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Auf Madeira


Dienstag, 25.09.2007 (129. Tag)

Was für eine Nacht! In himmlischer Stille und ohne Bewegung, wenn man mal vom seltenen Einrucken in die Festmacher absieht, einem Tribut an den stetigen Schwell. Wir lassen uns morgens viel Zeit, duschen ausgiebig und frühstücken noch länger. Blos kein Stress, erstmal die ganzen neuen Landeindrücke auf sich wirken lassen und genießen. Direkt neben uns steigt eine etwa 100 m hohe Wand auf. Zum großen Teil zusammengepresste rötliche Schlacke, also ganz porös, aber mitten drin zieht sich ein Schlot aus erstarrter Lava durch. Schwarz und glashart. Sieht unglaublich beeindruckend aus, man kann sich genau vorstellen, mit welcher Wucht und brachialer Gewalt, diese Insel damals vulkanisch entstant.
Unsere Marina liegt einsam und verlassen am Nordost-Zipfel Madeiras. Infrastruktur scheint es hier bis auf die Kneipe und das Nobelrestaurant nicht zu geben und die Landschaft ist steinig, karg und vulkanisch. Im Westen sehen wir den Rest der Insel, hohe Berge, deren Spitzen so gut wie immer von Wolken eingehüllt sind, aber dort scheint das Grün nur so zu wuchern. Was für ein Gegensatz zu der uns umgebenden Mondlandschaft.

Unsere spektakulär gelegene Marina.


Das Einchecken ist die wahre Freude. Steffi verpaßt es, da sie auf Klo muss, aber ich bin völlig baff angesichts der Herzlichkeit, mit der mich Katja, die junge Hafenmanagerin empfängt. Es gibt einen Handschlag, Berge von Informationsblättchen und eine vollständige, zehnminütige Einweisung, während sie unsere Persos und die Bootspapiere kopiert. Die (noch) fehlende Infrastruktur ersetzen sie hier vollständig durch erstklassigen Service und nette Preise. Zumindest im Vergleich zu Spanien. Es gibt einen TO-Rabatt (Trans Ocean e.V.) und so werden wir hier knapp 23 EUR/Nacht zahlen. Täglich gibt es außerdem einen Fahrservice zum Supermarkt im Nachbardorf und bei Bedarf organisieren sie einem einen Mietwagen für 25 EUR/Tag. Lediglich das W-Lan kostet seit diesem Jahr wieder die üblichen 5 EUR/h, aber in allen Orten gibt es sonst kostenlose WiFis (EU-gesponsort).
Wir merken, dass wir noch abwechselnd im Wachrhythmus müde werden und lassen uns viel Zeit. Von der Hello World haben wir eine SMS bekommen, dass sie gestern spätabends vor Porto Santo vor Anker gingen und heute Abend hier eintrudeln. Nachmittags packt uns dann aber doch die Neugierde und wir wandern einfach mal los in Richtung des Kaps, das wir gestern Abend umrundet haben.

"Lavaeier" entlang der Straße.


Es ist hier wirklich wie eine Mondlandschaft durch die wir stapfen. Die Felsformationen in den unterschiedlichsten Farben begeistern uns. Komisch, früher hat mich sowas eher kalt gelassen, vielleicht sind es auch Nachwirkungen der Tage auf See.
Die Straße hier raus endet an einem großen Parkplatz. Zur Hauptsaison scheint diese Ecke zum obligatorischen Ausflug zu gehören. Scheinbar aber auch für die frisch verliebten Eingeborenen, deren Spuren wir hier massenhaft finden. Jeden Meter finden wir Kondome. In allen Größen und Farben und teilweise auch gerissen. Au weia, das gibt Ärger... Sogar eine Unterhose finden wir, da war's wohl sehr eilig.

Die Madeirianer geben AIDS eindeutig keine Chance.


