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Von Vigo nach Aveiro

Vorwort (12.09.2007)

Zwei Wochen liegen wir jetzt in Lissabon. Letztes Wochenende waren wir stimmungsmäßig auf dem Tiefpunkt, aber jetzt geht es wieder aufwärts und sehen wir das Licht am Horizont. Seit Wochen regnet es zum ersten Mal und wir genießen es, einfach drinnen zu sitzen und das Tröpfeln auf dem Deck zu hören. Gestern Abend zog ein dickes Gewitter durch. Richtig mit Böenwalze und so. Seit Nazaré war uns Wind über 3 Bft fremd und es tat gut, mal wieder richtig Bewegung in der Luft zu spüren.
Seit wir Freitag die Risse im Mast entdeckten standen wir konstant unter Strom und versuchten an die Materialien für die Reparatur heran zu kommen. Erstaunlicherweise war das alles andere als einfach. Am Wochenende liefen wir uns schier die Hacken ab, allerdings ohne auch nur den kleinsten Fortschritt zu schaffen. Ich frage mich inzwischen, wie es überhaupt portugiesische Yachten geben kann, wenn kein Schwein weiss, wo es seewasserbeständiges Aluminium, oder Monellnieten gibt. Bei den Händlern läuft es immer gleich ab: Sie versuchten einem ihre komplette Dienstleistung aufzuschwatzen und wenn sie merkten, dass man es selber machen wollte, schalteten sie auf stur und man bekam keine weiteren Informationen. Wären die Dienstleistungen in Ordnung und zu einem guten Preis wäre das durchaus eine Option für uns. Aber die Preise sind hier horrend (höher als in Deutschland), die Qualität ist nach meinem Eindruck der letzte Pfusch (Niro und Alu zusammennieten, ohne galvanische Trennung) und was die zeitliche Zuverlässigkeit angeht, ist auch nichts garantiert.
Dabei war unser Schaden gar nicht mal so schwierig zu beheben. Oberhalb der Aufnahmen von den Wantpüttings im Mast hatten sich Risse gebildet. Mit dem Aufnieten einer Blende, die den Mast an diesen Stellen zusammenhält und damit ein Weiterreißen verhindert, wäre der Schaden behoben. Aber wie gesagt, erstmal das Material beschaffen...

Einer der Risse im Mast.


Inzwischen waren auch all unsere Freunde weitergesegelt und es war ein absolut bescheidenes Gefühl, hier mit so einer ungewissen Zukunft liegen zu bleiben. Der letzte Strohhalm an den wir uns Samstag Abend klammerten war Antonio, unser Stegnachbar. Nachdem ich völlig frustriert von einer erfolglosen Suche zurück kam, sprach ich ihn aus einer spontanen Laune heraus an. Das war der Volltreffer. Er ist 37 Jahre lang zur See gefahren und die Hilfsbereitschaft in Person. Sein Kommentar zu den hiesigen Händlern entsprach genau unserem Eindruck und er legte sich sofort für uns ins Zeug. Sonntag Mittag schleppte er zwei Maststücke an, Montag legten wir den Mast und bereiteten alles vor und mit Antonios Stichsäge habe ich gestern die sechs Blenden ausgeschnitten.

Die frisch ausgesägten Blenden. Sahne!


Jetzt ist nur noch das Beschaffen der Nieten ein Problem. Da wir aber voraussichtlich auch neue Aufnahmen für die Wantterminals brauchen (hier lag wahrscheinlich das Problem), lassen wir uns alles von Hahnfeld-Masten aus Bremen schicken, die uns mit ihrem schnellen Service zur Seite standen. Das soll hier keine Schleichwerbung sein, die Leute sind wirklich klasse! Bis die Sendung da ist haben wir aber noch reichlich Zeit für andere Dinge, also auch um am Tagebuch zu tippen:

Donnerstag, 16.08.2007 (89. Tag)

