Von Aveiro nach Cascais
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Vorwort (26.09.2007)
Ein kurzes Vorwort: Unser Mast steht seit einer Woche wieder und nach 3,5 Tagen sind wir vorgestern Nacht auf Madeira angekommen. Eine geile Insel, in die wir uns direkt verliebt haben. Mehr zur Überfahrt und den ersten Eindrücken gibt's hier natürlich auch bald. Leider sind wir mit dem Tagebuch so extrem in Verzug geraten, dass wir das jetzt erstmal aufholen müssen. Bis Lissabon habe ich gerade alles zusammengetippt. Den Rest fasse ich dann morgen zusammen, so dass ich mich dann endlich auf die aktuellen Eindrück konzentrieren kann, denn die sind am schönsten.
Donnerstag, 23.08.2007 (96. Tag)
Heute wollen wir die gut 65 Meilen nach Nazaré segeln, um nicht im Tourikaff Figuera da Foz übernachten zu müssen, also steht Steffi voller Tatendrang um kurz nach 7:00 auf und läßt uns keine Ruhe mehr, bis wir um 7:30 ablegen und durch die Kanäle Richtung See motoren. Das erinnert uns hier wirklich an die Kanäle in Friesland und wir schwelgen ein wenig melancholisch in Erinnerungen an die Tollen Primitivurlaube, in denen wir mit Falkenjollen durch Friesland segelten. Nichts mit Wetter und Akkustände beachten, Wassertiefen waren auch meist egal und übernachten konnte man sowieso überall. Das waren noch Zeiten...
Wir sind noch in den Kanälen, als wir die Segel setzen. Der Motor nervt, also wird er ausgeschaltet und so treiben wir mit knapp einem Knoten Fahrt in Richtung Hafenmole. Bis wir sie bei dem schwachen Ostwind erreichen dauert es allerdings noch zwei Stunden und wie wir so zwischen den Molenköpfen herumtreiben fragen wir uns, ob das heute überhaupt ein Segeltag wird. Links und rechts von uns erstreckt sich die Küste als ein schnurgerader Sandstrand. Wirklich nichts besonderes zu sehen, was Abwechlung bietet und dann dieser leichte Schwell, der die Segel zum Schlagen bringt. Es ist ätzend.
Erst mittags wird unser Durchhaltewille belohnt und ändern sich die Bedingungen genau so schlagartig, wie der Wind um 180 Grad auf NW dreht und auf 4 Bft auffrischt. Es wird merklich kühler, aber für diesen Wind sind wir bereit alles zu tun. Sofort springt die Apelia an und endlich machen wir die gewohnte Sausefahrt nach Süden.
Nach einer Halse vom Traveller massakrierte Wasserflasche.
Durch diese lange "Anlaufphase" kommen wir erst im Dunkeln um 21:30 in Nazaré an. Es liegt hinter einem Kap, an dem der inzwischen abgeschwächte Wind nochmal deutlich zulegt. Im Wasser treiben Scheinwerfer und leuchten die Felsen an. Sieht toll aus, aber wir können es nicht genießen, da unser Tiefenmesser zu spinnen scheint und nur noch Blödsinn anzeigt. Erst ein genauer Blick in die Karte zeigt den Grund: An dieser Stelle nähert sich unter Wasser ein knapp 500 m tiefer Graben sehr dicht der Küste an. Wir segeln gerade mitten darüber hinweg, weshalb der Tiefenmesser streikt.
Kpt. Mike Hadley, der Hafenmeister, weist uns mit der Taschenlampe einen Platz an und erklärt uns, wo wir uns beim Pförtner anmelden müssen um den Schlüssel für das Tor zum Steg zu bekommen. Direkt danach folgt auch noch der obligatorische Besuch des Polizisten um auch noch unsere Daten aufzunehmen und erst danach bleibt Zeit, um sich noch schnell mal umzuschauen.
Was einem beim "Umsehen" als erstes auffällt ist der Kloakengeruch, den der Wind regelmäßig über das Gelände weht. Direkt neben uns liegen außerdem die Hallend er Fischabfertigung vor denen immer mal wieder ein Kutter anlegt. Auch jetzt im Dunkeln ist die Mole noch voller Leute. Keine Ahnung was sie hier machen. Um die kleinen Kutter auszuladen sind es einfach zu viele und es ist ein seltsames Gefühl, hier so auf dem Präsentierteller zu liegen.
