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Von Terceira/Azoren nach Dublin/Irland


Montag, 30.06.2008 (407. Tag)

Das Gefühl, dass man im Geist schon Abschied genommen hat, stellt sich heute nicht ein. Irgendwie fehlt uns die Lust auf die letzte wirklich lange Etappe hoch nach Irland. Es wird wahrscheinlich rauh werden, da wir wieder viel Strecke nach Norden machen. Die Prognose sagt nur für die ersten paar Tage ein kleines fieses Tief voraus, dass 8 Bft, allerdings für uns aus raumen Richtungen mitbringt, danach soll ein stetiger Westwind einsetzen (20 kn), also eigentlich ideal, um nach NO getrieben zu werden.
Wir lassen uns viel Zeit, füllen alle Wassertanks, duschen, kaufen noch kurz ein und so macht der Hafenmeister gerade seine Mittagspause, als wir auschecken wollen und wir nutzen die Verzögerung für ein letztes Azorisches Mittagessen. 4 EUR kostet hier das Tagesgericht und auch wenn es nur Standardware ist (Steak mit Spiegelei und dazu Pommes und Reis) genießen wir das Mal und schlendern danach runter zum Hafen.
Der Abschied von Mieke und Luc ist herzlich und fällt uns schwer. Gleichaltrige waren auf unserer Tour immer die Ausnahmen und mit diesen beiden Belgiern hatten wir wirklich jede Menge Spaß. Wir sind gespannt, ob der Kontakt halten wird, oder ob man sich im Alltag wieder aus den Augen verliert. Uns bleibt erstmal die Hoffnung.
Bei SW 4 verlassen wir Angra do Heroismo unter vollem Groß und kleiner Fock und fliegen entlang der Küste nach Osten. So dürfen die Bedingungen gerne bleiben, da macht das Segeln Spaß. Die Sonne scheint und mit 30 Grad C ist es heute nochmal so richtig warm. Wir sind gespannt, wann wir die langen Klamotten herauskramen müssen, die Schlafsäcke liegen auf jeden Fall schon bereit.

Blick zurück auf Angra do Heroismo und seine "wehrhafte" Hafenmauer.


Seit den Kanaren wissen wir ja, dass die Atlantikinseln ein effektives Lee produzieren und obwohl Terceira nicht besonders hoch ist, unterschätzen wir es und enden in einer absoluten Flaute, kombiniert mit fiesem Kabbelwasser und müssen uns eine halbe Stunde lang unter Motor durchschlagen und die Zähne zusammenkneifen. Die Seen werfen Apelia ziemlich wild hin und her, die Segel schlagen und wir kämpfen beide mit dem all zu bekannten mulmigen Gefühl in der Magengegend.
Einmal durchfahren haben wir dann aber wieder Idealbedingungen und heizen nordwärts. Der Anlieger wäre 50 Grad, doch wir halten uns erstmal weiter nördlich, um bei dem anziehenden Tief zur Not nach Ost ablaufen zu können, ohne zuviel Höhe zu verlieren.
Kurz bevor ich mich hinhaue binden wir das erste Reff ins Groß und ich schmeiße zur Sicherheit eine Pille ein. Seit dem Kabbelwasser in Terceiras Lee habe ich mich nicht so recht erholt, also wieso weiter quälen.
Als ich gegen 23:00 wach werde ist deutlich, dass der Wind abgeflaut hat und wir reffen aus. Im Gegensatz zum Einreffen hakelt aber jetzt irgend eine Leine und es geht sehr träge. Es gibt wirklich fast nichts nervigeres als solche Segelmanöver im Dunkeln. Immer wieder leuchten wir mit den Taschenlampen unserer Westen ins Rigg, können den Übeltäter allerdings nicht entdecken und es braucht einiges an Gefluche, bis das Segel endlich wie gewohnt hochflutscht.


Dienstag, 01.07.2008 (408. Tag)

Dank der Pille fühle ich mich gut und kann eine schöne Nachtwache genießen. Allerdings halten mich die sich laufend ändernden Bedingungen auf Trab. Immer wieder ziehen Schauer durch und muß die Windfahne nachjustiert werden. Auch wenn ich es schon zig Mal gemacht habe, es ist doch immer wieder ein seltsames Gefühl (angeleint) in der Finsternis auf Apelias freies Heck rauszuturnen und an dem Stellrädchen des Windpilots zu drehen. Unter einem sprudelt dabei das leuchtende Heckwasser unter dem Rumpf hervor und darin glimmt die ein oder andere Qualle. Irgendwie erfaßt mich jedes Mal ein Gefühl von absoluter Freiheit, wenn ich mich danach umdrehe und hoch aufgerichtet am Heckkorb lehne. Von hier aus sieht man alles vor sich und steht völlig sicher. Genial.
Einen dicken Pott auf Gegenkurs funke ich an und der Witzbold von Wachhabendem fragt mich, ob er ausweichen solle. Ein Blick auf seinen Radar müßte ihm eigentlich alles sagen, aber wenn er es so will, bejahe ich halt. Aus der Position einer Yacht, für die der Horizont immer wieder für mehrere Sekunden hinter den Wellen verschwindet ist das Einschätzen einer solchen Situation nicht gerade einfach.
Die restliche Nacht vertreibe ich mir mit der Deutschen Welle und werde zwischendurch von wildem Gequietsche herausgerufen. Eine Herde Delphine umkreist uns und schießt wie wild unter unserem Bug durch. Wenn es nach ihnen ginge, dürften wir wohl schneller fahren.
In der Nacht hat der Wind auf NW gedreht und auf 4 Bft zugenommen. Damit müssen wir den Rest des Tages am Wind segeln und binden ein Reff ins Groß. So ein Mist, das ist erstens nicht vorhergesagt und zweitens extrem nervig. Die Wellen sind gut 3 m hoch und Apelia stampft sich mühsam voran. Zu allem Überfluß macht sich auch noch der Azorenstrom bemerkbar, der uns mit dem Wind entgegen kommt, zum Vorhalten zwingt und abbremst. Unser Etmal beträgt heute lediglich 95 nm. Nicht sehr motivierend und da wir uns immer noch nicht eingeschaukelt haben, verbringen wir die meiste Zeit in den Kojen.

Endlich sind die hohen Wellen auf einem Foto sichtbar!



