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Von Sao Vicente nach Barbados


Montag, 10.12.2007 (204. Tag)

Nachdem es für Steffi gestern spät wurde, schläft sie genüsslich aus und ich nutze die Zeit zum Tagebuchtippen. Als sie auf den Beinen ist, gelüstet es uns nach Pfannkuchen zum Frühstück. Doch leider macht uns unsere Pfanne einen Strich durch die Rechnung. Sie war bisher ein treuer Begleiter doch jetzt liegt sie im Sterben und ihre Beschichtung (ob Teflon oder was auch immer) löst sich großflächig und breitet sich in unserem Essen aus. Wir gehen in die Stadt, um nach einem Ersatz zu suchen. Eine einfache Edelstahlpfanne wäre das Beste. Doch dazu sind wir in Mindelo falsch. So etwas gibt es hier einfach nicht. Nachdem wir uns in diversen Chinaläden durch Berge von Alutöpfen gewühlt haben, wählen wir frustriert eine kleine Teflonpfanne für 5 Euro. Das ist zwar billig, doch die Qualität der Waren in diesen Läden ist wirklich das Allerletzte. Es tut weh, sehen zu müssen, dass die Leute aus Armut nur den letzten Scheiß kaufen können und sich damit garantiert langfristig ihre Gesundheit ruinieren. Doch für uns gibt es Hoffnung: Andreas hat schon sein Flugticket in die Karibik gebucht. Ein Kurier für eine Edelstahlpfanne ist also in Sicht.
Zurück an Bord gibt es endlich die heißersehnten Bananenpfannkuchen. Die Bananen aus Gran Canaria sind inzwischen schwarz und tropfen vor Reife. Der Geschmack im Pfannkuchen ist allerdings phänomenal. Während wir noch schlemmen, finden sich nach und nach die Anderen bei uns ein bis es in Apelias Kajüte so richtig voll und gemütlich ist. Den letzten Pfannkuchen bekommt Jean und es wird uns ein bischen wehmütig ums Herz bei dem Gedanken daran, dass dies unser letzter Tag mit diesem herrlichen Haufen aus Franzosen, einem Italiener, einem Belgier und uns beiden Deutschen ist. Pako will morgen weiter, Jean, Eric und Giuseppe wollen nach Sao Antao und wir sind noch unentschlossen, bzw. Steffi schwärmt für Sao Antao und ich bin für den Aufbruch.
Mittags spazieren wir mit Pako in den Hafen zu "Immigrations" um endlich unseren Ausklarierungsstempel zu bekommen. Wie zu erwarten ist Mittagspause. Während Steffi die Zeit für EMails nutzt, lackiere ich die letzten nötigen Stellen.
Nachmittags bekommen wir endlich unseren heissersehnten Stempel und es ist ein bisschen so, wie man sich diesen Behördengang aus Erzählungen vorstellt. Der Beamte gibt sich betont griessgrämig und uninteressiert, aber mit ein bischen Charme ringen wir ihm doch noch ein wenig Freundlichkeit ab.

Apelia im Hafen von Mindelo.


Pako hat uns alle abends zum Curry eingeladen. Da inzwischen auch John und Martin, die beiden Engländer, die wir in Sao Nicolau trafen, eingetrudelt sind, wird unser Trupp noch internationaler und zu acht quetschen wir uns in das kleine Cockpit der Jeanneau Phantasia.

Getümmel der Nationen auf Pakos Boot.


Dies ist unser Abschiedsabend und er verspricht, lang zu werden. Um zehn muss ich mich dann allerdings kurzfristig verabschieden. Ich hätte Pakos Warnung, in solchen Ländern nur Salat, den man selbst zubereitet hat, zu essen, ernst nehmen sollen. So verbringe ich den Rest des Abends zwischen Koje und Klo, was aber Dank Apelias Einrichtung direkt nebeneinander liegt. Als die Anderen so richtig aufdrehen und noch in die Stadt wollen, kommt auch Steffi und erwischt eine kleine Kakerlake, die interessiert und mit vollem Körpereinsatz ihre Zahnbürste inspiziert. Der kecke Ausflug des kleinen Tierchens endet allerdings mit einer nächtlichen Schwimmpartie - Ende offen. Angesichts solcher Erlebnisse schüttelt ihr euch sicher vor Ekel, doch man sollte berücksichtigen, dass "unsere" Kakerlacken heimzüchtungen sind. Sie sind unter unseren strengen Hygienevorschriften aufgewachsen und haben noch nie in ihrem Leben eines ihrer sechs Beinchen auf Hundekot oder verdorbene Nahrungsmittel ausserhalb der Apelia gesetzt. Insofern sehen wir hier kein Hygieneproblem aber es bleibt gewöhnungsbedürftig.

Dienstag, 11.12.2007 (205. Tag, 1. Tag der Atlantiküberquerung)

Wir wachen früh auf und treffen auf einen völlig verkaterten Pako, den es trotz der kurzen, alkoholreichen Nacht nicht mehr in seiner Koje hält. Um unsere letzten Eskudos loszuwerden gehen wir zum Frühstücken in unser "Stammlokal" und kaufen danach noch auf dem örtlichen Markt ein wenig Obst und Gemüse ein. Zurück am Boot macht Steffi Apelia seeklar und ich wasche unsere salz- und staubstarren Klamotten von der Zeit auf den Kapverden. Da kommt Pako nochmal vorbei und schenkt jedem von uns zum Abschied eine traditionelle Wollmütze, wie sie der Anführer der kapverdianischen Unabhängigkeitsbewegungen immer trug. Wir sind ganz gerührt vor soviel Zuneigung, aber lange können wir die Geschenke nicht aufbehalten. Die Sonne brennt heute wirklich stark vom Himmel.
Für heute ist geplant, das wir gemeinsam mit Pako in eine 5 Meilen südlich gelegene Bucht fahren und dort die letzte Nacht vor Anker verbringen. Morgen früh wollen wir noch einmal unters Boot tauchen und die Logge und den Propeller putzen, bevor es dann richtig losgeht. Da Pako möglicherweise von einer Italienerin zur Insel Santiago begleitet wird, müssen wir jetzt noch auf ihre Zusage warten. Am Boot ist schon alles getan und da wir uns langweilen, gehen wir noch einmal ins Internetcafé für einen letzten Blick in die "Zivilisation".
Von Klaus finden wir eine liebe Mail mit einem privaten Wetterrouting. Er hat seine Verbindungen von früher spielen lassen und uns die Vorhersage der deutschen Marine für die nächsten 10 Tage organisiert. Hanno, ein eifriger Leser hat schon auf unseren gestrigen Eintrag reagiert und uns empfohlen, das Corned Beef für Labskaus zu verwenden. Das es dazu benutzt wird, wussten wir schon. Aber Labskaus gehört (noch) nicht zu unseren Lieblingsgerichten. Vielleicht wird sich das ja auf der Tour noch ändern.
So richtig die Motivation zum Beantworten der eMails kommt nicht auf und wir surfen zur ARC-Homepage und sehen, dass viele Boote Saint Lucia schon erreicht haben. Unter anderem Boris mit der RoXanne und Joao mit der Safari. Judith und Sönke haben noch ein paar Tage vor sich. Beunruhig lesen wir die Mitteilungen über Sturmböen bis 50 kn, die die Nachzügler des Feldes erwischen. Die Rede ist von mehreren gebrochenen Bäumen, einer entmasteten Yacht und zwei Personen, die von Handelsschiffen abgeborgen werden mussten. Ich muss an das Wetterbriefing denken, in das Boris mich in Las Palmas eingeschleust hatte. Der "Wetterguru" sagte dort voller Überzeugung, dass in den nächsten 30 Tagen nicht mit tropischen Stürmen zu rechnen sei und empfahl die Nordroute zu nehmen.Was soll man als Laie anderes tun, als den §sperten zu glauben? Die langsameren Boote bekommen jetzt die Quittung dafür.
In meinem Postfach finde ich noch eine kurze Mail von Axel. Die Hello World befindet sich etwa 900 Meilen vor Barbados und hat gerade mal wieder eine Süßwasserdusche mit 35 Knoten Wind abbekommen. Diese Mail, das Wissen um die Ankunft der RoXanne und die Position der Hippopotamus sowie die Abfahrt der Luiza und der Zeezot vor etwa drei Tagen führen bei uns zum Durchbruch. Alle unsere Freunde sind schon weit voraus und wir hängen immer noch in Mindelo herum. Es war schön hier, aber es ist nicht schön, der Nachzügler zu sein. Jetzt wollen wir los.
An der Apelia treffen wir auf Pako. Seine Italienerin kommt mit, braucht allerdings noch etwas Zeit. Er sieht das Reisefieber scheinbar in unseren Augen und empfieht uns, los zu segeln. Beim Abschiedstee verbrühe ich mir noch mein linkes Bein und verbringe den Rest der Teatime auf der Badeplattform sitzend und mein Bein im Hafenwasser kühlend. Ich könnte mich ohrfeigen für meine Tüddeligkeit. Der Moment ist denkbar schlecht gewählt. Aber als sich abzeichnet, dass es keine ernsthaften Wunden sind, beschließen wir endgültig, los zu fahren.
Das Ablegen ist ein bewegender Augenblick. Beide klettern wir nochmal auf den Ponton, um uns vom Festland und von Afrika zu verabschieden. Wir sind sehr bewegt, nemen uns in den Arm und sind uns sicher, dass wir ohne den anderen nicht hier wären.
Um 16 Uhr verlassen wir bei NO 4 nur unter HA-Fock den Hafen. John, Martin und Pako hupen zum Abschied doch mit dem Nebelhorn, dass Mari und Erwin uns geschenkt haben, stecken wir sie alle in den Sack. Es ist wirklich hammermäßig laut. Während wir zwischen Sao Vicente und Sao Antao nach Westen segeln, ist der Himmel mit feinen Cirren überzogen. Wir wissen nicht, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen sein wird.

Das Festland verschwindet langsam hinter uns.


Nach einer Stunde fallen wir vor den Wind ab und setzen zusätzlich die H-Boot-Fock. So geht es unter Passatbesegelung mit gemächlichen 5 Kn voran. Während ich in Michaels kleinem Kielschwein lese, einem herrlichen Büchlein voller Kuriositäten rund um Meer und Schifffahrt, kocht Steffi Tortellini ala Panna, die wir im Sonnenuntergang genießen. Danach spielen wir noch ein paar Folkstücke, aber wegen der rasch zunehmenden Dunkelheit steigen wir auf Konservenmusik um. Eng aneinander gekuschelt sitzen wir den Abend noch lange in der Plicht und genießen die Stimmung.
Die Kapverden waren sicherlich eines der Highlights dieser Tour - autentisch und bisher noch relativ verschont vom Konsumterror. Dies spiegelt sich auch in der hiesigen Yachtszene wieder. Es mutet komisch an: in Las Palmas, die Yacht-Schickeria, mit Booten um 50 Fuß, die mit Hilfe des "Betreuten Segenls" durch die ARC den Sprung über den Atlantik wagen, ausgerüstet mit allem, was ein Yachtausrüster hergibt. Auf der anderen Seite auf den Kapverden Boote um die 38 Fuß, gesegelt von Individualisten, denen finanzielle Grenzen gesteckt sind und deren Boote viel einfacher und bodenständiger ausgerüstet sind.

