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Von Dublin/Irland nach Oban/Schottland


Freitag, 18.07.2008 (425. Tag)

Um 11:00 öffnet sich die Brücke in den Stadthafen, doch vorher würden wir noch ganz gerne auf's WC. Das Clubheim bietet allerdings bis 10:00 ein beispielloses Bild für die Sicherheitsparanoia der Iren/Engländer: Alles ist gespickt mit Kameras und obwohl alle Türen nur mit Magnetkarten zu öffnen sind, werden zusätzlich über Nacht alle Rolläden heruntergefahren. Bis 10:00 dürfen wir uns das Pinkeln also verkneifen und darauf angesprochen, das sowas nicht zum Preis von 38 EUR/Nacht paßt bekommen wir nur faule Ausreden.
Der Steg von "Dublin City Moorings" wirkt nach dieser Behandlung wie das reinste Paradies. Hier zahlen wir zwar nur 2 EUR weniger, doch dafür stehen uns rund um die Uhr drei komplette Badezimmer (Dusche+WC) zur Verfügung und die Typen der 24h-Security helfen einem bei jeder Frage weiter. Außerdem sind es zu Fuss nur noch 10 min bis ins Zentrum.
Am einen Ende des Stegs entdecken wir die Kieler Yacht Karina, die im Charterbetrieb von Dirk geskippert wird. Er ist ganz seelig, endlich mal wieder Deutsche zu treffen und fragt, ob wir abends nicht Lust zum Ausgehen hätten. Er kennt sich hier aus, also sagen wir zu.
Nach unserer halbjährigen Großstadtabstinenz ist Dublin ganz schön aufregend. Der Trubel, der Verkehr und diese riesengroßen Häuser. Museen und touristische Attraktionen sind uns völlig egal, es reicht das Gewimmel auf sich wirken zu lassen und so stiefeln wir den ganzen Tag durch die unterschiedlichen Stadtteile.
Interessant ist, wie die Iren ihre Kirchen kommerziell Ausschlachten. Die erste, die wir besichtigen, entpuppt sich von innen als Touristeninformation mit großem Merchandising, wo es vom Plüsch-Kleeblatt bis zum irischen Kochbuch alles gibt, was das kaufwütige Touristenherz begehrt. Doch auch die "normalen" Kirchen werfen ihren Profit ab. Sowohl bei St Patricks als auch bei der Christ Church Cathedral muß man 5 EUR abdrücken, um sie sich ansehen zu dürfen. Im Kirchenschiff von St Patricks entdecken wir auch gleich wieder das uns schon bekannte Touri-Merchandising. Wir beschließen, diese Überschneidung von Kirche und Kommerz zu boikotieren. Wenn Steffi in die Messe geht, darf sie sowieso kostenlos rein.

Ist es eine Kirche? Nein, es ist die Touri-Info!


Wir rennen uns wirklich die Füße wund, klappern dabei aber ein interessantes Stadtviertel nach dem anderen ab. Scheinbar hat man es in Dublin geschafft, Wohn- und Arbeitsviertel so gut zu durchmischen, dass es nach der Arbeit keine toten Geschäftsviertel gibt. Überall ist Trubel und die Leute sind durch die Bank freundlich. Problematisch sind für uns nur die Preise. Da reicht Dublin fast an London heran, doch wir lassen uns den Spaß nicht verderben und genießen mittags in der "Old Tart" Tee mit leckeren Kuchen. Backen, das können die Engländer...eh, sorry, die Iren auch.

Kunst am Hafen und im Hintergrund die vollendeten Linien der Apelia.


Nachmittags kommen wir ziemlich geschafft zurück und entspannen uns erstmal an Bord. Ich schaffe es noch, einen neuen Reißverschluß in meinen Rucksack zu nähen, dann steht auch schon wieder Programm auf dem Plan und wir finden uns auf der Karina zum Aperetif ein. Bis auf Dirk, dem Skipper, war die Tour von Cuxhaven nach Inverness die erste Langstrecke für die Mannschaft und wir werden bestürmt mit Fragen. So wird uns deutlich, wie viel wir inzwischen an Erfahrung dazugewonnen haben und daß Atlantikquerungen und mehrtägige Fahrten für uns inzwischen ihren Nimbus verloren haben.
Das Ausgehviertel Dublins heißt Temple Bar und dort pilgern wir acht Mann plus zwei Frauen heute abend hin, essen und tingeln danach durch die Kneipen. Gegen 24:00 reicht es uns dann aber und als erste der Gruppe verabschieden wir uns und schlendern an der Promenade entlang zu unserer treuen Apelia.