Mittwoch, 02.07.2008 (409. Tag)

Das Gebolze gegenan geht an die Konsistenz und wir verbringen fast die gesamte Zeit in den Kojen. Wir kämpfen auch immer noch mit leichter Seekrankheit, allerdings sind ihre Anzeichen so schwach, dass wir keine Pillen schlucken. Solange wir in den Kojen liegen geht es ganz gut und alle 15 min klingelt uns die Eieruhr für den Rundblick heraus.
Da der Wind etwas nachgelassen hat, reffen wir morgens aus und die frische Fahrt hebt die Stimmung. Mittags beträgt das Etmal 135 nm, da können wir gut mit leben, zumal uns der Azorenstrom mit einem knappen Knoten bremst. Leider ist dieser kleine menthale Aufschung nach zwei Stunden wieder vorüber, denn der Wind schläft fast ein und wir starten den Motor, um das Schlagen der Segel zu reduzieren. Sowas schlägt einem echt auf's Gemüt und da ich zur Zeit nicht sehr gut schlafe, findet Steffi mich gegen 15:00 schlafend in der Koje und übernimmt meine Wache.
Als wir abends etwa auf der Höhe von Vigo sind, frischt der Wind rapide auf und dreht nach Süd. Unter zweitem Reff und ausgebaumter kleiner Fock prescht Apelia voran. Das Tief ist eindeutig im Anzug. Der Wind dreht immer weiter auf Süd und als wir nachts halsen müssen, zieht die Kaltfront über uns hinweg. Es wird eindeutig frischer und regnet in fast einem fort. Ätzend, dann raus zu müssen, doch jetzt erstmal steuert unser lieber Windpilot und wir genießen unter Deck die letzte Niederegger Trinkschokolade, die Steffis Eltern uns mitbrachten.
Gegen 22:00 schlägt der Barograph Alarm, doch da wir die Prognose kennen, sind wir vorbereitet auf das, was sich von Westen auf uns zuschiebt. Draußen ist es pechschwarz und da wir vor lauter Regen kaum noch was sehen können, beginnen wir alle halbe Stunde Securité-Meldungen zu funken. Dann wissen die Großen wenigstens wo wir sind und können sich melden, falls sie in die Nähe kommen.


Donnerstag, 03.07.2008 (410. Tag)

Die Front ist um Mitternacht eindeutig durchgezogen. Es regnet weniger und der Wind hat auf SW zurückgedreht. Er fegt allerdings mit 35 kn über uns hinweg und um Ruhe ins Boot zu bekommen (wir machen konstant über 8 kn) bergen wir das Groß. Bei diesem Sturm sind die Bedingungen eigentlich alles andere als entspannend, doch wir haben alles unter Kontrolle, funktionieren perfekt als Team und fühlen uns sicher. So kommen wir auch dazu, das Umfeld zu genießen: Den Wind habe ich noch nie so im Rigg kreischen hören, es ist stockfinster, aber gerade deswegen fällt das Meeresleuchten besonders auf, denn jeder brechende Wellenkamm glüht in fahlem Grün. Gespenstisch, aber auch unglaublich schön.
Unsere Stimmung ist gut, denn bei dieser Windrichtung kommen wir flott voran und als Steffi Zucchinischeiben anbrät istd as Glück perfekt. Heiß und fett steht momentan hoch im Kurz. Dann noch deftig gesalzen und gepfeffert, herrlich!

Muß in der Nacht an Bord gesprungen sein: Kalmar.


Zum Frühstück gibt es wieder gebratene Zucchinischeiben und ein Omlett. Es kann fast nicht deftig genug sein. Unser Energiehunger liegt wahrscheinlich an den sinkenden Temperaturen. Hatten wir bei der Abfahrt mittags noch 30 Grad C, sind es jetzt nur noch 22 und nachts sinkt das Thermometer schonmal auf 16. Für uns völlig ungewöhnt und wir decken uns mit allem zu, was da ist. Es regnet jetzt auch wieder in einem fort, aber ich bin nicht bereit, das Barfuß-Routen-Feeling aufzugeben und springe weiterhin in Boxershorts an Deck herum.

Die Fakten sind deutlich: Wir verlassen die Barfußroute.


Wir haben inzwischen das Groß wieder im 2. Reff gesetzt und machen über Grund 6,5 kn. Das ist okay, unser Etmal beträgt 140 nm, doch das Ende der rosigen Zeiten kündigt sich schon an: Der Wind dreht langsam, aber stetig nach West. Außerdem ist er sehr böig. Mal spielen wir mit dem Gedanken auszureffen, doch kurze Zeit später sind wir froh, nur so wenig Tuch oben zu haben. Das sind für eine Zweimanncrew wirklich die anstrengendsten Bedingungen. Man möchte am liebsten immer wieder die Besegelung anpassen, doch dadurch kommt die Freiwache nicht zur Ruhe und langsam aber sicher laugt man sich aus.
Mittags gibt es Nudeln mit Ketchup und als wenn das nicht genug wäre, reißen die Wolken auf und präsentiert sich ein strahlend blauer Himmel. Die Stimmung hebt sich und wir vermuten, dass das Tief jetzt durchgezogen ist. Eine Fehleinschätzung, denn abends frischt der Wind wieder auf 7-8 Bft auf und wir bergen das Groß. Bei dem halben Wind machen wir damit noch 5,5 kn, vor allem aber hämmert Apelia dann nicht mehr so hart durch die Wellen, die sich bei diesen Bedingungen immer höher aufbauen. Vermutlich erreichen sie gute 4 m, doch alles über 3 m ist meiner Meinung nach vom Boot aus kaum schätzbar. Es sind auf jeden Fall die größten Wellen, die wir bisher gesehen haben und sie kommen schräg von vorn...
Abends ziehen wieder dunkle Wolken auf und es beginnt in einem fort zu nieseln. Wieder funken wir Securité-Meldungen, wenn die Sicht zu schlecht wird. Draußen ist alles grau in grau und trostlos.

Alles grau in grau und naß.