Mittwoch, 12.12.2007 (206. Tag, 2. Tag der Atlantiküberquerung)

Im Lee von Sao Antao nimmt der Wind immer weiter ab und wir rollen zwischen +10° und -10° hin und her. Möglicherweise müssen wir uns noch "einschaukeln", aber in dieser Nacht war an Schlaf kaum zu denken. Abends stand der Mond noch als schmale Sichel am Himmel, verschwand aber bald hinterm Horizont. Auf der kommenden Passage werden wir ihn wachsen sehen. Doch auch diese Dunkelheit hat ihren Reiz, da das Meeresleuchten viel intensiver ist. Im Morgengrauen hat der Wind auf Nord gedreht, sodass ich die H-Boot-Fock berge und das Groß setze. Steffi ist so erschlagen von ihrer Hundewache, dass sie von dem ganzen nichts mitbekommt und durchschläft.
Nach dem Aufwachen macht Steffi uns ein 1.Klasse Frühstück. Die Brötchen sind dick belegt mit Schinken, Käse, Gurken und Tomaten und ein Spiegelei macht die Maulsperre komplett. Der Ausguck ist heute einfach, denn die Wellen sind kleiner als 1 Meter. Wir sind allerdings beide richtig müde und der graubezogene Himmel macht einem die Wache nicht angenehmer. Nachdem ich die kapverdianische Gastlandsflagge geborgen habe, lassen wir den Motor und den Propeller für 15 Minuten laufen. Hoffentlich lässt dieses Karrussel die Flora da unten irgendwann aufgeben.

1.Klasse-Frühstück auf der Apelia.


Unsere Logge zeigt sich von ihrer schlechten Seite. Ich war gestern extra noch in die dreckige Hafenplörre gesprungen und hatte sie geputzt, doch jetzt streikt sie schon wieder. Bevor auf Barbados nur noch ein Korallenklumpen von unserer Logge übrig ist, ziehe ich sie von innen und entferne alle Kanäle des Strudelwürmchens, das es sich in ihr bequem gemacht hat. Danach rennt sie wieder wie eine 1 und ich muss zehn Liter Wasser aus der Bilge wischen. Der Druck mit dem das Wasser beim Wechsel ins Boot geschossen kommt, lässt mich mit Grausen an ein Leck denken.

Tim reinigt die Logge.


Ich habe die Öse am Hebel des Servoruders der Windfahne ganz nach Aussen geschoben. Hierdurch erzeugt sie zwar weniger Kraft, dafür aber mehr Weg und es scheint, dass Apelia viel sauberer geradeaus läuft.
Nachmittags werfen wir die Angel aus, allerdings vergeblich. Um kurz vor Mitternacht begegnen wir einem Fischer und aus Angst vor Netzen, funke ich ihn an. Es stellt sich heraus, dass er mit Haken fischt und der Spanier versichert uns, dass wir unseren Kurs beibehalten können. Steffi scheint sich inzwischen "eingeschaukelt" zu haben. Bis zu diesem Funkgespräch konnte sie in einem Stück durchschlafen.

Donnerstag, 13.12.2007 (207. Tag, 3. Tag der Atlantiküberquerung)

In ihrer Nachtwache bekommt Steffi Besuch von einem fliegenden Fisch, der sie mit seinem Radau aufschreckt. Bis sie ihn zu fassen bekommt und über Bord befördern kann, lässt er einiges an Schuppen zurück. Am nächsten Tag finden wir sogar an der Windfahnensteuerung Spuren. So ein Fischbesuch treibt den Adrenalinspiegel in die Höhe. Lange Zeit danach interpretiert man jedes Geräusch als einen nächtlichen Besucher. Während ich angesichts ihrer Masse eine "Leck-Mich-Am-Arsch-Einstellung" einnehme, krabbelt Steffi nachts schon mal aufs Vordeck (natürlich angeleint) um Leben zu retten.
Ich fühle mich heute wie erschlagen, habe Kopfweh und stehe irgendwie neben mir. So verbringe ich meine Morgenwache zum Großteil im Bett unterbrochen von viertelstündlichen Rundblicken, an die mich unsere Eieruhr erinnert. Vom "durch die Gegend Kollern" sieht sie inzwischen völlig ramponiert aus, tut jedoch verlässlich ihren Dienst, trotz gelegentlicher Salzwasserduschen. Hier zeigt sich der Vorteil der billigen Chinaprodukte, deren Zahnräder alle aus Kunststoff bestehen. Um 8.40 Uhr UTC (eine Stunde vor Bordzeit) höre ich ganz schwach das Funknetz zwischen Luiza und Zeezot. Die beiden sind drei bzw. zwei Tage vor uns gestartet und halten über ihre Kurzwellengeräte täglich Funkkontakt. Ob es an der frühen Uhrzeit und damit an der fehlenden Sonneneinstrahlung oder den Antennen liegt, wissen wir nicht, aber der Empfang ist so schlecht, dass wir nicht mal Inhalte verstehen.
Gegen Mittag lassen wir den Strudelwurm auf unserem Propeller wieder Karrussel fahren. Aber so richtig, bis 2000 Umdrehungen, damit ihm hoffentlich kotzübel wird und er sich nicht weiter ausbreiten kann. Ich habe vor allem davor Angst, dass der Bewuchs auf der Welle zu dick wird und damit die Versiegelung des Holzes an der Wellendurchführung durchscheuert. Wir wiederholen das Karrusssel ab jetzt täglich.
Steffis Tagwache verschlafe ich vollständig. Irgendetwas scheine ich auszubrüten. Bei Steffi kommt Langeweile auf und sie holt ihre Spanischunterlagen wieder hervor. Lange können diese allerdings mit Tolstojs "Krieg und Frieden" nicht konkurrieren, wo sich momentan wieder ein Protagonist zum Sterben vorbereitet.

Krieg und Frieden


Bei aller heutigen Trägheit stimmt uns das Tagesetmal fröhlich. Wir haben in den letzten 24 Stunden 150 Meilen zurück gelegt. Das ist ein Schnitt von mehr als 6 Knoten. Der Wind dreht allerdings langsam nach Ost. Wir werden unsere Besegelung aus HA-Fock und vollem Groß wohl nicht mehr allzu lange nutzen können. Dafür wird die Luft merklich milder.
Abends sehen wir Backbord voraus einen der gefürchteten Squalls. Das sind lokal begrenzte Schauerböen, die überall im Passatwind vorkommen. Sie ziehen langsam in nörliche Richtung, d.h. wir halten immer an Backbord nach ihnen Ausschau. Durch die herunterstürzenden Regenmassen schieben die Squalls eine Böenwalze vor sich her, die bis zu 40 Kn erreichen kann. Grund genug, um auf der Hut zu sein.
Zum Sonnenuntergang bekommen wir mal wieder Besuch von fliegenden Fischen und ich verabschiede die Sonne auf der Gitarre mit "House of the Rising Sun". Das passt zwar nicht so ganz, aber beim Sonnenaufgang bin ich einfach noch zu müde.
Aufgrund der starken Bewölkung und des jungen Monds, der nur in den frühen Abendstunden sichtbar ist, ist es in den Nachtwachen sehr dunkel. Dafür scheint die Gischt noch viel heller zu leuchten und es ist gruselig, wenn vor einem ein Wellenkamm bricht und man mit 7 Kn durch den phosphoriszierenden Teppich jagt. Man fragt sich in solchen Momenten unweigerlich, wieso die Welle da vor einem brach und ob nicht unter der Wasseroberfläche ein Kontainer treibt. Inzwischen sind wir nachts zwar viel entspannter als am Anfang, doch die Angst vor einer Kollision bleibt.
Freitag, 14.12.2007 (208. Tag, 4. Tag der Atlantiküberquerung)

Wir fahren immer noch unter Groß und Fock, die inzwischen öfter mal einfällt. Trotzdem machen wir gut 6 Kn Fahrt. Steffis Nachtwache war diesmal echt angenhem. Von Mitternacht bis 3 Uhr war sie hellwach und genoss das Meeresleuchten und die vielen Sternschnuppen. Um nicht ganz steif zu werden, macht sie nachts inzwischen Gymnastik. Jetzt hat sie Bauchmuskelkater! Aber so ganz spurlos gehen die 6-Stunden-Wachen nicht an uns vorüber. Die letzten zwei Stunden der Nachtwachen quälen wir uns häufig und nicken zwischen dem Klingeln der Eieruhr immer wieder ein.
Morgens ist das Funkgespräch zwischen der Luiza und der Zeezot noch schlechter zu verstehen. Ob es daran liegt, dass wir aufholen oder sich der Abstand zwischen uns vergrößert, wissen wir nicht.
Steffi hat nachts einen uns dicht passierenden Kontainerfrachter eingepeilt und berechnet über Strahlensätze, dass die Distanz etwa 600 Meter waren, vorausgesetzt, die vielen Annahmen stimmten.

Frühstücksvorbereitungen.


Zum Frühstück verdrücken wir den letzten Rest der Ananas, die wir in Las Palmas kauften. Sie hat sich drei Wochen gehalten und ist jetzt wirklich zuckersüß. Wir sind dankbar, dass uns die Frau vom Markt so gutes Obst und Gemüse verkauft hat. Ansonsten haben wir noch viele Äpfel, Kokosnüsse und Pampelmusen, sowie ein paar Orangen von den Kapverden, die allerdings sehr gewöhnungsbedürftig schmecken. Das Skorbutrisiko haben wir also im Griff. Steffi macht uns zusätzlich eine Honigmilch. Wir kämpfen beide mit Halsschmerzen und die warme süße Milch ist da ein richtiges Labsal. Vor allem übertüncht der Honig den ansonsten kaum genießbaren Geschmack der entrahmten H-Milch. Woher soll man auch wissen, dass "desnatada" entrahmt heisst?
Es bildet sich allmälich ein Ritual aus: erst Frühstück vorbereiten (für Steffi meistens Müsli, für mich Reste vom Vortag), dann frühstücken, dann waschen und evtl. Rasieren.

Tim rasiert sich.


Vormittags entdecken wir plötzlich einen nördlich fahrenden Bulker in unserem Kielwasser. Es ist jedes Mal erstaunlich, wie schnell diese doch so gigantischen Dinger auftauchen, obwohl wir viertelstündlich Ausschau halten. Nachts ist es bedeutend einfacher, da ihre Beleuchtung schon hinter dem Horizont hervorscheint. Ich funke ihn an und der indische Wachhabende taut nachdem er unsere Position hat, zusehends auf und versorgt uns mit Wetterinformationen. Auf 30° Nord hängt ein Tief. Doch bei uns hier unten herrschen einwandfreie 15 Kn Passatwind. Wir wissen eigentlich nicht mehr, was wir sonst noch fragen sollen, obwohl wir fast wie ausgehungert vor dem Funkgerät hocken und dieser menschlichen Stimme aus dem Nichts zuhören. Zum Glück hat er es nicht eilig, das Gespräch zu beenden, fragt uns nach unserem Ziel und erzählt, dass sie nach England fahren.Zum Abschied überrascht er uns noch mit einem "Merry Christmas" und schmunzelnd wünschen wir ihm dasselbe. Weihnachten unter diesen Temperaturen ist für einen Inder wohl normaler als für uns Nordeuropäer.
Da Steffi gestern eine Lebensmittelmotte entdeckt hat, räumt sie mittags die gesamte Kartoffelecke unter dem Herd aus. Anstatt des gefürchteten Riesenwurmnestes findet sie nichts und wir können uns entspannen.

Insepktion des Kartoffelvorrates.


Der Wind hat inzwischen auf 4 Bft zugenommen und weht aus NO. Apelia schießt mit 6,5 Kn nach Westen und kommt auf den etwa 2 Meter hohen Wellen ab und zu ins Surfen. Unser Etmal hat mit 160 Meilen ein neues Rekordniveau erreicht. Dafür ist der Himmel bewölkt und die überkommenden Spritzer machen es im Cockpit usselig. Wir hängen die Angel raus und verziehen uns zum Tee unter Deck. Da wir in Las Palmas die Papieretiketten von den Schokoladentafeln entfernt haben, ist es dem Zufall überlassen, welche Sorte man erwischt. Diesmal wählt Steffi mit sicherer Hand eine herrliche Bitterschokolade von Lindt.

Teezeremonie.


