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Von Gran Canaria nach Sao Vicente


Freitag, 23.11.2007 (187. Tag)

Heute ist der große Tag. Auf der Liste unserer längsten Etappen steht mal wieder ein neuer Punkt an: Die Überfahrt von den Kanaren zu den Kapverden. Und das ist mit 760 nm nicht nur unsere bisher längste Etappe, sondern auch der erste Schritt ins richtige Abenteuer. Hatten wir uns bisher im "zivilisierten" Europa aufgehalten, verlassen wir jetzt wirklich den alten Kontinent und betreten für uns absolutes Neuland: Afrika.
Aber eins nach dem anderen. Bis zur Ankunft werden noch ein paar Tage vergehen, jetzt steht erstmal die Abfahrt vor der Tür. Nach dem Frühstück räumen wir unsere heimelige Bugkoje und stopfen sie mit allem voll, was bisher noch die Salonkojen blockierte. Alle Segel und die leichten Nahrungsmittel wie Knäckebrot und Chipstüten wandern in den Bug, ach ja und die Laufschuhe haben jetzt auch erstmal ausgesorgt, wir packen sie vorne neben den Kettenkasten.
Für die Überfahrt ziehen wir zum Schlafen in den Salon um. Im Gegensatz zu den bisherigen langen Etappen bekommt jeder seine eigene Koje, in der man es sich auch bei Krängung, dank Svens Kojensegeln, gemütlich machen kann. Die 42 l Milch stehen links vom Mast und so bleibt rechts noch ein schmaler Durchgang zum einzigen Ort, den wir unterwegs vorne aufsuchen: dem Klo.
Am Club Maritimo de Varadeo gehen wir noch ein Mal schwimmen, ziehen danach die letzten Mails und das neuste Wetter aus dem Internet und dann steht dem finalen Schritt nichts mehr im Wege: Unter den Augen von Hans' Familie, dem segelnden schweizer Senner, lösen wir die Leinen vom Pantalon 8 und tuckern rüber zu Pedros Tankstelle. Der Tank bekommt seine letzte Füllung, die zwei Extrakanister von Dirk und Stine je auch nochmal 20 l Diesel. Damit hat Apelia ihr endgültiges "Abfluggewicht" erreicht und man sieht es ihr auch an: Die Idee das Antifouling noch im letzten Moment 10 cm höher zu ziehen zahlt sich aus, das war kein Zentimeter zuviel.
Zum letzten Abschied fahren wir noch bei Judith und Sönke und bei Boris vorbei, die erst übermorgen mit der ARC starten werden. Wir haben uns feste vorgenommen, sie auf der anderen Atlantikseite wiederzusehen, aber davor steht jedem eine spannende Überfahrt an und zwangsläufig haben wir beide einen Klos im Hals. Wir hoffen, Euch und Eure Boote wohlbehalten wiederzusehen!
Um kurz vor 12:00 verlassen wir den Hafen und haben einen frischen NO. Unter der HA Fock und dem ersten Reff machen wir somit etwa 6 kn Fahrt, was wir allerdings nur vom GPS ablesen können. In der Logge hat es sich ein Strudelwurm bequem gemacht. Die Sonne scheint und es wird endlich mal wieder warm, nachdem es gestern in Strömen regnete und mit um die 20 Grad C richtig "kalt" war. Das hat uns übrigens daran erinnert, wie es Euch momentan zu Hause ergehen muß. :o)
Entspannt tingeln wir die Küste von Gran Canaria entlang und kommen damit immer mehr in die Düse. Der Wind nimmt stetig bis auf 6 Bft zu, aber so von achtern lacht da das Herz und wir kommen herrlich voran. Die Wellen sind moderat und so kann auch ich mich entspannen und die Bilderbuchsegelei genießen.
Von Mieke und Luc bekommen wir eine SMS, dass sie auch abgelegt haben und nehmen Funkkontakt auf. Wir wollen versuchen, die Überfahrt gemeinsam zu meistern, zumindest wollen wir in Funkreichweite bleiben. Einfach als psychologische Hilfe. Ihre Antenne scheint allerdings nicht mit unserem nagelneuen Wunderding mithalten zu können und obwohl wir nur knapp 15 nm auseinander sind, bricht der Funkkontakt irgendwann ab und läßt sich nicht wieder aufnehmen. Soweit also zu unseren hochtrabenden Plänen...
Als Gran Canarias Südspitze querab liegt und die Sonne feuerrot untergeht besuchen uns etwa acht Grindwale. Großes Interesse zeigen sie nicht, passieren uns jedoch in knapp 20 m Abstand und einer macht sogar einen angedeuteten Sprung, bei dem sein gesamter Vorderkörper aus dem Wasser kommt und wir seinen komisch geformten Kopf sehen können.

Erster Sonnenuntergang der Passage.


Leider habe ich nicht auf Steffi gehört und wir sind hier im Süden zu nahe an die Insel gekommen. Damit sitzen wir im Lee fest und fangen im Seegang heftig an zu rollen. Hier merkt man eindeutig das Mehrgewicht, mit dem Apelia zu kämpfen hat. Sie liegt einfach viel träger im Wasser und von ihrer üblichen Agilität ist nichts zu spüren. Die Segel schlagen und mit diesen ätzenden Bedingungen sinkt auch meine seelische Verfassung und muss ich irgendwann ein Pillchen einwerfen.
Zum Glück zeigt sich die Wirkung bis zu meiner Wache und so bin ich halbwegs fitt um das Groß alleine zu bergen, was im Seegang hoffnungslos schlägt. Jetzt dümpeln wir nur noch unter der ausgebaumten Fock dahin und versuchen nach SO auszuweichen und aus dem Lee heraus zu kommen.
Mit dem Sonnenuntergang ist es richtig kalt geworden und so verbringen wir die Wachen in vollem Ölzeug. Das ist aber auch deshalb nötig, da von Zeit zu Zeit eine Schaumkrone der kurzen, steilen Wellen von achtern ins Cockpit schwappt. Alles ist naß und macht bisher noch keinen großen Spaß. Wo sind blos die angekündigten NO 4?
In Gran Canaria gaben uns mehrere Leute den Tipp, die Wachen länger zu wählen. Wir sind jetzt bei 4 h und sehen die Vorteile sofort: Klar, der Wachhabende muß etwas mehr Ausdauer mitbringen, ABER der mit der Freiwache kann die Freizeit plötzlich richtig genießen und viel entspannter schlafen. Früher mußte man zusehen, dass man ins Bett kam um genug Schlaf zu bekommen, doch jetzt nehmen wir uns noch ein wenig Zeit für den anderen und verschwinden dann entspannt mit der Gewißheit in der Koje, dass wir noch massig Zeit haben um "Auszuschlafen".


Samstag, 24.11.2007 (188. Tag)

Um Mitternacht motoren wir eine gute Stunde, um endlich aus der vertrackten Flaute heraus zu kommen. Von einem Mal auf's andere ist der Wind dann wieder da und mit dem gerefften Gross und der HA-Fock segeln wir entspannt mit 5 kn auf unserem ursprünglichen Kurs von 220 Grad.
Der Vollmond trägt maßgeblich dazu bei, dass die Nachtwachen völlig entspannt sind. Es ist wirklich so gut wie taghell und wenn man in den Mond schaut, ist man fast geblendet. Von Zeit zu Zeit ist mir auch gar nicht mehr übel und so kann ich den kitschigsten Sonnenaufgang seit langem richtig genießen. Von Gran Canaria ist nichts mehr zu sehen und im Osten färbt sich der Himmel in den zartesten Pastelltönen, bis die Sonne endlich knallorange auftaucht und einen nach und nach wieder aus dem Ölzeug treibt.
Um 8:00 bergen wir das Groß und gehen zur Passatbesegelung über. Die HA-Fock ist dabei nach SB ausgebaumt und die kleinere H-Boot-Fock baumen wir frei fliegend nach BB aus. Die Schoten laufen durch die Blöcke der Barberhauler. Somit ist alles ganz sauber und scheuerfrei verlegt, ein wichtiger Punkt auf diesen langen Etappen.
Wie ein Schmetterling stehen die beiden Focks vor uns und ziehen uns mit knapp 6 kn dahin. Das ist kein Geschwindigkeitsrekord, aber dieses stetige dahinzuckeln ist einfach die entspannendste Art zu segeln und die Windfahne tut ihren Job unter dieser Besegelung einfach am besten. Kein seitliches Ausreißen vor der Welle, wie es unter dem Groß schonmal vorkommt und ein weiterer Vorteil offenbart sich später: Man ist mit dieser Besegelung relativ unabhängig von der Windstärke. Man könnte auch sagen man ist stark untertakelt, aber es zeigt sich in den kommenden Tagen als wahrer Luxus, dass man nicht bei jeder Änderung der Windstärke zum Segelmanöver raus muß, sondern sich einfach entspannt zurücklegen kann.

Die Passatbesegelung verwandelt Apelia in einen Schmetterling.


Nervig sind allerdings die Wellen. Keine Ahnung weshalb, aber sie sind steil wie eine frische Windsee und laufen uns regelmäßig von achtern ins Cockpit. Zum Glück haben wir das hohe Brückendeck, auf dem wir die meiste Zeit verbringen. Es ist draußen der letzte trockene Ort. Die Wellen bringen uns von Zeit zu Zeit auch mächtig ins Rollen, so dass sich innen alles mit einem lauten Ruck neu sortiert. Zwischen den Flaschen stecken jetzt überall Socken und Handtücher, damit es unter Deck ruhig ist.

Dicke Pötte lassen uns wachsam sein. Den hier haben wir allerdings erst bemerkt, nachdem er uns passiert hatte.


Vormittags wird mir schwummerig, also schmeiße ich eine neue Pille ein, die mich wieder einfängt. Ich bekomme sogar richtigen Heißhunger und vor Steffis gestrigem Glasnudelgemüse gibt es kein Halten mehr. Sie fand es völlig versalzen (müssen beim Kochen in diesen Breiten weniger Seewasser nehmen), aber mir kommen die Mineralien gerade recht. Es kann mir fast nicht salzig genug sein. Den Rest des Tages hänge ich dann aber trotzdem viel in meiner Koje oder auf Wache dösend im Cockpit, während Steffi in ihren Wachen den gesamten Haushalt schmeißt, mich immer wieder kulinarisch überrascht und sogar zum Geigen kommt. Da es noch genug am Boot zu tun gab hatte ich keinen Finger für die Proviantierung gerührt und staune jetzt über Steffis perfekte Organisation des ganzen. Nach einem festen Plan verkocht sie die Gemüse nach ihrer Fälligkeit und bis auf eine Zitrone wird uns nichts schlecht.