Samstag, 19.07.2008 (426. Tag)

Unsere ToDo-Liste verlangt nach ein paar Bootsartikeln, also nehmen wir morgens den Zug nach Dun Laoghaire (sprich: Dun Leary), dem Regattazentrum auf der Südseite der weiten Bucht von Dublin, um das wir wegen des Preises (5 EUR/m) einen weiten Bogen schlugen. Auch im Laden setzen sich diese Preise fort, doch wir brauchen eine neue Dichtung für unsere WC-Pumpe, das ist schon ziemlich wichtig. Seekarten für die Nordsee haben sie nicht, aber ein Segler empfiehlt uns einen Laden weiter östlich, zu dem wir eine knappe Stunde lang dem Ufer folgen. So bekommen wir einen schönen Einblick in die physische Konstitution der Iren: Während wir Pullis und Jacken tragen, stehen sie in Badeklamotten am Ufer herum und planschen fröhlich im 14 Grad kalten Wasser. Unglaublich, zumal sie nicht übermäßig isoliert sind.

Irische Badeanstalt.


Der Segelladen hat gerade zur Mittagspause geschlossen, also vertreiben wir uns die Zeit auf der Pier des winzigen Fischerhafens und entdecken noch ein weiteres interessantes Lebewesen, das vergnügt im Wasser planscht: Hier heiß sie "Grey Seal", eine etwa 2 m lange Robbenart und die drei Exemplare hängen neugierig im Hafen herum und warten auf die Fischabfälle, die die Angler ihnen zuwerfen.

Grey Seals entdecken wir ab jetzt häufiger.


Zurück in Dublin zeigt uns Dirk das Hostel, in dem er mangels günstiger Alternativen immer wäscht. Das Empfangsmädel fischt uns allerdings heraus (hätten wohl nicht zu viert antanzen sollen), doch dann hat sie ein Herz und mit Katharinas Perso als Pfand, dürfen Steffi und Katharina die urigen Kellergewölbe des Hostels betreten, während ich die Einkäufe erledige. Danach verziehe ich mich ins Kino. Habe da irgendwie Nachholbedarf, der allerdings mit Wanted nur halbwegs befriedigt wird. Mal sehen, wir befinden uns ja jetzt wieder in der "Zivilisation", also viele Möglichkeiten voraus.


Sonntag, 20.07.2008 (427. Tag)

Wie jeden Morgen weckt uns das Gefiepe der Gryllteisten. Ich habe diese Vögel vom ersten Moment an ins Herz geschlossen. Überall in den Häfen sitzen sie herum und ersetzen damit die Enten. Von der Größe ähneln sie Bleßhühnern, haben auch einen ziemlich dicken Körper, darüber allerdings ein filigranes Köpfchen. Egal was sie machen, ob sie nach hinten gelehnt sitzen, mit weit abgespreizten, knallroten Beinchen fliegen oder im Wasser herumtreiben, immer scheinen sie sich unglaublich wichtig zu nehmen, sind dabei allerdings die Tollpatschigkeit in Person, verzeihung, Vogel natürlich.

Gryllteisten, meine neuen Lieblinge.