Steffi ist zunehmend davon genervt, dass wir nur auf SB-Bug fahren, da sie dann bei jedem Rundblick über ihr Kojensegel klettern muß. Dafür darf sie aber gerne zu mir in die Lee-Koje kommen, wo wir dann dicht zusammengekuschelt liegen und zuhören, wie sich Apelia durch's Getöse kämpft. Eigentlich wollen wir nur noch ankommen, uns zusammen ins Bettchen kuscheln und schlafen dürfen.


Freitag, 04.07.2008 (411. Tag)

Zum Wachwechsel gibt es wieder die gebratenen Zucchinischeiben und ich suhle mich förmlich darin, so lecker sind sie. Leider geht dieses Gemüse bald dem Ende entgegen, doch uns stehen noch andere zur Verfügung. Es ist auf jeden Fall sehr deutlich, dass dieses Gemüse viel mehr Geschmack hat als das, was wir auf den Bahamas kauften.
Zum morgendlichen Wachwechsel setzen wir das zweifach gereffte Groß, wonach ich mich wieder in die Koje haue. Momentan bin ich irgendwie nicht im Rhythmus, kann abends nicht schlafen, penne dann kurz vor meiner Nachtwache ein und bin zum Wachwechsel dementsprechend groggy. Mit Cola und Deutscher Welle halte ich mich dann meistens ganz gut wach, doch das Programm der Deutschen Welle wiederholt sich wirklich penetrant. Manche Beiträge habe ich jetzt schon viermal gehört. Andere Alternativen lassen sich leider nur schwer finden, wenn man die Frequenzen nicht kennt. Zum Glück finde ich irgendwann einen österreichischen, internationale Sender, der qualitativ sehr gut ist und tagsüber empfangen wir den niederländischen Wereldomroep, womit ich ausreichend Alternativen habe. Interessant sind auch die englischsprachigen Propagandasender aus China und Rusland, die fast in einem fort wiederholen, wie toll alles bei ihnen ist, und wie sich die Länder für die Weltgemeinschaft einsetzen.
Mangels Zucchini gibt es mittags "Fried Green Tomatos", was auch sehr zu empfehlen ist. Zumindest durchgekühlt und ausgepowert auf hoher See. Der Wind hat auf NW gedreht und auf 4 Bft abgenommen. Wir reffen weiter aus und kämpfen uns am Wind, mit einem Schrick in den Schoten weiter. Unser Etmal ist mit 120 nm nicht sehr berauschend, doch unter diesen Bedingungen wollten wir nicht ungebremst weiterstürmen. An Schlaf wäre dann gar nicht mehr zu denken gewesen.
Da es draußen jetzt unter 19 Grad C kalt ist, tragen wir andauernd unsere Thermounterwäsche und dicke Socken. Ans Ausziehen mag ich gar nicht mehr denken und bin froh, in meinem inzwischen etwas muffeligen Bettchen zu liegen. Steffi bringt es aber tatsächlich über sich, sich einmal komplett zu waschen.
Abends haben wir das Groß voll gesetzt und während Apelia mit 5,5 kn ihre Bahn zieht, genießen wir unter Deck ein knallheißes Chili. Das tut gut und danach kann ich endlich mal richtig schlafen.

Endlich mal eine friedliche Abendstimmung.



Samstag, 05.07.2008 (412. Tag)

In der Nacht wird es auch unter Deck richtig frisch und wir verlassen unsere Kojen wirklich nur noch zum Ausschau halten. Das aufgewärmte Chili kommt da wirklich gut an und ich schlage mir den Bauch so richtig voll. Die ersten Stunden meiner Wache klappen damit prima, doch die letzten zwei werden zur Quälerei. Immer wieder verschlafe ich die Eieruhr und wie auch gestern, übernimmt Steffi ihre Wache eine halbe Stunde früher.
Zum Frühstück gibt es die letzten Reste vom Chili, bleibt uns jetzt nur noch das bange Warten auf die infernalischen Nachwirkungen...
Der Wind ist immer noch extrem böig. Zwischendurch läuft es ganz entspannt, doch dann fragen wir uns wieder, ob ein Reff nicht angebracht sei. Bis jetzt schafft es die Windfahne allerdings noch gut, den Kurs zu halten, also lassen wir alles oben. Der Strom hat auf jeden Fall merklich nachgelassen und unsere Fahrt über Grund legt zu. Unser Etmal beträgt 130 nm.
Ätzend sind heute die Wellen. Ihre Kuppen brechen und wenn uns so ein Ding von der Seite trifft, knallt es nicht nur furschtbar, sondern werden wir scheinbar von der Gischt begraben. Wir fahren deshalb fast den ganzen Tag mit verrammeltem Niedergang, was für das Klima unter Deck nicht so der Bringer ist. Es müffelt, bzw. wir (ich???) versauen die Luft.
Nachmittags ziehe ich zum ersten Mal ein Wetterfax. Die Windrichtung ist alles andere als vorhergesagt, da muß sich also etwas unvorhergesehenes getan haben. Und tatsächlich: Über England hängt ein fettes Tief und das Ekel weicht einfach nicht von der Stelle. Istsituation, 24- und 48-Stunden-Prognose: Überall steht das Ding fest über England und versorgt uns mit starkem Wind aus NW. Voraussichtlich dürfen wir also bis zum Ende am Wind fahren.

Schauer und blauer Himmel wechseln sich ab.


Als wenn das nicht genug wäre, nimmt der Wind abends wieder zu und nachdem wir am zweiten Reff im Groß angekommen sind, bleibt uns nur noch das Bergen übrig, wonach wir uns mit schlappen 4,5 kn unter Fock voran boxen. Außerdem ist es jetzt wirklich saukalt geworden, unter Deck messen wir nachts 14°C.
Weil Apelia nachts furchtbar anfängt zu rollen, reffen wir aus und schon geht es besser. Das Manöver zeigt allerdings, wie aufgezehrt wir sind. Nicht klappt und alles nervt. Das fängt vom vergammelten Reisverschluß am Ölzeug an, geht über die Kälte weiter und endet bei einem angehauenen Zeh. Die Barfußroute liegt jetzt wirklich hinter uns und nachdem ich ein paar mal laut "SCHEISSE" in die Finsternis gebrüllt habe (zu Steffis Schrecken) haue ich mich schmollend in die Koje. Ich will jetzt entweder ankommen, oder zurück in südliche Breiten segeln. Das hier ist einfach nichts.