Nach dem "Latex-Parkplatz" wird es dann aber wieder schön und wir folgen dem Wanderpfad, der zum Kap führt. Es ist viel los, wir sind allerdings spät dran und so kommen uns eigentlich nur Wanderer entgegen. Zum großen Teil sind es Deutsche. Keine Ahnung, woran man es erkennt. Ob's die rosige Haut ist, die materiell meist perfekte Ausrüstung? Wir raten immer schon auf Entfernung und beim Grüßen wird das Rätsel dann aufgelöst und wir haben meistens Recht. Bis auf einen Eingebohrenen in Flipflops tragen alle schwere Wanderschuhe und wir merken, dass unsere Birkenstocksandalen (ich weiß, auch sehr deutsch) zahlreiche kritische Blicke auf sich ziehen. Zwei ältere Muttis nehmen sich irgendwann auch ein Herz und fragen uns, ob wir meinen, dass das die richtige Ausrüstung sei. Klar finden wir das prima! Der Weg ist 1A hergerichtet und es ist heiß. Wieso also nicht auch die Füße Frischluft schnappen lassen? Wir treiben es sogar soweit, dass wir die Schuhe ausziehen und barfuß laufen. Geht auch super, zumal der Weg meistens aus Lavastaub besteht.
An einem Mäuerchen sitzen mehrere Eidechsen und wir hocken uns hin, um sie besser beobachten zu können. Anstatt (wie meistens) wegzulaufen, gucken die Eidechsen uns neugierig an und plötzlich scheint sich die ganze Mauer auf uns zu zu bewegen. Es sind sicherlich 30 Eidechsen, die überall aus den Ritzen gekrochen kommen und auf uns zu schwarwänzeln. Es wirkt ein bisschen wie in einem Horrorfilm und ich stelle mir kurzzeitig die Frage, ob Eidechsen in diesen Breiten wohl giftig sind, aber Steffi ist ganz begeistert und streckt ihnen ihre Hände entgegen.
Völlig zutraulich krabbeln die Tierchen darauf, drücken ihre Schnauzen in jede Falte und suchen eindeutig was zu essen. Und dann kommt's: Als sie nichts finden sperren sie ihre kleinen Rachen auf und beißen herzhaft in die Fingerkuppen! Im ersten Moment erschrecken wir uns tierisch, aber dann merken wir, dass es nicht weh tut und haben unseren Spaß. Gut eine halbe Stunde sitzen wir dann an dem Mäuerchen und "spielen" mit den Eidechsen, während die anderen Wanderer völlig achtlos an uns entlang laufen, als ob es gar keine Eidechsen zu sehen gäbe. Irgendwie komisch.

Angriff der Killer-Eidechsen!


Je weiter man auf die Landspitze hinaus kommt, desto spektakulärer werden die Ausblicke und die Gestaltung des Weges. Es geht an Abgründen entlang und immer wieder gucken wir fasziniert auf die Steilwände, durch die sich überall diese schwarzen Adern ziehen. Auf der Südseite ist das Wasser ruhig, aber links von uns auf der Nordseite kracht der Schwell tosend in die Klippen. Da sollte man sich wohl besser nicht aufhalten.

Lava-Adern im bizarr geformten Fels


Am Ende der Landzunge geht es sehr steil den Berg hoch. Steffi läuft dieses Stück barfuß um einen besseren Halt zu haben, aber es ist schon spät am Nachmittag und uns kommen keine Wanderer mehr entgegen, die das schockieren könnte. Auf der Kuppe pfeift der Wind und um uns herum geht es überall senkrecht hinunter. Nichts für Leute mit Höhenangst. Hinter einem kleinen Vorsprung ist es herrlich windgeschützt und warm. Wir setzen uns hin und genießen die herrliche Aussicht auf die Insel und die Böenfelder, die sich deutlich auf dem Wasser abzeichnen. Ganz still ist es hier, ein richtiges Idyll, was noch durch ein langbeiniges, spatzengroßes Vögelchen vollendet wird, das uns neugierig umkreist und bis auf einen Meter an uns heran kommt. Zwischendurch schlängelt sich auch noch eine Eidechse an uns lang, aber zahme Eidechsen kennen wir ja schon.

Vom Kap blicken wir zurück auf die Insel.