Diesmal hat es länger gedauert, aber nachmittags hängt eine Goldmakrele (Dorado) am Haken. Sie ähnelt in ihren Proportionen dem letzten Tun, leuchtet allerdings goldgelb in der abendlichen Sonne. Größer sollten sie nicht werden, denn das Einholen ist gute Arbeit. Ansonsten ist es dieselbe Prozedur wie immer: nach dem Willkommensschluck lässt sie sich problemlos töten. Sie ist insgesamt aber auch viel ruhiger als der Tun. Sobald sie stirbt, verblasst die gelbe Farbe und ihre Haut wird silberfarben. Zwischen den Schuppen sitzen Parasiten, die aussehen wir kleine Blutegel. Zusammen mit den Schuppen schaben wir sie ab und gut durchgebraten können sie uns wahrscheinlich nichts mehr antun. Das Fleisch der Makrele ist sehr zart, aber wegen seines leichten Fischgeschmacks gebe ich dem Tun eindeutig den Vortritt. Die Yuka, die wir als Beilage kochen, schmeckt leider total bitter. Es muss wohl an den härteren Umweltbedingungen der Kapverden liegen, dass sie geschmacklich nicht mit denen von den Kanaren mithalten kann. So ist dieses Fischessen nicht so ein Highlight wie beim letzten Mal. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir kurz vorher eine kleine Portion Nudeln gegessen hatten. Man weiss halt nie, wann ein Fisch beisst.

Abendessen.


Steffi nennt mich schon den ganzen Tag ihre "Minudel" und ich frage mich, ob es daran liegen könnte, dass ich aufgrund der Temperaturen nur noch nackt herum laufe. In dem Fall wäre ich aber lieber ihre "große Fleischwurst".
Nachmittags bergen wir die Fock, die aufgrund des raumen Kurses die meiste Zeit einfiel. Die Wellen werden kurzfristig ungewöhnlich steil. Und da es im Cockpit total naß wird, verzieht sich der Wachhabende unter Deck. Dafür schießen wir mit 7 Kn dahin und überschlagen die voraussichtliche Ankunftszeit. In unseren Köpfen entstehen Bilder von einer Ankunft am 1. Weihnachtstag.

Samstag, 15.12.2007 (209. Tag, 5. Tag der Atlantiküberquerung)

Nachts ist der Himmel wolkenlos und es zeigt sich ein grandioser Sternenhimmel. Die Konstellationen werden schon fast zum gewohnten Anblick und Orion, der abends hinter uns aufgeht und im Laufe der Nacht über uns hinweg zieht, gehört zu den vertrautesten Sternbildern. Das Schlafen fällt uns bei dieser Geschwindigkeit allerdings nicht leicht. Ab und zu rollen wir heftig, aber wenn Apelias Kiel in einem Surf leise anfängt zu brummen freuen wir uns doch wieder über die Geschwindigkeit. Steffi verbringt den Anfang ihrer Wache in der Koje. Doch die warme Nachtluft lockt sie um 1 Uhr doch ins Cockpit. Es ist wohl die Nacht der Sternschnuppen. Sie sieht so viele, dass sie aufhört zu zählen. Nachdem sie es sich gegen Ende ihrer Wache wieder in der Koje bequem gemacht hat, holt ein fliegender Fisch sie um 5 noch mal aufs Vordeck, aber er konnte sich von selber wieder ins Wasser retten.
Wir sind heute beide wie erschlagen und auch ich gehe meine Wache aus der Koje. Als ich die Eieruhr überhöre, weckt mich schießlich der Sturmalarm des Barographen. Das bedeutet eigentlich, dass der Druck schnell gefallen ist und damit starker Wind erwartet wird. Angezeigt werden allerdings ganz gewöhnliche 1013 mbar und da auch draussen nichts schlimmes zu sehen ist, segeln wir einfach weiter.
Mittags ist eine Wolkenbank von Osten über uns rüber gezogen, die aber keinen Sturm mit sich brachte. Dafür fallen einige ganz leichte Tropfen Nieselregen und wir sehnen uns nach mehr. Der salzverkrusteten und staubstarren Apelia täte eine Süßwasserdusche wirklich gut. Mit Steffis Wache schlafe ich direkt ein, so k.o. bin ich.

Ein erholsames Nickerchen.


Nach einem erholsamen Nickerchen machen wir uns gemeinsam ans Tagebuch tippen. Wir wollen gerne sofort nach unserer Ankunft ein Update ins Netz stellen und so nutzen wir die vielen freien Stunden an Bord zum tippen. Ich diktiere und Steffi schreibt, da ich mich nicht so wohl fühle, wenn ich zu lange auf den Monitor schaue.
Morgen ist der erste Advent. Wir halten es wie in der katholischen Kirche, der Sonntag beginnt schon mit dem Vorabend. Also legen wir abends Weihnachtsmusik auf und packen das 3. Adventpäckchen aus, das Steffi in Las Palmas gekauft hat. Bines Päckchen finden wir ums Verrecken nicht. So groß ist Apelia nicht, aber so sehr wir auch suchen, es bleibt verschollen. Aber das Fensterbild, was Binchen gemacht hatte, hängt jetzt über Steffis Bett. Gemeinsam kuschenln wir uns in meine Koje und lauschen der herrlichen Musik von Saint Saens.
Achtung: Erzählerwechsel!
Später entdecken wir, dass der Mast in regelmäßigen Abständen beunruhigend knackt. Nachdem Tim sich draussen alles ausgiebig angeschaut hat, kommt er zu dem Schluss, dass es ein loses Niet am Niederholerpütting sei. Sicherheitshalber bergen wir das Groß und wechseln auf Passatbesegelung. Leider machen wir jetzt nur noch 6 Kn Fahrt. Ich merke, dass ich ganz schön gereizt bin. Ständig verstehe ich irgendetwas, was Tim sagt, als Vorwurf. Das macht wahrscheinlich der Schlafmangel.
Nachts liege ich im Bett und stelle mir vor, was es morgen zu Essen geben soll. Zum Frühstück will ich einen Obstsalat machen und eine Linsensuppe zum Abendessen. Mir läuft richtig das Wasser im Mund zusammen. Ich bin fasziniert, dass die bloße Vorstellung von bestimmten Lebensmitteln ausreicht, um die Speichelproduktion anzuregen.

Sonntag, 16.12.2007 (210. Tag, 6. Tag der Atlantiküberquerung)

Nachts regnet es. Wir hatten immer erwartet, dass mit dem Regen auch eine heftige Böenwalze kommt, aber dem ist nicht so. Dieser Regen bringt überhaupt keine Veränderung im Wind mit sich. Wir vermuten, dass die gefürchteten Squalls hier noch im Entstehungsstatium sind und deshalb ohne viel Aufsehens vorbeiziehen.
Wir sind beide ziemlich müde und ich schlafe lange aus. Zum Frühstück gibt es dann Obstsalat mit Kefir und einem Joghurt aus Las Palmas, der immer noch frisch wirkt. Den haben wir vor drei Wochen gekauft. Uns war gar nicht bewusst, wie lange Naturjoghurt ohne Kühlung haltbar bleibt.
Nach diesem Frühstück sind wir beide munter. Die Wellen sind länger und das Cockpit ist trocken. Dazu scheint eine schöne warme Sonne. So setzen wir uns nach draussen und machen erst einmal zusammen Musik. Es ist toll, wie schnell Tim Fortschritte macht. Es macht mir richtig Spaß, zu hören, wie er selber rumprobiert und so weiter kommt.

Es ist warm draussen...


Unser Etmal von 145 Meilen ist zufriedenstellend, auch wenn wir gerne noch mehr gemacht hätten. Aber man sollte bescheiden sein.
Heute ist Sonntag, also setze ich mich, nachdem ich mich "kirchenfein" gemacht habe, auf das Brückendeck und besuche meine "Privatmesse". Ich lese die Tageslesungen und das Tagesevangelium. Ist nur ein schwacher Ersatz für eine richtige Messe, aber mehr ist momentan nicht möglich. Währenddessen hat Tim sich wieder hingelegt und wacht erst wieder auf, als der Duft von frisch gekochter Linsensuppe durch den Salon zieht. Herrlich, das bringt einen wieder auf die Beine. Gestärkt machen wir uns wieder auf gewohnte Manier ans Tagebuch tippen: Tim diktiert und ich schreibe. Weit kommen wir nicht, denn es ist Zeit für ein Wetterfax. Tim hat lange rumprobiert und jetzt empfängt er sauber die Wetterfaxe, die zu bestimmten Uhrzeiten gesendet werden. Wir stellen fest, dass über dem Nordatlantik ein mächtiger Sturm wütet. Gut, dass wir so weit südlich sind. Hier wird der Sturm nicht hinkommen.
Das Leben auf so engem Raum ist für meinen Körper eine hohe Belastung. Ich merke, dass ich schnell Rückenschmerzen bekomme, wenn ich meine tägliche Gymnastik nicht mache. Auch der Nacken ist oft verspannt. Das liegt wahrscheinlich daran, das wir schwitzen und dann ohne Decke schlafen. Kommt dann frische Luft durch die Luke wird der Nacken kalt und die Muskeln hart. Auch die Knie beschweren sich. Man legt hier zu Fuß ja keine Strecke mehr zurück. So verkürzen sich die Sehnen und nur mit Dehnübungen kann ich die Schmerzen im Knie weg bekommen. Ganz nebenbei sitze ich mir häufig den Popo wund. Oft ist er ein bischen feucht, weil das Kissen, auf dem ich sitze voller Salz ist und deshalb nie ganz trocken wird. Während der Nachtwachen sitze ich viel, um zu verhindern, dass ich einschlafe. So trägt der Po eben auch seine Spuren davon.

Montag, 17.12.2007 (211. Tag, 7. Tag der Atlantiküberquerung)

Die Nachtwache geht heute schnell vorüber. Mit Hirschhausens "Glücksbringer", Elvis, Sibelius und Singen rauscht die Zeit nur so dahin und ich gehe erst um 5:20 Uhr unter Deck. Jawohl, ich singe nachts häufig. Es macht Spaß so in die Dunkelheit rein zu singen. Keiner hört einen und man kann nach herzenslust schmettern. Ich merke, wie sich ganz nebenbei meine Kiefermuskulatur lockert beim Singen. Der Mond ist gerade halb und liegt auf seiner runden Seite. Das sieht lustig aus. Heute sehe ich nur zwei Sternschnuppen. Die haben dafür irre lange Schweife. Früh morgens scheint am Horizont ein Schiff auf zu tauchen. Das Positionslicht kommt immer näher. Irgendwann merke ich, dass das vermeintliche Positionslicht ein gerade aufgegangener Stern ist.
Mittags sagt der GPS noch 1200 Meilen. Wenn man im Schnitt gut 6 Knoten läuft, sind es noch acht Tage, d.h. wir kämen am 1. Weihnachtstag an. Wie schön wäre das. Vielleicht könnte ich dann noch in die Kirche gehen. Aber das ist noch lange hin und 6 Knoten im Schnitt ist auch ganz schön schnell.
Tim fühlt sich den ganzen Tag nicht gut. Wahrscheinlich ist es der Schlafmangel, denn die Nacht war recht ruppig. Wir hatten viel Wind und flogen mit 7 Knoten dahin. Ab und zu rollten wir aber sehr stark. Senkrecht zur Passatwelle steht ein Schwell aus Nord nach Süd. das ist vielleicht das Überbleibsel vom Sturm im Nordatlantik. Dieser Schwell erwischt uns voll von der Seite und lässt Apelia immer wieder wild rollen.
Langsam wird Tim aktiver. Er bindet eine Manschette um das Niederholerpütting, um das lose Niet nicht noch loser zu machen. Wir versuchen ab jetzt, das Groß nicht mehr zu fahren. Nachher gelüstet es uns nach Kokosnuss. Nachdem Tim die zweite schlechte Nuss geöffnet hat, gibt er entnervt auf. Bisher hatten wir immer Glück mit ihnen. Hoffentlich haben sie nicht alle ihr "Haltbarkeitsdatum" überschritten. Statt dessen gibt es die Reste der Linsensuppe. Sie schmeckt einfach himmlisch.

Tim repariert notdürftig das Niederholerpütting.


Hiner uns wird ein Squall durch seinen Regenbogen sichtbar. Wir hoffen, dass er an uns vorbei nach Nord zieht, was er denn auch tatsächlich tut.

Ein Squall zieht auf.