Sonntag, 06.07.2008 (413. Tag)

Heute nacht ist das generelle Meeresleuchten, bei dem das Wasser Funken schlägt sehr schwach, aber dafür funkeln einzelne Organismen in unserer Hecksee um so intensiver. Wie kleine Lämpchen blinkt eine Spur hinter uns und ich frage mich, ob die Tierchen vor Freude, oder aus Empörung leuchten, da wir sie im Vorbeifahren aufgewirbelt haben.
Es ist jetzt richtig kalt und da es entweder regnet, oder Gischt ins Cockpit schwappt, wird der Gang zur Windfahne dank des Ölzeugs zur größeren Aktion. Das führt uns nochmal vor Augen, wie herrlich einfach des Segeln in warmen Gefilden ist.
Nachdem auch ich ausgeschlafen habe, serviert Steffi ein deftiges Sonntags-Omlett als Frühstück, wonach wir uns zusammen in meine Koje verziehen. Dort ist es heimelig, warm und wir sind beieinander. Das gibt angesichts der ewig ätzenden Bedingungen einfach ein Trost und dicht an dicht wechseln wir uns mit dem Schlafen ab. Bis auf das regelmäßige Herumschauen läuft alles andere auf Sparflamme. Apelia rumst und springt durch die Wellen, Gischt sprüht regelmäßig in Massen bis ins Cockpit und die Kälte nimmt uns jede Energie. Das dieses Stück ätzend würde dachten wir uns schon, aber so ekelig muß es doch wirklich nicht sein?

Die Nudelsuppe liefert Mineralien und hält warm.


Mittags beträgt unser Etmal 140 nm und unter kleiner Fock und zweitem Reff schwankt Apelias Fahrt wegen der Böen zwischen 3,5 und 7 kn. Noch 358 nm bis Kinsale in Irland. Unsere Stimmung steigt wieder etwas. Abends frischt der Wind dann aber wieder auf 7 Bft auf und wir bergen das Groß. So hoch am Wind machen wir damit nur noch 4,4 kn, die Stimmung sinkt also wieder, es ist ein dauerndes auf und ab.
Das scheiß Tief hat sich dick und fett über England eingenistet, die Hoffnung auf eine Besserung der Bedingungen können wir also versenken. Zwischen uns und Kinsale liegen so einige Isobaren. Das Tief hat im Zentrum 993 hPa und bei uns sind es 1014. Das Auffrischen des Windes ist also vorprogrammiert.
Mit dem Wind werden auch die Wellen immer größer und Steffi traut sich kaum noch rauszugehen. Unter Deck merkt man bis auf den Lärm nicht viel davon, aber wenn ich zur Windfahne raus muß, gruselt es mich ziemlich. Vor allem nachts, wenn man das Zischen der Wellenkämme hört und weiß, dass sie einen gleich treffen. Dann wird der Gang vom Luk nach achtern und zurück zum Spießrutenlauf. Aus Angst vor einsteigenden Wellen verrameln wir nachts wieder den Niedergang.


Montag, 07.07.2008 (414. Tag)

Im Morgengrauen setzen wir das Groß im zweiten Reff und machen damit 6,5 kn. Angenehmer wird es dadurch nicht, Apelia springt und bolzt durch die Wellen, doch sie sind heute schon einiges freundlicher als gestern, d.h. im wesentlichen weniger steil.
Zum Mittagessen gibt es Kartoffelsuppe und wir stellen wie immer erfreut fest, dass was warmes und herzhaftes im Magen die Stimmung merklich hebt. Vorraussichtlich sind es noch 2-3 Tage, jetzt heißt es nur noch die Zähne zusammenbeißen und abwarten, dass die Stunden vergehen. Seltsamerweise ziehe ich momentan die Nachtwache vor, da ich dabei das Gefühl habe, dass die Zeit schneller vergeht.
Die Schläge sind weniger geworden und nur noch selten luvt Apelia in einer Bö an und hämmert dann wieder gegen die schräg von vorne anlaufenden Wellenberge. Nachmittags rumst es einmal wirklich ohrenbetäubend, gefolgt vom Zischen des Wassers, dass über und seitlich entlang der Kajüte abläuft. Wir gucken uns erschrocken an, doch das hatten wir schon öfter, bis auf viel Lärm ist nichts gewesen.
Ist es aber leider doch... Ich bemerke den knapp 1 m langen Riss an BB im Vordeck, als ich auf Klo gehe. Meine Matrazze ist klitschnaß und warum hängen da unter Deck eigentlich die ganzen Tropfen? Als ich genauer hinsehe und die feine Linie im Lack sehe, stellen sich mir wirklich die Nackenhaare auf. Bis zum nächsten Land sind es noch gut 300 nm und wir haben hier einen Riß im Deck, durch den das Spritzwasser fröhlich hereinsuppt.
Wir fallen ab, um das Deck trocken zu bekommen und inspizieren alles. Scheinbar hat die Welle den Rumpf an genau der richtigen Stelle belastet, wodurch die Schale etwas einfederte. Das Knie zwischen oberstem Stringer übertrug diese winzige Bewegung auf den Decksbalken, der hierdurch einknickte, wodurch das Deck aufplatzte. Strukturell ist der Rumpf ansonsten in Ordnung. Die Verleimung des Klinkers hat gehalten und da an dieser Stelle keine extremen Kräfte zu erwarten sind, können wir weitersegeln. Der Riß stoppt genau an den benachbarten Decksbalken.
Nachdem der Spalt von außen mit Kit und von innen mit Tape abgedichtet ist, halten wir Kriegsrat. Irland ist das nächste Land, doch wir werden weiterhin halb/hoch am Wind fahren müssen. Alternativ könnten wir abfallen und nach Brest ablaufen, was allerdings locker einen Tag länger dauern würde. Da außerdem Katharina heute in Dublin gelandet ist, fällt die Entscheidung relativ einfach. Wir fahren weiter. Ich überlege noch, ob ich nicht ein zusätzliches Knie zwischen Stringer und Decksbalken schrauben soll, doch unter diesen Bedingungen Holz zurecht sägen, das ist mir doch etwas wild. Wir warten also ab und beobachten regelmäßig, ob der Riß sich ausbreitet.
In der Abenddämmerung entdecken wir achteraus einen Container-Giganten von Hapag Lloyd und funken ihn an. Der Wachhabende ist superfreundlich, erzählt uns, dass südlich noch zwei andere dicke Pötte unterwegs sind und gibt uns den neusten Wetterbericht durch. Er kommt aus Virginia, die Hauptschifffahrtsroute in den Englischen Kanal haben wir jetzt also passiert. Ein gutes Gefühl, da wir die letzten Stunden sehr aufmerksam Wache gegangen sind.

