welt reinbringe, dann muß ich sie wohl leider enttäuschen, behalte das aber für mich.
Steffi:
Wir frühstücken bei Vogelgezwitscher auf der Terrasse und machen uns dann auf den Weg zur Autovermietung. Natürlich ist der kleinste Wagen mal wieder vergriffen und die Frau hinter der Theke reagiert nicht auf meinen Charme. Wir zahlen den vollen Preis. Zuerst fahren wir zur Westspitze. Wir parken den Wagen und laufen Richtung Küste aber irgendwann endet unser Weg und wir drehen um, bevor wir das Meer erreicht haben. Die Insel ist groß und wir werden wohl heute noch mehr Gelegenheit zum Wandern haben. In dem kleinen Ort Urzelina steht als einziges Überbleibsel einer Kirche nur noch der Turm. Der Rest ist einem Vulkanausbruch zum Opfer gefallen.
Blumenpracht auf Sao Jorge.
Nach vielen Stopps erreichen wir die zweite "große" Stadt von Sao Jorge: Calheta. Hier stärken wir uns am Mittagsbuffet. Im Reiseführer haben wir noch den als Tip eine Weberei gefunden und wir machen uns auf die Suche nach diesem Ort. Leider ist das viel weiter, als wir dachten. Die Straße wird immer schmaler und steiler. Für mich "Queen of the Road" wird es ganz schön anstrengend. Aber ich will das Steuer nicht abgeben, damit Mama und Papa in Ruhe die Gegend geniessen können. Schliesslich kann ich die Insel noch mal mit Tim besichtigen, wenn ich möchte. In Faja dos Vimes werden wir fündig. Hier sitzen zwei Schwestern am Webstuhl und stellen nach alten Mustern Tischdecken, Wandteppiche und Tagesdecken her. Ich finde sie wunderschön.
Die Weberei in Faja dos Vimes.
Wir winden uns wieder die Straße hoch zurück nach Calheta. Von hier aus gibt es einen Abzweig auf die Nordseite der Insel. In Norte Pequeno machen wir noch Halt bei der Käserei. Sao Jorge ist bekann für seinen Käse. 54 Bauern liefern hier täglich Milch ab. Das ergibt ca. 200 Käse. Halb portugiesisch halb spanisch lassen wir uns den Prozess von der Milch bis zum reifen Käse beschreiben. Gekrönt wird der Besuch von der Käseprobe. Riesenstücke schneidet die Frau uns ab. Wir wollen nicht unverschämt sein und probieren nur halbe Stücke. Als wir am Ende für einen Spottpreis noch etwas Käse mitnehmen, packt sie die restlichen Stücke der Probe kostenlos ein! Ich glaube, wenn man in Deutschland einfach bei einer Käserei vorbei schaut, bekommt man nicht einfach so eine Privatführung!
Die Käserei von Sao Jorge.
Inzwischen ist es spät geworden. Zurück in Velas gehen Mama und ich im Naturschwimmbecken baden. Fast jeder Ort auf den Azoren hat entweder ein Gekacheltes Freibad mit Meerwasser oder ein Lavaschwimmbecken oder sogar beides. Dazu gibt es Süßwasserduschen und Umkleiden und alles ist kostenlos! Wir sind zu so später Stunde die einzigen Badenden, das geniessen wir sehr. Das Abendessen nehmen wir wieder auf Marias Terasse ein. Es ist unser letztes Abendessen auf Sao Jorge. Morgen um 10.10 Uhr geht schon wieder die Fähre zurück nach Fajal.
Samstag, 21.06.2008 (398. Tag)
Steffis Eltern schlagen um 11:55 auf, also höchste Zeit, das Molenbild zu Ende zu bringen. Es nähert sich inzwischen eher dem Status eines Gemäldes und während ich da auf der Treppe sitze und vor mich hin male, bleiben immer wieder Leute stehen und schauen zu. Das Endresultat kann sich wirklich blicken lassen und mit jedem Pinselstrich wächst mein Stolz. Als dann auch noch die Beschriftung ohne eine Vorlage so richtig gut gelingt ist meine Begeisterung grenzenlos, also hier das Resultat:
Unser Molenbild, wird sich hoffentlich ewig halten.