Wir sind ganz fasziniert von den 18° Varianz die der Kompass hier aufzeigt.
Die letzten Nächte hatte ich immer Probleme, einzuschlafen. Tim versucht es mit Reflexzonenmassage. Das ist unheimlich beruhigend. Trotzdem bekomme ich vor meiner Hundewache kaum Schlaf.
Die Wellen sind plötzlich sehr groß und sehr lang und Apelia kommt teilweise gar nicht mehr aus dem Surfen raus. Der Windpilot hält uns aber sicher auf Kurs.

Dienstag, 18.12.2007 (212. Tag, 8. Tag der Atlantiküberquerung)

Der Tag beginnt richtig schlimm. Warum ziehen die Wellen nachts immer so an? Wir krängen teilweise weit über und so mancher brechende Kamm geht über das ganze Boot. Unter Deck fliegen sogar ein paar Kartoffeln und Tomaten aus dem Gemüsenetz. Apelia krängt wirklich so weit, dass mir Angst und Bange wird. Entnervt kommt Tim aus dem Bett gekrochen und findet endlich die Ursache: Ein Zipfel der Nationale hat sich in ein Umlenkröllchen vom Windpilot verwuselt. Nachdem ich die Nationale befreit habe, kann der Windpilot besser auf die Wellen reagieren und das schlimme Krängen wird weniger.
Die Nacht hat aber noch mehr böse Überraschungen für mich: Ein Fisch taucht hinter meinem rechten Ohr auf, fliegt quer durchs Cockpit und landet gegenüber wieder im Wasser. Eine Meisterleistung, die meinen Adrenalinspiegel wieder hoch treibt. Zur Beruhigung gibts den Kleinen Prinzen als Hörbuch.
Ich frage mich, ob meine neue Ölhose schon undicht ist. Ich habe jedesmal das Gefühl, dass ich einen nassen Po habe, wenn ich von der Wache komme. Aber es kann auch einfach sein, dass das Unterzeug langsam so salzig ist, dass es nicht mehr richtig trocknet. Hoffen wir mal das beste. Bei so einem feuchten Hinterteil macht es draußen keinen Spaß mehr. Ich verkrieche mich in die Koje und beende den 2. Band von "Krieg und Frieden". Draußen ist der Himmel weitläufig von Schauerwolken überzogen. Mehrfach wecke ich Tim, weil ich mir nicht sicher bin, ob wir besser eine Fock bergen, bevor eine heftige Böenwalze uns erwischt.
Zur Wachübergabe sind es noch 1052 Meilen bis Barbados. Also haben wir Halbzeit.

Halbzeit.


Wassertemperatur beträgt 26.7°. Wahnsinn! Aber das kann meine Laune auch nicht heben. Ich fühle mich matt und ausgekotzt. Ausserdem habe ich Bauchschmerzen. Da kommt eine Abwechslung ganz gut. Wir haben ja noch das Boot, was ich als Abschiedsgeschenk von meinen Kollegen bekommen habe mit der Anweisung, es mitten auf dem Atlantik auszusetzen. Na, wenn das nicht Mitten auf dem Atlantik ist! Ich setze es über Bord und es fährt mit einer Mordsschräglage Richtung Süden. Ich wollte noch ein Foto machen, aber es wandert zu schnell achteraus. Da wird einem wieder bewusst, wie schnell man verschwunden ist, wenn man über Bord geht. Also immer schön anleinen, damit das nicht passieren kann.

Das TEam-Boot wird ausgesetzt.


Unser Tagesetmal: 160 Meilen!
Es gibt nicht mehr viele frische Lebensmittel an Bord, aber in der Backskiste lauern noch ein paar Trümpfe. Ich wähle heute einen schönen Kappes und mache einen frischen Krautsalat. So was frisches geht immer. Da lässt man gerne die besten Spaghetti für stehen. So gestärkt macht auch die Hausmusik wieder Spaß.

Mittwoch, 19.12.2007 (213. Tag, 9. Tag der Atlantiküberquerung)

Zu Beginn meiner Wache beleuchtet ein schöner Halbmond alles. Es sind noch 944 Meilen. Ich hoffe immer noch auf den 1. Weihnachtsfeiertag. Wie immer verbringe ich den ersten Teil der Hundewache draussen. Ich halte es diesmal aber nur bis 3 Uhr aus, dann verkrieche ich mich ins Bett. Alle 20 Minuten (mehr oder weniger) stehe ich auf und schaue mich mal um. Dabei bekomme ich endlich mal wieder eine Gänsehaut vor Kälte. Ich kuschel mich mit Gänsehaut überzogen wieder ins Bett. Wie lange habe ich dieses Gefühl nicht mehr gehabt. Obwohl wir Tag und Nacht unbekleidet sind, ist Gänsehaut wirklich eine Seltenheit geworden.
In Tims Wache lauschen wir mal wieder der deutschen Welle. In Deutschland sind es zwischen -4 und + 5 Grad. Brrr... Der Vorweihnachtskaufrausch ist wohl im vollen Gange. Da ist es gut, hier mitten in der Einsamkeit zu sein.
Unser Etmal ist nicht sehr berauschend: 120 Meilen.
Der Wind drückt uns immer nördlicher. Das veranlasst uns, die beiden Bäume der Focks zu tauschen. So können wir mehr Süd fahren, ohne dass die Segel einfallen.
Es ist sehr schwül und wir werden träge. Wir verkriechen uns beide ins Bett zum Lesen. Zum Wachwechsel können wir uns wenigstens zum Spülen aufraffen. Tim liest mir Dirks und Stines Bericht über deren Atlantiküberquerung vor. Was haben wir doch für ein Schwein mit dem Wetter! Bisher keine wilden Böen, wenig Regen und relativ zuverlässigen Wind. Da kann man nicht meckern, wenn man das mit anderen vergleicht. Wir schmökern schon mal in ein paar Karibik-Büchern. Was für eine aufregende Welt uns da erwartet. Ich freue mich sehr aufs Ankommen.
Es ist eine herrliche Abendstimmung. Tim klampft, ich bete meine Vesper, wir bewundern die Wellen, versuchen sie sogar zu filmen. Abends, wenn es nicht mehr so schwül ist, sind wir oft beide munter, sitzen draußen zusammen und geniessen.

Abendstimmung.


Beide haben wir noch gelesen, aber um 22 Uhr ist Tim so müde, dass ich seine Wache übernehme. Das erste, was ich beim Rumschauen sehe, ist ein Schiff! Da haben wir uns lange drauf gefreut. Tagelang sind wir niemandem mehr begegnet. Wir hoffen, dass wir einen netten Funker erwischen, um ihn zu bitten, eine Email an Andreas Baumgart zu schicken. Wir denken, das ist eine Beruhigung für alle unsere Verwanten und eine schöne Überraschung obendrein. Aber was für eine Enttäuschung! Tim funkt ihn an und er erzählt was von "kein Englisch". Ne klar, die setzen da sicher einen Funker hin, der kein Englisch kann. Wers glaubt, wird selig. Na, da kann man nichts machen. Tim verkrümelt sich wieder ins Bett und ich setze "Krieg und Frieden" fort. Nachts bekomme ich plötzlich tierisch Lust auf Eliesenlebkuchen. Auf die werde ich wohl dieses Jahr verzichten müssen. Schade drum. Ich freue mich jetzt schon auf Weihnachten in Deutschland 2008!

Donnerstag, 20.12.2007 (214. Tag, 10. Tag der Atlantiküberquerung)

Um drei Uhr bin ich hundemüde. Ich verschlafe meine Eieruhr und Tim übernimmt wortlos meine Wache. Gut eine Stunde später schrecke ich hoch, aber Tim beruhigt mich und sagt mir, er kümmere sich um alles. Als er so im Niedergang sthet, entgeht er nur knapp einem Anschlag. Ein fliegender Fisch knallt mit voller Wucht neben ihm in das Segelkleid. Auch die Plicht ist voller Fischleichen. Und beim Pinkeln kniet er sich in einen toten Fisch. Alles stinkt nach Fisch! Pfui!
Mit Sönkes "Auszeit unter Segeln" geht die Nacht schnell rum. Trotzdem gibt es einiges zu erleben in dieser Nacht: plötzlich ist der Mond in den Wolken verschwunden und es wird duster. Achteraus zieht ein Squall auf. Zwar ist unter den Wolken noch ein Stern sichtbar, aber er flackert. Dann fängt es an zu regnen. Aber die gefürchtete Böenwalze bleibt auch diesmal aus. Es ist gemütlich, den Regen an Deck zu hören. Erinnert ein bischen an England, nur diesmal in T-Shirt statt dick eingemummt. Zuhause sind -2 bis 3° vorhergesagt.... Die ganze Nacht tingelt Apalia schon mit gemütlichen 6 Knoten dahin. Das Rollen (+ 5° bis - 5°) nervt überhaupt nicht mehr und wir fühlen uns völlig sicher. Es ist schon seltsam, wenn man zum Pinkeln nach hinten in die Plicht klettert (natürlich eingepickt), um einen herum ist alles dunkel, aber man fühlt sich heimisch.
Um 7 Uhr bergen wir die H-Boot-Fock. Hinter uns verdunkelt eine schwarze Wand die Sterne. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten, weil ich mal wieder meine Tage habe und mit schlimmen Kreislaufbeschwerden und Bauchkrämpfen kämpfe. Mir wird immer elender. Dann muss ich mich zum ersten mal übergeben. Danach muss ich auch noch aufs Klo. So, das ist erledigt und die Krämpfe setzen wieder ein. Sie werden immer stärker, bis ich mich wieder übergeben muss. Und das ganze Spiel wiederholt sich mehrmals. Die Tablette, die entkrampfend wirken soll, kann ich nicht bei mir halten und auch die Cola, die meinen Kreislauf heben soll, kommt schnell wieder raus. So elend habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. An Wache gehen ist überhaupt nicht zu denken. Armer Tim.... Endlich nach anderthalb Stunden Kampf falle ich in einen leichten Schlaf und kann die Schmerzen vergessen. Mittags erwache ich noch ziemlich schwach, aber die Schmerzen sind vorbei. Gott sei Dank!
Wir dümpeln mit 4,2 Knoten dahin. Das ist ziemlich zermürbend. Wir lagen so gut in der Zeit und jetzt lässt uns der Wind im Stich. Bei dem Tempo rollt Apelia auch viel stärker. Es ist unerträglich heiß. Mein Bett ist ganz klamm vom Schweiß. Unter Deck sind es 32° und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Ich habe Kopfschmerzen und Tim ist wach, deshalb geht er mal wieder für mich Ausguck. Ein Squallausläufer erwischt uns, wie immer ohne Starkwind, dafür aber mit Regen, der gemütlich auf Deck prasseld. Von dem Geräusch angelockt, stehen wir beide im Niedergang und lassen die kühlenden Tropfen auf uns regnen. Was für eine schöne Abkühlung.
Tim schlägt vor, dass wir einen Film schauen. Leider stellt sich heraus, dass der Stecker vom Netzteil kaputt ist. Wir können also das Notebook nur noch mit Batterie laufen lassen. Ich bin dagegen, den Akku leer zu fahren. Dann könnten wir auch keine Wetterfaxe mehr ziehen. Also setzt Tim sich hin und improvisiert einen neuen Stecker. Was hab ich für einen Supermann. Auf See, mit wenig Hilfsmitteln, aber Tim bekommts hin! So kuscheln wir uns in seine Koje und schauen Harry Potter. So ein bischen "Konsum" zwischendrin ist echt schön.

Gott sei Dank, das Notebook funktioniert wieder.