Es reicht uns hier und wir wollen weiter. In jedem Revierführer wird einem Bayona empfohlen, das so eine tolle Altstadt hätte und der letzte Hafen vor Portugal ist. Es sind nur 14 Meilen, also ein Katzensprung. Beim Ablegen weht leider nur eine leichte Brise aus unterschiedlichen Richtungen und wir dümpeln unter der Genua dahin. Die RoXanne vertraut auf ihre Maschine und läßt uns erstmal stehen.
Nach einer Stunde kommt eine eindeutige Brise auf und wir machen Fahrt. Je weiter wir aus dem Trichter der Bucht herauskommen, desto stärker weht der Wind, bis wir mit der Genua fast übertakelt sind. Apelia rennt was das Zeug hält und es ist die reinste Freude, über den langen Schwell dahin zu jagen. Als wir aus der Abdeckung der Inseln kommen nimmt er nochmal zu und erreicht eine Höhe von 3 Metern. Ziemlich irre, aber ungefährlich, es ist hier 40 m tief und die Wellen sind ewig lang.
Vor Bayona müssen wir eine Landspitze runden, der drei kleine Inseln vorgelagert sind. Wir sehen schon von weitem, dass sich manche Yachten zwischen den Inseln durchmogeln. Unsere Imray-Karte ist zu grob, aber im Reeds ist eine detailliertere Ansicht, also fangen wir an zu grübeln. Das müßte klappen, wir müssen uns nur genau zwischen den Inseln halten und direkt nach der Passage scharf abbiegen...
Andreas und Steffi sitzen unten vor dem GPS und "plotten" von Hand mit, während ich oben sitze und alles "live" beobachte. Die Genua haben wir sicherheitshalber geborgen, so sind wir wendiger. Je dichter wir an die Passage heran kommen, desto genauer erkennen wir die Details. Allerdings nur, wenn wir uns gerade mal auf einem Wellenberg befinden. Wir bekommen also immer nur kurz mal was zu sehen und je dichter wir herankommen, desto unwohler wird uns. Der Schwell bricht an den Inseln, die Gischt fliegt meterhoch und als wir erkennen, dass zwischendurch die gesamte Durchfahrt weiß vor Gischt ist, luven wir an und lassen die Passage lieber links liegen. Der Umweg um die Spitze ist klein, also kein Grund für Risiken.

Sowas lassen wir doch lieber links liegen...


Der Hafen von Bayona ist ziemlich nervig. Keiner von den vielen Motorbootfahrern denkt im entferntesten daran, sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten und so laufen von Zeit zu Zeit dicke Wellen durch das Becken. Entgegen der Angaben im Reeds hat man inzwischen entdeckt, dass sich mehr Geld verdienen läßt, wenn man aus den vorgelagerten Pontons, die eigentlich als Wellenbrecher gedacht waren, einen Steg macht. Zum Glück finden wir innerhalb dieser Betonpontons einen Platz, aber die, die außen liegen unterziehen ihre Fender regelmäßig einer Festigkeitsprobe, wenn wieder so eine Motorbratze vorbei donnert.
Am dollsten treibt es die Polizei, die in einem brachialen Offshore-Rennboot in den Hafen kommt. Keine Ahnung was sie reitet, aber sie motoren kurz vor der Gleitfahrt durch den Hafen und eine knapp ein Meter hohe brechende Welle rollt heran und überspült die Pontons. Zum Glück liegt die Apelia auf der Innenseite und tänzelt nur etwas. Der 60 ft lange Klassiker an der Außenseite rollt wie wild und reißt mal eben so eine Klampe aus dem Steg. Unglaublich.
Bei diesen Bedingungen fällt es uns nicht leicht, die Apelia alleine zu lassen, aber wir wollen ja die so vielgerühmte Altstadt sehen. Viele hübsche Ecken gibt es dann aber doch nicht, also zieht es uns zum Ministrand, wo wir uns ein Eis gönnen und dann nach der obligatorischen Fleischbeschau zur Burg spazieren, die sich über die gesamte Halbinsel vor der Stadt zieht. Es ist ein vollständiger Abenteuerspielplatz, ohne Verbote und Geländer und man kann auf der zinnenbewehrten Mauer die gesamte Halbinsel umrunden. Das ist wirklich toll und wir genießen den Ausblick. Von hier aus kann man die Passage zwischen den Inseln genau überschauen. Die Abkürzung wäre möglich gewesen, aber ist wohl eher was für die ansässigen Segler.
Abends laden wir Andreas im noblen Burgrestaurant (geile Aussicht) zum Essen ein, um seinen Geburtstag nachzufeiern. Axel und Britt von der Hello World schließen sich spontan an und auch Boaz von der RoXanne nehmen wir unter unsere Fittiche. So richtig begeistern kann das Essen allerdings nicht. Es ist salzig und fettig und zwischen den Tapas treiben sich Kutteln herum. Britt klärt uns darüber auf und obwohl wir tapfer kosten fällt es uns nicht leicht, das Geglibber herunterzuschlucken.