Als Steffi mit ihren Eltern auftauchen machen sie alle einen geschafften Eindruck. Der Wind hat zugelegt und die Katamaranfähre verlangte ihnen mit ihrem Gebocke wohl so einiges ab. Mama Roller findet das höchst "kriminell". Höchste Zeit für was festes im Magen, also essen wir in der Burg am Hafen zu Mittag. Zum ersten Mal auf den Azoren ist das Essen so, wie wir es von dem Azorischen Restaurant in Lissabon (in das uns die Familie Antao ausführte) kennen. Natürlich wieder viel Fleisch, aber von exzellenter Qualität und geschmacklich spannend und lecker zubereitet. Die Menge haut uns allerdings um, und so verziehen sich alle zur Siesta in ihre Betten.
Da wir den Eltern Roller wiederholt vom Meeresleuchten vorschwärmten, wollen wir heute Abend die Demonstration in Angriff nehmen und legen gegen 20:00 zu einer Abendrunde ab. Der Wind ist allerdings ziemlich mau, der Schwell sehr stark (Mama Roller erinnert sich wieder an die Fährfahrt) und mit der Dämmerung wird es empfindlich kalt. Vor den Felsen von Madalena/Pico drehen wir deshalb um und kehren bei halbem Wind zurück nach Horta.
Kalt, aber offensichtlich spaßig, so eine Nachtfahrt.
Mit dem letzten Licht des Tages erreichen wir unsere Box, verkriechen uns dann aber wegen der Kälte unter Deck und machen es uns bei Wein und kleinen Snacks gemütlich.
Sonntag, 22.06.2008 (399. Tag)
An unserem letzten gemeinsamen Tag hier auf den Azoren zeigt sich das Wetter nochmal von seiner besten Seite. Während Steffi mit ihren Eltern vormittags einen langen Spaziergang macht, bringe ich die Bootsarbeiten zu Ende, womit Apelia fertig für die Weiterfahrt ist.
Nachmittags hauen wir uns alle vier an den Strand. Zunächst ist uns das Wasser zu kalt, also gehen Steffis Eltern mit gutem Vorbild voran und stürzen sich laaaangsam in die Fluten. Hier und da zeugen vertrocknete Portugiesische Galeeren im Sand von der Gefahr und man muß sehr aufmerksam schwimmen. Als die Sonne den schwarzen Strand in einen Backofen verwandelt, zieht es dann auch Steffi und mich ins Wasser und wir schnorcheln entlang der Felsküste hinaus. Dabei gucken wir immer wieder über die Oberfläche, um ja keine Galeere zu übersehen.
Die Sicht ist mittelmäßig und die Unterwasserlandschaft ziemlich tot. Natürlich sehen wir auch Fische, aber Streifenbrassen und Meerpfauen hauen uns inzwischen nicht mehr aus den Flossen. Nur ein Rochen bringt wirkliche Abwechslung, ansonsten sind wir eher damit beschäftigt, den überall herumtreibenden Quallen auszuweichen. Sie sind nur 15 cm lang, doch sie sind rot geädert und das läßt uns Abstand halten. Zur Abkühlung war's allerdings okay.
Den restlichen Tag lassen wir faul und träge an uns langtreiben um abends ein letztes Mal gemeinsam die Azorische Küche zu genießen. Das unscheinbare Restaurant am Hafen bietet dabei etwas ganz besonderes: Man bekommt einen Teller rohes Fleisch und grillt es sich selbst auf einem heißen Lavabrocken. Das kenne ich zwar schon aus Deutschland, doch hier auf der noch fast heißen Vulkaninsel hat es natürlich eine speziellere Bedeutung.
Noch rekelt sich die Garnele zufrieden auf dem warmen Fels...
Montag, 23.06.2008 (400. Tag)
Es ist der Tag des Abschieds und so übersehen wir völlig, dass es unser 400. Tourtag ist. Das hätte man mal wieder als Vorwand zu einer Sektorgie nutzen können, doch seltsamer Weise brauchen wir heute keine große Aufmunterung. Es waren zwei schöne Wochen, doch da wir jetzt schon "so gut wie zu Hause" sind, stürzt uns der Abschied in keine so schwere Krise wie bei den bisherigen Besuchen. Nervig ist nur die eine Stunde Verspätung, mit der der kleine Airbus aus Lissabon eintrifft. Dank der Packung Merci, die Mama Roller von der Pirsch durch den Souvenirshop mitbringt, läßt auch sie sich gut überwinden.