Freitag, 21.12.2007 (215. Tag, 11. Tag der Atlantiküberquerung)

Heute Nacht hat der Wind endlich wieder aufgefrischt. Zum Glück. Diese Dümpelei macht einen ganz nervös. Jetzt läuft es wieder mit fünfeinhalb Knoten.
Es kommen immer wieder Squalls auf und der Wind schwankt zwischen 3 und 6 Bft. Wir freuen uns also über die Squalls, weil sie Apelia ordentlich auf Trab bringen.
Bis 3 Uhr kann mich "Krieg und Frieden" wach halten, aber dann nicke ich ein. Es wiederholt sich das selbe Spiel wie am Vortag. Tim übernimmt und ich schrecke wesentlich später auf. Um 8 Uhr morgens übernehme ich wieder. Jetzt sind die Wachzeiten so durcheinander, dass wir uns auf neue Zeiten einigen: Tim geht von 3 bis 9 und von 15 bis 21 Uhr Wache und ich mache den Rest. Die ursprüngliche Verteilung funktioniert einfach nicht mehr. In der Wache schläft man zu früh ein und in der Freiwache kann man keinen Schlaf finden. Vermutlich liegt es daran, dass wir immer weiter nach Westen fahren und dabei die Uhr nicht umstellen. Wenn wir auf Barbados ankommen haben wir eine Zeitverschiebung von 5 Stunden mitgemacht.
Mittags sind wir beide wach. Tim brät sich ein Ei zum Frühstück. Eigentlich "betritt" er nie die Küche unterwegs. Offensichtlich macht ihm das Geschaukel nun überhaupt nichts mehr aus. Wie schön. Nach dem Hängertag gestern habe ich wieder Tatendrang und fange an zu putzen. Ich beginne im Bad. Da ist wohl mal eine Welle durchs Luk gekrochen und hat alles mit Salzwasser überzogen. Da wirkt so ein Wischlappen mit Süßwasser echt Wunder. Dann geht es weiter im Salon auf der Steuerbordseite. Ich räume alle Fächer leer und wische überall. Da unser Apfelvorrat fast aufgebraucht ist, haben wir unter dem Navitisch richtig viel Platz gewonnen. Also schleppe ich die Milch, die bisher im Mittelgang stand, in die Naviecke und verstaue sie dort. Weil das Putzen an Steuerbord so gut ging, setzte ich das an Backbord fort. Dabei entdecke ich eine Ölspur, die sich auf dem Stringer durch 2 Fächer zieht. Ich verfolge die Spur zurück und finde den Übeltäter: Ein schon lange geöffneter Käse im Küchenschrank ist wohl "ausgelaufen". Gut, ich muss also erst den Küchenschrank putzen, bevor ich im Salon weitermache. Leider muss der Käse über Bord. Ich konnte ihn sowieso schon lange nicht mehr sehen und riechen! Ich entferne alles Fett aus dem Schrank. Apelia kommt dabei auf die Idee, ganz dolle Bewegungen zu machen. So ergiesst sich mein Eimerchen mit (inzwischen richtig dreckigem) Putzwasser in die Bilge. Toll! Dann muss ich also auch noch die Bilge wischen. Die hat sich aber doppelt gefreut, weil sie immer noch unter dem Salzwasser litt, dass beim Reinigen der Logge ins Boot gesprudelt ist. Jetzt ist aber wieder alles ordentlich und super sauber. Weihnachten kann kommen!. Und nebenbei hatte das Putzen noch den Effekt, dass ich das lange vermisste "Seehaargummi" wieder gefunden habe. Ich habe da ein spezielles Haargummi, das besser hält als alle anderen. Das benutze ich eigentlich immer auf See. Das hält nämlich auch nachts die Haare zusammen. Ich kämme mir vormittags einmal die Haare, verknote sie neu und dann hält das für die nächsten 24 Stunden. Aber das geht eben nur mit diesem Haargummi, was ich schon als verschollen erklärt habe. Aber jetzt ist es wieder da. Und nochwas: Die lange gesuchten Weihnachtsgeschenkchen von meiner Mama sind wieder aufgetaucht. Ich war in Sorge, dass wir sie nicht rechtzeitig finden und zu Weihnachten wirklich gar nichts zum Auspacken haben. Jetzt liegen sie hinter dem Navitisch und zwinkern einem verführerisch zu, wenn man eine neue Position in die Karte einträgt.

Ab und zu begibt sich mal ein Sternchen auf Abwege und verharkt sich in meinem Haar.


Noch 625 Meilen bis Barbados. Der GPS, der beharrlich die ganze Fahrt behauptete, es seien noch 99h59min bis zur Ankunft, fängt jetzt an, runter zu zählen. Offenbar ist es ihm undenkbar, dass man mehr als 100 Stunden am Stück unterwegs sein kann, oder er hält es für sinnlos, so weit in die Zukunft Prognosen über die Ankunftszeit zu machen.
Auf See entwickelt man einen völlig neuen Geschmack. Es werden einem Nahrungsmittel zu wider, die man normalerweise ganz gerne isst. Das geht so weit, dass der Geruch oder der blosse Gedanke an dieses Nahrungsmittel Brechreiz hervorrufen kann. Andererseits isst man plötzlich Sachen, die man Zuhause nicht essen würde. Tim z.B. liebt süßes Frühstück aber hier an Bord hat er auch gerne mal ein Spiegelei mit Röstzwiebeln zum Frühstück. Für mich war dieser Käse im Küchenschrank ein Grund, um Brechreiz hervor zu rufen. Jedes mal, wenn ich etwas aus dem Schank genommen habe, musste ich die Luft anhalten. Aber der ist ja jetzt baden gegangen. Hoffentlich finden die Fische ihn nicht auch zum Kotzen.

Samstag, 22.12.2007 (216. Tag, 12. Tag der Atlantiküberquerung)

Die Nachtwachen werden inzwischen zur völligen Gewohnheit. Wir lesen unter Deck, schlummern oder essen etwas. So vergeht die Zeit ziemlich schnell, während uns die Eieruhr alle 15 Minuten zum Herumgucken rausklingelt. Leider sind wir für die fliegenden Fische keine Gewohnheit. Morgens ist das Boot oft bedekt mit ihren Leichen. Die Großen schaffen es von selbst wieder ins Wasser, aber die Kleinen leider nicht. Sie machen aber auch nicht genug Lärm, dass man sie unter Deck hören würde. Es tut mir jedes mal leid, morgens die ganzen Leichen einzusammeln und wieder ins Wasser zu befördern.

Suizidaler fliegender Fisch.


Es ist zehn Uhr morgens und ich bin total erschlagen. Ein Topf war vom Herd gerutscht, hatte mich geweckt und mich daran erinnert, dass ich schon seit einer Stunde Wache habe. Tim, der Liebe, hat mich nicht geweckt, weil ich so fest am schlafen war. Naja, jetzt hat es der Topf besorgt. Wir haben die 500 Meilen unterschritten! Heute Nacht habe ich den 3. Band von "Krieg und Frieden" beendet. Ob ich das riesige Werk noch vor Ankunft gelesen habe?
Abends taucht wieder ein Frachter auf. Tim funkt ihn an. Sie fahren nach Angola. Was wäre ich ohne den kleinen Taschenatlas, den mir Barbara von der RoXanne zum Geburtstag geschenkt hat? Angola steht da nämlich auch drin. Überhaupt stehen da allerhand interessante Sachen drin. So sind z.B. auch die ganzen Flaggen der Karibischen Inseln drin, ihre Religionsrichtung, ihre Hauptstadt, ihre Währung.... Sehr praktisch. Tim ist einigermassen alarmiert, wie schnell das Schiff uns passiert, nachdem wir es zum ersten mal entdeckt haben. Wir kommen jetzt in befahreneres Gebiet uns einigen uns darauf, wieder im Viertelstundentakt auszuschauen, statt alle 20 Minuten.
Heute haben wir beide viel draussen gesessen. Bei Wind ist es trotz der Sonne an Deck erfrischender als in der Kajüte. Jetzt hat Tim Sonnenbrand. Schon lange her, dass wir das letzte mal zu viel Sonne getankt haben. Unsere Haut ist schon einiges gewöhnt. Aber das Leben an Bord hinterlässt auch seine Spuren an ihr. Meine Hände pellen sich ständig. Ich vermute, dass kommt von dem vielen Salzwasser mit dem wir an Bord so gut wie alles machen (waschen, spülen...).

Sonntag, 23.12.2007 (217. Tag, 13. Tag der Atlantiküberquerung)

Eigentlich sollte ich gestern um 21 Uhr meine Wache übernehmen, aber Tim war noch fit und ich war müde, sodaß ich meine Wache erst um Mitternacht angetreten habe. Wir gehen jetzt immer mehr zu einem "flexiblen" Wachsystem über. Wer gerade wach ist, hat die Verantwortung. Und zwar so lange, bis der andere aufwacht und übernimmt oder bis man selber nicht mehr kann und den anderen zum Übernehmen zwingt. (Kommt eigentlich nie vor, weil man einfach wegnickt und gar nicht merkt, dass man keine Wache mehr geht...) Zu Anfang meiner Wache scheint ein herrlicher, fast voller Mond und erleuchtet alles beinah taghell. Trotzdem kann ich die Sternschnuppe sehen, die ziemlich groß ist und ziemlich hell. Kurz vor dem Verlöschen teilt sie sich noch. Was für ein Schauspiel!
Jetzt hängen wir in einem heftigen Schauer, der uns fast auf Nord hochdrückt. Man merkt das drehen des Windes zuerst daran, dass die Wellen anders kommen. Tim hat das Gefühl, dass wir gegen die Wellen anfahren. Zum Glück dreht der Wind wieder langsam zurück. Sonst hätten wir bei dem Pladderregen eine Fock bergen müssen, denn halben Wind kann man mit der Passatbesegelung nicht fahren. 20 Meilen südlich von uns befindet sich die Wetterboje "West Atlantic". Gut, dass sie bei der schlechten Sicht wegen des Regens so weit südlich ist.
Ich werde um 7:20 unsanft aus meiner Freiwache geweckt. Tim funkt mit einem Frachter, der von achtern aufkommt. Sofort, nachdem er unsere Position empfangen hat, weicht er aus, um uns keine Schwierigkeiten zu machen. Sehr lieb! Beunruhigend ist, dass die Frachter uns alle nicht auf ihrem Radar sehen. Wahrscheinlich fahren wir unseren Radarreflektor zu tief, sodass sein Echo in den Wellentälern verschwindet. Als Tim dem Funker zum Abschied "Merry Christmas" wünscht, scheint der Spanier ganz gerührt zu werden und wünscht uns viel Spaß auf Barbados.
Um 9 Uhr stellt Tim Fukkontakt zur slovakischen Yacht M.R.Stefanik her, die hinter uns am Horizont auftaucht. Der Eigner (?) ist sehr herzlich und die beiden quatschen 30 Minuten lang auf Deutsch, da der Slovake sehr gut deutsch spricht. Leider fahren sie nach Martinique. So kreuzen sich unsere Wege nicht für ein Foto.
Es ist wieder Sonntag und ich mache mich wieder "kirchfein" (waschen, Maniküre, Haare kämmen...). Jetzt ist Zeit, das Tagesevangelium und die Tageslesungen zu lesen. Wie freue ich mich auf eine richtige Messe, wenn wir Barbados erreicht haben. Voraussichtlich kommen wir am 2. Weihnachtstag an. Das ist mein Namenstag. Ich hoffe so sehr, dass ich dann schon eine Messe besuchen kann.
Tim ist wieder mit voller Wucht beim Gitarre lernen. Nachdem er sich wohl ziemlich lange vor einer Sache gedrückt hat, übt er jetzt voller Elan das "Hammering". Dabei schlägt man eine Saite an und stellt anschließen mit ordentlich Druck einen Finger auf diese Saite. So erhält man einen neuen Ton, ohne die Saite erneut mit der rechten Hand angeschlagen zu haben. Es klingt wirklich toll. Ich bin begeistert, wie schnell er das lernt. Sein aktuelles Lieblingslied ist "Heute hier, morgen dort..." von Hannes Wader. Passt vom Text her auch ganz gut zu unserer Tour finde ich.
Unser Etmal ist enttäuschend: 128 Meilen. Von den versprochenen 20 Knoten Wind merken wir leider überhaupt nichts und Apelia dümpelt wieder mit zermürbender Langsamkeit durch die Wellen. Dazu brennt die Sonne unbarmherzig vom Himmel, sodaß wir uns tagsüber in den Schatten der Kajüte zurück ziehen. Tim verbrennt sich fast den Popo, als er sich auf die heiße Travellerschiene setzt. Wir könnten schon beinah da sein, wenn nur der Wind mitspielen würde. Tja, da muss man wohl Geduld haben.