Freitag, 17.08.2007 (90. Tag)

Wir legen noch einen Basteltag ein um die letzten Dinge in Ordnung zu bringen, bevor wir uns nach Portugal aufmachen. Während Steffi und Andreas einkaufen, putze ich die gesamte Küche durch und entdecke unter dem Wassertank ein wenig Feuchtigkeit und schwarzen Schimmel. Das müssen wir im Auge behalten, es ist entweder Kondensation oder ein Leck.
Nachmittags spazieren wir nochmal durch die Stadt und holen uns im Restaurant die zuviel gezahlten 17 EUR zurück, was anstandslos über die Bühne geht. Zum Abendessen lädt die Hello World, uns alle zum Grillen ein und ich koste mich erfolgreich durch die dicken Garnelen. Gegrillt mit ein bisschen Zitrone sind sie durchaus eßbar.

Blick von der Burg auf den Hafen.



Samstag, 18.08.2007 (91. Tag)

Heute geht es auf nach Portugal! Wir sind dementsprechend neugierig, wachen früh auf und kommen um 10:00 los. Bevor wir die Segel hissen, drehen wir noch eine Ehrenrunde um einen frisch eingelaufenen Katamaran, der es mir angetan hat. Er ist etwa 10 m lang und sieht einfach gut aus: Da ist nichts mit dem üblichen meterhohen Brückendeck und dem ganzen Kram, er ist schlicht und einfach und gleicht im wesentlichen einem vergrößerten Strandkat. Sowas muß abgehen...

Morgentau auf dem Segelkleid.


Draußen macht uns der Wind leider einen Strich durch die Rechnung, denn er ist einfach nicht da. Nach einer Stunde im Schwell drehen wir um und kehren nach Bayona zurück. Dort vergammeln wir in aller Ruhe den Tag, halten uns im Irishpub mit kostenlosem WiFi an einem Getränk fest und verabschieden uns um fünf zum zweiten Mal von der RoXanne. Die Hello World mit ihren 100 PS ist einfach erstmal ein Stück motort und meldet mittags, dass sie den Wind gefunden haben. Also Zeit zum Nachziehen.
Das erste Stück aus der Bucht geht hoch am Wind, aber dann können wir auf Süd abfallen und der NO 4 treibt uns gemächlich an der Küste entlang. Querab sehen wir Scharen von Tölpeln, Möwen, Sturmvögeln und kleinen Skuas. Es muss dort große Fischschwärme geben, denn sie stürzen sich wiederholt ins Wasser. Am spektakulärsten sind dabei die Tölpel, die sich locker mal aus 20 m Höhe hinabfallen lassen, knapp über dem Wasser ihre Flügel nach hinten werfen und wie Speere unter der Oberfläche verschwinden. Bis sie wieder auftauchen vergehen häufig Sekunden.
Die Fischorgie zu unserer Rechten weckt auch unseren Jagdtrieb, also geht der Thun-Köder über Bord. Allerdings wieder vergeblich, nur junge Möwen und Sturmvögel interessieren sich dafür und halten uns auf Trab. Wir schreien und tuten mit dem Nebelhorn um sie zu vertreiben, meist hilft es aber alles nichts und müssen wir den Köder immer mal wieder einholen. Solche Spielverderber.

Andreas.