Nach einer Stunde sehen wir die Hello World um das Kap biegen und auf die Marina zuhalten. Auch sie scheinen von der Böigkeit der Abdeckung genervt zu sein, rollen die Segel ein und motoren. Ich hab's Euch ja gesagt, wir haben das notiert. :o) Wir brechen auf und schlendern zurück. Zumindest wirkt es auf mich so, denn die paar Wanderer, die nur bis zum Fuß des Berges liefen überholen uns jetzt mit einem unglaublich strammem Schritt. Vielleicht geht man auch langsamer, wenn sich der Lebensrhythmus so wie bei uns entspannt und man seine Erholung nicht in nur zwei Wochen Urlaub finden muß?

Diese Pflanze besteht nur aus Abwehr.


Die Wiedersehensfreude mit Brit und Axel ist groß und da sie aus essen gehen wollen und es unser Hochzeitstag ist, laden sie uns im piekfeinen Restaurant am Hafen ein. In unseren etwas abgenutzten Klamotten kommen wir uns in dieser Umgebung fast etwas deplaziert vor, aber hier ist wirklich alles vom feinsten, inklusiv des Essens. Danach ist dann bei uns aber ziemlich schnell Schluß, wir haben noch eindeutig mit den Nachwehen der Überfahrt zu kämpfen.


Mittwoch, 26.09.2007 (130. Tag)

Brit und Axel haben sich schon einen Mietwagen besorgt und wollen zu einer Taucherbasis und weiter nach Funchal. Wir schließen uns an, da unsere Motivation für einen Bootstag noch nicht so groß ist.
Die Fahrt ist spektakulär. Für die schnelle Ringstraße hat man alle paar hundert Meter einen Tunnel durch den Fels gerammt und trotzdem sind die Steigungen noch so steil, dass unser Wägelchen häufig an seine Grenzen stößt. Auf unserer Fahrt passieren wir auch den Flughafen und jetzt ist mir klar, was der gigantische Säulenwald soll, der mir gestern vom Kap aus schon auffiel: Aus Platzmangel hat man Teile des Flughafens, inkl. der Landebahn einfach auf Stelzen gestellt. Ein Mamutprojekt, was wir ausgiebig bewundern können, da sich die Autobahn genau darunter hindurch schlängelt.

Madeiras Flughafen steht auf Stelzen.


Gestern Abend haben Brit und Axel uns schon so heiß auf's Tauchen gemacht, dass wir uns die Sache mal genauer ansehen wollen und irgendwo wohl auch mal einen Schnupperkurs belegen werden. Die "Basis" (so nennt man das) liegt am Fuß der Steilküste und man fährt mit einem Aufzug vom oben liegenden Hotel hinab. Hier wurden mit Beton Ebenen zwischen die Felsen gegossen, auf denen jetzt die Touristen liegen. Es gibt auf Madeira so gut wie keinen Strand, also ziehen sich die Sonnenhungrigen auf diese Plateaus zurück, von denen man über Badeleitern ins kristallklare Wasser kommt. Für uns wäre das so rein gar nichts und wir fühlen uns an eine Robbenkolonie erinnert.

Blick auf Funchal.


Funchal, Madeiras Hauptstadt, ist auf den ersten Blick spektakulär, da die Autobahn die Stadt weit oben am Berg passiert, so dass man einen tollen Ausblick hat, gefolgt von einer wilden Abfahrt ins Zentrum. An der Mole liegt die AIDA Diva, aber in meinen Augen ist sie eines der häßlichsten Kreuzfahrer und uns interessiert im Moment etwas ganz anderes: Das Minitransat macht in Funchal Station und der Hafen ist gerammelt voll von diesen 6,5 m langen Atlantik-Einhand-Racern. Für andere Yachten ist er sogar gesperrt und wir sind froh, dass wir nicht im Schwell vor Anker liegen müssen. Die Fahrtensegler rollen wirklich wie toll, das hätten wir keine halbe Stunde ausgehalten.

Minitransat-Schleudern im Hafen.