Unser ständiger Begleiter: das Wasser.


Um 17 Uhr bekommen wir einen Kurzbesuch von einer Delphinschule, wofür Tim mich weckt. Ich bin kaum wach, da haben es sich die Jungs schon wieder anders überlegt und ziehen weiter. Schade! Wir vermuten, dass wir einfach nicht genug Welle erzeugen und somit für sie nicht interessant sind. Da ist Apelia wohl zu schlank für.
Seit dem habe ich es mir mit dem Notebook unter Deck gemütlich gemacht und habe die ganze letzte Woche im Tagebuch aktualisiert. Zwischendurch alle 15 Minuten einmal rundum schauen, aber bisher habe ich kein weiteres Schiff entdeckt.
Morgen ist heilig Abend. Ich habe mir vorgenommen, dass ich meinen Haaren eine Wäsche gönnen und anschließend mit Süßwasser nachspülen werde. Ich finde, dass darf für Weihnachten schon mal sein. Tim hat darüber nachgedacht, ob er Plätzchen backen soll. Mal sehen, ob wir das machen. Leider haben wir nicht so viel Butter und dann auch noch gesalzene. Ich weiss nicht, ob das zum Plätzchenbacken geeignet ist. Aber Salzbutter hält sich ausserhalb des Kühlschranks einfach viel besser als ungesalzene. Dann haben wir ja noch die Päckchen von Mama. Und ich habe auch noch eine kleine Überraschung für Tim. Vielleicht werden wir einen schönen Tun fangen und ein prächtiges Weihnachtsessen machen. Mal sehen. Zur Not tuts aber auch Dorado. Ich wünschte mir so, dass wir meine Eltern erreichen können, um ihnen frohe Weihnachten zu wünschen. Aber das muss wohl noch zwei, drei Tage warten.
Unser Wach-, Schlaf- und Essrhytmus ist ziemlich durcheinander. Heute essen wir noch um 21:30 Uhr unsere Nudeln mit Pesto. Danach sitzen wir noch lange draussen und geniessen die Vollmondnacht. Dabei versuchen wir beide zu ignorieren, dass der Wind fast völlig eingeschlafen ist. Wie immer gehören diese Abendstunden mit zu den schönsten des Tages.
Montag, 24.12.2007 (218. Tag, 14. Tag der Atlantiküberquerung)

Ich finde Tim um 3 Uhr schlafend vor und übernehme die Wache. Ich bin zwar selbst hundemüde, aber ich hoffe, dass die frische Luft mich wieder munter macht. So setze ich mich nach draussen und singe Adventslieder. Zum Glück hat der Wind wieder etwas aufgefrischt. Es sind noch 290 Meilen bis Barbados und ich habe die Hoffnung endgültig begraben, am 1. Weihnachtstag anzukommen. Irgendwann wird mir das Singen auch langweilig und ich gehe unter Deck. "Krieg und Frieden" beginnt, sich in die Länge zu ziehen. Statt der 2000 Seiten hätten es auch gut 1500 getan, finde ich. Aber das darf man natürlich einem Herrn Tolstoj nicht sagen. Nach einer guten Stunde lesen beginnen mir die Augen zu zu fallen. Leider ist es erst 6 Uhr morgens. Noch viel zu früh, um Tim zu wecken. Also beschließe ich, mich wieder an Deck zu setzen. Dazu entscheidet sich wohl zeitgleich ein ziemlicher Brummer von Fisch. Er landet genau vor mir auf dem Brückendeck, als ich aus der Kajüte klettern will. Mindestens 20 cm ist er lang. Es ist wirklich seltsam. Ich weiss genau, dass es ein fliegender Fisch ist. Ich habe auch schon etliche davon über Bord befördert, tot und lebendig. Trotzdem ist es jedes mal wieder eine Überwindung für mich, das glitschige Tierchen anzufassen. Ich knipse erst mal meine Taschenlampe an. Hui, der ist wirklich groß! Na gut, es muss ja doch sein. Ich packe ihn oberhalb der "Flügel". Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel Kraft die Tiere besitzen. Ich muss richtig zupacken, damit er sich nicht aus meiner Hand windet und wieder auf dem Deck landet. Ich schleudere ihn über Bord und bin mir sicher, der wird es überleben. Er ist nicht auf dem rauen Antislip gelandet, sondern auf dem weiss lackierten Teil des Brückendecks. Da hat er keine Schuppen abgescheuert. Auch an meiner Hand sind keine Schuppen hängen geblieben. Aber der Geruch bleibt die ganze Wache über an ihr haften. Warum müssen Fische immer so entsetzlich stinken?! Zum Zeitvertreib lausche ich mal wieder Sibelius Violinkonzert. Das wirkt in so einer klaren Vollmondnacht noch viel großartiger als sonst. Um acht Uhr fängt es schon an zu tagen und der Himmel im Osten verfärbt sich wunderschön rot und orange. Es ist wirklich einmalig: im Osten strahlt das Morgenrot, im Westen leuchtet der Vollmond noch mit aller Kraft. Mit der aufsteigenden Sonne scheint auch meine Müdigkeit völlig von mir abzufallen. Trotzdem bin ich froh, als Tim um 9 Uhr die Wache übernimmt und ich schlafe direkt durch bis 13 Uhr.

Im Osten: Morgendämmerung.



Im Westen noch der Mond.


Weil ja heute Weihnachten ist, wasche ich mir die Haare. Die haben es auch bitter nötig. Mit Salzwasser ist das zwar nicht so schön, wie mit Süßwasser, aber es geht auch. Nur die Spülung wirkt hier nicht so gut. Die Haare werden gar nicht so schön weich. Da wir noch 2 Kanister mit 20 Liter Süßwasser haben und der Bordtank noch nicht leer ist, gönne ich mir ein Eimerchen Süßwasser, um meine Haare damit noch einmal abzuspülen. Das ist Luxus! Aber heute ist ja auch Heilig Abend. Und deshalb gibt es auch eine frische Unterhose, die erste auf der Tour. Man muss dazu sagen, dass wir sowieso kaum Kleidung tragen. Unter meiner Rettungsweste trage ich immer ein Hemd oder T-Shirt und nachts dann eine Unterhose, falls es kühl ist und ich draussen sitze. Aber die meiste Zeit verbringe ich nachts sowieso im Bett.
Der Wind nimmt immer mehr ab und damit auch meine Laune. Wir schleichen jetzt mit phänomenalen 3.3 Knoten dahin. Es ist für mich wirklich schwer auszuhalten. Ich zicke Tim an, ich heule ein bischen, ich wolle nach Hause....Aber es hilft alles nichts, der Wind folgt nicht meinem Gejammer sondern eigenen Gesetzen.
Nachmittags packt Tim Unternehmergeist und er beginnt, Plätzchen zu backen. Wir improvisieren ein bischen. Schließlich haben wir nicht die besten Zutaten ganz zu schweigen von dem Backofen, der auch nicht vorhanden ist. Aber unsere billige Chinaladen-Teflon-Pfanne ist ganz ausgezeichnet, um Butterplätzchen zu machen. Sie sind leider nicht so richtig süß, deshalb garniert Tim sie am Ende noch mit einem Klecks Pfirsichmarmelade. Wir hauen uns den Bauch so voller Plätzchen, dass wir unseren Plan, einen Fisch zu fangen, aufgeben.

"Ausstecherle".



Im "Backofen".



Lecker!


Jetzt ist Abend, Zeit für die "Bescherung". Ich koche Tee, stelle den Teller Plätzchen nach draussen, lege das Weihnachtsoratorium auf und wir setzen uns draussen hin und wünschen uns "frohe Weihnachten". Für Tim bedeutet das sowieso nicht so viel, ihm ist nicht weihnachtlich zu mute. Mir wird aber schwer ums Herz. Ich weiss genau, dass zu Hause meine ganz Familie an uns denkt und ich wäre jetzt liebend gerne bei ihnen. Ich kann kaum die Tränchen zurück halten. Zur Ablenkung geht es jetzt ans Geschenke auspacken. Von Mama und Papa haben wir zwei winzige Päckchen in Engelspapier bekommen. Und ich habe da noch ein großes Päckchen für Tim. In den winzigen Päckchen ist jeweils eine kleine Weihnachtskrippe aus Bronze. Die findet selbst Tim niedlich, der es sonst so gar nicht mit "Verstauberles" hat. Und in meinem großen Paket ist ein Christstollen mit Marzipanfüllung, den ich in Las Palmas im "El Corte Ingles" entdeckt habe. Das wird dort als riesen Spezialität verkauft. Witzig, dass es in Spanien deutschen Stollen zu kaufen gibt.

"Bescherung".



Tim packt aus.


Nach all dem Genasche gelüstet uns noch nach etwas herzhaftem. Da wir keine Fisch haben und auch sonst nicht so viel besonderes, beschließen wir, eine Dose "Überraschung" zu öffnen. Wir haben von Bine und Christian eine Riesentüte mit Konservendosen vom Lagerverkauf bei Erasco bekommen. Darunter befanden sich auch Dosen ohne Etikett. Neugierig schaue ich zu, was da aus der Dose zum Vorschein kommt: Es ist Chilli oder Texas Feuerzauber oder so etwas. Tolles Weihnachtsessen! Naja, nächstes Jahr halt.... Wir blödeln herum, dass man das Essen noch mit einer Dose Mais erweitern ("wat frischet") oder eine Wurst reinschneiden könnte ("weiste, für den Geschmack"). Es schmeckt zugegebener Maßen nicht besonders spannend und wir sind wieder mal froh, mit unseren Reserven gut gehaushaltet zu haben.

Lecker Abendessen.


Um 21 Uhr macht Tim einen Weihnachtsumruf auf Funk. Leider bleibt er unbeantwortet. Wahrscheinlich befinden sich keine Schiffe in Hörweite.
Tim ist jetzt ins Bett verschwunden und für mich ist es Zeit für die "Christmette". Eigentlich möchte ich mich gerne nach draussen setzen, aber die Stirnlampe lässt mich im Stich und so kuschel ich mich in meine Koje, lese das Evangelium und denke an zu Hause. Nach meinen Berechnungen sind Mama und Papa und wahrscheinlich Mari und Erwin gerade in der Mette. Zwischendurch muss ich mal wieder ein Fischli über Bord werfen aber ansonsten bin ich ungestört. Danach singe ich noch alle Weihnachtslieder, die mir einfallen und deren Text ich kenne. Allzu viele sind es leider nicht.
Der Wind hat tatsächlich aufgefrischt und wir fahren mit 5 Knoten. Ach würde das doch nur so bleiben bis zur Ankunft! Leider drückt der Wind uns zu sehr nach Süden. Aber daran ist momentan nichts zu ändern. Dafür müsste man die kleine Fock bergen. Das kann bis zum Morgen warten.
Jetzt sitze ich hier und tippe und hoffe, dass die Zeit möglichst schnell umgeht, denn ich fühle mich müde und würde gerne ins Bett gehen.
Ich sitze am Navitisch, das Notebook vor mir und unter dem Navitisch ist unser Zwiebel- und Apfel- und Kokosnussfach. Da stinkt es verdächtig raus. Ich glaube, eine Zwiebel ist faul. Das muss ich bei Tageslicht mal durchschauen. Bislang hatten wir aber sehr viel Glück mit den Lebensmitteln. Gut, die Milch kippen wir regelmäßig weg, aber das ist eh eine ekelige Milch, da ist es nicht so schlimm. Ansonsten sind 3 Birnen schlecht geworden, 2 Kokosnüsse und 2 Äpfel. Das ist doch ein guter Schnitt, oder? Wir haben noch frische Äpfel, Zwiebeln, Kartoffeln, einen Weißkohl, einen Kürbis, Pampelmusen, Zitronen, Limonen, Walnüsse und Kokosnüsse. Wahnsinn, wie lange sich gutes Obst und Gemüse hält. Das frische Zeug ist immer wieder ein Highlight. Vor allem nach so Dosenfutter wie heute wissen wir es sehr zu schätzen.