Sonntag, 25.11.2007 (189. Tag)

Heute Nacht haben wir es nochmal gewagt, unsere Wachzeiten weiter auszudehnen. Wir sind jetzt bei 6 h gelandet. Steffi macht die Hundewache von 0:00 bis 6:00, dann übernehme ich im Dunkeln, genieße/verdöse den Sonnenaufgang und wache bis 12:00, wonach Steffi in unserer gemeinsamen Wachphase bis 18:00 abends aufpaßt und ich bis Mitternacht wieder den Sonnenuntergang sehe. Es mag sehr anstrengend klingen, aber nach dieser Überfahrt sind wir von dem Rhythmus begeistert. Es ist wirklich für uns das beste System. Die Freiwachen werden völlig entspannt und wir sind ausgeruht wie schon lange nicht mehr. Steffis Tagwache sind wir damit beide so gut wie durchgehend wach und da wir uns in Las Palmas eine Eieruhr gekauft haben, die wir uns alle 15 min stellen, haben die langen Nachtwachen auch ihren Schrecken verloren. Wir dösen meistens vor uns hin und wenn die Eieruhr geht, werfen wir einen Blick in die Runde. Mehr ist unter diesen Bedingungen einfach nicht zu tun und der mit Hörbüchern vollgestopfte mp3-Player hilft uns über so manche Stunde.

Am dritten Tag fällt mir das Frühstücken noch schwer.


Der Himmel ist heute fast wolkenlos und wir merken, wie die Sonne brennt. Der Wind (inzwischen NO 3) ist allerdings ziemlich kühl und so bleiben die Temperaturen sehr angenehm. Auch die Wellen haben sich entspannt und seit dem Sonnenaufgang ist das Cockpit trocken und zu 100% nutzbar. Wir daddeln heute allerdings auch nur mit 4 kn vor uns hin. Das gibt kein berühmtes Etmal (=Strecke/24 h), aber das ruhig liegende Boot und diese Bilderbuchbedingungen tragen dazu bei, dass es uns so richtig gut geht. Selbst meine Seekrankheit scheint sich gegen Mittag verabschiedet zu haben.
Mittags passieren wir an Backbord die Grenze von Marokko zu Mauretanien. Wir haben keine Ahnung, wie es dort um die politische Lage steht, drehen allerdings ein wenig an der Windfahne, um doch etwas näher an die Großkreisroute zu den Kapverden zu kommen. Nicht dass hier irgend ein Grenzschutzboot meint, sich aufspielen zu müssen und die Hoheitsgewässer auf 80 nm ausdehnt.
Flüchtlingsboote bekommen wir zum Glück nicht zu Gesicht und mir wird mal wieder bewußt, was für eine unglaubliche Anstrengung diese Leute auf sich nehmen, wenn sie vom Senegal aus die gesamte Strecke zu den Kanaren motoren. Alles gegen den NO-Passat und diese Welle an. Furchtbar.
Wohl passieren uns mehrere Handelsschiffe. Richtig große Brocken und zum Test funken wir einen Bulker an. Der antwortende Inder ist allerdings sowas von desinteressiert, dass das Gespräch wieder ziemlich schnell versiegt. Klar und deutlich gehört hat er uns aber.
Abends probiere ich es nochmal und bekomme Kontakt zur Stellar Grace, einem Schwertransporter mit drei dicken Kränen an Deck. Ihr Rumpf ist komplett hinter der Kimm verschwunden, aber trotzdem kommen wir kristallklar durch. Wir haben also endlich die richtige Antenne! Der Funker ist sehr zuvorkommend, fragt uns ob wir Probleme hätten und will sich in einer guten halben Stunde nochmal melden, wenn er das Wetterfax reinbekommen hat. Dann sind sie ihrem Ziel Argentinien allerdings soweit näher gekommen, dass sie hinter der Kimm verschwunden sind und wir sie nicht mehr erreichen.


Montag, 26.11.2007 (190. Tag)

Der Tag beginnt so sonnig und warm wie gestern, aber mittags ziehen von achtern Schauer auf und mit dem auffrischenden Wind wird es plötzlich richtig kalt. Dafür zeigt der GPS wieder über 5 kn an und da ich inzwischen fast völlig seefest bin, freuen wir uns über die Abwechslung und ziehen uns in die Kajüte zurück.
Mit dem Wachrhythmus kommen wir bestens klar. Tagsüber ist allerdings von außen kaum ersichtlich, wer gerade Wache geht. Steuern tut ja die Windfahne, der Wachgänger hat also Zeit das zu tun, wozu er Lust hat. Nur wenn die Eieruhr ihn daran erinnert wirft er mal einen Blick in die Runde, wonach es aber wieder nichts mehr zu tun gibt. So bleibt also reichlich Zeit zum Entspannen und wir probieren uns beide an Ottos Liederstern. Das bedeutet in der Praxis, dass Steffi die Lieder auf der Geige spielt und ich meistens an den unbekannten Griffen verzweifle. Aber zur Not ziehe ich mich dann wieder auf unser gutes altes Folk-Buch von Katharina zurück. Das klappt wenigstens.
Das Wasser sieht heute ganz anders aus als sonst. Es ist sehr dunkel und hat einen grünen Schimmer. Mir ist nicht bekannt, dass hier ein großer Fluß aus Afrika mündet, also keine Ahnung woher die Farbe kommt. Auch Seevögel sehen wir inzwischen kaum noch. Nur winzige, schwarze Madeira-Sturmvögel kommen ab und zu vorbei geflattert. Aufgrund ihrer geringen Größe wirkt es fast noch surrealer, sie hier soweit ab vom Land zu sehen.
Ich kann inzwischen unter Deck lesen (auch wenn ich lieber die Deutsche Welle höre) und bin fast völlig fit. Zeit um mal wieder ein Angelexperiment zu starten. Der Vorsitzende des Clubs an dessen Steg wir in Las Palmas lagen sagte, wir sollten nach zwei Tagen anfangen zu angeln, dann würden wir auch etwas fangen. Die Gewässer um die Kanaren seien zur Zeit wirklich nicht sehr fischreich.
Nachdem wir es uns gerade unter Deck gemütlich gemacht haben sehe ich, dass der Dämpfungsgummi stramm steht und 30 m hinter uns spritzt es von Zeit zu Zeit auf. Es muß ein ganz archaischer Jagdreflex sein, aber von einer Sekunde auf die andere bin ich wie elektrisiert, stülpe mir die Gartenhandschuhe über und fange an, die Leine einzuholen. Der Zug ist ordentlich, aber nicht extrem. Ich hole sie also freihändig ein, bis ein etwa 50 cm langer Thun (vermutlich ein Skip Jack) von einer Welle auf die Badeplattform gespült wird. Vielleicht hängt er schon länger am Haken, er ist auf jeden Fall nicht besonders kämpferisch und als ich im noch einen Schuss Ethanol in den Rachen spritze, ist er nach einem kurzen Zucken sehr gut zu handeln. Trotzdem kostet es mich einiges an Überwindung, dieses herrliche Tier danach um die Ecke zu bringen. Es ist keine kleine Makrele, die man mal eben so köpft. Das hier sind 5 kg geballtes und strammes Leben. Es ist ein richtiges Abstechen und ich werde mich wohl nie an dieses Gefühl des entweichenden Lebens gewöhnen können, zumal das Todeszittern die ganze Apelia vibrieren läßt. Dabei wandelt sich seine Farbe und sein Rücken schillert zwischenzeitlich in einem völlig künstlichen Blau.

Unser erster "dicker" Fisch.


Nachdem dies geschehen ist, gestaltet sich der Rest als völlig problemlos. Das Fleisch ist dunkelrot und fest wie Rindfleisch. Ich schneide alle Fillets heraus die es gibt, während Steffi den Knoblauch schnibbelt und in der Pfanne ein wenig Olivenöl und Butter anheizt. 15 min nachdem unser erster Thun gebissen hat, brutzelt ein Berg von Fillets in der Pfanne. Frischer geht's einfach nicht und der Geschmack... In Erinnerung daran kann ich nur noch ins Schwärmen geraten. Abgeschmeckt mit Knoblauch und etwas Salz ist es das beste an Fisch, was wir je gegessen haben. Bitte mehr davon!

Lecker, lecker, lecker...



Dienstag, 27.11.2007 (191. Tag)

Der Wind und damit auch die Wellen haben nachts zugenommen, wodurch Apelia wieder stärker rollt und ich schlecht geschlafen habe. Steffi verkeilt sich immer in "Embryonalstellung" zwischen der Außenwand und dem Kojensegel, aber da ich lieber ausgestreckt schlafe, probiere ich mich mit den Kissen wie eine Uhr in einer Schatulle abzustützen. Erst dann kann ich mich völlig entspannen und gut schlafen. Meist muss ich allerdings auf dem Bauch liegen, was ich sonst nie tue.
Steffi beginnt (aus Langeweile?) unsere Töpfe zu polieren. Durch den Petroleumkocher waren sie von außen fast schwarz und glänzen jetzt wieder. Ich hänge dagegen schlapp herum, aber als es mittags Schwarzbrot mit Avocado und Thunfisch gibt, kehren meine Lebenskräfte wieder zurück. Was für ein unglaublicher Genuß!
Der Wind hat mittags auf 6 Bft zugenommen und weiter nach Ost gedreht. Wollten wir direkt in die Karibik segeln wäre das perfekt zum Abbiegen nach Westen, aber wir wollen ja weiter nach Süd, wechseln schweren Herzens die Passatbesegelung gegen die HA-Fock und das zweifach gereffte Groß. Jetzt geht es zwar mit knapp 7 kn voran, aber es wird auch naß draußen und die Bewegungen sind wieder wilder.
In meiner Nachtwache sehe ich im Osten einen Lichtschein hinter dem Horizont nach Süd wandern. Das kann eigentlich nur ein Kreuzfahrer sein, aber welche Kreuzfahrten verlaufen entlang Afrikas Westküste?