Um 19:00 setzen wir den Spi und kreuzen raumschots, um wenigstens noch etwas Fahrt und damit Stabilität im Boot zu halten. Das Wasser ist unglaublich kabbelig und die Eierei nervt. Außerdem geht die Sonne langsam unter und es wird deutlich kühler. Naja, "kühl", saukalt wird es und wir beschließen in Viana de Costello einzulaufen, anstatt nach Leixoes (Porto) durchzusegeln.
Kurz nach diesem Entschluß hören wir dieses signifikante Plätschern, kombiniert mit einem Schnaufen und entdecken eine Schule Delphine, die uns begleitet. Sie folgen uns die gesamten kommenden zwei Stunden. Mal sind es mehr, dann wieder weniger Tiere. Fast durchgehend begleiten uns aber zwei Mütter mit ihren Babies. Richtig drollige Delphine im Miniformat sind das, mit knubbeligen Rückenfinnen und kurzen Stubsnasen. Sie müssen kräftig Gas geben, um mithalten zu können und tauchen etwa doppelt so häufig auf wie ihre Mütter. Das ist ganz großes Kino und Andreas und Steffi stehen fast unablässig am Bugkorb.
Kurz vor Viana bemerken wir, dass sich unsere Welle dreht. Das ist eigentlich ein Zeichen dafür, dass etwas im Propeller hängt, so dass er nicht zusammenklappen kann. Zum Test starten wir den Motor und alles funktioniert. Sollte also was im Propeller hängen, beeinflußt es wenigstens nicht seine Funktion.
Dieser Zwischenfall und die Warnung im Reeds, dass man Viana bei Schwell nicht im Dunklen anlaufen sollte sorgen bei uns für gemischte Gefühle. Aber wir wollen es trotzdem probieren und navigieren uns vorsichtig an die Hafeneinfahrt heran. Der Schwell ist etwa 2 m hoch und zur Sicherheit verrammeln wir den Niedergang. Im Dunklen können wir keine Brecher sehen, hören aber wohl das Grollen an der Hafenmole. Ziemlich spannend, aber am Ende läuft alles ganz unspektakulär ab. Ohne große Zwischenfälle segeln wir zwischen den Molenköpfen in den Hafen und sehen nicht eine brechende Welle.
Um kurz vor 0:00 Uhr finden wir im völlig überfüllten Hafen noch ein Plätzchen. Wir liegen längsseits bei Hans, dem deutschen Einhandsegler, den wir in Ribadeo zum ersten Mal sahen.
In Viana de Costello findet ein viertägiges Folklorefestival statt, zu dem Besucher aus ganz Portugal kommen. Es muss ein totales Highlight sein, ein Glück also, dass wir hier spontan einliefen. Wir stiefeln noch einmal durch die Stadt und schauen uns das Feuerwerk an. Überall wird spontan musiziert und tanzen die Leute auf der Straße. Ein unglaublicher Trubel. Das wollen wir uns morgen reinziehen, aber jetzt sind wir erstmal geschafft und hauen uns auf's Ohr.


Sonntag, 19.08.2007 (92. Tag)

Sonntag, Sonnenschein und Folklorefest. Das läßt die Stimmung schier überkochen und schon vormittags werden wir von Folksmusik beschallt. Die Melodie bleibt dabei so gut wie gleich und lediglich die Texte scheinen zu variieren. Oder bleiben auch die gleich? Leider können wir kein Portugiesisch. Auf jeden Fall wechseln sich immer ein Mann und eine Frau ab, wobei die Frau furchtbar schrill in den höchsten Tönen "jodelt". Langfristig ist das nervig, aber von Zeit zu Zeit flüchten wir uns morgens zum Duschen ins Hafenbüro. Später in der Stadt können wir der Beschallung allerdings kaum noch ausweichen, denn an jeder Ecke hängt ein Lautsprecher und dröhnt vor sich hin.
Der Bevölkerung scheint's zu gefallen. Überall ausgelassene Gesichter und spontan tanzende Leute. Was für ein Gegensatz zu Spanien. Dort schien uns alles eher verklemmt darauf bedacht, äußerlich eine gute Figur zu machen, aber halt mit nicht viel hinter dieser Fassade. Klar, die Mädels waren damit unglaublich nett anzusehen und Steffi konnte sich auch oft genug über die stelzböckigen Kerls lustig machen, aber da niemand Englisch sprechen konnte/wollte war ein Kontakt kaum herzustellen und die Menschen wirkten meist sehr verschlossen.
Hier ist es ganz anders. Die Leute tragen ganz gewöhnliche Kleidung, viele sind eher stämmig, aber alle sind offen und auch wenn sie kaum einen Brocken Englisch können, sind sie völlig offen und unterhält man sich notfalls mit Händen und Füßen. Für die meisten ist Englisch allerdings kein Problem und wir kommen prima zurecht.
Vormittags laufen wir durch die Stadt und entdecken einen Trommelwettbewerb. Ich habe das Gefühl, dass es aus der Zeit kommt, als man die Heere mit Trommlern anfeuerte. Nacheinander treten Gruppen von 10-20 Mann auf den kleinen Platz. Sie spielen größtenteils kleine Snare-Trommeln oder große Pauken und haben etwa fünf Minuten Zeit, um die Jury von sich zu überzeugen. So ganz klar ist uns nicht, wie sie sich koordinieren. Einer scheint auf jeden Fall die Zeichen zu geben, sie spielen sich auf einen Rhythmus ein und steigern sich dann fast bis zum Exzess. Vor allem die tiefen Pauken nehmen einen dabei richtig mit. Ein unglaublich brachiales Spektakel ist das und wenn sie wie die Berserker trommeln wird schnell klar, warum alle so wahnsinnig dicke Oberarme haben.
Trommelwettbewerb. Zum Anschauend es Videos (2,3 MB), anklicken!