Seit langem mal wieder Verkehr.



Dienstag, 08.07.2008 (415. Tag)

Heute ist Steffis Geburtstag und gleich nachdem ich so einigermaßen wach bin, machen wir Bescherung. Von unseren Eltern gibt es Bücher und dann darf ich meine gesammelten Einkäufe aus Angra do Heroismo überreichen. Eine Pulle Bier, einen neuen, weißen Portwein, Saft und andere Leckereien und natürlich die Live-CD von Cla. Als wären sie bestellt, kurven plötzlich auch noch mehrere Delphinchen ums Boot, trotz der ansonsten eher trostlosen Bedingungen ist Steffis Geburtstag bisher also ein ganzer Erfolg.

Vor dem Einschlafen ein Schluck aus der neuen Port-Pulle.


Im Morgengrauen reffen wir aus. Der Wind hat auf 3 Bft abgenommen und ist nach West gedreht. Auch die Wellen sind merklich kleiner und zum ersten Mal auf dieser Fahrt atmen wir auf und entspannen uns. Die Temperaturen sind dafür in den Keller gefallen. Auch unter Deck sind es nur 15 Grad C. Um nicht immer wieder zum Einstellen der Windfahne raus zu müssen, baue ich deshalb endlich mal die "Fernbedienung" an. Es ist ein Schnürchen, dass um das Stellrad herum läuft und bis zum Niedergang reicht. So können wir jetzt aus dem Schutz der Luke heraus die Windfahne einstellen und müssen wenn, dann nur für Änderungen an der Fock raus.
Dieses neue Gadget ist echt cool, doch trotzdem stehen wir kurz darauf draußen bis wir ausgekühlt sind, denn eine Herde Delphinchen umspielt uns. Es sind die kleinen, die wir schon aus dem Englischen Kanal kennen und sie rasen vor uns lang, lassen sich zurückfallen, surfen in der Heckwelle und springen immer wieder mit dem gesamten Körper in die Luft. Es wirkt fast so, als wollten sie Steffi ein Geburtstagsständchen bringen.

Delphinchen zum Geburtstags-Kaffee-Kränzchen.


Nachdem die Gruppe abgezogen ist, gibt es zum Aufwärmen Cappucino/Tee und Kuchen, und zwar im Bettchen! Leider hält das Glück nicht sehr lange an, denn schon bald darauf schläft der Wind ein und wir müssen drei Stunden motoren. Es ist so frustrierend: Erst tagelang sehr starken Wind und dann plötzlich totale Flaute. Zum Glück hält sie nicht lange an und gegen Mittag kommen 4 Bft aus Süd auf. Sie bringen auch Regen mit, doch wir haben ja jetzt unsere clevere Fernbedienung und strecken dem Wetter die Zunge raus.
Nachmittags hat der Wind weiter auf SO gedreht und treibt uns mit 6 kn voran. Das ist herrlich und als ich den ersten Tölpel sehe, geht es mir so richtig gut. Diese eleganten Flieger haben wir echt vermißt. Überhaupt wimmelt es hier vor Vögeln. Eissturmvögel umkreisen uns schon seit ein paar Tagen und heute identifiziere ich eine "Black Legged Kittiwake", die uns interessiert umfliegt.
Am Abend, als wir über Grund 8 kn machen, empfangen wir zum ersten Mal die Ireland Coastguard. Es sind noch 90 nm, unsere Antenne arbeitet also erstklassig. Fast stündlich senden sie irgendwelche Meldungen über das Wetter und mit "Navigational Warnings". Allerdings nuscheln sie im Gegensatz zu Bermuda Radio ganz schön und so bekomme ich die Position eines Fischernetzes entlang der Südküste nicht mit. Als ich nachhake, stellt sich heraus, dass das Netz viel weiter im Osten liegt. Dafür kümmert sich der Funker ganz rührend um uns, fragt, ob wir irgend etwas brauchen und berät uns über das Wetter.


Mittwoch, 09.07.2008 (416. Tag)

Der Wind stellt uns nochmal vor eine richtige Gedulds- und Frustprobe, denn nach Mitternacht schläft er ein und wir müssen motoren. Es ist wirklich sowas von zum kotzen, bis Kinsale sind es nur noch 40 nm und wir müssen motoren, nachdem die letzten Tage immer reichlich Wind war. Die Wetterprognose toppt das ganze noch, vorhergesagt ist Wind von 5-6 Bft... aus... Ost. Aber damit nicht genug: Der Autopilot springt wiederholt von der Pinne (bis wir ihn mit einem Gummistropp festlegen), das KVH (Log, Wind und Tiefe) spinnt, der Motor zickt und dass die Buglaterne nicht funktioniert ist da ja eigentlich selbstverständlich. Es ist wirklich nur zum Kotzen.
Erst gegen Mittag kommt wieder eine leichte Brise auf, allerdings aus Südwest und nicht aus Ost. Welch ein Glück, vor allem, da sie bald auf 5 Bft anzieht und wir ENDLICH wieder vernünftige Fahrt machen. Unter Deck sitzend beantworten wir Emails und ich räume mein Adressbuch auf. Außerdem waschen wir uns beide, naja, zumindest notdürftig, denn es ist echt kalt.
Das Land versteckt sich hinter dichtem Nebel und erst als wir uns dem Old Head of Kinsale nähern, taucht eine grasbewachsene Steilküste mit dunklen Klippen aus dem Dunst auf. Wir klinken die Windfahne aus und entdecken den Grund für das Gequietsche des Ruderlagers: Es ist völlig ausgeschlagen, so daß das Ruder wild herum ruckt und Apelia kaum vernünftig zu steuern ist. Ein wenig Spiel hatte es schon immer, aber auf dem Stück hier hoch hat sich sein Zustand wirklich extrem verschlechtert. Was für ein Scheiß, wir sind wirklich frustriert über all die Probleme, halten jetzt aber noch die letzten Meilen durch, es geht jetzt einfach nur darum, anzukommen.