Ansonsten finden wir in Funchal keine wirklich schöne Ecke. Bei einer Straßenhändlerin kaufen wir Kakusfeigen, die bei den Eingebohrenen scheinbar hoch im Kurs stehen. Man bekommt sie schon geschält, hat also keine Scherereien mit den Stacheln, kann sich aber dafür ewig mit den Kernen "vergnügen". Nicht mein Ding.
Auf dem Rückweg shoppen wir noch kurz und kochen dann auf der genialen Induktionsplatte von der Hello World ein arabisches Kouskous-Gericht und als Vorspeise verwurstet Steffi die Pfannkuchen von heute Morgen in einer Flädlesuppe. Wir haben jetzt schon öfter Yachten gesehen, die in den Häfen elektrisch kochen. Den Strom hat man ja meist sowieso und es spart Brennstoff für die einsameren Gegenden.


Donnerstag, 27.09.2007 (131. Tag)

Heute haben wir wirklich Lust auf einen Bootstag und brutzeln den gesamten Tag vor uns hin und gönnen uns diese kleine Auszeit. Mittags gibt's Milchreis mit frischem Obst und am Abend sieht Apelias Klarlack zumindest an manchen Stellen wieder aus wie neu. Das W-LAN funktioniert hier leider nicht ganz einwandfrei, aber wir haben in Funchal schon die Schilder mit den freien Zugängen gefunden, werden also dort mal online gehen.
Ab morgen haben wir uns für drei Tage einen Mietwagen reserviert und wir bieten Mieke und Luc von der Luiza an, dass sie zum Wandern mitkommen. Wir haben dieses belgische Pärchen in Cascais zum ersten Mal getroffen. Sie segeln eine Etap 34 und sind in unserem Alter. Madeira haben sie schon vor zwei Wochen erreicht und wollen eigentlich langsam weiter. Da das Wetter aber noch nicht so ganz mitspielt, sagen sie zu.


Freitag, 28.09.2007 (132. Tag)

Heute machen wir unsere erste Levada-Wanderung. Levadas sind Wasserkanäle, die die Eingebohrenen früher angelegt haben, um das Wasser von den Hängen des Nordens in den trockenen Süden zu leiten. Madeira hat wie die meisten Inseln ein ausgesprochenes Mikroklima. Im Norden regnen sich die Wolken vor den Bergen ab und im Süden herrscht dagegen absolute Trockenheit. Zumindest ist das die Regel beim gewöhnlichen Nordwind. Wir haben das gestern schon gesehen, während bei uns im NO-Zipfel die Sonne schien, war es in Funchal total bewölkt und frisch.
Zum Ausgangspunkt unserer Wanderung führt die Strasse stetig bergauf und mit uns vieren schafft es unser Motörchen maximal im zweiten Gang, manchmal sogar auch nur im ersten. Um uns herum wird es dafür immer grüner, bis wir durch einen regelrechten Urwald fahren.
Die Wanderung ist spektakulär, aber leider ist der Akku unserer Kamera alle. Zum Glück können Mieke und Luc uns mit ihrer aushelfen, so konnten wir wenigstens ein paar Eindrücke festhalten.
Der Weg beginnt wie eine ganz normale Waldwanderung. Man folgt halt diesem 40 cm breiten Kanal, durch den das Wasser leise plätschert. Nach und nach wird es dann aber immer wilder. Der Hang an dem sich die Levada entlang zieht wird irgendwann zur senkrechten Wand, in die der Kanal hineingeschlagen wurde. Man läuft auf dem Mäuerchen und vom Abgrund rechts von einem trennt einen nur ein Relingsdraht. Die Felswand ist allerdings fast vollständig von Grünzeug überwuchert, so dass man fast nie den kahlen Fels in die Tiefe hinab blickt. Das macht es etwas entspannter.

Levada-Wanderweg.


Neben den Tiefen sorgen aber auch die Tunnels für Abwechslung. Der Längste ist etwa 100 m lang und in der Mitte so tief, dass man nur gehockt gehen kann. Ich leuchte einfach mal so gegen die Decke. Hätte ich besser nicht gemacht, denn jetzt weiß ich, dass dort fette Spinnen hocken und bücke mich noch tiefer herab.
Das Ende des Levadas, bzw. den Anfang bildet eine Teich unterhalb eines dünnen Wasserfalls, an dem wir unsere Schokolade schlachten und die Ruhe genießen. Was für krasse Unterschiede diese Insel bietet: Die karge Mondlandschaft um unsere Marina und hier, 20 km weiter, üppiges, tropfnasses Grün. Das ist eindeutig der Reiz Madeiras, das in unseren Augen das Prädikat "sehr empfehlenswert" verdient.