Ansonsten ist das Hafengelände eine grasige Steppe auf der hier und da verrottende Boote herumliegen und zerfallene Hallen stehen. Auf dem Weg zum Pförtner lernen wir dann noch die "Anwohner" kennen: Nazaré ist der Hafen der streunenden Hunde. Wir stolpern fast über die schlafende Gruppe von 8 Tieren die sich genau so erschrecken wie wir und laut losbellen. Ein komisches Gefühl, in so einer Gegend einer Gruppe von Hunden gegenüberzustehen, die man nicht einschätzen kann. Im Laufe der kommenden Tage lernen wir, dass die insgesamt etwa 30 Hunde zum festen Hafeninventar gehören und keine Gefahr darstellen. Die scheinen sich mit den Leuten arrangiert zu haben und bekommen hir und da ein Leckerchen zugestreckt. Bei unserer ersten Begegnung waren wir halt beide nicht darauf vorbereitet.
Zurück am Boot gibt es eine kleine Überraschung: Wir treffen mal wieder auf Mike von der Wagtail und müssen uns noch kurz sein Abenteuer von der Biskayaquerung anhören: Er ist in einem richtig dicken, treibenden Fischernetz hängen geblieben und hat 2 h im Wasser hängen müssen, um das Boot frei zu hacken. Als Lehre daraus kaufen wir uns am nächsten Tag eine Rosenschere. Für dicke Seile sollte sowas ein adäquates Mittel sein.
Freitag, 24.08.2007 (97. Tag)
Morgen wird Andreas uns verlassen. Sein Flieger geht ab Lissabon und wir wollen nochmal Gas geben, damit seine Anreise zum Flughafen nicht so lang wird. Bei N6 verlassen wir deshalb euphorisch die labyrinth-artige Mole von Nazaré und fliegen nur unter Groß in Richtung süden los.Nach einer Stunde kommt die Sausefahrt dann aber ziemlich schnell zum Erliegen: Der Wind schläft innerhalb von Minuten ein und wir rollen heftig im Schwell. Das hat einfach keinen Zweck, also drehen wir um. Je näher wir Nazaré kommen, desto mehr nimmt auch der Wind wieder zu. Es wird eine richtige Bolzerei, und wir sind froh, wieder im Hafen zu sein.
Wir sind etwas unschlüssig, was wir jetzt machen sollen, beschließen aber dann, hier zu bleiben. Nazaré scheint durch seine kesselartige Lage thermische WInde zu erzeugen, auf dem Meer herrscht allerdings tote Hose.
Wir waschen und kaufen in der Hafenspelunke ein. Überall liegen die streunenden Hunde im Schatten und dösen vor sich hin. Auf den ersten Blick abschreckend, aber irgendwann finden wir es idyllisch. Nur wenige sind wirklich mager und ihre Felle sehen meist gut aus.
Die Streuner von Nazaré.
Mittags machen wir uns auf in die Stadt. Sie besteht aus einem unteren und einem oberen Teil, der auf einer Klippe liegt, die sich ins Meer hinaus streckt. Alles ist sehr touristisch. Am Strand herrscht das pralle Leben und spärlich bekleidete Menschen überwiegen. Dazwischen laufen aber dann auch wieder traditionell gekleidete Muttchen herum, die Stockfisch verkaufen und Ferienwohnungen vermitteln. Es sind absolute Gegensätze, aber diese beiden Welten existieren hier scheinbar friedlich nebeneinander her und man hat sich mit dem Tourismus arrangiert.
Statt der Seilbahn spazieren wir den Fußweg hoch zur Klippe. Oben stehen die Häuser teilweise auf überkragenden Klippen und die "Promenade" führt genau auf diesem Rand entlang und bietet einen herrlichen Blick über die Stadt und den Strand.
Blick vom oberen Stadtteil auf Nazaré.