Danach wollen wir noch auf den Berg hinter der Stadt, auf der "Petit Notre Dame" steht, ein Nachbau der Pariser Kirche. Den Aufstieg sparen wir uns und stellen uns in die Reihe der Wartenden an der Seilbahn. Da wir nicht so "aktiv" anstehen wie die Portugiesen, werden wir langsam nach hinten durchgereicht, bis plötzlich Jens-Uwe hinter uns steht. Wir kennen ihn flüchtig aus Bayona und kommen bei der Warterei näher ins Gespräch. Er ist einhand mit einer Halber Rassy 41 unterwegs, und will erstmal rüber in die Karibik. Dann wird weiter geplant.
Irgendwann bringt uns dann die Seilbahn hoch und wir sind froh, als wir aus dem Backofen wieder raussind. Geschlossene Fenster und keine Klimatisierung ist in dieser Hitze nicht gerade clever. Dazu der Geruch vieler schwitzender Leute, geil... Auf dem Berg empfängt uns der totale touristische Troubel und wir sind froh, als wir alles gesehen haben und zu Fuß den einsamen Abstieg durch Eukalyptuswälder genießen können.
Wieder am Boot angekommen, haben wir es alles gesehen und geht uns die dauernde Beschallung auf den Senkel. Vor allem dieser schrille Gesang der Frau zu der immer gleichen Melodie macht einen irgendwann mürbe. Ich versuche den anderen noch den Text zu übersetzen (Er: "Du bist eine Schlampe! Steigst mit meinem Bruder ins Bett! Mach Dich vom Acker und laß mich in Ruhe", Sie im schrillen Tonfall: "Und Du bist der größte Stelzbock den es gibt! Dabei bringst Du's überhaupt nicht! Aber ich liebe Deinen Kontostand!"), aber sie glauben es einfach nicht. Hatte ich etwa schon gesagt, dass ich kein Wort Portugiesisch kann?
Naja, dieser ganze Trubel hat uns wie gesagt nach einem halben Tag geschafft und wir sind froh, abzulegen. Draußen ballert der Nordwind mit 6 Bft. Wir haben die kleine Fock gesetzt, binden das erste Reff ins Groß und fliegen nach Süden. Was für ein Hammerritt! Wir surfen, surfen und surfen über die unglaublich steilen Wellen. Das ist kein alter Schwell, das ist eine frische und lebendige See und wir kreuzen raumschots, um die Halsgefahr klein zu halten.
In La Coruna hatten wir bemerkt, dass die oberste Latte gebrochen war. Vermutlich kam es durch eine Halse, die dank der Backstagen etwas arbeitsintensiver ist. Eigentlich schaffen Steffi und ich das Manöver sehr kontrolliert, aber mit Besuch ist man nicht so eingespielt und wenn das Segel dann umschlägt, spalten die Oberwanten schonmal die Latte. Um sicher zu gehen machen wir diesmal eine Q-Wende, aber für mich war's erstmal die letzte! Diese Brutalität, mit der man dann plötzlich gegen die Seen drischt, die überkommende Gischt und das Geschlage der Segel ist in meinen Augen einfach nicht materialschonender als bei einer kontrollierten Halse. Muss ich dann etwa auch noch erwähnen, dass ich natürlich kein Ölzeug trug und von Kopf bis Fuß durchnäßt wurde? ;o)

Schöne Hisbiskusblüte was? Die stehen hier übrigens als ganze Bäume in der Gegend herum.


Nachdem die Sonne untergegangen ist, wird es wieder richtig kalt und wir sind froh, um 22:00 Leixoes (sprich: Leischoss) anlaufen zu können. Die Einfahrt zwischen die Molen ist trotz des Schwells wiedermal kein Problem und als wir die Hello World am Eingang des Yachthafens liegen sehen, steigt unsere Laune noch ein bisschen mehr. Von der RoXanne fehlt allerdings jede Spur, keine Ahnung, wo Boris und Barbara geblieben sind.
Am Steg empfängt uns der Zollbeamte. Die ersten Male haben wir uns noch über den portugiesischen Bürokratiewahn aufgeregt, aber am besten ist es, ihn mit Gleichmut zu ertragen. In wirklich jedem Hafen Portugals füllt man ein DIN-A4-Blatt mit Informationen zum Boot aus, mus die Bootspapiere, die Pässe aller Besatzungsmitglieder und sogar die Versicherungspolice vorlegen. Ob es nun die Haftpflicht, oder die Kasko ist, interessiert dabei kein Schwein, hauptsache sie haben eine Nummer zum Notieren. In manchen Häfen muss man zusätzlich noch dem Zoll ein Deklarationspapier aushändigen und ganz selten sogar einen Zettel bei "Imigrations" abgeben. Die EU scheint hier wirklich noch nicht angekommen zu sein.
Der Zöllner ist unglaublich freundlich und schließt uns nochmal die Duschen auf. Er hat halt auch Langeweile und freut sich über die Abwechslung. Das wir seine Hilfe für's Tor der Gangway nicht benötigen versteht er allerdings erst, als er sieht, wie wir ganz elegant drumherum klettern. Das geht hier nämlich ohne weiteres.