Mittwoch, 28.11.2007 (192. Tag)

In der Nacht hat der Wind wieder auf NO gedreht und so können wir vormittags wieder die Passatbesegelung aufziehen. Die 6 Bft bescheren uns dabei 7,5 kn auf der Logge. Herrliche Geschwindigkeit, aber auch die Wellen sind heute viel rauher und so wird's in der Plicht wieder sehr feucht. Die Sonne brennt allerdings so stark, dass diese feuchten Abwechslungen fast willkommen sind. Die tägliche Wäsche fällt damit sowieso viel einfacher aus, für frische Spülung ist ja gesorgt.
Rechts und links von uns entdecken wir mehr und mehr fliegende Fische. Sie steigen vor uns aus dem Wasser auf und fliegen nach rechts und links den Wellen entlang. Ihre Fähigkeiten scheinen dabei sehr unterschiedlich zu sein. Manche klatschen schon nach wenigern Metern zurück ins Wasser, aber manche schaffen es auch zu gut 50 m langen Gleitflügen, bei denen sie scheinbar entlang der Wellen hangsegeln. Grandios!
Nachmittags werden die Wellen ruhiger, obwohl der Wind gleich bleibt. Damit wird es draußen richtig angenehm und wir musizieren gemeinsam. "Guten Abend gut' Nacht" klappt dabei auf Anhieb, "Lilly Marleen" kostet mich aber noch viel Konzentration.
In der Abenddämmerung entdecke ich an SB am Horizont eine Yacht. Wir rufen die Luiza, aber niemand antwortet. Als wir die "unknown Yacht" rufen, meldet sich ein Engländer und wir quatschen eine Runde. Ich bin zwar kein Einhandsegler, aber es ist trotzdem ein tolles Gefühl, in dieser Einsamkeit einen fremden Menschen zu sprechen. Die "Silicon Dream" ist einen Tag vor uns in Lanzarote gestartet und hat drei Mann Besatzung. Sie wollen auch nach Sal, bin mal gespannt, sie dort zu treffen. Im Moment hängen wir sie aber nach und nach ab und gegen Mitternacht ist ihr Topplicht achteraus verschwunden.
Zum Sonnenuntergang höre ich "You and your friend" von den Dire Straits. So richtig laut über die Außenlautsprecher kommt das verdammt gut. Hatte Ulf mir für die Karibik bei einem Rumpunsch empfohlen, aber ich hab's vorgezogen. Danach sitze ich entspannt in der Plicht, da werde ich völlig überraschend aus der Luft attackiert. Ein Horde fliegender Fische ist scheinbar vom Kurs abgekommen und knallt mit voller Wucht ins Cockpit. Ich dachte das gäb's nur in Erzählungen, aber einer erwischt mich voll am Kopf, da war das heutige Antischuppenshampoo wohl völlig für die Katz'.

Auch wenn's nicht so aussieht, wir fühlen uns wohl.


Überall klatscht es und ich krieche Steffis Schein aus der Taschenlampe folgend umher und werfe die Fische wieder über Bord. Mit ihrer blauen Farbe und ihren riesigen, abgespreizten Brustflossen sehen sie aus wie Fabelwesen. Ich hätte gerne einen fotografiert, aber sie scheinen nicht besonders ausdauernd zu sein, so dass die Zeit drängt, sie wieder ins Naß zu befördern.
Während meiner Nachtwache kommt mir plötzlich in den Sinn, auf wie kleinem Raum wir hier jetzt schon seit sechs Tagen leben. Und das ohne irgend eine Art von Koller zu bekommen. Es ist wirklich erstaunlich, aber unter Deck steht uns eigentlich nur der etwa 2 m lange Mittelgang zur Verfügung. Dann hat jeder seine Koje, davor ist um's Klo herum ein wenig Platz und das war's dann schon. Seit sechs Tagen leben wir also auf etwa 5 Quadratmetern überdachter Fläche, die im Schnitt vielleicht 1,3 m Höhe bieten. Da ist Peters Ausdruck von der Hundehütte durchaus zutreffend, Schweinestall wäre vielleicht noch besser, wir fühlen uns nämlich sauwohl!


Donnerstag, 29.11.2007 (193. Tag)

In Steffis Nachtwache unterhalte ich sie jetzt schon zum zweiten Mal mit einer heftigen Schlafwandel-Aktion. Ich selbst bekomme davon natürlich nicht viel mit, aber angeblich komme ich an den Niedergang gestürmt und motze sie an, warum wir denn jetzt schon unterwegs sind, wobei wir doch dem Katamaran noch Proviant mitgeben sollten. Beim Reden komme ich langsam wieder zu mir und verkrieche mich murrend in die Koje. Keine Ahnung was mich hier so beschäftigt, aber es ist lange her, dass ich dermaßen nachtaktiv war. Damit mir das beim Dösen auf der eigenen Wache nicht passiert, hänge ich mit der Lifeline auf Kurzstag. Der Aktionsradius sollte auf's Deck begrenzt sein. :o)

Das Morgengrauen beim Wachwechsel.


Im Morgengrauen finde ich noch 5 winzige fliegende Fischchen im Gangbord. Sie sind weniger als 5 cm lang, sehen ansonsten aber aus wie die großen (40 cm). Die Sonne hat sie alle schon völlig ausgetrocknet und sie zerfallen einem zwischen den Fingern fast zu Staub. Schade um diese herrlichen Tiere. Etwas melancholisch höre ich mir alle Elvis-Schnulzen hintereinander an, ein Mann muss auch mal weinen können.
In Steffis Wache spülen wir zum ersten Mal gemeinsam, das beste Anzeichen dafür, dass ich gesundheitlich 100% in Ordnung bin. Danach spielen wir gemeinsam mehrere Stücke aus dem Folkbuch und um mal reinzuhören, wie sich das im Original gehört, legen wir auch mal in die zugehörige CD ein. Was wir da zu hören bekommen ist allerdings alles andere, als das, was wir bisher spielten. Vom Tempo mal ganz abgesehen, ein 6/8-Takt läßt sich da einfach nicht raushören und die Anschlagtechnik der Gitarre ist für mich noch völlig unerreichbar. Da heften wir die CD lieber wieder ab und spielen unseren klassisch angehauchten Folk im Walzertakt. Klingt auch okay und hört ja sonst eh keiner.
Nachmittags lese ich weiter in unserem Buch zur Astronavigation. Es ist alles logisch und so langsam müßte ich mal anfangen einen Sonnenwinkel zu messen. Der Sextant ist allerdings ganz hinten in der Hundekoje verstaut und da jetzt eine große Kramaktion starten, dazu fehlt mir momentan noch die Lust. Wie unglaublich angenehm ist doch der GPS, den wir alle drei Stunden mal einschalten um unsere Position in die Karte einzutragen. Ansonsten fahren wir nach dem magnetischen Kompass, womit sich unsere Navigation dann auch schon erschöpft hat. Die einzigen anderen elektrischen Verbraucher sind dann noch nachts die Dreifarbenlaterne im Topp und ab und zu mal das Radio oder der Weltempfänger. Unser Akku bleibt damit durchgehend proppenvoll, ein gutes Gefühl.
Mit der Silicon Dream haben wir nochmal Funkkontakt, aber sie sind schon weit achteraus. Zur Ansteuerung von Palmeira auf Sal wissen sie auch nicht mehr als im Imray-Führer steht. So wie es jetzt aussieht, werden wir nach Mitternacht ankommen. Nicht ideal, da überall vor den Gewässern um die Kapverden gewarnt wird. Im Führer steht allerdings für Palmeira, dass eine Ansteuerung bei Nacht problemlos sei. Wie immer ganz unterschiedliche Aussagen, wir gucken einfach mal.

Steffis Freude,...


Tims Blues.


Nachmittags komme ich zu dem Schluss, dass ich die beste Frau wo gibt habe: Steffi schmiert mir nackig die leckersten Avocadobrote der Welt. Das ist echt ein Sauseleben! Die nahende Ankunft nimmt uns aber auch viel von der Ruhe, die wir die letzten Tage hatten. Wir gucken beide häufig in die Karte und tragen schonmal nach einer Stunde eine neue Position ein, die sich dann nur 2 mm neben der alten befindet. Die Aussicht auf das nahe Land und die Ruhe vor Anker läßt uns ganz hibbelig werden.
Zum Abendessen gibt es Bohnensalat und dazu als kultige Beilage Corned Beef. In jedem Seglerbuch hört man, dass dieses Zeug zum festen Porivant einer Yacht zu gehören scheint, also haben auch wir uns für jede Woche eine Dose gekauft. Es riecht nach Chappi, sieht aber ansonsten aus wie Hackfleisch, also probieren wir es zu Bouletten zu verarbeiten. Das Experiment mislingt. Das Zeug ist einfach nur fettig und geschmacklich absolut kein Hit. Kennt hier jemand geeignete Anwendungen? Wir haben noch fünf Dosen die verarbeitet werden wollen.
Im Dunkeln sehe ich den ersten der paar Berge, die Sal hat. Insgesamt ist die Insel sehr flach, mehr eine Sanddüne im Meer, aber ihre etwa 400 m hohen Hügel stehen frei und sind sehr markant. Nach und nach tauchen dann noch ein paar Lichter auf und hier und da fährt ein Auto durch's Dunkle. Lediglich der Flughaufen auf diesem Haufen Nichts ist hell beleuchtet. Ein völlig skuriler Anblick.


Freitag, 30.11.2007 (194. Tag)

Beim Anlaufen des Ankerplatzes ist der Mond aufgegangen und so erkennen wir problemlos die vier unbeleuchteten Mooringbojen vor dem Hafen. Dann werden auch plötzlich die ankernden Yachten sichtbar und um 3:00 Uhr fällt unser Anker auf 7 m Tiefe. Der Wind weht noch mit strammen 4 Bft, aber trotzdem ist diese plötzlich eintretende Stille ungewohnt. Kein Brausen der Wellen, kein Rauschen im Boot, man hört nur den Wind und hier und da ein Fall, das leise gegen einen Mast schlägt. An Land ist wenig Licht und kaum etwas zu sehen. Trotzdem starren wir gebannt in die Dunkelheit. Da drüben liegt Afrika und es ist das erste Mal, dass wir diesen Kontinent betreten. Viel schwerer wiegt allerdings, dass wir jetzt eine wirklich völlig andere Welt als die uns bekannte westliche "Zivilisation" betreten. Ein bisschen unheimlich, aber auch spannend.
Wir sind mal wieder high vom Anlandungsfieber und genießen eine Mango. Dabei schallt vom Ufer das ein oder andere Krähen der Hähne zu uns herüber und es fühlt sich so an, wie wenn man früh morgens von einer Party nach Hause kommt. Im Gegensatz zu den anderen Passagen fühlen wir uns völlig ausgeruht und auch am nächsten Morgen und den folgenden Tagen sind wir fitt und munter. Das könnte natürlich am allgegenwärtigen Staub liegen, der hier schwer in der Luft hängt, aber ich vermute es liegt eher an den 6 h langen Wachen, die im Endeffekt viel weniger ermüdend scheinen, als unsere früheren Drei-Stunden-Schichten. Welch ein Glück, dass wir das ausprobiert haben.
Am nächsten Morgen überraschen uns Mieke und Luc von der Luiza mit einem Besuch. Sie sind gestern Abend um 20:00 angekommen. In Gran Canaria haben sie zuerst konsequent nach Osten gehalten und als sie schon unter NO 6 dahin zogen, lagen wir noch die halbe Nacht in der Flaute fest. Sie hatten die ganze Überfahrt sehr viel Wind und fuhren zum großen Teil nur unter zweifach gerefftem Gross. Wirklich überraschend, dass wir auf derselben Route, bei 7 h Abstand solch verschiedene Bedingungen hatten.