Dienstag, 25.12.2007 (219. Tag, 15. Tag der Atlantiküberquerung)

Mit dem zweiten Weihnachtstag bessern sich die Windverhältnisse und damit auch automatisch unsere Launen. Man war das gestern frustrierend, als der Wind immer schwächer wurde, bis wir uns nur noch mit 3 kn dahinschleppten. Aber das Wetter lehrt uns, dass man beim Segeln halt erst ankommt, wenn man im Hafen liegt und nachdem wir das heute Nacht jeder für sich verdaut und akzeptiert haben, sind wir heute entspannter.
Meine Wache beginnt heute mal um 3:00. Ich bin zwar nicht ganz ausgeschlafen, aber Steffi ist nach sechs Stunden einfach fertig und will schlafen. Klar, dass ich da nicht länger in der warmen Koje liegen bleiben darf. Apropos Koje: So langsam wird hier eine Wäsche fällig. Es liegt wahrscheinlich zum einen daran, dass wir uns mit Seewasser waschen und damit nach und nach das Salz in die Laken tragen. Dazu dann noch der Schweiß der letzten warmen Nächte... Unsere Kojen verwandeln sich auf jeden Fall so nach und nach in kleine muffig-feuchte Kokons. Gut, dass wir bald da sind und gut, dass die Karibik eine Region ist, in der es schonmal regnet, man sich also nicht zu schämen braucht, wenn man mal mit dem Wasser ast.
Unsere Hand- und Spültücher hängen in der Reeling. So werden sie in den nächtlichen Schauern ausgewaschen und bleiben geschmeidig und frisch. Auch unseren Tauen merkt man an, dass sie schon ein paar Mal mit Süßwasser gespült wurden. Sie werden wieder handelbar, nachdem sie sich auf den Kapverden zusehends zu starren, salzverkrusteten Stangen verwandelten.
Meine Nachtwache ist völlig ereignislos und da ich mich heute ziemlich erschlagen fühle, döse ich viel in der Koje vor mich hin, alle 20 min aufgeschreckt durch die Eieruhr. Kein Schiff zeigt sich am Horizont, ich hatte eigentlich erwartet, dass wir hier eine aktive Route von Nord- nach Südamerika queren.
Gegen 9:00 wird Steffi von selbst munter, ist aber auch wie erschlagen. Keine Ahnung wieso, aber wir haben hier unterwegs beide unsere helleren und unsere trüberen Tage. Heute ist auf jeden Fall ein trüber dran, auch wenn die Sonne schon wieder anfängt über den Horizont zu braten. Eine Aufhellung bringt der "Luxury Christmas Stollen with Marzipan" zum Frühstück und weil wir so spät dran sind, kippen wir den Rest Bohneneintopf von gestern gleich hinterher. Sagten wir schon, dass man auf See ganz seltsame Geschmacksneigungen bekommt? Was an Land geht, geht auf See plötzlich gar nicht mehr und andersherum. So türmen sich neben unseren Akkus noch Berge von Müslizutaten. An Land lecker, aber auf See bekommen wir das Zeug einfach nicht runter und suchen deftigeres.
Ich bin gerade eingenickt, da holt mich Steffi nochmal an den Niedergang: Wir werden von zwei Tölpeln umkreist. Wir vermuten, dass es Maskentölpel sind und das Interesse scheint wiederseits zu sein. Sie umkreisen uns sicherlich 15 min lang und wenden im Vorbeiflug angestrengt ihre Köpfe. Scheinbar wollen sie ja nichts verpassen und es fühlt sich lustig an, so in ihrem Interesse zu stehen. Schon gestern umkreiste uns ein Tropic-Vogel ein paar Runden. Das sind eindeutig die Zeichen für das nahende Land, und diese Vorboten gefallen uns. Nachmittags schauen noch ein paar braune Tölpel vorbei. Wir fahren also in die richtige Richtung.
Wir cruisen inzwischen mit entspannten 5 kn dahin und seit wir uns mit dem Wind abgefunden haben, können wir die Fahrt wieder genießen. Was geht es uns auch gut! Die Vorräte sind noch reichlich vorhanden (von den haltbaren Dingen haben wir vielleicht gerade mal 10% verbraucht), das Wetter ist herrlich und die Wellen wurden die letzten Tage stetig kleiner, so dass die Bootsbewegungen ein zusehends normaleres Leben erlauben. Ich habe übrigens noch einen Vorteil für Boote mit nur 1,4 m Stehhöhe gefunden: Man kann sich gebückt stehend perfekt mit dem Rücken gegen die Decke abstützen und hat somit in jeder Lage festen Halt und beide Hände frei. Nicht schlecht, was?!
Am frühen Mittag machen wir mit dem Laptop Heimkino. Eine seltsame Zeit dafür, aber uns steht der Sinn bei dieser Hitze einfach nach gar nichts. Wir gucken "Die geheime Welt der Worte" und was ganz lieblich beginnt entwickelt sich in der letzten viertel Stunde zum krassen Kriegsdrama. Wir sind völlig überrumpelt und trinken danach erstmal halbwegs verstört Tee.
Den Mittag verschlafe ich noch, aber dann fällt mir ein, dass wir zu Weihnachten noch einen Festtagsbraten brauchen und ich bringe die Angel aus. Wie immer läuft sie durch ein Gummi, was die Leine seitwärts abspannt. Beisst ein Fisch, so ruckt er nicht schlagartig ein und man riskiert ein Reißen der Leine.
Ich habe gerade mal die Spritze mit dem Ethanol bereitgelegt und gucke unserem tapferen Tintenfisch-Imitat zu, wie es zwei Wellenberge hinter uns an der Oberfläche dahin jagt, da sehe ich kurz einen blauen Rücken aufblitzen und die Leine wandert aus. Bisher wurden die Fische gerade hinter uns her geschleppt, aber dieses hier muß ein richtiger Brocken sein. Er hat reichlich Power, schwimmt nach links und rechts und läßt die Leine sirren. Nachdem Steffi mir noch die Handschuhe und das Messer rausgereicht hat, beginnt die Arbeit, ihn einzuholen. Ich muss richtig zupacken und wenn der Bursche mal so gar nicht will, zischt mir die Leine wieder einen Meter durch die Finger. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass hier ein etwas zu großes Vieh angebissen hat und achte ängstlich darauf, nicht mit einem Fuß im Leinengewirr zu stehen. Es kursieren viele Gerüchte von abgetrennten Fingern, die beim Strammziehen der Leine in einer Schlinge hingen.
Noch zehn Meter Leine und es herrscht Gewissheit: Das hier ist ein Dorado, und zwar ein Prachtexemplar. Sein Körper schimmert blau und grün, die Flossen knallgelb und beim Anlick dieser herrlichen 1,5 m geballten Lebens verläßt uns die Lust auf Filetsteak. Das hier ist kein Fisch, den wir in zwei Tagen wegputzen. Das hier sind Berge von Fleisch, also einfach zuviel für uns zwei, die reinste Verschwendung.

Ein riesiger Fisch am Haken.


Wir beschließen, dass wir den Haken lösen wollen und ich ziehe seinen Kopf auf die Badeplattform. Im Gegensatz zu den meisten Fischen sind die Augen von Dorados ganz beweglich und just in diesem Moment schaut er mich direkt und treu ergeben an. Mir wird jetzt wirklich schlecht vor Reue, aber wir haben ein ernsthaftes Problem: Der Haken sitzt tief im Maul und ist bei diesem unkooperativen Verhalten einfach nicht lösbar. Man könnte die Leine kappen, aber ein Dorado mit einem Nirohaken im Maul wird wohl letztendlich auch elend zugrunde gehen.
Es hat einfach keinen Zweck. Wir haben uns die Sache eingebrockt und werden sie jetzt auch zuende bringen müssen. Zwei Spritzen Ethanol braucht es, bis ich seinen Kopf fest auf die Badeplattform drücken kann, mich bei ihm entschuldige und ihm anschließend das Messer ins Herz steche. Man könnte mich in diesen Momenten wirklich für bekloppt halten, aber während ich ihn mit meinem gesamten Körpergewicht auf die Plattform presse und er seinen Todeskampf tobt, rede ich beruhigend auf ihn ein und bitte ihn, schnell zu sterben. Zum Glück tut er uns den Gefallen, die Schläge mit dem Schwanz lassen nach und er beginnt zu verblassen. Ich bin den Dorados zutiefst dankbar für dieses Farbbarometer. Bunt = lebendig, silbern = tod.

Eindeutig zu groß für uns, aber der Haken war nicht lösbar.


Als endlich Ruhe einkehrt, beginnt die wirkliche Arbeit. Vermutlich wiegt dieses Monstrum 15 bis 20 kg und ich brauche beide Hände, um es in die Plicht zu wuchten. Dann verwandelt sich Apelia in ein Fabrik-Schiff: Während ich im Akkord die Filets heraustrenne, brät Steffi sie unten direkt an. So konservieren wir das Fleisch wenigstens für die nächsten 24 h. Dreiviertel des Fleisches nutzen wir so, aber dann geben wir auf. Eine erste Portion essen wir und den Rest werden wir morgen in einem Eintopf verarbeiten. Aber insgesamt ist dies einfach eine Nummer zu groß für uns und mit schlechtem Gewissen versenken wir das filettierte Skelett in der Tiefe.
Das Angeln ist für uns jetzt erstmal gelaufen. Es ist einfach nicht richtig, solch herrliche Tiere zu töten, wenn man nur so wenig von ihnen nutzen kann. Wenn, dann angeln wir nur noch in Begleitung anderer Yachten, so dass wir Teile abgeben können. Auf Barbados schauen wir uns auf jeden Fall mal nach einem kleineren Köder um, der hier ist einfach eine Stufe zu groß für uns.
Zum Sonnenuntergang klampfe ich noch ein wenig. So ganz reibungslos funktioniert das Hammering noch nicht, aber es ergeben sich ganz neue Möglichkeiten für den Klang, ich bleibe also dran! Nachdem Steffi sich in die Koje verzogen hat, schnappe ich mir das Laptop und tippe am Tagebuch. Inzwischen bin ich wohl wirklich seefest. Ich kann jetzt sogar quer zur Fahrtrichtung sitzen und tippen, etwas das in der ersten Woche spätestens nach 5 min eine Zwangspause einforderte.
Von Pako haben wir die Freeware Adastra Freestar bekommen, ein Programm um den Sternenhimmel anzuzeigen. Die Betrachterposition können wir hier ja mithilfe des GPS schnell festlegen und da die Bedienung schön einfach ist weiß ich jetzt, dass der helle, rote Stern nördlich von Orion Mars ist. Er wird parallel zu dem Sternenbild heute Nacht über uns rüber wandern und auch noch so schön hell und rötlich leuchten, wenn der Mond sich zeigt. Der hat seinen Zenit inzwischen wieder überschritten und verwandelt die Nacht jetzt immer ein wenig später zum "Tag". Seine Leuchtkraft ist wirklich beeindruckend, man kann sogar nachts lesen.
Bis Barbados sind es noch 97 nm und es sieht ganz danach aus, als ob sich mein Wunsch, bei Tag anzukommen, erfüllen wird. Die letzten Male (Madeira, Kapverden) sind wir immer bei Nacht angekommen und ich würde doch so gerne das palmenbestandene Ufer vor uns auftauchen sehen, um dann das Anlanden in dieser für uns völlig neuen subtropischen Region in vollen Zügen genießen zu können. Und dann will ich schnorcheln und planschen in diesem herrlich warmem Wasser und die gesamte Fauna und Flora dort unten genießen. Das wird toll! Morgen wird wohl ein anstrengender Tag, da wir jede Meile einzeln abhaken werden.