Während Steffi morgens in die Kirche geht und sich um unser Seelenheil kümmert, wendet sich Katharina zum fünften Mal der Backbord Fußleiste zu, die damit wieder fast fertig lackiert ist. Ich tippe am Tagebuch, doch da das Netz im Café, das wir danach besuchen, völlig reglementiert ist, kann ich nichts auf den Server hochladen. Die Iren sind also auch virtuell völlig paranoid, nicht nur auf der Straße.
Um 14:00 melden wir uns ordnungsgemäß bei Dublin Port für die Brückenöffnung um 15:00 Uhr an und legen danach hinter der Karina ab, die heute in Richtung Scilly Islands aufbricht. Der Wind steht genau den Kanal entlang, also setzen wir die Segel und rauschen volle Pulle auf die geschlossene Brücke zu. Als wir vor ihr auf und ab kreuzen, hören wir, wie der Brückenwärter die Karina anfunkt und fragt, wie man dem kleinen roten Boot klar machen könnte, dass es die Brücke nicht unter Segeln passieren dürfte. Hallo? Das ist ja wie in Deutschland, doch bevor sich hier gar nichts regt, gehorchen wir lieber, passieren die Brücke ordnungsgemäß um danach wieder mit dicken 7 kn den Hafen entlang auf die Bucht raus zu preschen. Die Karina bleibt da nur unter Genua schnell zurück, doch wir verabschieden uns nochmal per Funk.
Wir wollen nach Howth oder Malahide und als wir Baily Head runden fällt uns die Entscheidung sehr leicht: Die Felsküste um Howth ist genau so malerisch, wie sie in der Werbung für Irland abgedruckt ist und nachdem Apelia vertäut ist, folgt ein langer Abendspaziergang.

Baily Head lädt zum Wandern ein.


Eigentlich sind die Bedingungen zur vollen Zufriedenheit: Der Hafen ist nett, es gibt ein kostenloses WiFi, das Wetter ist gut, die Landschaft schön und trotzdem nutzen wir heute jede Möglichkeit um Katharina zu ärgern. Tja, wer bei uns mitsegelt muß halt manchmal auch unsere fiesen Seiten ertragen.


Montag, 21.07.2008 (428. Tag)

Wir werden vom Brummen eines Kompressors geweckt, der scheinbar direkt neben Apelias Bug zu stehen scheint. Als es dann auch noch nach Lösungsmitteln duftet schauen wir doch mal raus und entdecken zwei dummdreiste Typen, die dabei sind, das gegenüberliegenden Boot hier und da mit weißer Farbe zu besprühen. Und das in unserem Luv. Als Steffi meckert, unterbrechen sie ihr Handwerk. Ihrem Verhalten nach haben sie sowieso schon ein schlechtes Gewissen und als wir beim ablegen die dicke Lage Sprühnebel auf dem Wasser treiben sehen, begreifen wir wieso.
In den kommenden zwei Tagen wollen wir bis Belfast kommen, legen also um 8:30 ab und während Apelia bei halbem Wind mit 7,5 kn dahin zieht, serviert Steffi uns ein Pfannkuchenfrühstück. So könnte es unseretwegen ewig weitergehen (klar, oder?), doch der Himmel bezieht zusehends und nachdem wir zur Genua gewechselt haben schläft der Wind vollends ein und wir müssen motorsegeln.

Typisch für die Irische See: Schwarzes Wasser, grauer Himmel.


Spätnachmittags kommt erst wieder ein vernünftiger Wind auf, diesmal aber aus Süd, so daß wir unter Schmetterling entspannt dahinziehen. Während Katharina und Steffi für Kammermusik sorgen, ziehe ich die Backbordseite der Kajüte ab und beginne, den Lack neu aufzubauen. Jetzt wo ich weiß wie das Resultat wird, macht mir diese Arbeit sogar richtig Spaß. Irgendwie bin ich in Wurstzieherlaune und schleife und verspachtele danach auch noch die Reparatur des Risses. So wird Apelia langsam wieder richtig hüsch.

Kammermusik aus Apelias Bauch.


Hinter der martialischen Mole von Ardglass legen wir uns in die Marina, die bei Ebbe einem richtigen kleinen Loch gleicht. Wir sind jetzt in Nord-Irland, also in Großbritannien und kommen kaum mit dem Akzent der Leute klar. Er ist im Gegensatz zu Irland viel extremer und gleicht einem leichten Singsang. Von dem was die Jugendgang am Supermarkt untereinander redet verstehen wir so gut wie gar nichts und müssen auch an der Kasse mehrmals nachfragen, bis wir das Mädel verstehen. Dafür geht es ansonsten aber very british zu und wir sind überrascht, als wir am Golfplatz (direkt oberhalb der Küste) Jugendliche spielen sehen.

Der Golfclub hat sich's nett eingerichtet.