Auf der Klippe laufen wir bis vorne ans Kapp, auf dem ein alter Leuchtturm steht. Ein kleiner Pfad führt außen am Gebäude bis zur Kante. Vor dem Abgrund "schützt" einen nur noch ein kniehohes Steinmäuerchen. Spannend und wir denken schon, dass das genug Abenteuer war, als wir am Ende des Pfads leiterartige Treppen finden, die in die Tiefe auf die Halbe Höhe des Kliffs führen. In Deutschland völlig undenkbar, aber hier ist sowas halt möglich.
Wir nehmen das Abenteuer an und klettern in die Tiefe. Viel weiter geht der Pfad nicht, aber in 20 m Höhe auf einem rutschigen Kliff herumklettern ist für uns auch ausreichend spannend. Auf dem Rückweg fällt mir dann auf, dass die Träger nur aus Kunststoff sind und sich die eine Leiter seitlich leicht neigt, so als ob sie schon etwas am Fels verrutscht sei. Das sorgt nochmal für einen extra Adrenalinschub und ich bin froh, am Ende wieder heil oben zu stehen.
Spannung und Adrenalin beim Klippenkraxeln.
Entlang eines Wanderpfades laufen wir auf der Stadtabgewandten Seite des Kapps hinunter zum nächsten Strand, der sich bis zum Horizont zieht. Es ist kein vornehmer Badestrand. Der Sand ist grob und gelb, der Wind pfeift (Kappeffekt) und die Brandung knallt mit unglaublicher Wucht auf die Küste. Trotzdem sind wir begeistert von dieser ursprünglichen Natur und fangen übermütig an mit den Wellen zu spielen. Wer traut sich, dichter vor die brechenden Wellen zu laufen. Sie brechen wirklich erst am Strand und man kann (wenn man kaltblütig und schnell ist) praktisch trockenen Fußes vor die senkrechte Wasserwand gehen, muss aber dann natürlich zusehen, dass man wegkommt.
Näher...
...und näher...
...bis einer heult.
Samstag, 25.08.2007 (98. Tag)
Der Morgen beginnt mit einer fäkalen Meisterleistung: Die Luke über uns war nur einen Spalt offen, trotzdem schafft es eine Möwe (und sie muss dazu unglaubliche Manöver geflogen haben), Steffi genau auf's Auge zu kacken. Es gibt nun wirklich angenehmere Arten, geweckt zu werden.
Heute wird Andreas uns verlassen und die Stimmung ist dementsprechend schlecht. Ich habe es ja schon im Eintrag vom 08.09.2007 geschrieben: Mit Andreas wurde für mein Gefühl die vorerst letzte Bindung zur gewohnten Heimat gekappt. Ab jetzt waren wir wirklich unterwegs und weg. Andreas, es waren zwei tolle Wochen. Die Zeit flog und wir hätten Dich gerne noch ein Weilchen dabei gehabt. Hoffentlich sehen wir uns in der Karibik wieder!
Lange Zeit für Melancholie bleibt allerdings nicht. Mittags kommen Moni und Thorsten, die seit einer Woche Urlaub in Cascais machen. Mit ihnen machen wir dieselbe Runde zum Wellen-Strand, aber heute ist der Schwell deutlich kleiner. Außerdem fehlt Andreas, mit dem sich unser Mut zu immer waghalsigeren Manövern aufschaukeln lies. Dafür "zeichne" ich unter den Augen aller Touristen oben am Leuchtturm eine wichtige Nachricht in den Sand.
Wir hinterlassen wichtige Nachrichten für die Nachwelt.
Auf dem Rückweg müssen wir am Hafen wieder am "Streichelzoo" lang. Wir haben die Reproduktionsstätte für die streunenden Hunde gefunden, in der momentan wieder drei süße Exemplare auf ihre Fertigstellung warten. Die Leute eines Bootsladens haben sich erbarmt und der Mutter eine Hundhütte gebaut. Außerdem wird sie von ihnen gefüttert, hat also eigentlich ein gutes Leben. Trotzdem scheint sie alle Energie in die Welpen zu stecken. Halt eine richtige Mutter, aber in diesem Fall geht es deutlich über die Selbstaufopferung hinaus. Sie ist die Räudigkeit in Person, ihre Zitzen sind ausgeleiert und wund und über die Fülle an Mikroben, Zecken und Flöhen wollen wir lieber gar nicht nachdenken. Dafür ist sie allerdings die Liebe in Person und wenn wir vorbei schauen (also immer, wenn wir in die Stadt laufen oder zurück kommen) begrüßt sie uns schon von weitem, holt sich ihre Portion Streicheleinheit ab (was angesichts ihrer Verfassung etwas an Überwindung kostet) und läßt uns danach ausgiebig mit ihren Welpen kuscheln. Die sind wiederum das komplette Gegenteil und scheinen vor Gesundheit nur so zu strotzen.