Mieke und Luc sind schon da.


In ihrem Dinghy (mit Motor!) nehmen sie uns mit an Land zum Einchecken und für einen ersten Rundblick. Wir sind völlig gespannt auf das was uns erwartet. Luc war in Senegal und meint, es sei total nervig, dauernd von allen angesprochen zu werden. Jeder hinge einem am Rockzipfel und wolle irgendwie Geld mit einem verdienen. Das ist so überhaupt nicht mein Ding und entsprechend gespannt nähern wir uns dem Ufer.
Am Anleger, einer rauhen Betonmauer, stehen viele Leute herum und mehrere Fischer sitzen auf der Pier und putzen ihren Fang. Die Dinghys der Yachten machen an einer Ecke fest und man merkt deutlich den Schwell: Das Wasser strudelt in einem fort hin und her und läßt die Beiboote tanzen. Ein rauhes Revier für Dinghys, die sich hier sowohl aneinander, als auch an der Steinmohle reiben.
Was mir an Land als erstes auffällt ist der Geruch: Ein Gemisch aus Küchen- und Fäkalgerüchen. Nicht total unangenehm, sondern einfach nur fremd und ungewohnt. Der Fäkalgeruch in Lissabon war bei weitem penetranter. Hier riecht es einfach nach Menschen, die mit wenig Wasser auskommen müssen.
Das unerwartetste ist allerdings, dass uns keiner anspricht. Wir fühlen uns regelrecht ignoriert. Die Kapverdianer sitzen entweder einfach nur herum oder gehen ihren Geschäften nach. Grinst man sie an, grinsen sie zurück, aber keiner spricht einen so penetrant an, wie Luc (der aus dem Staunen nicht mehr heraus kommt) es prophezeit hatte. Später erfahren wir, dass das die kapverdianische Art ist. Die Leute sind von der Menthalität viel näher an Europa als an Afrika und wenn man belästigt würde, seien es immer zugereiste Afrikaner. Dass man hier einen Bewachungslohn für's Dinghy zahlen müßte sei zumindest in Palmeira unüblich, vor allem aber unerwünscht von den Locals.

Das echte Problem von Sal: Der Müll..


Wir stehen etwas ratlos herum und bestaunen die Umgebung. Im Handbuch steht man müsse zum Einklarieren zum Flughafen, aber es ist schon ein paar Jahre alt. Also quatsche ich einen anderen Segler an, der mit uns anlandete. Es ist Jens, ein Däne und die Freundlichkeit in Person. Er nimmt sich die Zeit und führt uns einmal durch's Dorf, zeigt uns die Polizeistation wo man inzwischen einklariert, die Wasserstation, wo man auch für uns verträgliches Wasser bekommt, die wichtigsten Läden und das Internetcafe. Nebenbei bekommen wir noch eine kleine Einführung in die Geschichte, dass die Ureinwohner Nachfahren von Portugiesen und afrikanischen Sklaven und damit hellhäutig sind und dass die Steuer abhängig vom äußeren Zustand der Häuser festgelegt wird. Das ist dann auch der Grund, weshalb die Gebäude wie die schäbigsten Baracken aussehen. Betritt man sie, wie z.B. das Internetcafe, kommt man in einen ganz gewöhnlichen, sauberen Raum in dem vier moderne PCs stehen. Wir lernen schnell, das hier ist ein Land der extremen Gegensätze.
Zum Schluss bringt Jens uns noch zu Karl-Heinz und Elisabeth, einem seit 8 Jahren hier lebenden deutschen Paar. Ihn nennen alle nur Carlos. Er ist ein echtes Hamburger Original und vollkommen in die Dorfgemeinschaft integriert. Damit ist er unser Schlüssel zu allem und unsere Quelle für jegliche Information, die einem in einer fremden Umgebung fehlt. Dass er dabei noch ein Seele von Mensch ist macht alles noch schöner und wir genießen die Gespräche mit diesen beiden beeindruckenden Charakteren. Vor acht Jahren kamen sie mit einem Kutter, beladen mit Tischlereimaschinen nach Palmeira um ein Ausbildungszentrum aufzubauen. In einer Sturmnacht krachte ihr Kutter im Schwell auf den Felsboden, schlug leck und sank. Carlos begrüßte uns schon mit den Worten "das Wrack in Eurer Karte ist mein Schiff". Dass sie nach diesem Rückschlag weitermachten und jetzt der Anlaufpunkt für alle Probleme sind, die das Eindringen der westlichen "Kultur" in das Dorf hervorruft beeindruckt uns nachhaltig. Den Analphabeten helfen sie bei Behördengängen, setzen sich gegenüber den Politikern für die Fischer ein und garantieren als erste Hilfe Station eine medizinische Grundverorgung des Dorfs. Carlos und Elisabeth: Wir wünschen Euch noch viele schöne Jahre in Palmeira!
Bei der Polizei checken wir zum ersten Mal in unserem Leben in einem fremden Land ein. Geht alles völlig problemlos, da der Polizist zwar schüchtern aber wahnsinnig hilfsbereit ist. Da kommt nichts mit Beamtenmenthalität vor, wie man es aus den Horrorstories denkt. Vielmehr scheinen die Leute sich geehrt zu fühlen, dass man ihre Insel besucht. Insgesamt kostet das Einchecken einen Euro und nach fünf Minuten haben wir den Stempel in unseren Pässen und stehen wieder draußen.
Die zentrale "Stadt" von Sal ist Espargos und um ein wenig Bewegung zu bekommen, spazieren wir die 5 km zusammen mit Mieke und Luc an der Straße entlang. Die Gegend ist eine Wüste und ich staune über diese Einöde. Klar, der Krater auf Tenerife war eine trockene Wüste, auf Island habe ich auch schon karge Gegenden gesehen, aber das hier ist wirklich eine Einöde aus Staub und Vulkangestein über die der Passat pfeift und den Staub in wüsten Windhosen aufwirbelt. Zwangsläufig frage ich mich, wie die Leute früher an ihr Trinkwasser gekommen sind, als es noch keine Siemens-Entsalzungsanlage gab.

Durch die Einöde nach Espargos.


Ab und zu halten Taxen neben uns und fragen, ob sie uns mitnehmen können. Sobald wir die Köpfe schütteln grüßen die Fahrer freundlich und fahren weiter. Keine Spur von Bedrängen und nach und nach gewöhnen wir uns an die freundliche kapverdianische Art und entspannen uns. Steffi hatte zur Sicherheit noch ein Kopftuch getragen, aber auch ihre blonde Mähne bewirkt hier keine große Aufruhr. Wir fallen optisch zwar auf, aber ansonsten geht alles seinen gewohnten Gang. Es ist wie ein Tag auf Flensburgs Holm.
Das einzige was wirklich nervt ist der Müll. Schon als wir unseren Müll zum zentralen Sammelplatz brachten fiel es uns auf, dass eine Müllwirtschaft hier keinen interessiert. Die vier Container werden gefüllt und dann landet alles daneben. Auch sonst werfen die Leute ihren Abfall weg wo immer sie stehen und der Wind besorgt den Rest und trägt ihn in die hintersten Winkel. So kommen wir auch kurz vor Espargos durch ein paar wilde Müllhalden und ich bekomme ein schlechtes Gewissen: Mit unserer sogenannten "Zivilisation" tun wir den Entwicklungsländern wirklich einiges an. Den Konzernen geht es nur darum, neue Märkte zu erschließen. Das die Leute im Umgang mit Abfall völlig unerfahren sind und schließlich darin ertrinken interessiert kein Schwein.
Am Dorfplatz finden wir die Bank und tauschen unsere Euros in Escudos. Wieder dieser Harte Gegensatz: Draußen diese einfachen, etwas heruntergekommenen Verhältnisse und hier drinnen der absolut gleichwertige Standard einer Bank wie zu Hause. Die Mädels hinter dem Schalter müssen zur absoluten Upperclass gehören.
Der Wechselkurs ist 1:100 und uns Ausländern werden die Preise immer gleich in EUR genannt. In welcher Währung man bezahlt ist völlig egal und so tummeln sich in unseren Portemonaies bald beide Währungen wild durcheinander.
Nach einem Kaffee nehmen wir ein Taxi zurück nach Palmeira. Am Kai liegt das Dinghy brav zwischen den anderen und es herrscht Feierabendstimmung. Aus einem Pickup dröhnt laute Musik und die Leute trinken ausgelassen ihre Biere. Eine schokofarbene Schönheit schnappt sich einen Segler (zum Glück nicht mich) und tanzt eine Runde. Vielleicht ein Vorgeschmack auf die Karibik?
Zurück an Bord bekommen wir Besuch von Albertine von der Zeezot. Im Solent hatten wir ihre Ovni 39 fotografiert (und abgehängt!), ihr in Leixoes die Bilder gegeben, in Lissabon nochmal kurz "hallo" gesagt und jetzt ist endlich mal Zeit für einen längeren Klönschnack. Da sein Vater gestorben ist, ist ihr Mann für ein paar Tage nach Holland geflogen und sie passt jetzt hier auf das Boot auf. Nachdem sie drei Tage fest lagen, war ihr Anker plötzlich auf Wanderschaft gegangen, aber mit der Hilfe eines Nachbarn konnte sie sich verlegen. Kein Wunder, dass sie jetzt verunsichert ist und ab und zu rüber schielt. Auch wir werden unsicher. Der dauerhaft starke Wind und der Schwell der uns tanzen läßt verlangen dem Anker sicher so einiges ab. Man bemerkt es unter Deck kaum, aber wenn man draußen sieht, wie diese manchmal 1,5 m hohen (aber auch langen) Wellen durch's Ankerfeld gehen, kommt man ins Grübeln.
Als am Nachmittag ein einlaufender Frachter mit seinem Heck 5 m an unserer Bordwand langzieht reicht es uns und verlegen wir uns auf den leeren Platz neben der Zeezot. Unsere Kette scheint hier auf Stein zu liegen und wir hören ihr Rattern durch das ganze Boot hallen. Dafür liegen wir jetzt nicht mehr in der "Anflugschneise" des Kais und da der Anker zu halten scheint, entspannen wir uns mit der einbrechenden Dunkelheit.
Da wir morgens entdeckten, dass unser gesamter Bananenvorrat nahezu gleichzeitig reif wurde (Judith und Sönke, Ihr hattet also Recht) veranstalten wir abends eine Pfannkuchenschlacht und laden neben Mieke und Luc auch noch Albertine ein. Es wird also eng unter Deck, aber auch gemütlich und während der Passat im Rigg heult und es draußen kühl wird, verbringen wir einen gemütlichen Abend im heimeligen Boot.
Zum Abschied schenken wir jedem noch eine Avocado. Das Timing mit dem Reif werden unseres Obstes war fast perfekt. Nur die Bananen und Avocados neigen scheinbar zum gleichzeitigen Reifen. Das wir Luc damit in Probleme bringen, erfahren wir erst am nächsten Morgen...