Montag, 20.08.2007 (93. Tag)

Mit Leixoes haben wir Porto erreicht. Durch die Stadt fließt zwar der Duro über den man in sie hinein fahren kann, aber in der Stadt gibt es nur eine Spundwand ohne Infrastruktur und alle Nase lang die Festmacher den Gezeiten anpassen, das ist nicht so unser Ding. Also liegenw ir hier in Leixoes, einem echten Industriehafen mit Container- und Gasterminal, in dem die Yachten nur eine geduldete Ecke belegen dürfen. Das hat aber für uns Technikfreaks auch seinen Reiz. Ist halt echte Industrieromantik und ich finde es herrlich, nachts das Rumsen der Container in ihren Gestellen und das Summen der Kräne zu hören. Da ist wenigstens was los, im Gegensatz zu diesen supersterilen Marinas!
Mit der Straßenbahn ist man in 20 Minuten im Zentrum von Porto und da Britt und Axel sich uns spontan anschließen, spazieren wir zu fünft durch die Stadt und lassen uns von Britts Reiseführer leiten. Eine architektonische Eigenart sind in Portugal die gefließten Häuser. Sieht aus wie lauter Badeanstalten und bei modernen Gebäuden läßt man es auch wieder. Wenn ich mich richtig erinnere, haben die Mauren damals diese Bauweise eingeführt. Der Vorteil war, dass an den Kacheln kein Dreck kleben blieb und dass sie die Hitze reflektierten. Das man die Kacheln dann noch in den wildesten Mustern bemalte war eher ein praktischer Nebeneffekt, sieht aber klasse aus. Es gibt die unterschiedlichsten Muster und wir müssen uns schon sehr anstrengen, um Wiederholungen zu entdecken.

Auch die Kirchen sind mit Kacheln verziert.


Als uns irgendwann förmlich die Socken qualmen, also in Wirklichkeit eher die nackten Füße in den Sandalen, steigen wir in die uralte Straßenbahn und lassen uns von ihr hinunter an den Duro fahren. Die Steigung ist unglaublich, ich habe nie ein Schienenfahrzeug gesehen, was solche Winkel bewältigt. Wir staunen und freuen uns an dem urigen Gefährt, an dem wirklich alles noch wie früher ist, inklusiv des Lederbändchens unter der Decke, mit dem man die Klingel über dem Fahrer als Haltewunsch betätigen kann.

Uriges Straßenbähnchen.


Unsere Energie um weiter die Gegend zu erkunden ist genau so gering wie unsere Höhe hier unten am Fluß, also suchen wir uns einen Bus heraus, der uns zurück nach Leixoes bringt. Aber eben nur auf die Südseite des Hafens und als wir über die Straßenbrücke nach Norden wollen, haben wir ein Problem: Die Brücke wurde für ein Containerschiff geöffnet und läßt sich nicht mehr schließen. Das Teil ist nagelneu, aber da scheint wohl jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Die Autos fangen schon an umzudrehen, Steffi muß dringend auf's Klo und neben dieser Brücke gibt es nur noch eine Autobahnbrücke auf die andere Seite.
Es wird etwas hektisch, bis Steffi ein Restaurant gefunden hat und sich im selben Moment die Brücke plötzlich doch schließt. Also haben wir nochmal Glück gehabt und spazieren entspannt den letzten Kilometer zum Hafen, wo es unglaublich stark stürmt. Die Boote sind völlig eingesaut, da die Gischt von der Hafenmole hier herüber weht und alles mit einem seifigen Schmier überzieht. Kein Wetter um lange draußen zu bleiben, also verziehen wir uns in die Kojen.