Dienstag, 22.07.2008 (429. Tag)

Unter Genua und vollem Groß verlassen wir am späten Morgen den Hafen und schmetterlingen mit dem Strom nach Norden. Hier begegnen wir einem richtig alten Feuerschiff und passieren es für's Foto in extra kleinem Abstand. Es ist dicht bevölkert von Möwen, die uns mit einem mächtigen Spektakel grüßen.

Endlich mal wieder ein Feuerschiff.


Am Horizont sichten wir einen Spinnaker und zum erstn Mal seit vermutlich Portugal setzen wir unseren. Es hilft allerdings nicht viel, eine große Sigma überholt uns ziemlich flott, wobei ich vermute, dass sie unter Motor läuft. Da kurz darauf der Wind vollends einschläft, motoren auch wir und werden vom Strom durch die Enge zwischen dem Festland und Copeland Island getrieben. Im spiegelglatten, öligen Wasser sind die Strudel dabei noch viel deutlicher sichtbar.

Diesmal mit dem Strom, herrlich!


Das letzte Stück nach Bangor können wir wieder segeln und Katharina steuert, während Steffi und ich uns um eine notgelandete Hummel kümmern. Sie macht einen völlig schlappen Eindruck und wir versuchen es erstmal mit Wasser, was sie allerdings nicht sonderlich interessiert. Als ich ihr ein Tröpfchen Honig vor die Nase setze beginnen zuerst die Fühler wie wild zu zappeln und dann schleckt sie alles auf, bis das Deck wieder blitzeblank ist. Der Zucker steigert ihre Aktivität von Sekunde zu Sekunde, wie ein Hubschrauber, der seine Systeme hochfährt, und nach ein paar Ehrenrunden brummt sie Richtung Land davon.
Bangor hat eine große Marina und da uns die Hafenmeisterin per Funk erstmal in die falsche Richtung führt, lernen wir jeden Steg kennen, bis wir Platz D15 erreicht haben. Dabei passieren wir zahlreiche Yachten, die schon ihre ARC2008-Flaggen gesetzt haben. Das sind also diejenigen, die kommenden Dezember in die Karibik segeln. Bei ihrem Anblick beschleicht uns ein wenig Wehmut und wir erinnern uns an letztes Jahr, als die große Atlantikpassage noch vor uns lag, und diese Art des Reisens noch neu, aufregend und ungewohnt war. Es war ganz anders als jetzt, wo in gut fünf Wochen Schluß ist. Was haben wir viel Tolles erlebt in dieser Zeit.
Bangor ist ein hübsches Kaff mit bonbonfarbenen Häuschen entlang der Promenade, doch es zieht uns nach Belfast und so steigen wir in den Zug. Man merkt sofort, dass Nord-Irland eine schwierige Zeit hinter sich hat. Alles ist einfacher, doch dass am Bahnhof einer steht und die Tickets manuell prüft finden wir eigentlich ganz persönlich und nett.

Blumenpracht an fast jedem Bahnhof.


Daß die Leute offen und freundlich sind, war uns direkt aufgefallen, doch die zwei älteren Typen, die im Zug neben uns sitzen sind uns etwas zu aufdringlich. Sie erzählen uns ganz begeistert, dass sie gerade in Thailand waren und der eine schwärmt von seiner neuen Freundin, die jetzt auf seine Rückkehr wartet. Angesichts seines Alkoholpegels kann man sich die traurige Geschichte hinter der Glitzerfassade nur zu gut zusammenreimen und seine neue "Beziehung" hindert ihn natürlich in keinster Weise daran, Katharina heftigst anzubaggern. Irgendwann schreitet zum Glück sein Kumpel dazwischen und faltet ihn kräftig zusammen. Ihm ist die Sache extrem peinlich und er bemüht sich sichtlich um Schadensbegrenzung, so daß wir gleich erfahren, wo wir in Belfast aussteigen müssen, um das Zentrum zu sehen.

Das tote Zentrum von Belfast.


