Von Grenada nach Ronde Island
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Sonntag, 20.01.2008 (245. Tag)
Morgens fahren wir nach St George's, damit Steffi eine Messe besuchen kann. Da alle Kirchen abgedeckt sind, finden die Dienste in den Gemeindehäusern daneben statt. Das der katholischen Kirche übersehen wir, also geht Steffi zu den Anglikanern und da dauert es immer lange... Andreas und ich vertreiben uns die Zeit damit, die West-Küstenstrasse zu erkunden und die katholische Ruine näher in Augenschein zu nehmen. Das Bild was sich uns bietet ist wirklich traurig, im Kirchenschiff stehen zerfallende Bänke und in einer Ecke stapeln sich verbeulte Orgelpfeifen. Die Wucht mit der die beiden Hurrikans hier durchgefegt sein müssen ist für uns einfach unvorstellbar.
Heute mal nur zu dritt fahren wir am Vormittag zu Lauras Spicegarden, in dem alle Gewürze Grenadas ("Die Gewürzinsel") wachsen sollen. Wir haben gerade geparkt, da trifft ein Bus nach dem anderen ein und eine Herde Kreuzfahrttouristen überschwemmt die Gegend. Anstatt eine eigene Tour zu bekommen, werden wir einer Gruppe zugeteilt und da unsere Führerin eindeutig keine große Lust auf disziplinlose überfünzigjährige in geilen Klamotten von sechzehnjährigen hat, ist die Führung völlig daneben. Wir staunen aber auch wirklich nicht schlecht, über die "junggebliebenen" Frauen um uns herum, die kein Problem damit haben, im engen, rosanen Bikini mit sonst nur einem langen weißen Hemd durch die Gegend zu laufen. Das ist wirklich kraß.
Zimtbaum. Die Stangen werden aus dem Holz gewonnen.
Zurück im Auto ergreifen wir die Flucht und bemerken an der ersten Kreuzung, dass wir unsere Karte verloren haben. Aber was kann auf einer Insel schon schiefgehen? Wir navigieren aus dem Gedächtnis, finden problemlos die Westküste und folgen ihr nach norden bis Gouyave, einem vom Tourismus bisher unberührten Städtchen. Auf dem Weg dorthin nehmen wir einen jungen Anhalter mit, der uns zum Dank einen Mangobaum zeigt und uns zeigt, wie man nach den Früchten sucht.
In Goyave haben wir die Abzweigung zur Plantagenstrasse verpasst und fragen an einer winzigen Bude. Die Leute dort sind so nett, dass wir gleich noch was zu trinken kaufen, um näher mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Wir lernen dabei von einem Fischer, welche Fische wir wie zu fangen haben, während seine Frau vom "mobilen" Friseur die Haare geschnitten bekommt.
Die Leute sind hier wirklich alle zuvorkommend und hilfsbereit. Sind wir uns (klar, ohne Karte) über die ROute mal nicht sicher, brauchen wir nur am Wegesrand zu fragen und egal welche Altersgruppe, immer bekommt man eine fröhliche Antwort. "Life is great on Greanda"!
Von der Westküste folgen wir der Straße, die ins Herz der Insel zum Grand Etang Nationalpark führt. Die Teerstrasse wird dabei zum wild gewundenen Teerpfad und ich bin froh, dass unsere Automatik die Schaltarbeit übernimmt. Links und rechts ist der Weg gesäumt von Bananenplantagen und hier und da treffen wir auch auf Muskatnußbäume. Zum ersten Mal erkennen wir dabei das kleine Symbol auf Grenadas Flagge wieder: Die Muskatnüsse wachsen in weißem, aprikosenförmigen Fruchtfleisch heran. Ist die Frucht reif, platzt die weiße Hülle auf und die rot ummantelte Frucht fällt herauf. Es ist also ein leichtes, die Nüsse einzusammeln.
Muskatnuß in der geschlossenen Fruchtfleischhülle.
Im Besucherzentrum des Nationalparks entdecken wir diesmal die wirklich original aus Grenada stammenden Affen. Wahrscheinlich bekommen sie hier immer etwas zu fressen, denn im Wald sind sie uns noch nie begegnet. Auch jetzt sind sie scheu und halten sich auf Abstand, aber wir sind ganz begeistert davon, sie live und in Farbe zu sehen. Als dann auch noch ein mungo-artiger Marder vor uns langrennt, sind wir high.
Wirklich original aus Grenada stammende Affen.