Die "Quelle" unserer Levada.


Auf dem Rückweg machen wir in Santana halt und "hacken" uns in das Public WiFi ein um die Homepage zu aktualisieren und Mails zu versenden. Mieke und Luc ziehen sich die neusten Wetterdaten, so wie es aussieht, können sie morgen los. Zurück im Hafen sind wir bei Brit und Axel zur exquisiten Fischsuppe eingeladen, die auch mir sehr gut schmeckt. Danach ist bei uns der Ofen dann aber schnell aus. Levada-Wanderungen schaffen einen ganz gut.


Samstag, 29.09.2007 (133. Tag)

Für heute ist ein Ausflug an die nordwestlichste Ecke der Insel geplant. Da Axel und Brit dasselbe vor haben, lassen wir unseren Hyundai stehen und setzen uns in ihren Matiz. Im Nordwesten soll es natürliche Lavabecken geben, die bei Flut gefüllt werden und in denen man baden kann.
Wir nehmen die Autobahn nach Funchal und von dort die Schnellstraße mitten durch die Insel zur Nordseite. Das Wetter im Süden ist regnerisch, aber das heißt hier wie gesagt nichts. Auf der Nordseite empfängt uns strahlender Sonnenschein, aber auch ein kräftiger Wind. Knapp drei Stunden brauchen wir, um die 80 km Luftlinie durch Tunnels und über wilde Küstenstraßen zu überwinden. Dann stehen wir endlich vor den "natürlichen" Lavabecken und vor einer riesigen Enttäuschung. Die Ecke ist DER touristische Anlaufpunkt. Ein Reisebus nach dem anderen fährt vor, kotzt seine Insassen aus, die die obligatorische Runde drehen bis alles abgelichtet ist und sich dann in eines der vielen Restaurants verziehen.
Mit unserer Schwimmlaune ist es nicht mehr weit. Der Natur hat man einiges nachgeholfen und hier und da Staumauern betoniert. In den Ecken treibt Müll und das Becken wo wirklich Leute drin schwimmen sieht eigentlich mehr aus wie ein betonierter Swimmingpool. Wie herrlich blau bis türkisfarben leuchtet dagegen das offene Meer, aber aufgrund des Schwells ist der einzige Zugang ins Wasser gesperrt.
Wir haben Hunger und wählen das Restaurant mit dem tollsten Ausblick. Es entpuppt sich als Kantine für den Massentourismus und da die Bustouristen alle gehobenen Alters sind, fällt von Axels Seite ein Kommentar in Richtung Altersheim. Getoppt wird dies dann durch das Wägelchen auf dem das Essen angekarrt wird, worauf der Satz "Essen auf Rädern" fällt.

Man ißt hier Schwitzel. Nein danke...


Wir fliehen über die Küstenstraße entlang der Südseite. Wenn sie denn mal nicht in den Wolken liegt, bietet sie tolle Ausblicke, aber man kommt halt nicht voran. So ist es Nachmittag, als wir Funchal erreichen um eine Madeira-Probe zu machen. Damit ist allerdings die nächste Pleite angesagt: Es ist Samstag, also gibt es Madeiraproben nur von 9:00 bis 13:00 Uhr. Ganz schön hart, für ein Getränk mit knapp 20% Alkohol, oder?
Es ist nichts zu machen. Alle Panschereien sind geschlossen. Frustriert steigen wir wieder ins Auto und fahren Richtung Heimat. Im Supermarkt von Machico kaufen wir ein und stehen plötzlich vor dem Weinregal. Da kommt uns die Idee: Warum machen wir nicht gleich eine eigene Probe? Nach unseren Erfahrungen in Porto sind die offiziellen Proben sowieso mehr Verkaufsveranstaltungen. Da sparen wir uns doch das Gelaber und konzentrieren uns auf den Geschmack!
Mit drei Flaschen im Gepäck kommen wir am Hafen an und weil mehr Leute mehr Spaß bedeuten, gehen wir bei allen neuen Bekannten vorbei und laden sie zur Probe auf die Hello World ein. Vorher treffen wir uns noch mit Brit und Axel zum Salat-Slam (unserer gegen ihren), den wir aber haushoch verlieren. Gegen Axels Portwein-Orangensaft-Sauce kommen wir einfach nicht an.
Danach finden sich nach und nach 12 Segler auf der Hello World ein. Schweden, Dänen, Belgier und Deutsche. Jeder hat sein eigenes Glas und noch etwas zum Knabbern mitgebracht, so daß es selbst auf dem Tisch einer 53 ft Yacht voll wird. Die Herstellung des Madeiraweins hat Brit von Wikipedia heruntergeladen. Sie ähnelt der Methode vom Portwein, allerdings werden die Fässer beim Reifen warm gelagert und bewegt. Vom Geschmack her ist Madeira allerdings einiges herber und wir ziehen Port vor.