Der Mann aus dem Bootsladen will uns die Welpen am liebsten mitgeben, aber wir wissen das sowas Blödsinn ist. Um Euch davon zu überzeugen, dass dies nicht einfach war, hier eine Portion "Süüüüüüüüssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssss":
Ach ja, und für alle Schwarzseher: Wir haben seit Nazaré weder komische Ausschläge noch Flöhe an Bord. :o)
Sonntag, 26.08.2007 (99. Tag)
Moni und Thorsten haben an Bord übernachtet und wenn sich heute endlich mal Wind der Wind melden würde, wären wir gemeinsam weiter nach Süden gesegelt. Stattdessen hängen aber alle Fahnen schlapp herunter, es steht also wieder ein weiterer Tag mit Landprogramm an.
Mit dem Mietwagen der beiden machen wir einen Ausflug nach Alcobaca. Auf der Fahrt dorthin merken wir, dass uns die "hohe" Geschwindigkeit zu schaffen macht. Wir sitzen beide zunehmend verkrampfter hinten drin, bis es Steffi endlich ausspricht: "Mir ist schlecht, können wir nicht etwas langsamer fahren". Und dabei fährt Thorsten nicht mal 80 km/h. Wir haben mit unserer Reise also nicht nur die Langsamkeit entdeckt, sondern sind ein Teil von ihr geworden. Ach ja, und mit der künstlichen Luft der Klimaanlage haben wir auch so unsere Probleme. Wir kann man dieses trockene Klima blos aushalten???
Alcobaca ist ein verschlafener Ort, was allerdings auch an der brütenden Hitze liegen kann. Auf dem Vorplatz des Kloster wird sie nochmal deutlich intensiver und es ist eine Wohltat, als wir endlich das Mittenschiff der Klosterkirche betreten. Es ist angenehm kühl hier drinnen und das Gebäude beeindruckt mich nachhaltig. Es ist ein monumentaler Bau, ohne großen Schnickschnack, aber gerade das gefällt mir. Die Säulen sind schlicht, aber die Helligkeit und die Größe der Halle strahlen eine unheimliche Erhabenheit und Ruhe aus.
Beeindruckendes Kirchenschiff des Klosters von Alcobaca.
Auch der Rest der Klosteranlage gefällt uns ausgesprochen gut. Man darf sich frei durch alle Räume bewegen und wir genießen die Ruhe die die Räume ausstrahlen, bewundern die Idylle des Kreuzgangs mit seinen Zitrusbäumchen und staunen über den gigantischen Grillplatz in der Küche, auf dem drei Ochsen gleichzeitig gegrillt werden konnten.
Nach einer kulinarsichen Stärkung spazieren wir zurück zum Parkplatz. Dahinter sehen wir eine Menschenansammlung und eine Tribüne. Es sieht ein wenig nach einer Demo aus, aber wofür soll hier schon demonstriert werden? Beim Näherkommen wird alles klar: Hier wird für archaische Männlichkeit demonstriert. Für Benzin, PS und verbrannten Gummi!