Schnauze voll von allem.


Kinsale liegt geschützt in einer gewundenen Flußmündung, aus der uns die Mittwoch-Abend-Regatta entgegen kommt. Es ist der typische Gegensatz zwischen Fahrten- und Regattasegler: Wir hier, abgekämpft und müde unter raumem Wind und die da drüben gegen Wind und Wellen anbolzend, aber völlig zufrieden damit.
Um 19:00 legen wir nach 1140 harten Meilen als dritte im Päckchen an. Mit dem ein Meter langen Riß im Deck, dem ausgeschlagenen Ruderlager, dem zickenden Motor und all den anderen kleinen Dingen, die nicht funktionieren sind wir so richtig abgekämpft und sowohl körperlich, als auch geistig richtig ausgelaugt. Was für eine Lichtblick, dass wir die Light Blue von Shioban (sprich: Schivon) und Lawry entdecken, und von den beiden warmherzig empfangen und mit heißem Tee und Plätzchen versorgt werden. In ihrem beheizten Boot dürfen wir uns so richtig auskotzen und sie päppeln uns wieder auf. Auch ihre Tour hier hoch war ätzend, allerdings hatten sie die gesamte Fahrt raumen Wind.
Auch wenn es schon spät ist und wir ziemlich fertig sind, zieht es uns danach nochmal zu einer kurzen Runde in die Stadt. Hier ist alles very british (okay, wir sind in Irland, aber...). Die Häuser, die Straßenlaternen, die Pubs und die Leute. Apropos Pubs: Hier reiht sich eine neben die andere und in fast jeder wird Livemusik gespielt. Ziemlich genial, das Abendprogramm für morgen steht, allerdings dürfen wir jetzt erstmal schlafen.


Donnerstag, 10.07.2008 (417. Tag)

Heute ist die Welt so langsam wieder in Ordnung: Hin und wieder scheint die Sonne und als ich den Supermarkt betrete, schallt mir Brit-Popp entgegen und die Kassiererin ist der Sonnenschein in Person. Es ist witzig: Hatten wir auf den Azoren noch das Gefühl im Ausland zu sein, fühlen wir uns angesichts dieser Natur und der Kultur schon richtig heimisch. Es ist, als wären wir wieder im uns bekannten, "alten" Europa angekommen.
Überwältigt vom gigantischen Angebot kaufe ich lauter Leckerneien für's Frühstück, was dann auch fürstlich ausfällt. Vor allem die frische Milch ist Luxus pur, ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, wann wir sie das letzte Mal an Bord hatten.
Nachdem wir uns in eine Box verholt haben, lassen wir uns im Clubhaus in die fetten Ledersessel sinken und nutzen das kostenlose WLAN. Es ist hier alles wirklich ganz schön "upperclass"-mäßig. Ältere Herren stehen am Tresen und unten bauen die Kids in ihren Musto-Anzügen die Optis auf. Entlang der Straße reiht sich daher auch ein fettes Auto neben das andere.
Dank der Zeitumstellung verpassen wir Katharinas Ankunft und lassen sie vor dem Tor zum Steg warten. Ihrem leckersten Mitbringsel, einer cremigen Schokotorte tut das nicht gerade gut, doch auch verlaufen schmeckt sie noch sehr lecker.

Nachträgliche Geburtstagstorte.


Nach diesem ruhigen und entspannenden Vormittag baue ich das obere Ruderlager aus. Zum Glück hat das Ruder soviel Auftrieb, dass eine Sicherung der Welle überflüssig ist. Es drückt sich von selbst in den Schaft hinauf. Jetzt ist nur noch die Frage, wo wir ein neues Lager herbekommen. Im Internet kann ich nichts finden, doch Andreas ist online und beginnt sich darum zu kümmern.
Am Abend beginne ich noch das Knie heraus zu hauen, was leider nicht zerstörungsfrei geht. Währenddessen sitzen die Mädels in der Plicht und quatschen. Auf dem Steg herrscht dabei ein dauerndes Kommen und Gehen, denn die Mannschaft der Whisper (IRL 77777) ist dabei, sie für die Cork Week vorzubereiten. Das bedeutet, dass alles überflüssige Gewicht in die zwei riesengroßen Anhänger an Land geräumt werden muß. Sie werden die gesamten nächsten zwei Tage damit verbringen.
Shioban und Lawry klärten uns schon auf den Azoren darüber auf, dass Kinsale eine Gourmet-Hochburg sei, also gehen wir abends aus und landen in der White Lady einen Volltreffer. Ich weiß nicht, wann wir das letzte Mal so gut gegessen haben, es ist wirklich erstklassig. Im Anschluß suchen wir uns noch eine Kneipe und hören bis um Mitternacht dem Folk-Sänger zu. Das ist hier wirklich Irland, wie man es sich vorstellt. Teilweise singt die gesamte Kneipe lauthals mit, Bombenstimmung.


Freitag, 11.07.2008 (418. Tag)

Von Andreas kommen gute Nachrichten. Er könnte uns ein Lager drehen und per Express schicken lassen. Das ganze würde dann um die 350 EUR kosten, aber wenn wir Montag das neue Lager hätten, wäre uns das momentan egal.
Mit einiger Gewalt haue ich endlich das Knie heraus und öffne den Riß im Deck, damit das Holz trocknen kann. Wegen der immer wieder durchziehenden Schauer bauen wir aus der Persenning ein Zelt über dem Vordeck, damit klappt es ganz gut.
Vor Apelia liegen drei Kieljollen, deren Mannschaften täglich zum Training raussegeln. Alles sieht ziemlich professionell aus und man muß schon genau hinschauen um festzustellen, dass hier die ein oder andere Sache fehlt. Meistens sind es Hände und Arme, aber auch einzelne oder beide Beine! Ganz sicher sind wir uns nicht, aber wir meinen gehört zu haben, dass hier die irische Paralympic-Segler trainieren. Es ist wirklich beeindruckend, wie selbstverständlich sie sich auf den Booten bewegen.
Katharina und Steffi rennen den gesamten Vormittag durch die Stadt und organisieren die Einkäufe. Die meisten Dinge sind hier allerdings nicht zu bekommen, dafür müßte man nach Cork. Zum Glück chauffiert mich Shioban nachmittags herum und plötzlich stellen sich die Erfolge ein: Für 60 EUR dreht uns ein Metallbauer heute Abend ein neues Lager und im Boatyard bekomme ich alle Hölzer...kostenlos!