Dann ist es soweit: Der A320 schwebt ein, wir verabschieden uns, Papa Roller entdeckt noch gerade rechtzeitig den Hotelschlüssel in seiner Tasche und dann stehen wir auf der Aussichtsplattform und gucken dem Treiben auf dem Rollfeld zu. Dank einer großen Reisegruppe ist der Flieger gut voll und benötigt die gesamte Bahn, bis er donnernd über den Atlantik verschwindet.
Abflug von Mama und Papa Roller.
Morgen wollen wir weiter, also ist es höchste Zeit, um noch ein letztes Mal an der Wurst zu ziehen. Vom Taxi lassen wir uns direkt in der Stadt absetzen und beginnen mit der Sucherei nach unseren EC-Karten. Vom abgebuchten Geld fehlt weiterhin jede Spur und die Postbank scheint es mit der Rückerstattung auch nicht eilig zu haben. Das ist eine Sache, doch dass unsere EC-Karten immer noch nicht beim hiesigen TO-Menschen aufgetaucht sind, das nervt doch gewaltig.
Zum Glück spricht der Mann hinter dem Schalter ein gutes Englisch und ist auch richtig motiviert. Es braucht ein wenig, doch dann erfahren wir, dass die Karten hier angekommen sind, nach sechs Tagen allerdings wieder zurückgeschickt wurden. Der Grund: Der nette Herr TO-Stützpunktleiter ist nach seinem Telefonat mit Andreas in den Urlaub gereist und konnte das Einschreiben damit gar nicht annehmen. Ich glaube ich enthalte mich besser jedem weiteren Kommentar hierzu...
Nachdem am Lukenrahmen wieder eine Schicht auflackiert ist und wir die Stopfbuchse geschmiert haben, ziehe ich Steffi in den Mast und suchen wir nach einem Wackler im Stromkreis der Dreifarbenlaterne. Bis auf viel eingedrungenes Wasser können wir nichts konkretes finden. Lieber Hersteller Aquasignal: Ist Euch eigentlich mal eingefallen, dass eine Laterne, die ausschließlich im Außenbereich eines Boots montiert wird, mit Wasser in Kontakt kommt und damit dicht sein sollte??? Wir jauchen alles mit Vaselinespray ein und bauen sie wieder zusammen. Erstmal funktioniert es.
Es fühlt sich richtig gut an, soviel gewuppt zu bekommen und wir steigern unsere Stimmung noch, als Steffi endlich eine gut passende Sonnenbrille findet. Ihre alte wurde in der Karibik von Andreas einem Materialtest unterzogen. Mangels Nike wechselt Steffi jetzt zu RayBan. Ist sowieso viiiieeel cooler.
Dienstag, 24.06.2008 (401. Tag)
Wir sind gestern eigentlich früh in die Koje gekommen, schlafen heute aber doch bis 10:00 durch. Da wir nur bis Velas auf Sao Jorge segeln wollen (20 nm) haben wir viel Zeit und gehen den Tag sehr entspannt an. Zu unserem Erstaunen scheinen alle Läden Mittagspause zu haben, doch der Hafenmeister klärt uns auf, dass heute ein Feiertag ist (Geburt Johannes des Täufers). Da wir kein Brot mehr haben, gönnen wir uns in einem schmuddeligen Cafe ein Toasti, drehen dann eine Runde um Sabine und Addy die vor Anker liegen und segeln unter großer Fock und vollem Groß hoch am Wind auf Sao Jorge zu. Es ist fast ein Anlieger, doch wegen des südgehenden Stroms müssen wir vor Pico ein paar Schläge machen.
Rückblick auf Horta.
Da der Wind stark abgenommen hat, wechseln wir zur Genua, womit wir auf dem Sprung von Pico nach Sao Jorge noch knapp 5 kn machen. Es ist herrliches Sommersegeln, doch irgendwie sind wir müde und hauen uns abwechselnd auf's Ohr.