Dienstag, 21.08.2007 (94. Tag)

Wir merken beim Aufstehen unsere Füße, aber es gibt kein Pardon, heute steht die zweite Runde aus Britts Reiseführer an, der in einer Portweinprobe enden soll. Nach dem Aufstieg zur Kathedrale geht es durch die Altstadt hinunter an den Duro. Die Gäßchen sind unglaublich schmal und die Häuser stapeln sich hier fast am Hang. Unglaublich malerisch, aus der Nähe erkennt man allerdings, dass vieles sehr heruntergekommen ist. Außerdem stinkt es immer wieder nach Kloake. Wahrscheinlich liegt das auch an der Trockenheit.

Blick auf die Altstadt vom gegenüberliegenden Ufer aus.


So richtig die Motivation zur Stadtbesichtigung fehlt uns heute allerdings. Viel mehr zieht es uns hinüber an's andere Ufer (vom Duro natürlich!) zu den heiligen Hallen der Portweinpanscher. Ja, PANSCHER, das habt Ihr richtig gelesen! Wir nehmen eine Führung bei einem der großen Panschereien, direkt am Ufer. Ein Fehler, denn sie ist ziemlich trocken, professionell ohne jeden Charme und gewinnt auch nichts dadurch, daß unsere Führerin jeden dritten Satz mit "and that's the way it goes, right" beendet. Sie erklärt, dass Portwein dadurch gemacht wird, dass man den Wein nur kurz angähren läßt und den Prozess dann durch die Zugabe von Trester stoppt. Daher der hohe Zuckeranteil. Das ganze wird dann in Fässer geschüttet, gelagert und dann beginnt die eigentliche Panscherei: Verkauft wird Portwein in beliebigen Altersklassen. Das bedeutet aber keineswegs, dass in den Flaschen nur 20 Jahre alter Wein drin steckt, nein, der Geschmack wird vielmehr durch das Mischen verschiedenster Jahrgänge gezielt "designt" und das Alter, was am Ende auf die Flasche gestempelt wird, ist der Mittelwert aus den gemixten Jahrgängen. Also wirklich die reinste Panscherei.
Egal, wir lassen die Führung über uns ergehen und wollen endlich zur Probe kommen. Die ist aber genau so schnell und charmlos wie die Führung. Halt eine reine Massenabfertigung. Man bekommt einen jungen und einen alten roten und weißen Port, dann die Preisliste und fertig.
Als wir wieder im Hellen stehen ("scheint die Sonne jetzt irgendwie greller?") wissen wir zwar ein bisschen mehr, aber unter einer gemütlichen Portweinprobe haben wir uns etwas anderes vorgestellt. Die Beine sind zwar schon etwas schwer, aber trotzdem schleppen wir uns noch den Hang hoch, um eine der kleineren Panschereien zu besuchen. Wir landen bei Krohn & Wiese, einem Volltreffer: In einer Ecke der Lagerhalle hat man einen Zwischenboden eingezogen. Darauf stehen kleine Stühle und Tische, es läuft leise Musik und in dieser Stille bekommt man in aller Ruhe die Portweine serviert und kann sich in Ruhe durchkosten. So hatten wir uns das vorgestellt und genüßlich probieren wir uns durch's Sortiment und bekommen auf Wunsch nachgeschenkt. Klasse! Am Ende kaufen wir uns je einen roten und weißen Wein. Dabei wird deutlich, dass wir eher einen billigen Geschmack haben. Die teure Plörre ist nicht so unser Fall, gut für's Portemonnaie.

So muß eine Portweinprobe aussehen!


Ich habe richtig schwere Beine, aber die anderen wollen noch unbedingt den Berg hochstiefeln, um obenherum über die zweistöckige Brücke zurück zu gehen. Ich dackele hinterher und bin froh, als wir wieder zurück bei der Apelia sind. Einmal angekommen habe ich den Alkohol aber wieder verarbeitet und kann damit meiner Aufgabe als Show-Koch gerecht werden: In der Hello World ist der Induktionswok auf dem Salontisch aufgebaut (was für ein Luxus) und unter aller Augen (und Kommentare) koche ich ein Curry. Zum Leidwesen von Andreas lerne ich dabei, dass man die rote Currypaste sparsamer dosieren sollte als die gelbe, die ich gewohnt bin. Sorry Andreas.