Belfast selber finden wir völlig abschreckend. Bis zu vierspurige Einbahnstraßen durchziehen das Zentrum, allerdings herrscht kaum Verkehr, Läden sind verramelt, man sieht kaum Leute und egal wo man hinschaut, jede Ecke ist gespickt mit Überwachungskameras. Alles wirkt irgendwie tot und angesichts dieser CCTV-Übermacht muß man sich wohl auch sehr unsicher fühlen. Die Einschußlöcher in der Glasfassade eines Bürohauses sprechen auf jeden Fall für sich.

Big Brother folgt auf Schritt und Tritt ("Providing a safer environment").


Heute ist Katharinas letzter Abend, also wollen wir zum Abschied aus essen gehen, aber bis wir überhaupt ein Restaurant gefunden haben, müssen wir lange suchen. Ein richtiges Zentrum zum Ausgehen scheint es nicht zu geben, aber der Laden, den wir dann finden, macht einen guten Eindruck. Leider bleibt es dabei, kulinarisch leben die Engländer wirklich hinter dem Mond. Hinter einem derb fettigen Mond aus einfachem Cheddar...


Mittwoch, 23.07.2008 (430. Tag)

Der Wecker geht früh, doch er gilt heute nur für Katharina: Während sie ihre Tasche packt, dürfen wir noch schön in den Federn kuscheln, denn nachts ist es ganz schön frisch. Zum Frühstücken gehen wir in eines der Hotels am Hafen und werden mit einem richtigen English Breakfast belohnt. Ich halte mich heute lieber an Alpen-Muesli und Toast, aber die Mädels putzen alles weg, lediglich die Sausage bleibt liegen.
Nachdem Katharina um 10:00 den Zug in die Stadt genommen hat, suchen wir vergeblich nach neuen Schuhen für Steffi. Scheinbar hat sie sich in dem letzten Sandalen-Halbjahr die Füße so breit gelaufen, dass ihre alten Halbschuhe nicht mehr passen. Dann noch kurz ins Internet, Mails ziehen, eine Runde lackieren, Mittagessen und um 14:00 wird es Zeit zum Ablegen, da ab 15:00 der Strom nordwärts geht. In der Enge zwischen Nord-Irland und Schottland sollte man sich nach ihm richten, da er zur SPringzeit mit bis zu 2,5 kn schiebt. Bei einer Strecke von 56 nm ist das hilfreich.
Wir beginnen mit vollem Groß und Spi und die südlichen 3 Bft sorgen für guten Speed. Leider war es das dann für heute, denn ab Black Head schläft der Wind ein, und da er sowieso von achtern kommt, tut der schiebende Strom sein übriges und wir haben wieder absolute Flaute.
Eine leichte Brise läßt uns nochmal den Spi setzen, doch er wickelt sich zur Sanduhr und beim anschließenden Enttüddeln und erneutem Setzen überfahren wir das untere Drittel. Ein Glück, dass nur wenig Wind ist und so überlebt das zarte Tuch die Tortur unbeschadet.
Die kleine Yacht-Armada, die inzwischen um uns herum aufgetaucht ist muß uns für die absoluten Anfänger halten und auch unsere anschließende Trocknungsaktion wiederspricht diesem Eindruck in keinster Weise: Mangels Wind motoren wir, binden den Spi allerdings an einem Schothorn auf Deck fest und hissen ihn, so daß er wie eine Fahne im restlichen Lufthauch trockenwehen kann. Als die Brise dann kurzzeitig auffrischt, binden wir wieder die Schoten an und geben ihn frei. Das ist wohl die unüblichste Art, den Spi zu setzen...
Nachmittags können wir den Motor wieder abschalten und 3 Bft aus Süd sorgen zusammen mit dem Strom für 7,1 kn über Grund. Angesichts dieser wechselhaften Bedingungen planen wir ständig unsere Route um. Sollen wir über die Irishe See auf Port Ellen zuhalten und die letzten 15 nm gegen den Flutstrom kämpfen, oder sicherheitshalber unter Land bleiben und im Norden von Irland nochmal eine Nacht verbringen. Es ist echt blöde, da sich die Bedingungen dauernd ändern, aber jetzt wo wir Wind haben fassen wir Mut, wechseln den Kurs auf 20 Grad und halten auf Mull of Kintyre zu.

Irland adé.