Der Hafenmeister in Horta hatte uns schon davor gewarnt, und jetzt, knapp eine Meile im Lee von Sao Jorge bekommen wir eine leichte Kostprobe von den Fallböen, die im Lee der Inseln für anspruchsvolle Bedingungen sorgen. Im Grunde läuft es gut, doch wenn dann mal wieder so ein Ding einfällt, sind wir mit der Genua ziemlich übertakelt und Apelia legt sich weit über. Doch es ist ja Tag, das Wasser ist glatt und kurz vor uns leuchtet die rettende Mole in der tiefstehenden Abendsonne. Also alles kein Problem. wir genießen das sportliche Segeln.
Die Marina von Velas (sprich: Velasch mit gelalltem "l") ist nagelneu, d.h. sie besteht bisher nur aus ein paar Stegen hinter einer neuen Mole. Strom und Wasser stehen schon zur Verfügung, doch Sanitäranlagen fehlen. Zum Klo geht man ins Hafencafe und duschen kann man auf dem Steg. Finanziert wurde alles wahrscheinlich mit kräftiger EU-Förderung und die Anwohner haben den Hafen schon jetzt fest in Beschlag genommen. In Gruppen flanieren sie über die Stege und genießen deutlich, dass ihr Dorf jetzt auch über eine Yacht-Infrastrukur verfügt. Normalerweise verdammen wir ja solche kapitalistischen Upperclass-Neigungen, doch hier ist es einfach nur gemütlich und egalitär.
Der Platz, den uns der Hafenmeister anweist, ist winzig und als er unser weit herausragendes Heck sieht, entschuldigt er sich dafür. Als er uns von vorne sah, hatte er ein kürzeres Boot erwartet. Doch es weht kein Wind, Verkehr geht auch nicht, also können wir so liegen bleiben.
Mieke und Luc sind schon seit vorgestern hier und jetzt kommen wir endlich zur langersehnten Schokoladenprobe. Sie hatten uns schon immer von der belgischen Schokolade vorgeschwärmt und da Miekes Eltern in Horta zu Besuch waren, konnten sie ihren Vorrat aufstocken. Wir testen die "Dark" und die "Milk" von Leonidas und müssen zugeben, dass sie gut ist. Etwa so wie die niederländische Droste, doch für so eine Bemerkung würde uns ein echter Belgier wohl den Hals umdrehen.
Angesichts der Steilwand neben dem Hafen hatten wir es schon erwartet und sind somit wenig überrascht, als mit der Dunkelheit das Konzert der Gelbflossensturmtaucher losgeht. Es ist allerdings noch viel lauter als auf Flores und die junge Katze des französischen Nachbarn gerät angesichts dieser Geräuschkulisse völlig aus dem Häuschen. Vom Jagdfieber gepackt springt sie über die Boote und auch wir hören nachts das sanfte Tappen ihrer Pfötchen an Deck. Damit Ihr Euch einen Eindruck des Spektakels machen könnt, hier eine Geräuschprobe:
Nächtliches Spektakel der Gelbflossensturmtaucher.
Mittwoch, 25.06.2008 (402. Tag)
Wir haben beschlossen, einen richtig entspannten Urlaubstag einzulegen und beginnen ihn mit einem großen Frühstück, zu dem wir Mieke und Luc einladen. Bald werden sich unsere Wege trennen, also höchste Zeit, ihre Gesellschaft nochmal richtig zu genießen.
"Urlaub" bedeutet heute, dass wir die Seelen baumeln lassen. Also nichts mit großem kulturellen Programm an Land, sondern einfach nur ohne Stress vor sich hin brutzeln und entspannen. Steffi hat Sao Jorge ja schon mit ihren Eltern besucht und irgendwie habe ich keinen Bedarf nach Landurlaub. Stattdessen lackiere ich mal wieder den Lukenrahmen, dichte die Mastwanne zum hoffentlich letzten Mal mit einer dicken Hohlkehle und tippe Emails.
Velas mit seiner nagelneuen Marina (das Minibecken unten).