Der Boatyard versorgt mich mit kostenlosem Holz.


Es geht eindeutig voran und so sind wir heute in gewohnter, guter Laune, als uns die Light Blue zu einem erstklassigen Abendessen an Bord einlädt. Beim Dreigängemenü wird es ein gemütlicher Abend, während draußen die Besatzung der Whisper weiterhin am Räumen ist.

Samstag, 12.07.2008 (419. Tag)

Wir teilen uns auf und kommen damit richtig klasse voran. Steffi kauft ein und wäscht, Katharina schleift und lackiert die Fußleiste neu und ich harze das Deck zu. Die Durchmesser des neuen Ruderlagers scheinen genau zu passen, also bringe ich es Bart zum ausfräsen der Nuten zurück. Montag soll es fertig sein, Kosten: 100 EUR.
Als kleine Revanche laden wir Shioban und Lawry mittags zur Teatime ein, zu der wir eine mächtige Erbeerrolle organisieren. Backwaren, vor allem die vielen Kuchen und Torten, sind in Irland wirklich erstklassig und günstig.
Den Nachmittag verbringe ich mit kleineren Reparaturen. Es ist wirklich ernüchternd, was alles unter dem Einfluß von Salzwasser kaputt geht. Und wir sind dabei kein Einzelfall. Eigentlich fallen bei allen Langfahrtenseglern irgendwann die elektronischen Instrumente aus und als ich die eine Fernbedienung öffne, läuft mir das Wasser entgegen. Es ist wirklich zum Kotzen, was einem die Hersteller dieser Geräte für viel Geld vorsetzen. Die Dinger sind für den Außenbereich gedacht, aber trotzdem saufen sie irgendwann ab.
Im Rahmen der Kinsale Art Week ist für den Abend eine spektakuläre Feuer-Performance angekündigt, die durch die Musik eines bekannten Künstlers begleitet wird. Pünktlich finden wir uns mit halb Kinsale dazu am Hafen ein, doch was uns geboten wird ist keine Show, sondern Kunst. Zu seltsamen Blubber-Klängen werden Fackeln durch die Gegend gepaddelt, ansonsten passiert nichts. Nach 15 min haben wir genug und verziehen uns mit Odie, dem amerikanischen Einhandsegler, in einen Pub. Hier gibt es bodenständige Live-Folk-Musik, die Iren grölen mit vom Guiness geröteten Köpfen mit und die Stimmung kocht fast über.


Sonntag, 13.07.2008 (420. Tag)

Da heute Sonntag ist, beschränken wir unsere Basteleien auf eine Lack- und eine Harzrunde und spazieren danach am Ostufer hinaus zur Burg. Seit Katharina da ist, hat es eigentlich nicht mehr geregnet, aber die Luft ist trotzdem kalt. Zumindest für uns. Mit langen Hosen, Pullis und Regenjacken latschen wir durch das Dorf und begegnen dabei Einheimischen, für die der Sommer in vollem Gange zu sein scheint. Die Jungs tragen T-Shirts und über die meist üppigen Formen der Mädels spannen sich winzige Topps.

Grüne Wiesen und Burgen, also genau wie im Reiseführer.


Draußen an der Burg ist die Landschaft genau so, wie man sich Irland vorstellt. Der Himmel ist leicht diesig, die Landschaft üppig grün und die gut erhaltene Burg macht deutlich, dass das Leben hier früher nur für die Oberschicht so halbwegs angenehm war. Aber schön ist es und wir saugen das vorherrschende Grün so richtig in uns auf.

Uralter Friedhof neben der Burg.


Nach einer Runde Tee mit Kuchen in der Stadt, verziehen wir uns in Apelias Schutz, denn es beginnt zu nieseln. Dazu ist es außerdem eiskalt geworden, also wird es im Boot nochmal doppelt so gemütlich.


Montag, 14.07.2008 (421. Tag)

Wärend die Mädels einkaufen, harze ich das neue Knie ein und hole das Ruderlager ab und montiere es. Leicht gepresst sitzt es im Koker und die Welle dreht sich fast spielfrei darin. Wirklich genial, jetzt kann es also bald weitergehen.
Nachmittags machen wir eine Probefahrt, doch mangels Wind ist noch nicht klar, ob das Lagerproblem jetzt gelöst ist. Bei den 5 kn die wir erreichen, fühlt es sich auf jeden Fall ganz gut an.
Die letzte Meile zurück in den Hafen müssen wir motoren und auch hier haben wir Erfolg: Der Motor dreht zuverlässig wie immer. Steffi hat ihn gestern gewartet, das Öl gewechselt und ich habe die 40 l aus den Kanistern in den Tank gefüllt. Was der genaue Grund für seine Zickereien war ist also noch nicht ganz klar. Evtl. schlechter Diesel.


Dienstag, 15.07.2008 (422. Tag)

Wir haben die fixe Idee, heute mit einem Mietwagen zur Westküste zu fahren, bevor wir morgen lossegeln, doch Autovermietungen gibt es nur im benachbarten Cork (wie eigentlich alles). Ich telefoniere die Liste durch, erreiche zunächst niemanden und erfahre dann, dass der kleinste Wagen 70 EUR/Tag kosten soll. Bei einer anderen Vermietung wird mir empfohlen, günstig im Internet zu buchen. Ein Yaris ist für 23 EUR/Tag zu haben, doch als ich die Buchung fast abgeschlossen habe entdecke ich im Kleingedruckten, dass die 25 EUR Premium-Location-Fee (=Flughafen) bei der Abholung in Bar gezahlt werden können. "Rip-Off Ireland" hatte Lawry und schon gewarnt, also verkneifen wir uns den Ausflug und beschließen, heute loszusegeln.
Die Mietpreise hätten uns eigentlich vorwarnen sollen, aber der Preis für die Marina erwischt uns dann doch eiskalt: 3,1 EUR/m berechnen sie einem. Dafür bekommt man einen Platz im Päckchen (mit unserer Box machen wir also ein echtes Schnäppchen) sowie dreckiges Klos und Duschen, wobei man pro Dusche nochmal 2 EUR zahlen muß.
Wir müssen uns schon sehr zusammenreißen, um angesichts dieser Preise nicht im Ärger zu versinken, aber das Wetter hebt die Stimmung schnell wieder an: Die Sonne strahlt vom Himmel, es ist richtig warm und nachdem wir aus dem Flußlauf heraus gekreuzt sind, jagen uns 5 Bft unter Schmetterling an der Küste entlang. Mit der Genua und dem vollen Groß sind 8 kn ganz normal und so rauschen wir gegen Mittag durch die vielen Regattafelder der Cork Week.