Sonntag, 30.09.2007 (134. Tag)

Steffi will zur Messe und danach wollen wir den anspruchsvollen Höhenwanderweg laufen, also stellen wir uns zur Abwechslung den Wecker und machen uns früh auf die Socken. Der Akku des Wagens macht uns dann aber einen Strich durch die Rechnung. Wir sind uns keiner Schuld bewusst, haben kein Licht angelassen, aber der Starter macht nicht den leisesten Mucks. Auch das Überbrücken zu einem anderen Wagen bringt nichts, aber wir haben Glück: Ein anderer Segler gibt gerade seinen Wagen zurück und der Vermieter reicht ihn direkt an uns weiter.
So muß die Messe warten, aber dem Höhenweg entlang des höchsten Berges von Madeira stürmen wir entgegen. Die Straßen werden immer kleiner und winden sich in wilden Schlangenlinien den Berg hinauf. Nach dem Urwald wird die Vegetation immer karger, bis es aussieht wie auf einer Alm und wir ein kleines Picknick einlegen. Danach geht es weiter bergauf, bis wir über der Baumgrenze und in den Wolken sind. Am Parkplatz auf 1800 m Höhe haben wir nur noch knappe 30 m Sicht, es ist feucht und ein starker, kalter Wind pfeift um die Ecken. Aber egal, wir wollen heute wandern, schnallen uns also die Stiefel um und ziehen die Regenjacken über.
Der Weg führt durch eine wilde Landschaft. Schade, dass man so wenig sieht, aber das bisschen was sich uns erschließt sieht nach schroffem Vulkangestein in wildesten Formen aus. Der Weg paßt da so gar nicht hin, er ist schön gepflastert und von Handläufen gesäumt. Davon darf man sich allerdings nicht täuschen lassen, die Stufen sind teilweise kniehoch und unglaublich anstrengend zu gehen.
Wir stapfen vor uns hin und gucken in vernebelte Abgründe. Es geht erstmal bergab und so kommen wir leider in den Bereich, in dem sich die Wolken erleichtern, bevor sie der Wind über den Paß jagt. Aus hoher Luftfeuchtigkeit wird Nieselregen und aus Nieselregen wird ein handfestes Pladdern. Nach einer Stunde reicht es uns und drehen wir um. Insgesamt sehen wir vier andere Wanderer, aber die sind wohl alle härter als wir.
Thomas war vor zwei Monaten hier und hat uns ein Foto gemailt. So kommt Ihr also wenigstens noch in den Genuß eines guten Ausblicks.

So sah es bei uns aus...



...und so hätte es aussehen können.


Zurück am Auto ist unser Wanderhunger noch nicht gestillt. Hier muß es doch auch noch andere, trockene Pfade geben? Wir fahren die Straße wieder hinab und entdecken etwa 200 m tiefer einen Parkplatz. Davor ein grasbewachsenes Tal, vor allem aber keine Wolken! Wir stellen die Karre ab und begegnen Vera und Ingo, einem deutschen Pärchen, dass wir schon vorgestern am Levada trafen. Auch sie sind auf dem Rückzug und wittern hier ihre Chance, also ziehen wir gemeinsam los.
Nachdem wir einem Feldweg ins Tal gefolgt sind, stolpern wir fast über eine unscheinbare Levada und entscheiden uns, ihr zu folgen. Sie ist klein, mehr wie eine Regenrinne, aber langsam wird sie größer, denn von den Seiten treffen immer wieder neue Rinnsale hinzu. Das wäre früher für mich das perfekte Spielparadies gewesen. Sieht fast aus wie eine Murmelbahn.