Steffi erledigt eine Ladung Handwäsche, tippt ebenfalls Emails und entdeckt im glasklaren Wasser diverse Fische. Einmal einen kleinen (15 cm) Drückerfisch und einmal einen 1,5 m langen Barrakuda, der es sich in Apelias Schatten bequem gemacht hat. Die Drückerfischchen gehen auf alles los, was ins Wasser fällt, also halten wir unsere Hände hinein. Zielstrebig schwimmt einer der Burschen auf Steffis Finger zu, nibbelt zweimal leicht daran, beschließt, dass das lecker sein könnte und beißt beherzt zu. Andy, der Tauchlehrer aus La Gomera hatte uns ja schon vorgewarnt: Drückerfische sind die gefährlichsten Fische dieser Region und jetzt können wir das bestätigen. Mit ihrem Schnabel schaffen sie es, die Haut zu durchdringen und so fehlt Steffis Fingerkuppe jetzt ein Stückchen Hornhaut.
Nachmittags setzen wir uns im Cafe Clube Naval direkt neben den Router und haben somit eine optimale Verbindung. Nachdem alle Emails getippt, versandt und empfangen sind, beginnt Steffi im Netz nach Mietwohnungen in Flensburg zu suchen und wir versacken, bis der Akku leer ist. Ganz heimatliche Gefühle kommen bei den Ortsnamen auf: Jürgensby, Mürwik, Westliche Höhe und auch Nordstadt. Vor allem Nordstadt. Die Gegend scheint angesichts des Angebots sehr schlecht dran zu sein, kommt für uns aber auch wirklich nicht in Frage.
Zum Abendessen haben Mieke und Luc uns eingeladen und beeindrucken uns mit Coque au Vin sehr nachhaltig. Mit den frischen Ideen vom Wohnungsmarkt wird es ein langer Abend und wir diskutieren über die Vor- und Nachteile vom Mieten/Kaufen.
Donnerstag, 26.06.2008 (403. Tag)
Entsprechend Lucs und Miekes Steilvorlage klingelt der Wecker schon um 6:00 und reißt uns damit eiskalt aus den Träumen. Draußen ist es frisch und im Bettchen soooooo gemütlich, doch wir wollen heute die 50 nm zur nächsten Insel Terceira segeln und viel Wind ist nicht vorhergesagt. Doch er soll aus SW kommen, wäre also ideal für einen langen Spigang entlang der Küste.
Als wir völlig verschlafen hinter der Luiza her aus dem Hafen tuckern, weht seltsamer Weise ein leichter Wind aus Nord, d.h. genau von den Hängen Sao Jorges herab. Unter Genua und vollem Groß machen wir damit 3,5 kn, genau das richtige um in Ruhe zu frühstücken und den Tag zu begrüßen. Das Wasser ist ganz ruhig und ich fühle mich an das Segeln auf dem Bodensee erinnert. Flaute und Berge bis ans Wasser.
Nach 1,5 h schläft der Wind fast völlig ein und wir folgen dem Beispiel der inzwischen weit voraus motorenden Luiza. Allerdings nur für kurze Zeit, denn die Spiegelungen voraus entpuppen sich als eine Herde Delphine (oder kleiner Wale), die weit verstreut entspannt die Küste entlangschwimmt. Wir stoppen den Motor und da der Wind inzwischen auf SO gedreht hat, kreuzen wir langsam dahin und durchqueren nach jeder Wende wieder die Herde.
Es ist ein tolles Schauspiel und wir stehen gebannt am Bug. Ganz still ist es, man hört nur das Plätschern des Wassers und ihr Atmen, wenn sie auftauchen. Nach und nach erkennen wir die Tiere wieder. Es gibt Mütter mit Babys, tiefschwarze, fleckige und manche, die fast komplett weiß sind. Sie erkennt man auch unter Wasser, wodurch sie sich prima verfolgen lassen. Apelia scheinen sie kaum wahrzunehmen. Erst wenn wir uns auf Kolisionskurs auf etwa 20 m an sie herangeschoben haben reagieren sie deutlich, tauchen hinab und wenn sie unseren Kurs kreuzen, sehen wir sie in der Tiefe unter uns durchschwimmen. Ansonsten ignorieren sie uns, lassen sich scheinbar aber auch nicht stören. Über zwei Stunden kreuzen wir mit den Walen und als der Wind etwas auffrischt, segeln wir ihnen davon.