Samstag, 01.12.2007 (195. Tag)

Nachdem wir uns an Deck sehen lassen kommt Luc mit dem Dinghy langmotort. Wir wollten gerade mal nach dem Anker sehen, da uns das Gerumpel der Kette nicht gut schlafen lies und stehen schon mit den Schnorchelsachen bereit, als er ankommt. So erfahren wir, dass er gestern Abend auch schon Schnorcheln war. Im Dunkeln! Die Avocado hatte er in der Hosentasche und durch das Sitzen im Dinghy war sie geplatzt. Als er dann die Überreste ins Wasser schmiß fiel ihm gerade zu spät ein, dass sein Schlüssel dazwischen war. Er hatte zwar in der Nacht noch danach gesucht, ihn aber nicht mehr gefunden.
Da wir sowieso gerade auf Tauchstation gehen wollten bieten wir ihm unsere Dienste an, gucken aber erstmal nach unserem Eisen. Ein guter Einfall, denn es liegt völlig offen auf einer Steinplatte. Das einzige was uns gehalten hat war ein Vorsprung, um den die Kette sich geschlungen hatte. Ach ja, und 4 m neben dem Anker verläuft die Pipeline, über die der Tanker sein Kerosin zum Flughafen pumpt. Es wird also Zeit, dass wir uns ein weiteres Mal verlegen.
Erst suchen wir aber noch um die Luiza den Grund ab. Das Tauchen ist dabei für mich ein völlig neues Erlebnis, denn zum ersten Mal benutze ich meine neue Tauchbrille mit geschliffenen Gläsern, die ich in Las Palmas gekauft hatte. Irre, was das ausmacht, aber trotzdem ist es Steffi, die den Schlüssel nach kurzer Suche findet und aus 5 m auftaucht.
Nachdem wir unseren Anker wie es sich gehört im Sand versenkt haben, schauen wir uns die Sache zur Sicherheit nochmal und und inspizieren danach auch nochmal Apelias Bäuchlein. Es sieht gut aus, nur an der Wasserlinie ist es am Bug leicht bewachsen. Rechts am Steven ist das Antifouling auf einem Quadratzentimeter abgeplatzt. Da haben wir wohl etwas getroffen, aber die Epoxiversiegelung sieht gut aus. In der Karibik werden wir Apelia mal stark vertrimmen und das neu überpinseln. Die Opferanode ist bald zur Hälfte aufgebraucht, wird es aber wahrscheinlich noch über den Atlantik schaffen. Dafür ist die Welle und der Propeller von einem Geäst weißer Adern überzogen. Behausungen von Strudelwürmern, wie Carlos uns aufklärt. Im Heckbereich finden wir außerdem eine "Plantage" junger Entenmuscheln. Hier in der Grenzschicht scheinen sie sich halten zu können, aber wenn sie größer werden, erodiert das Antifouling hoffentlich.
Mittags besuchen wir das Internetcafe und gucken sicherheitshalber nach dem Wetter. Das verspricht konstanten Passat, also östliche Winde um die 20 kn. Das ist reichlich, scheint aber normal zu sein und ist genau das, was wir nächste Woche für unsere Atlantikquerung brauchen. Eine Änderung ist nicht in Sicht, wir können uns also Zeit lassen.
Während Steffi bei einem Bier noch ein paar Mails beantwortet, gehe ich mit unserem 20 l Kanister zur Wasserstelle. Auf der Überfahrt haben wir etwa 15 l Brauchwasser genutzt, die ich aus dem Kanister auffüllte. Den Rest nutzen wir zum Waschen unserer Klamotten, die vom Salz ganz starr und weiß werden. Die zentrale Wasserstelle besteht aus einem Häuschen mit vier Wasserhähnen und es herrscht ein dauerndes Kommen und Gehen. Meistens von Kindern, die mit Hilfe von Schubkarren mal eben so 40 l holen. Ich komme mir als einziger Weißer mal wieder sehr exotisch vor, aber scheine nicht aufzufallen. Nur beim Zahlen (ein Minimumbetrag) verstehe ich die alte Frau nicht und lasse sie sich aus meinem Portemonaie bedienen. Ich glaube für die 20 l habe ich 16 Escudos, also 0,16 EUR gezahlt. Ein Witz.
Vor Armindas Kneipe treffen wir Carlos, Elisabeth und Heike, die uns gleich in ihre Runde holen. So begegnen wir auch Eric, dem Surflehrer aus Frankreich, der als Mannschaft auf der Je.Re.Ve. von Jean und Veronique (hatten einen Surfladen) mitsegelt, sich im Gegensatz zu den beiden aber lieber das Land anschaut, statt nur an Bord zu leben. Bei dem Punsch aus Rum und Melasse aus Zuckerrohr versacken wir etwas, aber was soll's wir haben nichts vor.
Zurück an Bord sehen wir, das Joep von der Zeezot zurück ist. Albertine ist also für heute versorgt, aber für den Abend verabreden wir uns noch mit Mieke und Luc, die morgen weiter wollen. Dazu müssen wir zum ersten Mal unser Dinghy ernsthaft nutzen. Das Aufbauen geht natürlich problemlos und ich bin völlig begeistert, dass wir nicht das allerkleinste genommen haben. Auch das hier hat ausreichend Platz auf unserem Vordeck und als wir es richtig professionell mit dem Fockfall wassern ist das Glück perfekt. Pasito Blanco wird uns keine Probleme machen
Bevor wir rüber paddeln machen wir noch eine kleine private Adventsfeier. Morgen bricht zu Hause die Adventszeit an. D.h. kaltes Wetter und zu Hause Kerzen, Adventskränze und vielleicht ein erstes Weihnachtsgebäck? Gemütlich, aber unter diesen Bedingungen stellt sich bei mir noch nicht so das richtige Weihnachtsfeeling ein. Als Steffi dann aber eine Kerze anzündet, es draußen kühl und dunkel wird und wir zum Weihnachtsoratorium von Saint-Seans Bine und Christians Adventsgeschenke auspacken, kommt schon eine ganz heimelige Stimmung auf. Danke Ihr beiden, dass Ihr uns so mit Dinkel-Vanille-Kipferln und Mini-Stollen verwöhnt!

Dinkel-Vanillekipferl schmecken auch bei 28 Grad C.


Zum Abendessen paddeln wir durch die Dunkelheit rüber zur Luiza. Ein seltsames Gefühl in dieser pechschwarzen Nacht und bei diesem starken Wind. Im Lee ist der offene Atlantik, jetzt ein gebrochenes Paddel und wir hätten ein ernsthaftes Problem. Viele fahren ihre Dinghys nur mit dem Außenborder durch die Gegend, ohne Paddel, ein Risiko, das mir wohl zu groß wäre. Obwohl, dann muss man halt schwimmen. In der Nacht nicht so mein Ding, aber ginge auch.
Bei Mieke und Luc zeigt sich dann ein kleines Mißverständnis: Wir dachten es gäbe etwas zu Essen, aber die beiden sind gerade mit ihrem Abwasch durch. Wir trauen uns nicht, etwas zu sagen, verbringen also den Abend mit knurrenden Mägen. Dafür genießen wir ein eisgekühltes Gin-Tonic und machen uns anschließend zu Hause über unser Brot her.


Sonntag, 02.12.2007 (196. Tag)

Die Luiza segelt heute Mittag weiter nach Mindelo, aber wir wollen heute noch die Insel erkunden und morgen Abend original kreolisch essen. Zum ersten Mal paddeln wir also mit unserem Dinghy gegen den Wind zum Kai und entdecken dabei, dass wir im Endeffekt fast so schnell wie die Dinghys mit Außenborder sind, die wegen der Wellen nicht schnell fahren. Trotzdem kommen einige Spritzer über und je öfter wir rüber paddeln, desto salzverkrusteter wird unsere Kleidung.
Mit Carlos gehen wir zu Carlita, einer Nachbarin von ihm. Nach Anmeldung kocht sie traditionell kapverdianisches Essen und wir verabreden uns für morgen Abend zu einer Runde Cachupa mit Fisch. Cachupa ist ein Maisgericht, allerdings aus uns unbekanntem weißem Mais, der etwa 7-8 h lang zubereitet werden muss. Wie scheinbar immer hier, quatschen wir uns bei Carlita im Laden fest und bekommen wieder den klassischen Punsch zu trinken.
Um endlich mal Bewegung zu bekommen wandern wir danach raus in die Einöde. Einfach nur geradewegs, Luftlinie, in die Landschaft hinein zur Nordküste. Hier ist wirklich nichts. Nur Vulkanschutt und feinster Staub. Er sieht aus wie Sand, aber wenn man drauf tritt sinkt man knöcheltief ein und das Zeug weht in einer gelben Wolke davon. Die Nordküste besteht aus steilen Felsen und leider auch wieder hier und da einer wilden Müllkippe. Ein Jammer, denn die Landschaft hat wirklich ihren Reiz, so wild und karg. Die totale Einöde.

Querfeldein durch's Nichts.


Zurück folgen wir der Küste entlang neu gebauter Hallen, die allerdings leer stehen. Es sieht aus wie in Geisterstädten, ist aber alles frisch und neu gebaut. Es ist uns schleierhaft, wieso jemand sowas hier hinstellt.
Zurück am Dinghy gibt es eine unschöne Überraschung: Weil es am Kai so voll war, hatten wir es am Strand hingelegt und scheinbar haben Kinder es zum Spielen misbraucht. Es ist völlig verdreckt und etwas enttäuscht fangen wir an, es auszuspülen. Da kommen die "Übeltäter" zurück. Es sind vier junge Mädchen und vor Freude kreischend stürzen sie sich auf unser kleines Boot und fangen wild spritzend an beim Putzen zu helfen. Bei soviel unbefangener, quirliger Freude können wir einfach nicht mehr böse sein und haben unseren Spaß.

Der Müll fliegt leider überall herum.


Wir wollen gerade ablegen, da ruft jemand "Steffi" und wir können es kaum glauben: Es ist Giuseppe, der Italiener aus der Toskana. Wir trafen ihn in Las Palmas, wo er ein Boot zum Anheuern suchte, um den Atlantik zu queren (sein Jugendtraum). Er ist Italienischlehrer für Erwachsene, 51 Jahre alt und hat zum Jahreswechsel immer 2 Monate Urlaub, die er jetzt dazu nutzen will, seinen Jugendtraum zu erfüllen. Nachdem alles sehr aussichtslos war, hat er auf Gomera ein brasilianisches Boot gefunden, die ihn spontan mit nach Brasilien nehmen wollten. Er will aber in die Karibik, also haben sie ihn bis hierher mitgenommen, wo er jetzt nochmal nach einem neuen Boot suchen will, aber eben zur Not den Flieger heim nehmen kann.
Erstmal fehlt ihm jetzt aber eine Bleibe und so laden wir ihn zu uns ein. Es wird dadurch zwar eng, aber er ist eine Seele von Mensch und uns so sympatisch, dass es nichts ausmacht, zusammen zu rutschen. Bevor wir zur Apelia zurück paddeln gucken wir aber noch bei der Je.Re.Ve. lang, um Eric zu fragen, ob er morgen mit uns zur Saline kommt und die gesamte Manschaft zum Cachupa-Essen morgen aufzustacheln.
Zum Abendessen sind wir auf die Zeezot eingladen und wir lernen mit Albertine und Joep wiedermal zwei sehr nette und herzliche Menschen kennen.