Mittwoch, 22.08.2007 (95. Tag)

Porto haben wir jetzt gesehen und es kann weitergehen! Der Wind hatte gestern nochmal zugenommen, aber heute "fächelt" er mit leichen 4 Bft aus Nord, genau das was wir brauchen. Wo wir heute ankommen wollen ist noch nicht ganz klar. Britt empfiehlt uns Aveiro mit seinen Salzmarschen, aber so richtig überzeugt sind wir noch nicht. Wenn es gut läuft wollen wir auch weiter kommen.
Mit der großen Fock und dem vollen Groß schmetterlingen wir nach Süden und kommen ab und zu ins surfen. Nachmittags nimmt der Wind auf 5 Bft zu und der GPS zeigt über Grund fast konstant 8 kn. Das ist herrliches Segeln unter dem strahlend blauen Himmel. Das einzige penetrante sind die etwas raum einfallenden Wellen, die schonmal brechen und dann ein paar Spritzer in die Plicht schicken. Zum Glück nur zu der Zeit, die Andreas an der Pinne sitzt und Steffi und ich grinsen uns hämisch zu, wenn wir ihn oben fluchen hören. Wie herrlich ist doch so ein Autopilot, der auch noch solch angenehme menschliche Qualitäten besitzt.
Wir sind erst spät losgekommen und beschließen, doch Aveiro anzulaufen. Die Beschreibung in Andreas Reiseführer ist auch interessant und so lockt die Abwechslung. Der Hafen ist mehr eine Kanalmündung. Ansonsten sieht man erstmal nichts und bis hafenartige Strukturen auftauchen vergeht erstmal eine halbe Stunde. Die Küste bestand schon seit Viana de Costello nur aus einem flachen Dünenstreifen hinter dem Sandstrand. In Aveiro befinden sich hinter dem Küstenstreifen aber zusätzlich noch ausgedehnte Salzmarschen, die lediglich von einzelnen Kanälen durchquert werden. Das ganze gleicht ein wenig dem uns bekannten Watt oder Friesland.
Den Hafen für die Frachtschiffe bilden ein paar Anleger im Kanal und wir folgen ihm mit 7 kn unter Segeln. Das ist wirklich schon fast wie das Segeln mit Falken in Friesland. Wir lassen sogar fast ein Rundfahrtboot mit Touristen stehen, die anstatt sich die öden Salzmarschen anzusehen alle zu uns rüber gucken und gleichzeitig winken, wenn auch nur einer von uns die Hand hebt.
Im Reeds steht, dass man bis zum Hochwasser an Moorings vor der kleinen Schleuse warten müsste, aber als wir an der Ecke ankommen sehen wir nichts von dem versprochenen kleinen Hafen. Das einzige was wir vorfinden ist eine riesige Baustelle, auf der die Bagger nur so wühlen, einem provisorischen Schwimmsteg im Kanal, der voller Boote liegt und eine Hochspannungsleitung, die bedenklich tief über dem Kanal hängt. Zur Sicherheit setzen wir Andreas an einem kleinen Anleger ab, damit er peilen kann. Wir scheinen so 3 m Platz zu haben, aber so richtig viel hätte da wohl nicht gefehlt. Trotzdem bleibt es ein komisches Gefühl, so knapp unter einer Leitung durch zu fahren und wir sind froh, als wir durch sind und an einem der anderen Boote längsseits gehen. Der Wind pfeifft mit strammen 6 Bft antlang des Kanals und wir liegen mitten in den Wellen. Zum Glück ist er ganz leicht ablandig, so dass die Apelia frei in ihren Leinen hängt und wir sie bedenkenlos verlassen können. Der Stahlpott neben uns wird wohl nicht davonschwimmen.
Bis zum Städtchen sind es 20 min zu Fuß am Kanal entlang. Es ist die reinste Einöde, aber das Städtchen ist schnuckelig und strotzt nur so von Kachelwänden. Irgendwann schnappe ich mir die Kamera und halte einfach nur noch drauf.

Kacheln so weit das Auge reicht.


Im Zentrum finden wir ein Kino. Steffi hatte erfahren, dass hier die Filme größtenteils in der Originalfassung mit Untertitel gezeigt werden, also erkundigen wir uns danach. Die Auswertung ist allerdings ernüchternd. Nur die härtesten Horrorschocker laufen in Englisch, der Rest ist synchronisiert. Also ist nichts mit Kino und wir ziehen uns zur Apelia zurück. Dabei "stolpern" wir über einen streunenden Hund, der sich ausgiebig von Steffi streicheln läßt und ihr immer wieder vor die Füße läuft. Keine Chance, der muß gekoschelt werden, was das Zeug hält.
Am Boot riechen wir einen Gestank nach faulen Eiern. Irgendwo im Schilf muß da kräftig was gären, denn es stinkt wirklich hundserbärmlich.