Kreuzen mit Walen. Anclicken für's Filmchen (3,8 MB)
Am Ostkapp von Sao Jorge sorgen die Strömungen für ein bizarres Bild. Ein 100 m breiter Streifen ist hier spiegelglatt, ohne eine Welle und gigantische Strudel bringen unseren Autopiloten fast in Bedrängnis. Am Tiefenmesser können wir nichts entdecken, es muß also irgendwie daran liegen, dass hier die Strömungen vom Nord- und Südteil der Insel aufeinander prallen und dieses Durcheinander erzeugen. Ganz langsam schieben wir uns hindurch, doch dann schläft der Wind mal wieder ein und wir starten den Motor. Es ist seltsam, früher hätten wir diese Bedingungen ausgesessen, doch momentan fehlt uns irgendwie die Geduld. Wir wollen endlich ankommen und dass der Wind inzwischen genau aus Ost kommt und wir damit nicht mal unser Ziel Angra do Heroismo anliegen können, nervt uns zusehends.
Mit dem Sonnenuntergang im Rücken laufen wir um 21:30 in den Hafen ein und werden von Mieke und Luc begrüßt, die von der Hafenmole herunterwinken. Die Stadt schließt sich direkt an die Marina an und wir erkennen schon von hier unten, dass sie vor Leben nur so braust. Als wir anlegen knallt sogar ein Böllerschuß und es kommt uns vor, als würde Salut geschossen. Die ganze Woche über ist hier eine große Party und wir sind erstaunt, dass wir noch so locker einen Platz bekommen. Angeblich war der Hafen völlig überlaufen.
Apelia ist schnell aufklariert und wir stürzen uns in das Nightlife. Gegenüber Horta ist Angra do Heroismo (ich schreibe jetzt nur noch Angra, okay?) eine richtig große Stadt und jetzt drängen sich hier die Menschen auf den Straßen. Wir folgen dem roten Teppich und der Festbeleuchtung. Hier wird wohl gleich ein großer Umzug mit Trachten, viel Kultur und Volksliedern (och nööööö) durch kommen, doch als wir vor ihm stehen, können wir kaum glauben was wir sehen: Das ist heute der große "Shrek"-Umzug, der sich von seinen Motiven an den gleichnamigen Hollywood-Film anlehnt. Es ist alles sowas von unglaublich kitschig, doch die Leute flippen völlig aus, als zwei Menschen in Shrek-Kostümen vor dem ersten Wagen auftauchen und Kußhändchen in die Menge werfen. Shrek ist auf den Azoren scheinbar megamäßig angesagt.
Partymeile in Angra do Heroismo.
Vor diesem Kulturschock flüchten wir zurück an den Hafen. Hier werden dicke Fleischfetzen auf einem 2 m langen Spieß über dem Feuer gegrillt und Caipirinhas verkauft. Wir folgen dem Menschenstrom und landen irgendwann auf der anderen Hafenseite vor einer großen Bühne, wo die letzten Vorbereitungen getroffen werden. Wir sehen eine Mixtur von modernen und klassischen Instrumenten, das könnte also interessant werden. Mieke und Luc verabschieden sich trotzdem, während wir die letzte viertel Stunde abwarten.
Die Gruppe die dann endlich kommt ist eine herbe Enttäuschung. Sie nennt sich Xaile und scheint angesichts des Andrangs auf den Azoren angesagt zu sein. Auf uns wirkt das ganze aber eher wie eine portugiesische Fassung der Corrs: Nimm' drei hübsche Mädels mit einigermaßen guten Stimmen, statte sie mit einer Kombo aus Musikern aus, bringe ihnen hier und da ein wenig bei (Flöte, Harfe, Dudelsack) und vermarkte das ganze als Folk-Popp. Beim zweiten Lied haben wir genug gesehen (na gut, ansehen hätte ich mir die drei leicht bekleideten Mädels auch noch länger...) und verduften, Zeit für die Koje.
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