Montag, 03.12.2007 (197. Tag)

Dank Carlos' Organisation wartet morgens ein Fahrer auf uns und bringt uns zusammen mit Eric und Giuseppe zur Saline, einer Anlage zur Salzgewinnung in einem alten Krater. Martin erzählte mir davon, dass sie in seinem Kapverden-Urlaub "negermäßig" hinten auf einem Pickup saßen. Ich weiß nicht ob man das heutzutage noch so sagen darf, aber ich habe mich schon seit gestern darauf gefreut. Es ist einfach nur cool, so hinten au fder Pritsche zu sitzen und sich den Wind um die Ohren blasen zu lassen. Komme mir dabei aber eher so vor wie das A-Team.

Hier kommt das A-Team!


In den Krater kommt man durch einen Tunnel, während die alten Holzmasten an die Seilbahn erinnern, mit der früher das Salzu zur Verladestation gebracht wurde. Es macht alles einen sehr verlassenen Eindruck und die zerfallenen Holzbarakken erinnern mich an die Geisterstädte aus alten Western. Ziemlich verwegen und das alles in dieser Einöde. Daneben dann die rauhe Ostküste, an der sich die riesengroßen Atlantikwellen brechen und am Horizont ein Wrack überspülen. Das paßt einfach zum Gesamtbild.

Salzgewinnung im Krater.


Der Krater ist unterteilt in verschiedene Becken, so dass sich das Salz langsam absondern kann. Wir laufen einmal hindurch und über den Kraterrand zurück. Der Wind pfeift dort oben, aber unten ist es warm und die Saline lädt zum Baden ein, was uns von Carlos und Elisabeth sehr empfohlen wurde. Steffi sagt es sei wie im toten Meer. Der Boden ist übersäht von rosanen Salzkristallen in der Größe von Zuckerwürfeln und es fühlt sich komisch an, darüber zu gehen. Einmal im hüfttiefen Wasser kann man sich dann aber endlich treiben lassen und ich bin völlig baff, wie weit man dabei aus dem Wasser guckt. Das mit dem treibend Zeitung lesen ist wirklich nicht übertrieben.

Badefreuden im Salzwasser.


Zum Glück kann man sich nach dem Bad abduschen, denn sobald das Wasser getrocknet ist, bedeckt einen eine dicke Salzkruste. Jeder Tropfen auf unseren Rucksäcken hinterläßt jetzt ein paar Salzkrümel, die Konzentration ist wirklich enorm.

Verfallenes Windenhaus von der Salz-Seilbahn.


Auf dem Rückweg lassen wir uns in Espargos absetzen und Eric führt uns zu einem Restaurant, wo es eine traditionelle Bohnensuppe gibt. Wir bestellen alle dasselbe und bekommen eine Riesenportion. Eigentlich viel zuviel, da wir doch heute Abend das traditionelle Essen haben, also gehen Steffi und ich nach einem Stadtrundgang querfeldein zurück nach Palmeira. Die Landschaft ist hier von trockenen Flußläufen durchzogen und in jedem Tal finden wir Spuren von Eseln, also richtigen Eselpfaden.
Abends finden wir uns mit 30 min Verspätung bei Carlita ein, was Carlos über die deutsche Pünktlichkeit und den Verfall der Sitten im afrikanischen Umfeld frotzeln läßt. Zu einem Berg Cachupa gibt es gebratene Makrelen. Alles lecker, aber das Cachupa ist mächtig und liegt relativ schwer im Magen. Wir hatten eigentlich einen exotischeren Geschmack erwartet, aber es schmeckt insgesamt doch recht bodenständig. Zum Nachtisch gibt es mehrere Punsche, und danach versacken wir alle bei Armindas Kneipe. Es ist kühl und im frischen Wind wird es uns richtig kalt. Ohne Carlos Pullover wäre der Abend wohl kürzer geworden.
Zurück zum Boot paddeln wir durch die Dunkelheit und Giuseppe und Eric werden von einer hängengebliebenen Französin nach Hause gefahren. Sie ist schon ganz schön angetüddelt und scheint einen Bären an unserem "kleinen Italiener" gefressen zu haben. Der ist allerdings nicht auf Abenteuer aus und flüchtet sich regelrecht zu uns an Bord, was uns den Rest des Abends grinsen läßt.


Dienstag, 04.12.2007 (198. Tag)

Das gab's noch nie, aber beim Aufwachen leide ich unter deutlichen Anzeichen eines Katers. Das waren wohl zuviele Punsche und ich sollte zukünftig besser aufpassen. Den Rest des Tages tippe ich am Tagebuch und wir räumen die Apelia wieder auf, denn heute Abend wollen wir weiter nach Sao Nicolau.
Mittags gibt es auf der Je.Re.Ve. die Reste des Cachupa und wir lernen wieder das französische Savoir Vivre kennen. Jede Mannschaft hat einen Salat mitgebracht und jeder bekommt auch noch ein Spiegelei. Zum Nachtisch gibt es Käse und danach noch einen Kaffee/Tee. Und das alles im Sonnenschein im Windschatten des Sprayhood. Herrlich.
Danach räumen wir Apelia für den Aufbruch auf, verweigen uns noch in Carlos und Elisabeths "Kochbuch" (Gästebuch) und paddeln an Land zum Auschecken. Karl-Heinz hatte empfohlen, dass wir hier auschecken und uns nur noch einen sogenannten Laufzettel für Sao Nicolau mitgeben lassen. Der Beamte stellt uns daraufhin einen "Clearence"-Bescheid aus und sagt, wir könnten uns damit auch in Tarrafal den Ausgangsstempel in die Pässe hauen lassen. Das überrascht uns etwas, aber unser Gewissen ist beruhigt und wir laufen rüber zur Brandungszone um Eric beim Surfen zuzuschauen. Von April bis Oktober unterrichtet er genau wie Jean Wellenreiten an Frankreichs südlicher Atlantikküste und die beiden verkörpern für uns das typische "easy living" der Surferwelt. Mit seinen 55 Jahren ist Jean dabei ein richtig grauer Wolf aus der Anfangszeit, hat momentan aber einen steifen Rücken und kann nicht auf's Wasser. Die Brandung ist aber auch nicht optimal, Eric schafft nur ein paar kurze Ritte, vor allem da es schnell flach wird und er unter sich die scharfen Steine leuchten sieht.
Die Bekanntschaft mit den beiden ist ein Glücksfall für Giuseppe: Sie brauchen noch einen dritten Mann für die Atlantikpassage und nach unserem heutigen Mittagessen ist alles geritzt, er darf zusteigen. Nachdem wir sein Gepäck übergesetzt haben, paddeln wir weiter zum Land und klopfen im Dunkeln bei Karlz-Heinz an um das Gästebuch zurückzugeben. Es war klar, ohne einen kleinen Trunk und Schwatz kommen wir hier nicht weg und so ist es 22:00 Uhr, als wir nach einer herzlichen Verabschiedung zu Apelia zurückpaddeln. Die Sonne geht hier schon um 19:00 unter und so hat meint man schnell, dass es schon viel später ist. Außerdem wird's im Dunkeln schnell kühl und so sinkt unsere Motivation jetzt abzulegen mit jedem Paddelschlag. Auch jetzt im Dunkeln noch das Dinghy einpacken lockt mich so überhaupt nicht und so verschieben wir die Abfahrt kurzerhand auf morgen früh. Jetzt erstmal schnell in die gemütliche Koje.


Mittwoch, 05.12.2007 (199. Tag)

Um 6:00 geht der Wecker und wir schwingen uns aus den warmen Betten. Während Steffi das Müsli zubereitet mache ich Apelia seeklar und verstaue das Dinghy. Alles ist mit einer dicken Kruste aus Salz und rotem Staub überzogen und es tut weh, zu sehen wie die Leinen sich durch die Blöcke zwingen müssen.
Nach einer dreiviertel Stunde ist alles erledigt und würgen wir den Anker aus dem Sand, wo er sich tief vergraben hat. Obwohl Steffi vorgestern noch das Log gereinigt hatte, steht es jetzt schon wieder fest. Das Algenwachstum in diesen warmen Gewässern ist wirklich enorm, zum Glück haben wir einen GPS.
Irgendwie steht uns heute der Sinn nicht besonders nach Segeln. Wir sind beide müde und träge und nachdem die Passatbesegelung steht und wir mit flotten 7,5 kn unter der Windfahne nach Westen jagen, verziehen wir uns beide in die Kojen und verbringen den Großteil des Tages lesend und dösend. Die Wellen sind draußen 3 m hoch und ab und zu kommt Apelia sogar leicht ins Surfen, aber das lockt uns einfach nicht und so beschränken sich unsere Aufenthalte an Deck auf die viertelstündlichen Rundblicke. Hier ist aber einfach kein Schiff unterwegs, also schnell wieder zurück zum Buch.

Lesetag unter Segeln.


Um halb fünf passieren wir Punta Calheta, das östliche Kap von Sao Nicolau und passieren die Insel südlich. Sie soll angeblich richtig grün sein, aber von hier aus sieht sie grau und staubig aus. Allerdings völlig anders als Sal: Sie besteht aus schroffen hohen Bergen und ähnelt insgesamt mehr einem Klotz.
Als wir um sieben die Südspitze runden ist es schon dunkel und wir bergen die kleine Fock zum Anluven. Durch den Kapeffekt pfeifen uns hier 8er Böen um die Ohren und nur unter Fock krängt Apelia bei diesem halben Wind weit über, spurtet dann aber auch mit gut 6 kn los. Je weiter wir ins Lee der Insel kommen, desto wechselhafter werden dann aber die Insel und wir schwanken zwischen Flaute und 7er Böenwalzen, die unser Rigg zum zwitschern bringen.
Am Ankerplatz vor Tarrafal bietet sich dasselbe Bild. Mal ist es totenstill und dann kommt schlagartig eine 7er Bö durch einen der Canyons aus der vor uns liegenden, 200 m steilen Felswand gebraust. Spektakulär, zum Glück scheint sich unser Anker aber fest im schwarzen Sand vergraben zu haben.