Hier draußen schiebt der Strom noch stärker und die Geschwindigkeit über Grund steigt auf 7,1 kn. Toll, wie man damit plötzlich Strecke macht, doch von Schottland sehen wir nichts. Das Land, wo die Orte solch seltsame Namen wie Craignure, Loch Lathaich und Scolpaig haben versteckt sich hinter Nebelbänken und tiefhängenden Wolken. Wie gut, dass wir schon alle Karten haben und was wir da sehen, macht mächtig Lust. Tiefe Fjorde, winzige Inseln und massig Untiefen versprechen geschütztes und abwechslungsreiches Segeln und zwar in glattem Wasser!
Abends wird es empfindlich kalt und ein Blick auf die Anzeige erklärt wieso: Das Wasser hat nur noch 12,7 Grad C. Man merkt es deutlich im Boot, und trotz dicker Wollsocken zieht die Kälte durch die Bodenbretter in die Füße.
Um halb zehn ist es endgültig um den Wind geschehen und mit geborgenen Segeln motoren wir jetzt auf direktem Kurs auf Port Ellen zu. Wir sind zum Glück schon auf der schottischen Seite des Kanals, so daß uns der ab 22:00 Uhr südgehende Strom nur noch schwach stören wird. Von Port Ellen sehen wir im Tageslicht allerdings nichts mehr. Zu tief hängen die Wolken und erst auf den letzten 5 nm tauchen vor uns die Lichter des Ortes auf.
Die Ansteuerung ist spannend, da der Hafen hinter einem unbetonnten Riff liegt, doch dank Sektorfeuer und natürlich GPS macht uns sowas immer Spaß. Als wir um die Ecke herum kommen, taucht vor uns ein ganzes Feld von Ankerliegern auf und hinten im Hafen ist jeder Platz belegt und die äußeren Yachten im Päckchen (alle um die 45 ft groß) machen uns sehr deutlich klar, dass sie uns nicht neben sich haben wollen. Ziemlich asozial, aber bei so einem Verhalten legen wir uns sowieso lieber vor Anker.


Donnerstag, 24.07.2008 (431. Tag)

Um Port Ellen herum soll es zahlreiche Whiskey-Distillen geben, doch was wir beim Aufstehen sehen lockt uns nicht sonderlich und Lust zum Aufblasen des Dinghys fehlt uns auch.
Unser Nachbar ruft uns zu, dass wir möglicherweise im Wendekreis der Fähre liegen, die außen am Riff entlang dampft. Wir funken sie an und einigen uns darauf, dass sie uns rechtzeitig Bescheid geben, doch der Kapitän ist nicht nur superfreundlich, sondern auch fähig und wendet dicht hinter uns.

Mit diesem Ausblick wacht man auf, wenn man dicht am Fahrwasser ankert.


Bis Mittag wird der Strom aus dem Sound of Jura herauslaufen, doch wir setzen schon um 10:00 die maximale Segelfläche und gehen natürlich ohne Motor ankerauf. Draußen empfängt uns dann leider die Flaute und wir machen dicht unter Land Strecke unter Motor, bis wir eine viertel Stunde später herrlichsten halben Wind haben und mit 7 kn losziehen.
Das Panorama ist einmalig. Die Landschaft ist satt grün und sieht so kitschig aus, als stamme sie von einer Modelleisenbahn. Allerdings scheint das Geld ausgegangen zu sein, denn für Bäume hat es nicht mehr gereicht. Dafür sind die Felsformationen wirklich spektakulär und sehen teilweis aus, wie künstlich errichtet.
Auch das Wildlife ist herrlich. Überall Lummen und Alken, wir scheuchen sogar einen vereinzelten Papageientaucher auf und unter Land entdecken wir immer wieder Köpfe von Robben. Leider paßt der Wind nicht zu diesem phantastischen Revier und nach einer viertel Stunde Heizen stehen wir wieder im ölig glatten Wasser.
Bis zum Nachmittag müssen wir motoren. Der Pinnenpilot steuert und wir nutzen die Zeit zum Schlafen, Lesen und faulenzen. Hin und wieder packt mich dann aber doch wieder der Aktivismus und ich lackiere mal wieder die linke Kajütwand und versehe ein paar übersehene Leinen mit Taklingen.