Levadas aus allen Richtungen fließen hier zusammen.


Immer weiter folgen wir der Levada bergab, bis irgendwann das Meer vor uns auftaucht und schließlich sogar Funchal zu unseren Füßen liegt. Ein grandioser Ausblick, den wir bei Brot und Käse genießen. Da kann uns der Pico in seinen Wolken wirklich gestohlen bleiben!
Der Rückweg ist dann ziemlich beschwerlich. Es geht steil bergauf und wir schnaufen ordentlich, als wir oben ankommen. Aber langweilig wird es nicht. Es gibt interessante Blümchen im kargen Gras und der halbe Berg scheint unter unseren Füßen wegzuspringen, soviele Heuschrecken gibt es hier. Sie sind schwaz-weiß gestreift und Vera vermutet, dass es Zikaden sein könnten. Keine Ahnung, ob dem so ist, aber es sind dicke Brocken dabei, manche sind gut 5 cm lang.

Dicke Brummer machen sich unter unseren Füßen davon.


Zurück am Auto lassen wir uns fast ohne einmal Gas zu geben den Berg hinabrollen, bis nach Funchal. Wir kommen gerade an der Kirche an, da beginnt eine Messe und Steffi stürzt sich ins Getümmel. Sonntags zur Kirche geht im katholischen Portugal natürlich jeder. Ich setze mich am WiFi-Spot in ein Café, schreibe Emails und ziehe die neusten Wetterdaten. In drei Tagen kommen Bine (Steffis Schwester) und Christian (ihr Mann) auf La Gomera an und wir müssen uns langsam mal nach einem Wetterfenster für die Überfahrt umschauen.
Die Daten sehen gut aus. Zumindest für die kommenden zwei Tage könnten wir mit westlichen Winden um 3 Bft rechnen. Danach zieht ein kleines Tief durch und der Wind schläft ein, bzw. dreht später sogar auf Süd. Danach kommt dann eine Flautenphase, also wenn wir hier nicht noch eine ganze Woche festliegen wollen, müssen wir los.
Als Steffi aus der Messe kommt, freut sie sich natürlich darüber, dass wir voraussichtlich morgen aufbrechen und pünktlich mit Bine und Christian auf Gomera ankommen. Essen haben wir genug und Wasser kaufen wir hier ein. Wir haben sowieso mal wieder Lust auf Kino (in Portugal im Originalton) und fahren zum Madeira Shopping Center, wo es eins gibt. Dabei entdecken wir einen Pingo Doce (Supermarkt), allerdings keinen Parkplatz. Die Gasse dahinter biegen wir ein und sind uns schlagartig nicht mehr sicher, ob wir da wirklich rein wollen. Es geht mit 25% Steigung bergauf und oben treffen wir auf einen Weg, der zwar parallel zum Hang und eben verläuft, aber so schmal ist, dass wir die Seitenspiegel einklappen, um an den Autos entlang zu kommen, die auf einer Seite parken. Und das tollste: Es ist eine Sackgasse, wir dürfen also nachher alles wieder rückwärts zurück.
Gemeinsam bekommen wir das Ausparken ohne Schrammen hin und stellen die Karre erstmal auf einem vernünftigen Parkplatz ab. Hier im Westen Funchals sind wir mitten in der Touristik-Hochburg, die sich mit riesengroßen Hotelkomplexen ziert. Ein Glück, dass wir es erst heute am letzten Abend entdecken, sonst könnte unsere Meinung zu Madeira noch kippen.
Bei einem kleinen Italiener essen wir je eine Pizza, müssen uns aber die Hälfte einpacken lassen. Danach gehen wir in die Spätvorstellung von Stardust, einem sarkastischen Märchen für Erwachsene und geben uns hemmungslosem Konsum her, inklusiv Cola und Poppcorn. Tut von Zeit zu Zeit so richtig gut und ab morgen sind wir ja wieder einsam auf See.