Donnerstag, 06.12.2007 (200. Tag)

Im Licht des Tages können wir unseren Ankerplatz noch viel besser bewundern. Die Felswand vor uns ist wirklich beeindruckend und die Canyons darin laden zum Wandern ein. Vom Grün fehlt allerdings jede Spur.

Ankern vor Tarrafal/Sao Nicolau.


Um uns herum liegen nur etwa 6 andere Yachten und bei John, dem Engländer erkundigen wir uns nach den Dinghy-Anlandungs-Modalitäten. Er lies sein Dinghy immer für 1 EUR bewachen und zeigt uns die Rampe, wo es liegen kann. Als wir hinpaddeln, rufen uns von überall her Jungen zu, dass sie darauf aufpassen würden und zeigen auf jeden möglichen Flecken. Wir paddeln aber zur empfohlenen Rampe und der dortige Aufpasser will für unseren Winzling 50 ct haben. Das ist okay, wir binden unseren Pasito Blanco ruhigen Gewissens an und gehen zur Maritimen Polizei, um das Ausstempeln zu erledigen.
Der Polizist bestätigt dann aber das, was wir dachten zu wissen: Ausklarieren wäre nur in Palmeira auf Sal oder in Mindelo auf Sao Vicente gegangen. Ein Glück, dass Sao Vicente sozusagen auf dem Weg liegt. Jetzt nur für den blöden Stempel nochmal ganz zurück gegen den Passat ankreuzen, das wäre ein nerviges Unterfangen geworden. Die Enttäuschung hält sich somit in Grenzen, da fahren wir halt morgen noch nach Mindelo rüber.
Auch wenn dies ein winziger Gegenschlag ist, an den Beamten gibt es trotzdem nichts zu meckern. Sie sind enorm freundlich und hilfsbereit, wodurch die Behördengänge hier auf den Kapverden immer ein lockeres Unterfangen sind. Kurzerhand fragen wir gleich noch nach der besten Art, die Insel zu erkunden und der Polizist bringt uns zum Minibus, der zur Hauptstatt Ribera Brava fährt und damit die Insel einmal quert.
Es ist ein kleiner Toyotabus mit 9 Sitzplätzen, der aber auch schnell mal 12 Leuten Platz bietet. Wie die Sardinen sitzen wir zwischen lauter alten Menschen, die am heutigen Feiertag (Nikolaus) in die Hauptstadt wollen. Sie sind richtig gut gekleidet und in unseren salzverkrusteten Klamotten fühlen wir uns daneben richtig unwohl. Im Kofferraum liegen mehrere Fische in Plastiktüten, denn der Bus dient auch noch als Kurrier und wird hier und da mal für kleine Päckchen angehalten. Es herrscht eine fast ausgelassene Stimmung und während die Alten um uns herum laut palavern, hoppeln wir mit kaputten Stoßdämpfern über wellige Schotterstraßen und sich eng und steil durch die Dörfer windende Gassen, auf denen schonmal Kühe stehen. Als das Handy einer Mitfahrerein klingelt, wird sogar für die Dauer des Gesprächs angehalten, da das Scheppern der Karosserie wirklich ohrenbetäubend ist.

Bergauf durch Sao Nicolaus öde Westseite.


Sobald wir den Paß überqueren und damit die Ostseite erreichen, wandelt sich das Landschaftsbild schlagartig: Hier ist wirklich alles grün und es wird Mais und Zuckerrohr angebaut. Allerdings nur in dieser großen Höhe, wo es auch noch richtig frisch ist und wir in unseren kurzen Klamotten schlottern. Weiter unten an der Küste wird es dann wieder trocken und bietet sich das gewohnte brauntönige Bild. Die heftige Brandungszone des blau-türkis schimmernden Meeres bietet dagegen eine wohltuende farbliche Abwechslung und gebannt schauen wir auf das wilde Spektakel. Ein Glück, dass wir im Lee so geschützt ankern können, das hier ist wohl der Alptraum eines jeden Seemans.

Bergab durch die grüne Ostseite.


In Ribera Brava schallt lauter Gesang aus der Kirche, aber sie ist rappelvoll und vor dem Eingang steht eine lange Schlange. Keine Chance, einen Blick reinzuwerfen, also spazieren wir durch die Hauptstadt, die einiges kleiner scheint als Tarrafal, bis wir an einem Restaurant fragen, ob wir etwas essen könnten. Das geht natürlich, allerdings etwas anders als gedacht: Wir bekommen nach kurzer Zeit einfach eine Mahlzeit aufgetischt, die wohl gerade sowieso für die lokale Fussballmanschaft gekocht wurde, die kurz darauf einfällt und den Raum mit Leben füllt. Es ist Hühnchen mit Kartoffeln, Reis und Salat, alles frisch und lecker und am Ende zahlen wir dafür neun Euro. Viele hatten uns gewarnt, dass die Kapverden so teuer sein, aber wenn man die Finger von importierten Produkten läßt, sind die Preise für uns günstig.
Da meine kurze Hose neben der Salz- und Staubkruste inzwischen auch zwei dicke Löcher aufweist, kaufen wir auf dem Rückweg noch eine neue. Es ist angeblich das, was hier alle tragen, ab jetzt falle ich hier also überhaupt nicht mehr auf und an den Blicken der Locals erkenne ich, dass sie sich fragen, wie dieser Kapverdianer wohl an diese Frau und das Boot gekommen ist. :o)
Zurück in Tarrafal verschwenden wir die längsten 30 min unseres Lebens mit dem Kauf von ein paar Postkarten. Wir hatten erwartet, dass es auf den Kapverden öfter so sein würde, aber das hier war zum Glück das einzige Mal: Postkarten gibt's seltsamerweise bei der Telefongesellschaft, die hier wohl auch die Aufgabe der Post übernimmt. Drei Leute sitzen hinter einer Theke, wir sind die einzigen Kunden, aber alle gucken gebannt auf ihre Monitore, telefonieren oder sortieren irgendwas und der Handel verläuft unterbrochen von privaten Telefongesprächen und Schwätzereien untereinander sowas von unmotiviert und schleppend, dass es einen wirklich zur Weißglut treibt. Auch als nach uns noch eine Kapverdianerin etwas will geht es nicht schneller. Hier wird so richtig Macht demonstriert, einfach nur widerlich.
Zurück am Dinghy gibt es eine große Enttäuschung: Neben einem adretten größeren Dinghy liegt unser Winzling mit einem leeren Schlauch und völlig verdreckt mit Fischabfällen. Vom Aufpasser fehlt natürlich jede Spur. Wir sind sprachlos, während uns ein Fischer auf Kreol volllabert. Ein Italiener übersetzt schließlich, dass irgend ein Fischer das Boot rausgeholt hätte und danach ein Loch drin gewesen sei. Warum es allerdings voller Fischabfälle ist, kann er nicht erklären, er meint lediglich, dass dieser Punkt nicht für Dinghys gedacht sei. Es hat einfach keinen Zweck hier noch irgendwelche Zeit zu verschwenden. Enttäuscht und sauer tragen wir die dreckigen Überreste zum Strand, legen die Rucksäcke und unsere Klamotten hinein und schwimmen mit dem ganzen Krempel rüber zur Apelia. Nachdem wir alles geputzt haben stellen wir fest, dass lediglich das Ventil des einen Schlauchs aufgedreht war. Was der Sinn der ganzen Sache war bleibt uns damit völlig schleierhaft, aber es ist also alles nur halb so wild.
John hat alles beobachtet und kommt vorbei gepaddelt um zu fragen was los war. Bei Kaffee und Plätzchen kommen wir ins Gespräch und haben damit alles schnell vergessen. Er ist sein Leben lang auf U-Booten unterwegs gewesen und ist mit dem Beginn seiner Rente in See gestochen. Die letzten acht Jahre war er im Mittelmeer, aber jetzt will er in die Karibik übersetzen und wird momentan von seinem Sohn begleitet.
Als ich Steffi an Land paddele, damit sie noch die Messe besuchen kann, lädt John mich auf dem Rückweg noch zu einem O-Saft ein und während Steffi einem original kapverdianischen Gottesdienst mit italienischem Pfarrer beiwohnt, gucke ich mir bei John Fotos von seiner Nordpolreise an, bei der sie mit ihrem Atom-U-Boot durch das Eis auftauchten. Die Bekanntschaften, die wir auf unserer Reise schließen sind wirklich die Würze der Tour und es tut gut, zu sehen, dass alle mit denselben Problemen kämpfen. Wo kann ich wie ein- und ausklarieren, kann ich dort ankern, wieviel Vorräte brauche ich für die Passage und natürlich immer wieder die Probleme mit der Seekrankheit.
Als ich Steffi abhole, bekommt sie gerade von einem jungen Kapverdianer eine ausführliche Liebeserklärung unterbreitet. Der Hinweis, dass sie verheiratet sei beendet das ganze dann aber völlig problemlos. Keine Ahnung wie es hier mit der Treue steht, aber in diesem Fall funktioniert's.
Eigentlich wollten wir heute Abend ablegen um nach Mindelo zu segeln, aber abends lossegeln ist irgendwie nicht mein Ding. Im Dunkeln, wenn die Fallböen im Rigg pfeifen bin ich im Kopf irgendwie auf Ruhe und meine Koje gepolt. Im Dunkeln das Dinghy verstauen und den Anker bergen, dafür ist irgendwie kein Platz in meinem Kopf. Nach Mindelo sind es auch nur 45 nm, das können wir also bei diesen Winden morgen ganz einfach auf einer Pobacke absegeln. Zeit für's Bettchen!