Etwa 50 m der Straße inklusiv eines Kreisverkehrs sind abgesperrt. In jedem Quadranten des Kreisverkehrs steht ein Pilon und nacheinander muss jeder Fahrer den Parkours so schnell wie möglich umrunden, wobei um jedes Hütchen ein 360 Grad Kreis gefahren/schleudert werden muss. Im Einsatz sind Kleinwagen, die bis auf die letzte Innerei gestrippt sind. Lediglich der Fahrersitz und die frisierte Handbremse sind übrig. Die Motoren drehen bis zum Rand des Möglichen hoch, die Handbremsen werden bis zum Glühen malträtiert und die Hälfte der Reifenprofile bleibt unterwegs auf der Strecke. Der Ansager am Mikrofon feuert die Fahrer an und das Publikum unterstützt ihn jolend. Hier herrscht noch echt uriges Rennfieber und wir lassen uns lange davon begeistern. Dass die Zuschauer nur von einfachen Absperrungen von den schleudernden Fahrzeugen getrennt sind scheint hier keinen zu stören und ach ja, das Rennen macht am Ende eine Frau in ihrem blauen Mini.
Straßenrennen in Alcobaca.
Abends im Hafen findet eine deutsche Invasion statt. Deutsche sehen wir hier unten kaum noch, aber heute Abend treffen Jens-Uwe, Britt & Axel und Rolf ein. Alle mußten mangels Wind motoren und sind genervt vom Wetter. Rolf, der köllsche Jung geht bei uns längsseits und es clickt direkt. Steffis und sein rheinischer Frohsinn, das muß einfach klappen.
Abends gehen wir mit Moni und Thorsten aus essen. Einfach, urig, sehr günstig aber lecker! Nazaré ist ein portugiesischer Urlaubsort, weshalb sich der Touristennepp eindeutig in Grenzen hält und die Preise nicht abheben. Danach fahren Moni und Thorsten wieder zurück nach Cascais und wir hoffen uns dort bald wiedersehen zu können.
Montag, 27.08.2007 (100. Tag)
Unser 100. Tag! Zeit um weiter zu kommen, aber der Wind läßt uns noch im Stich. Also lungern wir lange beim Frühstück mit Rolf herum. Beim Einkaufen entdecken wir eine Süddeutsche Zeitung. Damit haben wir was für die Siesta und dösen den Rest der heißen Mittagsphase im Schatten herum. Um 17:00 machen wir einen Ausbruchversuch, der aber mangels Wind genau an derselben Stelle wie zuvor endet. Es hat einfach keinen Zweck und frustriert kehren wir zurück. Lange hält die miese Stimmung aber nicht an. Der Polizist, der immer die Daten aufnimmt, begrüßt uns mit den Worten dass er den Einbürgerungsantrag schon fertig gemacht hat. Rolf freut sich, dass er uns jetzt seine Seite zum Anlegen anbieten darf und nachdem wir abends ein wenig gemeinsam musiziert haben wechseln wir noch zum gemütlichen Klönschnack auf die Hello World. Nazaré wird uns wohl noch eine Weile festhalten.
Dienstag, 28.08.2007 (101. Tag)
Auch heute herrscht wieder Flaute. Den anderen reichts und die gesamte Flotille motort weiter. Wir haben noch Hoffnung, warten also noch einen weiteren Tag. Steffi macht einen kulturellen Ausflug zum Pilgerort Fatima. Was eigentlich eine einstündige Busfahrt wäre wird aufgrund er Fehlinformation der Touristenauskunft eine ewige Himmelfahrt. Am Ende ist sie den ganzen Tag unterwegs, um 2 h in Fatima zu verbringen. Mir steht der Sinn nicht nach Kultur, also lege ich eine Lacksession ein. Der Klarlack hat's mal wieder nötig.
Pilgerort Fatima.
Mittwoch, 29.08.2007 (102. Tag)
Es reicht. Es weht zwar kaum ein Wind, aber wir haben jetzt einfach lang genug ausgeharrt. Nazaré nervt uns zusehends, da ist die Aussicht den ganzen Tag mit 4 kn zu motoren das geringere Übel.
Vormittags kaufen wir groß ein, dann legen wir mittags ab. Zunächst motoren wir noch unter Segeln, aber nachmittags herrscht bleierne Stille und wir bergen die schlagenden Segel. Abends musizieren wir. Ich habe die Folk-Begleitung geübt und es klappt immer besser.
Wir angeln und die Makrelen beißen wie verrückt. Leider scheinen wir uns in ihrer Kinderstube zu befinden. Acht Stück beißen hintereinander an, aber bis auf eine sind sie einfach zu klein und wir entlassen sie mit gepiercter Schnute wieder in die Freiheit.