Schnell noch ein paar Taklinge machen.


Nachmittags regt sich nochmal ein achterliches Lüftchen und wir wechseln den Motor gegen den Spi, der diesmal fehlerfrei aufsteigt. Immer wieder beeindruckt mich dabei die Power, die der Spi aus dem bißchen Wind erzeugt. Doch unter diesen Bedingungen ist alles ganz easy. Wir lassen den Pinnenpilot seines Amtes walten, während Steffi Pfannkuchen, gefüllt mit Rahmchampignons serviert.

Entspannung pur bei einem lauen, achterlichen Lüftchen.


Leider scheint ein konstanter Wind nicht zu den Stärken der schottischen Reviere zu gehören und nach zwei Stunden müssen wir weiterdieseln. Dafür kommt um 20:00 wieder ein guter halber Wind auf (aus einem Seitental) und sorgt für mächtig Spaß beim Durchfahren des Sound of Luing. Wir kommen genau rechtzeitig, der Strom schiebt gerade mit voller Pulle durch diese Enge und über Grund erreichen wir 10,1 kn. Absolut genial, da das Wasser fast spiegelglatt ist, wobei es hin und wieder auch wegen der Strudel und Scherströmungen zu kochen scheint. Das ist Gezeitensegeln vom feinsten.

Mit 10,1 kn über Grund durch den Sound of Luing.


Als die Lichter Obans uns schon durch den Kerrera Sound entgegen blinzeln, entschließen wir uns, die kommende Nacht vor Anker im Clachan Sound zu verbringen. Für den Kerrera Sound ist unser Kartenmaßstab eigentlich zu groß und da ein Stein mitten im Sind verzeichnet ist, machen wir das lieber im Tageslicht.
Aber auch der Clachan Sound ist spannend. Das in der Karte eingezeichnete Ankersymbol zeigt zwar, dass der Platz sich gut dazu eignet, aber wie die Tiefen aussehen, darüber wissen wir nichts. Kein Wunder also, dass wir uns im letzten Licht des Tages nur gaaaaanz vorsichtig hinter die kleinen Inselchen tasten. Die 10 anderen ankernden Yachten machen allerdings Mut und als wir einmal liegen, fühlen wir uns wie in Abrahams Schoß. Das Manöver zeigt, wieviel Erfahrung wir inzwischen mit dem Ankern haben. Am Ende liegen wir genau auf der Position, die wir erreichen wollten. Eine andere Yacht fängt dagegen mitten in der Nacht an sich umzulegen, da sie einem anderen Boot beim Schwojen zu nah kommt.


Freitag, 25.07.2008 (432. Tag)

In der Nacht pfiffen harte Böen durch Apelias Rigg und ließen mich unruhig schlafen. Als wir aufstehen ist es allerdings wieder ganz ruhig und idyllisch. Seltsam ist nur, daß bis auf eine Yacht alle anderen verschwunden sind. Da müssen wohl welche die Tide nutzen...
Schon gestern trafen uns hin und wieder überraschend starke Böen und da wir den Kerrera Sound vermutlich hochkreuzen müssen, setzen wir neben dem vollen Groß nur die HA-Fock, nachdem wir unter Motor zwischen den schützenden Inselchen hervorgefahren sind.
Der Wind draußen ist ideal, die Sonne scheint und so genießen wir die 8 nm nach Oban in vollen Zügen. Es ist einfach genial, in diesem spiegelglatten Wasser zu segeln. In den Böen legt sich Apelia weit über, beschleunigt dann aber auch auf bis zu 6,8 kn und es ist eine Lust, sich dicht vor dem Leeufer den Sund hochzubescheißen. Wir brauchen nur ein paar Wenden, um mal wieder Luft zu holen, ansonsten nutzen wir jede Bö und hangeln uns dahin. Natürlich ist auch die Landschaft wieder so bestechend wie gestern, ja eher noch schöner, da wir ihr heute richtig nahe kommen.

Kreuzen in spiegelglattem Wasser, da lacht das Herz!