Echt große Schleudern bei der Cork Week.


Die Bedingungen sind so optimal, dass wir es heute bis nach Dunmore East schaffen, wo wir um 22:30 einlaufen. Zusammen mit den Fischern liegen die Yachten hier in Sechserpäckchen und ein arroganter Sack stellt sehr deutlich klar, dass er uns nicht längsseits haben will. Bei soviel Freundlichkeit tuckern wir also wieder aus dem Hafen und legen uns an eine der vielen Mooringbojen. Für morgen früh steht der Wecker sowieso auf 5:00 Uhr, damit wir mit dem Strom um Tuskar Rock herum segeln.


Mittwoch, 16.07.2008 (423. Tag)

Eine viertel Stunde nach dem Wecker legen wir ohne Motor ab, müssen ihn dann aber mangels Wind doch starten um voran zu kommen. Gegen 11:00 kentert der Strom und dann sollten wir das Nadelör am Tuskar Rock passiert haben.
Gegen 6:00 pendelt sich der Wind endlich auf WNW ein und schiebt uns mit 4 Bft vor sich her. Auch wenn es damit gut läuft (wir müssen sogar zur kleinen Fock wechseln) sind wir leider etwas zu spät und dürfen uns gegen einen Strom von 2-3 kn um das SO-Kapp von Irland kämpfen. So richtig nervig ist das allerdings nicht, denn hier im Lee des Landes haben sich noch keine Wellen aufgebaut und wir schneiden mit gut 6 kn durch das glatte Wasser. Als wir dann auch noch eine von Strudeln umgebene Boje passieren, ist das Watt-Feeling komplett. Allerdings passen die Delphine, Tölpel und Lummen nicht so ganz ins Bild.

Ziemlich blöd, gegen sowas anzusegeln...


Den Rest des Tages wechseln wir uns alle zwei Stunden an der Pinne ab, während sich die Freiwache unter Deck entspannt. Das Segeln ohne Wellen ist wirklich eine Wohltat. Selbst die dauernden Wechsel der Vorsegel werden dadurch zum Kinderspiel. Die Windstärke schwankt hier im Lee des Landes zwischen 2 und 5 Bft, so daß garantiert keine Langeweile aufkommt.
Nachmittags schiebt uns der Strom und über Grund machen wir 8 kn. Insgesamt kommen wir damit auf einen Tagesschnitt von 6,8 kn und erreichen abends die Kleinstadt Arklow. Die Marina ist so winzig, dass selbst wir mit der Apelia schon richtig manövrieren müssen, um in unser Plätzchen zu kommen. Da wir so spät sind, ist auch der Hafenmeister schon verschwunden, doch ein freundlicher Holländer gibt uns den Zahlencode zu den Klos, so daß wir warm duschen können.
Zur Feier des Tages essen wir Fish&Chips, die genau so fettig sind wie befürchtet und spülen die Reste danach im Pub herunter. Auch wenn das Essen hier in England, ääähhh, sorry Irland, ziemlich heftig ist, die Schrulligkeit und Gemütlichkeit gefällt mir trotzdem gut.


Donnerstag, 17.07.2008 (424. Tag)

Da um 6:30 kein Hafenmeister zu finden ist, prellen wir die Zeche und machen uns auf die letzten 36 nm nach Dublin. Bis Mittag schiebt der Strom, das ist also ein Klacks. Ätzend sind nur die dauernd schwankenden Winde und bis auf die Sturmfock wechseln wir uns über den Tag durch die gesamte Segelgarderobe. Trotzdem ist es eine herrliche Strom-Segelei im glatten Wasser der Windabdeckung, so darf es nach unserem Geschmack noch eine ganze Weile weiter gehen.

Genießer-Segeln im glatten Wasser.


Am Eingang zum Hafen melden wir uns ordnungsgemäß über Funk an und müssen dann eine dreiviertel Stunde motoren, da der Kanal genau in Windrichtung liegt. Gegen den Strom und den starken Wind geht es damit nur langsam voran, doch das kümmert uns nicht. Seit Lissabon ist Dublin die erste Großstadt, die wir besuchen und die Vorfreude hat uns erfaßt. Außerdem gibt es hier viel zu sehen, denn der Hafenbetrieb ist in vollem Gange. Wir sind voll in unserem Element.

Hoffentlich bleiben sie offen.


Am Ende des Kanals legen wir in der Poolbeg Marina an. Es soll auch noch eine weiter in der Stadt geben, doch dazu muß man unter einer Brücke hindurch, die nur dreimal täglich öffnet. Als Katharina von der Anmeldung zurück kommt, ist erstmal wieder Lange-Gesichter-Zeit angesagt: 38 EUR verlangen sie hier pro Nacht. Das ist seit Cascais der teuerste Hafen unserer Tour. Geboten bekommt man dafür natürlich nichts. Internet und Duschen kosten extra und nach einem ersten Stadtausflug nerven uns schon die 40 min, die man in die Stadt läuft.

Viel Trubel in Dublin.


Dublin gefällt uns dagegen umso besser. Es herrscht ein für uns völlig ungewohnter Trubel und es reicht uns völlig, einfach nur durch die Gegend zu schlendern und dem Treiben zuzuschauen. Die Stadt selber ist ein Mix aus alten Gebäuden und avangardistischer Architektur und überall wird noch gebaut. Ein wenig ähnelt das London, allerdings doch etwas bodenständiger und nicht so überlaufen. Die Preise sind allerdings gleich: astronomisch hoch, doch wir beschließen, uns davon nicht ärgern zu lassen. Auf der Überfahrt hierher haben wir 9 Tage gespart.