Am Cabo Carvoeiro erwischt uns dicker Nebel. Die Sicht sinkt unter 50 m und wegen der vielen Fischerfähnchen müssen wir angestrengt Ausschau halten. Das nervt und geht unglaublich an die Konstistenz. Als wir um 20:30 in Peniche ankommen sind wir völlig geschafft und wollen eigentlich nur noch unsere Ruhe haben. Richtig viel bekommen wir davon allerdings nicht, denn der Schwell der Fischerboote ist die Pest. Sie queren den großen Hafen ohne Rücksicht und 40 cm hohe Wellen bringen die Gastlieger, die freundlicher Weise nur außen am Ponton im Päckchen anlegen dürfen in heftige Wallungen. Zum Glück liegen wir neben einer zweimastigen Amel und kann sich unser Mast frei zwischen ihren bewegen.
Dichter Nebel am Cabo Carvoeiro.
Donnerstag, 30.08.2007 (103. Tag)
Morgens wird das Geschaukel so ätzend, dass wir nur noch wegwollen. Auf der Hello World hinterlassen wir einen Umschlag mit Geld für den Hafenmeister und machen uns um 8:15 aus dem Staub. Nicht in aller Stille, denn der Motor wird auch heute wieder den ganzen Tag arbeiten müssen. Mittags können wir eine Zeit motorsegeln und werden damit sogar knapp 5kn schnell, aber angenehm ist es trotzdem nicht.
Mittags sehen wir von achtern langsam den Nebel auf uns zukriechen. Um 14:00 hat er uns dann erwischt und motoren wir wieder durch dichteste Watte. Vom Cabo da Roca, dem Huk vor der Bucht von Lissabon können wir lange nichts erkennen, auch wenn wir es in 200 m Abstand passieren. Ein seltsames Gefühl, denn man hört wohl den brechenden Schwell an den Klippen.
Als wir fast herum sind wandelt sich das Wetter schlagartig. Der Nebel reißt auf und wir legen staunend unsere Köpfe in die Nacken. Das Kap ist unglaublich hoch und die Klippen fallen senkrecht ins Meer. Und wir sind so dicht dran, es sieht fast so aus als ob sie über uns rüber hängen. Um die Euphorie weiter anzustacheln zieht auch der Wind endlich an. Ruckzuck nimmt er auf 6 Bft zu und unter Vollzeug rasen wir raumschots an der Küste entlang. Es ist erstaunlich, wie schnell man die Entbehrungen der vorherigen Stunden vergessen kann, wenn die Bedingungen lachen.
Um 17:30 laufen wir in Cascais an, wo Moni und Thorsten uns am Melde-Ponton empfangen. Zum Glück sind die Bedingungen inzwischen so herrlich, sonst hätte die nachfolgende Einklarieung meine Stimmung völlig zerstört: Die Engländer nennen diesen Hafen inzwischen nur noch "Cash Cash". Für unsere 10,4 m zahlen wir hier sage und schreibe 38 EUR/Tag. Nur Teilnehmer der ARC bekommen einen Rabatt von 20%. Für eine Waschmaschine muss man 6,50 EUR hinlegen, Internet kostet 5 EUR/h und was bekommt man für das alles geboten? Eine sterile, moderne Marina ohne Seele mit Sanitärräumen aus denen man am liebsten wieder rückwärts rausstolpert. Es ist wirklich unglaublich, was einem hier zugemutet wird. Wir sind richtig stinkig, aber auf den anderen Booten herrscht eher hoffnungslose Ergebenheit. Angeblich sei hier um Lissabon alles so teuer. Ein Glück, dass wir uns nicht darauf verlassen und Tags drauf weitersegeln. Im zentral gelegenen Alcantara-Dock in Lissabon zahlt man z.B. nur 21 EUR/Tag und hat perfekte Sanitärräume.
Wie gesagt, wir sind etwas zickig angesichts dieser Bedingungen, aber die Wiedersehensfreude mit der Hello Worldund der RoXanne überdeckt den Frust ziemlich schnell und wir genießen den Trubel, als sich alle bei uns an Bord einfinden.
Wiedersehensfreude in Cascais.
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