Natürlich sind wir wieder die einzigen die segeln. Ja selbst die Yachten, die uns unter raumen Winden entgegen kommen fahren unter Motor. Wahrscheinlich übersehen wir irgend einen wichtigen Sicherheitsaspekt und verhalten uns hier schwer fahrlässig. Aber wenn man dadurch soviel Spaß erntet, gehen wir das "Risiko" gerne ein.
Vor lauter guter Laune sind wir wohl etwas trunken und als wir in der Oban Marina bei 4 Bft von der Seite in eine Box fahren, passe ich nicht gut auf und Apelias Steven reibt am Finger entlang. Das bringt mich wieder in die harte Realität zurück. Ich bin ziemlich sauer auf mich selbst, doch wir haben ganz großes Glück: Die Finger haben einen dicken Gummiwulst, es ist absolut nichts passiert.
Obans Marina ist ein Kleinod. Wir zahlen 18 GBP/Nacht, doch dafür bekommt man einiges geboten: Die Stege sind vom feinsten, Wasser und Strom sind kostenlos und an Land empfangen einen englischer Rasen und Blumenbeete. Die Klos und Duschen (1 GBP) sind sehr sauber, es gibt ein kostenloses und sehr schnelles WLAN und die stündlich verkehrende Fähre rüber nach Oban ist kostenlos. Die Marina liegt nämlich gegenüber von der Stadt auf der Insel Kerrera.
Nachdem wir uns landfein gemacht haben, lassen wir uns von der kleinen Barkasse nach Oban übersetzen. Dabei kommen wir uns ganz schön elitär vor und um wieder englische, ehem, schottische Realität zu genießen, gönnen wir uns an der Promenade eine Portion Chips with Vinnegar.
Viel Trubel herrscht hier. Sowohl am Boden durch die Touristen, als auch in der Luft durch die Silbermöwen, die sich gierig auf alles stürzen, was man hoch wirft. Wir fühlen uns an Brighton erinnert, wo eine Möwe Steffi den Sandwich aus der Hand attackierte und passen entsprechend auf.

Angesichts dieser Möwen fühlt man sich irgendwie an Hitchcock erinnert.


Frisch gestärkt besichtigen wir die Oban Distille und haben damit ausreichend Grundlage, um die Tour zu überstehen. Sie ist schon okay, man bekommt alles zu sehen, allerdings nervt der Marketing-Unterton, mit dem immer wieder hervorgehoben wird, das die Oban Distille noch eine kleine, feine Distille ist und wie wahnsinnig toll ihr Whiskey schmeckt. Frisch aus einem 12jährigen Faß darf man den 68%igen Rohwhiskey probieren und danach gibt es dann die auf 43% gestreckte, 14jährige Verkaufsversion. Um den "typischen" Rauch-, Honig-, Seesalz- und Orangengeschmack herauszufiltern fehlt uns der Vergleich. Überhaupt finden wir das Zeugs ganz schön sprittig und wir vermuten, dass der Whiskey-Kult zum großen Teil auch auf dem "seht mal wie hart ich bin"-Motto beruht.
Oberhalb der Stadt tront ein großes Rondell, der McCaig-Tower, den der McCaig-Clan bauen lies, um die arbeitslosen Steinmetze zu beschäftigen. Wir geben uns den Aufstieg auf 72 m Höhe und genießen die Aussicht über Oban, den Kerrera Sound und die Inselwelt. Dank des Sonnenscheins kann man weit blicken und die Temperaturen sind entsprechend.

Der McCaig-Tower und Steffis neue Sonnenbrille von den Azoren.


Zurück in der Stadt kaufen wir groß ein, doch als die Berge an Zeugs abgescannt sind, zickt meine Kreditkarte und wir müssen alles zurücklassen. Beim Nachrechnen kommt dann heraus, dass wir wahrscheinlich das Limit erreicht haben. Ein ziemlich blödes Gefühl, da uns die Euros langsam ausgehen und wir ja immer noch keine EC-Karten haben (der Nachforschungsauftrag bei der Post hat bisher nichts ergeben). Zum Glück habe ich noch ein paar Euros im Portemonaie, die wir bei der Bank in Pfund wechseln, so daß wir doch noch schwer bepackt das Wassertaxi besteigen.
Abends zieht es uns nochmal ins Kino und wir schauen Wall E. Sehr empfehlenswert!