Freitag, 07.12.2007 (201. Tag)

Um 6:00 geht der Wecker und nachdem das Dinghy verstaut ist, gehen wir ankerauf und schleppen uns aus dem Lee der Insel. Wir haben nur die kleine Fock und das maximal gereffte Groß oben, denn die Fallböen kommen schlagartig und erreichen fast Windstärke 8. Zwischen den schnellen Spurts schleppen wir uns aber zum Großteil mit nur 2 kn dahin und so motoren wir erstmal eine halbe Stunde, bis wir das Lee wirklich verlassen haben.
Die Navigation ist heute einfach. Es geht immer nördlich der kleinen Inseln entlang, bis nach Sao Lucia Sao Vicente auftaucht und wir danach linksab nach Mindelo abbiegen. Hier draußen weht der Passat mit 6-7 und mit der winzigen Besegelung sind wir perfekt "betucht". Mit 7-8 kn fliegen wir daher und ich steuere fast durchgehend von Hand. Steffi hat Probleme mit den Wellen und haut sich in die Koje, aber seltsamerweise geht es mir gut und ich genieße das Segeln in vollen Zügen. Der strahlend blaue Himmel und das tiefblaue Wasser, links von uns wild zerklüftete Inseln an denen sich die 4 m hohen Wellen ind wilden Gischtfontänen brechen und vor uns steigen immer wieder Schwärme fliegender Fische auf. Die Wellen sind hoch und steil und hier und da brechen die Kämme. Es ist fast wie Katsegeln und ich manövriere uns gezielt zwischen den Wellen hindurch. Ab und zu passt es aber dann mal nicht und wenn uns eine brechende Krone erwischt, wird Apelia von weißer Gischt übersprüht. Ich habe nur die Jacke an und meine (alte) Hose ist irgendwann klitschnass. Bei diesen Temperaturen aber kein Problem und nach ein paar Spülungen ist endlich mal wieder der Staub von Apelias Deck gewischt.
Mittags bin ich dann irgendwann aufgebraucht und da Steffi wieder fitt ist, tauschen wir und ich haue mich ein wenig in die Koje. Als wir zwischen Sao Vicente und Santo Antao nach Mindelo abbiegen, bin ich wieder oben und gemeinsam freuen wir uns über die tolle Kulisse. Mindelo ist die wichtigste Hafenstadt der Kapverden und in der Bucht liegen neben völlig verrosteten alten Seelenverkäufern auch das ein oder andere Wrack. Dazwischen liegt auch eine sicherlich 120 ft lange norwegische Segelyacht, die seltsam deplaziert wirkt.
Innen im Hafen entdecken wir noch die Zeezot und am Steg der vor zwei Wochen eröffneten Marina liegt sogar noch die Luiza. Mieke und Luc wollten eigentlich heute los, aber es war nochmal viel Wind angesagt (haben wir ja gemerkt) und sie haben keine Eile. Wir legen uns neben sie an den nagelneuen Ponton, der wegen des Schwells stark schwankt. Vor anker würde man wahrscheinlich ruhiger liegen, aber wir zahlen hier 16 EUR/Nacht und vor der langen Passage ist es einfach angenehm, nochmal eben schnell an Land zu können, ohne das Dinghy wieder aufbauen zu müssen.
Nachdem wir uns bei der Wasserschutzpolizei unser Clearence-Papier geholt haben, gehen wir ins Hafengebiet zur "Immigration" für den Stempel. Der Herr scheint allerdings seine eigenen Öffnungszeiten festzulegen und ist gerade ins Wochenende verschwunden. Also keine Chance auf den nötigen Stempel, wir sind bis Montag gegroundet.
So richtig genervt sind wir davon allerdings nicht. Wir haben ja Zeit und noch ein entspanntes Wochenende, bevor wir uns an die Überfahrt machen, das passt uns eigentlich ganz gut in den Kram. Mit Mieke und Luc und Albertine und Joep treffen wir uns im Club Nautico. Sie wollen morgen endgültig los, wir feiern also unseren Abschied und hoffen, uns drüben auf Barbados wiederzusehen.


Samstag, 08.12.2007 (202. Tag)

Wir haben uns vorgenommen, heute einen lauen Bootstag zu machen. Während ich am Tagebuch tippe, öffnet Steffi das heute fällige Adventsgeschenk von Bine. Es besteht aus einer Ladung Strohsterne und seitdem herrscht hier drinnen fast sowas wie Weihnachtsstimmung. So ganz passen die 25 Grad C tagsüber aber nicht dazu, dieses Jahr werde ich wohl nicht in die richtige Laune kommen.

Ein ganz klein wenig Weihnachtsfeeling in der Apelia.


Mittags hangelt sich irgend ein Idiot mit seinem Dinghy an uns lang. Beim Rausgucken dann die Überraschung: Es sind Giuseppe und Eric, die soeben nach einer Nachtfahrt angekommen sind. Das gibt natürlich ein großes Hallo und der Rest des Tages geht mit Quatschen drauf. Auch Paco gesellt sich dazu. Er ist Belgier, einhand unterwegs und wir kennen ihn aus Pasito Blanco. Gemeinsam mit ihm und Jean, der inzwischen angepaddelt kam, gehen wir abends in die Stadt, essen groß, gut und günstig und tingeln dann weiter gemeinsam durch die nächtliche Stadt, auf der Suche nach Livemusik. Angeblich ist Mindelo DAS Zentrum dafür, aber es dauert eine Weile, bis wir am Strand eine Bude finden, wo nach einer halben Stunde angefangen wird. Die Musik trifft allerdings nicht so unseren Geschmack und gegen 23:00 laufen wir zurück in die Stadt, wo die Musik aus dem Club Nautico uns noch zu einer Runde einlädt, aber dann ist Feierabend.


Sonntag, 09.12.2007 (203. Tag)

Wir wollten eigentlich einen gemütlichen Morgen machen und in der Stadt was zum Frühstücken suchen (ist ja Sonntag), aber da kommen Paco, Giuseppe, Eric und Jean schon angepaddelt und nehmen uns einfach mit. In einer richtigen Local-Kneipe gibt es Eierbrötchen und danach suchen wir uns ein altes Taxi, das uns für 20 EUR über die Insel fährt. Es ist ein alter Peugeot-Pickup und bis auf Jean, der noch ein wenig mit seinem Rücken zu tun hat, sitzen wir alle auf der Pritsche und lassen uns den Wind um die Ohren sausen.

A-Team-Feeling auf dem alten Peugeot.


Unser erster Stopp ist ein Strandkaff, das Gefahr läuft von Touristen überlaufen zu werden. Die Locals fangen gerade mit den Vorbereitungen an, um eine Ladung Bustouristen vom Kreuzfahrer zu empfangen, der heute morgen einlief, also verlassen wir fluchtartig die Szenerie und spazieren die Küste entlang. Sie besteht aus lauter kleinen Felsknubbeln und sieht aus, als hätte man Teer über eine Steinlandschaft gekippt. Ist aber alles original und wir genießen das rauhe Klima, die kleinen Tümpel in denen Eric und Paco baden und vor allem die himmelhoch spritzende Gischt.

Kein guter Fleck für ein Boot, aber schön zum gucken.


Nach dem Mittagessen holpern wir zu einem anderen Strand, stürzen uns gemeinsam in die Brandung und besuchen danach das angrenze Dorf am Ende der Straße, das wohl nicht besonders häufig Europäer zu Besuch bekommt. Die anderen wollen etwas trinken, also spazieren wir zum Dorfplatz, der überquillt von Jugendlichen. Giuseppe ist sofort in seinem Element und schreibt sich halbwegs freiwillig zu einer Lotterie ein. Auch wir anderen sind schnell mit von der Partie, aber gehen alle leer aus.
Die anderen sind völlig entspannt, aber Steffi und ich sind etwas überfordert mit den 50 Kindern, die uns umringen. Das ist für uns wirklich das erste Mal, dass wir uns in einer solchen Situation befinden und auch wenn's völlig unbegründet ist, fühlen wir uns fremd und störend. Die anderen stürzen sich dagegen völlig unbekümmert ins Getümmel und machen ihre Scherze. Wir haben da wohl noch einiges zu lernen.
Unser Fahrer wartet geduldig und wegen all dieser Zwischenstopps müssen wir einen neuen Preis aushandeln. Auf dem Rückweg, als wir Monte Verde, den höchsten Berg der Insel passieren, packt es Giuseppe und in einer verzweifelten Aktion bringt er den Fahrer zum Abbiegen. Gestern Abend hatte der Ober ihm erzählt, dass man den Berg besichtigen müßte und seitdem lag er uns in den Ohren. Auf dem Hinweg schafften wir es noch an der Abzweigung vorbei, aber jetzt gibt es kein Halten mehr für ihn und er kann sich kaum auf dem Sitz halten, als wir die kurvige Bergstraße hochkriechen.
Steil geht es bergauf und fast mitten durch die Steilwand. Links von uns öffnen sich gähnende Abgründe und hier und da ist die steinerne Leitplanke zerborsten. Paco erzählt uns Schauergeschichten von zerfallenden Bremsen im Tschad und etwas mulmig denken wir an den Rückweg. So richtig neu ist unser Peugeot ja auch nicht mehr.

An der Felswand entlang hoch zum Monte Verde.


Oben begrüßt uns nicht besonders viel Grün. Vereinzelt stehen Algarven herum und der Berg scheint terrassiert, aber Landwirtschaft gibt es wohl nicht mehr. Kalt ist es und der Soldat von der Radarstation ist dick eingemummt. Die phänomenale Aussicht läßt die Kälte aber schnell vergessen und wie die Kinder springen wir hoch zur Kuppe und Jean brüllt seine Freude in die Stille hinaus. Vielleicht ist es ein Höhenrausch, aber wir sind wirklich alle aufgedreht und für's Foto lege ich die Kamera auf einen Vorsprung, starte den Selbstauslöser und sprinte zu den anderen rüber. Das Ergebnis ist dieses Erinnerungsfoto an einen tollen Ausflug:

Sechs glückliche Leute auf dem Monte Verde.


Hoch oben, was?


Auf der Rückfahrt müssen wir die Kälte ausbaden und kommen im Dunkeln am Hafen an. Steffi hatte gestern eine Suppe vorgekocht und da noch keiner Lust hat sich zurückzuziehen, packen wir sie ein, holen bei Paco noch ein Brot und treffen uns auf der vor Anker liegenden Je.Re.Ve. wieder. Es wird ein langer Abend und Jean spielt uns sein gesamtes Musik-Sammelsurium vor, das von Ice T bis zu traditioneller singalesischer Musik reicht. Es ist saugemütlich und irgendwann fallen mir einfach die Augen zu, bis Steffi mich zur Apelia zurückrudert.


Montag, 10.12.2007 (204. Tag)

Heute ist voraussichtlich der letzte Tag auf den Kapverden. Menthal bin ich auf Weiterfahren eingestellt und da das Proviantieren hier nicht so einfach, bzw. teuer ist, sollten wir nicht zuviele Vorräte verbrauchen und uns langsam auf die Socken machen. Jean und seine Besatzung wollen allerdings noch nach Sao Antao und sagen, dass ein Tief über den Kanaren momentan den Passat hemmt. Ob's stimmt, oder ob sie uns damit zum Mitkommen bewegen wollen ist uns noch nicht klar. :o) Wir gehen einfach nachher zum Internet-Café, senden unsere letzten Mails und ziehen die aktuellen Wetterdaten.
Dann sind wir eigentlich bereit für den großen Sprung. Dirk und Stine haben damals 17 Tage gebraucht und wir vermuten, dass wir auch um diesen Dreh herum brauchen werden. Wir werden uns auf jeden Fall direkt melden, wenn wir drüben ankommen und dann gibt's sicher wieder so einiges zu berichten. Wir sehen der Querung allerdings relativ entspannt entgegen. Die 7 Tage hier herunter haben uns gezeigt, wie schön Passatsegeln sein kann und wir freuen uns auf die entspannten Tage auf See. Also bis von der anderen Seite des Atlantiks!