Mittwoch, 26.12.2007 (220. Tag, 16. Tag der Atlantiküberquerung)

Die voraussichtlich letzte Nachtwache (man soll den Tag ja nicht vor dem Abend loben) steht an und um halb sechs löse ich Steffi ab. Wir haben an Bord noch die kapverdianische Zeit. So ganz sicher sind wir uns noch nicht darüber, welchen Zeitversatz Barbados hat, vermutlich nochmal so um die 4 Stunden, es ist also eigentlich noch Mitternacht.
Als wenn sie es uns zum Abschied nochmal so richtig schmackhaft machen wollten, zeigen sich die Bedingungen von ihrer besten Seite. Der Wind hat auf 5 Bft aufgefrischt und treibt uns mit 6 bis 7 Knoten dahin. Ab und zu erwischen wir mal einen Surf und Apelias leichtes Vibrieren deutet die Beschleunigung an. Das Kielwasser sprudelt nur so unter dem Rumpf hervor und sanft fliegen wir dahin. Ist ein tolles Gefühl und da der Mond jetzt senkrecht über uns steht glitzert das Wasser um uns herum silbrig, wie flüssiges Metall. Man könnte die Aussicht wohl magisch nennen.
Ich sitze mit hochgelegten Beinen im Cockpit und süffele eine Cola. Wir hatten zur Sicherheit mit einer für jeden Tag gerechnet. 60 Dosen standen also auf der Außenhaut im linken Ölzeugsitz. Jetzt sieht es danach aus, als ob der Großteil noch da ist. Wir haben wirklich sparsam gelebt und ich genieße diesen kleinen Luxus, ohne dass ich es aufgrund der Müdigkeit bräuchte.
Süß ist das Zeug. Viel süßer als bei uns. Und warm ist es. Wahrscheinlich so 26 Grad, genau wie das uns umgebende Wasser, aber die Luft ist auch jetzt, mitten in der Nacht ähnlich warm, die Cola schmeckt also doch erfrischend. Dazu gibt es es ein Stück Dorado-Filet aus dem randvollen Topf und zum Nachtisch ein Stück Bitterschokolade. Echte Lindt-Tafeln hat Steffi in Las Palmas gebunkert. Feinste Qualität für weniger als 1,50 EUR die Tafel. In Momenten wie diesem ein Hochgenuß.
Nachdem ich auf dem mp3-Player Police und Paul Simon durch habe, lasse ich die Gedanken schweifen, die jedoch immer wieder zum selben Thema zurückkehren: Dem gestern gefangenen Dorado. Das schlechte Gewissen nagt kräftig an mir. Wir hätten mehr Einsatz zeigen sollen. Wenigstens mal probieren, den Haken aus seinem Kiefer zu entfernen. Mit einer Zange hätte sich evtl. etwas machen lassen, aber wir waren wohl überfordert und entschieden uns für den einfacheren Weg, der den Tod dieses herrlichen Tiers bedeutete. Wie unglaublich blöde.
Wie alt mag er gewesen sein und was mag er nicht schon alles erlebt haben. Überhaupt, wie lebt so ein ein Tier? Besteht sein Leben aus einem andauernden Überlebenskampf, einem ewigen Hin und Her zwischen jagen und gejagt werden? In jungen Jahren sicherlich, aber was, wenn er einmal diese stattliche Größe erreicht hat? Kann er es dann ruhiger angehen lassen? Schläft er auch mal, oder bleibt das Leben eine dauernde Hatz? Ich würde mich ehrlich gesagt ziemlich unwohl in diesen Wassern fühlen. Das nächste Land befindet sich 4000 m unter einem. Es gibt einfach keinerlei Schutz, nur weites, offenes Wasser. Das Leben schwebt also die ganze Zeit schutzlos über dem Nichts. Kein Wunder, dass die fliegenden Fische die Luft als letzten Rückzugsort gewählt haben.
Nach dem Sonnenaufgang schauen wir immer wieder sehnsuchtsvoll nach Osten. Es sind nach dem GPS noch 35 nm, da muß doch endlich mal was zu sehen sein. Aber Barbados läßt sich Zeit, ist ja nur knapp 400 m hoch. Dafür ändert sich die See. Die Wellen sind eindeutig steiler. Evtl. aufgrund des ansteigenden Seebodens, auch wenn ich mir das bei noch weit über 1000 m Tiefe nicht vorstellen kann. Evtl. liegt es am Äquatorialstrom, der durch die Karibikinseln gestört wird und zu diesem gigantischen Kabbelwasser führt. Aber wir fühlen uns nicht bedroht und genießen unser Frühstück (Rührei mit Dorado) bei diesem tollen Spektakel. danach verkoche ich noch den Berg an Dorado-Schnitzeln zu einem Curry.
Um halb elf dann die "Erlösung. "LAND IN SICHT" schreie ich den Niedergang runter. Es macht doch immer wieder einen heiden Spaß, dass zu brüllen. Je dichter wir der Insel kommen, desto größer wird die "Enttäuschung". Wir hatten weiße Strände und Palmen erwartet. Stattdessen sehen wir hier am anderen Ende des Atlantiks eine grüne Insel mit Bäumen bis runter zum Ufer. Dahinter grüne Wiesen und hier und da ein Anwesen. Also genau derselbe Look, den die Förde bei Glücksburg bietet.
Naja, ganz so schlimm ist es nicht. Die NW-Küste ist eine Steilküste und die Gischt der Atlantikbrecher fliegt himmelhoch. An der Nordseite brechen sich die Wellen dagegen am vorgelagerten Riff. Das Wasser schimert türkis und es fällt uns schwer, da nicht direkt reinzusegeln und uns in die Brandung zu stürzen.
Wir bergen die kleine Fock, halsen die andere (zum ersten Mal seit den Kapverden) und setzen das einfach gereffte Groß. Bei Böen von bis zu 5 fliegen wir im glatten Wasser des Lees nach Süden und nehmen all die neuen Eindrücke in uns auf. Es riecht vor allem nach feuchten Wäldern! Wir gönnen uns den Luxus, kurz mit unseren Eltern zu telefonieren. Das darf heute am zweiten Weihnachtstag einfach mal sein. Zu Hause melde ich mich mit "Merry Christmas from Barbados" und mein Vater braucht eine ganze Weile, bis er schaltet. Aber dann ist er völlig aus dem Häuschen und die gesetzten 5 min verfliegen viel zu schnell.
Wir steuern das letzte Stück von Hand und "segeln" mal wieder richtig. Apelia spurtet nur so vor der grünen Küste dahin, so schlimm kann es also gar nicht sein mit dem Bewuchs an ihrem Bäuchlein. Um uns herum hält auch noch eine ganze Armada von Katamaranen Kurs Süd. Es sind Ausflugsboote voller Touristen und obwohl sie sicherlich 15 m lang sind, können wir fast mithalten. Was haben wir doch für ein geiles Boot! Unter Land entdecken wir auch den ein oder anderen Strandkatamaran und unsere Herzen machen einen Freudenhüpfer. Hoffentlich gibt es hier auch etwas gescheites zu mieten.

Steuern von Hand, herrlich.


Per SMS erfahren wir, dass die Luiza, die Zeezot und die Hello World in Bridgetown vor Anker liegen. Mit Axel unterhalten wir uns per Funk und warnen alle vor, dass wir einen Berg von Dorado-Curry zu vernichten haben. Nachdem wir auch die Ausgeburt der Häßlichkeiten (den Kreuzfahrerterminal) passiert haben, öffnet sich vor uns die Bucht und wir kreuzen hinein. Wir wissen noch nicht, was hier das Problem war, aber nach einer Wende knallt es, und unser Backstag ist lose. Die Leinen sind einfach so aus den Curryklemmen gesprungen und wir können wohl von Glück reden, nicht noch auf den letzten Metern den Mast verloren zu haben. Evtl. sind die Klemmen vom Salz und Staub "eingerostet". Zur großen Reparatur ist jetzt aber nicht der richtige Augenblick und so bergen wir die Segel und motoren die letzten Meter zur Mooringtonne zwischen der Hello World und der Luiza.

Ausgeburt der Häßlichkeiten. Ein wohl leider üblicher Anblick in der Karibik.


Das "Hallo" ist natürlich riesengroß. Brit und Axel gabeln Mieke und Luc mit dem Dinghy auf und kommen längsseits. Danach geht es rüber zur Hello World, wo auch kurz drauf Albertine und Joep ankommen und wir bekommen einen eisgekühlten Sekt serviert. Was für ein königlicher Empfang!
Die anderen hatten es bei ihren Überfahrten einiges härter als wir. Brit und Axel hatten mit massig Wind und Squalls zu kämpfen und auch die Zeezot und die Luiza haben teilweise viel Wind und hohe Wellen abbekommen. Da hat es der Atlantik wohl richtig gut mit uns gemeint.
Mit dem Sekt hat der Hello-World-Service noch lang kein Ende gefunden: Da bei uns an Bord noch ein wenig "Zustand" herrscht, packt Axel uns in sein Dinghy und fährt uns in die Carnage, einem Wasserarm, der in die Stadt führt. Dort kann man das Dinghy liegen lassen und rüber zum Kreuzfahrerterminal laufen, um die Einklarierungsformalitäten zu erledigen.
Man hört ja so einiges über die komplizierten, langwierigen und vor Papierkram strotzenden Formalitäten in der Karibik, aber auf Barbados ist es ein angenehmes Happening und wir lernen die Leute als ausgesprochen liebenswürdig kennen. Okay, der Papierkram ist wirklich etwas bekloppt, aber was soll's, wenn man dabei so schön unterhalten wird. Axel meint, Barbados wäre wie England, nur halt schwarz, und das könnte stimmen. Es wird schonmal links gefahren, was wir bisher an Gebäuden sahen, war teilweise sehr viktorianisch und die freundliche Art könnte auch very british sein.
Nach Imigration und Health bleiben wir eine knappe dreiviertel Stunde bei den Customs hängen. Der Beamte scheint einen Bären an Steffi gefressen zu haben, zitiert gerne die Bibel und als Steffi kontern kann, lebt er noch mehr auf. Endlich, als Axel fragend den Kopf zur Tür reinsteckt, können wir uns losreissen. Die anderen warten schon seit einer halben Stunde auf das versprochene Abendessen auf der Hello World. Ich bin beeindruckt, wie anstrengend das gehen ist. Ich habe schon auf der Überfahrt gemerkt, dass meine Muskeln immer weicher wurden, aber das es so schlimm steht, war mir wirklich nicht bewusst. Gehen ist richtige Arbeit und vor allem gerade gehen, ohne zu schwanken! Und noch viel schlimmer sind die Klamotten auf der Haut. Es scheuert der Rocksaum an den Beinen und es juckt wie verrückt. Aber nackt hätte ich wohl nicht beim Zoll erscheinen dürfen. Naja, daran werden wir uns sicher schnell wieder gewöhnen.
Das Abendessen auf der Hello World ist wirklich ein voller Erfolg. Es wird alles weggeputzt, was wir haben. Alle sind begeistert von dem leckeren Fisch. Wenn man überlegt, dass wir mit den restlichen Doradoschnitzeln neun Personen gefüttert haben, dann hat sich der Fisch doch gelohnt. Wir sind wieder versöhnt. Die Reue über den getöteten Fisch ist einer Dankbarkeit gewichen. Von der Hello World aus haben wir einen guten Blick auf Apelia. Wir sind sehr zufrieden, dass sie gar nicht so furchtbar grün im Unterwasserbereich ist. Morgen werden wir mal runtertauchen und uns alles genauer ansehen. Wir sind noch darauf hingewiesen worden, dass man nicht halluziniert, wenn man beim Schnorcheln plötzlich einer Schildkröte begegnet. Das bestätigt das Gefühl, dass ich beim Einlaufen hatte. Da war mir nämlich so, als ob ich eine gesehen hätte.
Früh werden wir müde und lassen uns von Joep und Albertine wieder bei der treuen Apelia absetzen, denn unser Beiboot schlummert noch zusammengefaltet in der Heckkoje. Wir räumen noch die Bugkoje frei und sind unglaublich glücklich, dass wir jetzt BEIDE zur gleichen Zeit in das gleiche Bett schlüpfen können. Was für ein herrlicher Luxus. Lange bleibt uns aber nicht, das Gefühl zu geniessen, denn wir versinken schnell in einem tiefen, erholsamen Schlaf.