Etwas abseits vom Haupteingang finden wir einen Trampelpfad in den Wald, stellen also das Auto hier in der Wildnis ab und folgen dem Pfad in die "grüne Hölle". Wieder staunen wir über dieses unglaubliche Wachstum um uns herum. Diesmal fällt mir auch die Artenvielfalt auf. Hier wächst wirklich alles durcheinander, umrankt und überwuchert sich und jede Pflanze kämpft wahrscheinlich gnadenlos um ihr bißchen Licht. Vermutlich ist es die reinste Metzelei, doch da alles ganz langsam abläuft, bekommen wir es nicht mit.
Baumpilz an einem Baumstumpf.
Auf dem Heimweg treffen wir auf den Ranger, der uns gestern zum Wasserfall führte und nehmen ihn mit nach St Georges. Die Entspanntheit, mit der die Leute hier einfach mal weiter Strecken zu Fuß zurücklegen, ohne auf einen Bus zu warten beeindruckt uns, aber wahrscheinlich ist es auch eine Geldfrage. Am Cinema Palace treffen wir auf Günter, der jetzt bis zu seinem Heimflug auf Grenada Urlaub macht, während Jochen und Ingo nach Trinidad runter bolzen und dann Richtung Panama abbiegen. Wir schauen uns den Film The Golden Compass an. Ich finde ihn ziemlich schlecht, doch wir genießen alle das Kinoerlebnis. Einfach in der Dunkelheit zurücklehnen und hemmungslos konsumieren. Dazu natürlich Popcorn.
Montag, 21.01.2008 (246. Tag)
Direkt nach dem Einkauf brechen wir zu einer letzten Einkaufsrunde auf, die das Dinghy an seine maximale Abladung bringt. Unser Trinkwasser kaufen wir inzwischen nur noch in 5l-Flaschen. Das spart Platz und läßt sich am besten schleppen. Die Flaschen sind außerdem bei den Locals heiß begehrt, wenn wir zum Markt gehen, nehmen wir die alten mit und schon kommen wir zu relativ guten Preisen.
Nachdem ich das Auto weggebracht habe, erkundigen wir uns noch im True Blue Resort in der Nachbarbucht nach den Bedingungen zum Tauchen. Andreas ärztliches Atest ist inzwischen abgelaufen. In Europa darf man dann nur noch schnorcheln, aber hier kümmert das niemanden. Man unterschreibt vor dem Tauchgang den Haftungsausschluss und fertig. Wir halten auch nach einem Mietkatamaran Ausschau, aber wieder Fehlanzeige.
Nach einem Besuch im WWW-Café ziehen wir uns bei diesem drückenden Wetter zurück auf die Apelia und verquatschen den Rest des Tages. Dabei kopieren wir alle Daten auf das neue Laptop, wir sind jetzt also wieder zurück auf Draht.
Dienstag, 22.01.2008 (247. Tag)
Wir nutzen nochmal die Dusche der Marina (1 EC), kaufen im Laden noch einen Laib von diesem geilen deutschen Brot und machen uns bei 7 Bft aus Ost vorsichtig auf den Weg. Beim Anschlagen der Fock legt Steffi leider eine kleine Glanznummer hin und tritt vorwärts gehend ins gerade von ihr geöffnete Luk. Die Folge ist ein umgeknickter Fuss und ein dicker blauer Fleck am Oberschenkel.
In der Bucht hat man noch nichts vom Sturm gemerkt, aber draußen hören die Surfs in der großen Welle gar nicht mehr auf und bevor wir um Grenadas SW-Ecke Point Salines biegen, legen wir noch schnell das zweite Reff ein und merken dabei sofort, dass mit Andreas noch ein weiteres Paar Hände an Bord ist. Zusammen mit der H-Boot-Fock haben wir damit nur ganz wenig Tuch oben, aber trotzdem flitzen wir noch mit 7 kn nach Norden. Das ist auch gut so, denn an Grenadas Westküste gibt es nach der Hälfte der Strecke keine geschützten Buchten mehr und bis nach Carriacous sind es 60 Meilen, wovon einige gekreuzt werden wollen.
Je weiter wir ins Lee der Insel kommen, desto böiger wird der Wind. Die wirklich starken Böen werden selten, also reffen wir ein Reff aus und machen wieder gute Fahrt. Nur wenn so ein richtiges Ding die Berge heruntergehämmert kommt, sind wir hoffnungslos übertakelt. Apelia krängt bis zum Abwinken, aber schießt auch gleichzeitig richtig los. Ist ein tolles Gefühl. Wir segeln wieder eine richtig flotte Jolle, statt eines behäbigen Fahrteneumels.
Jollensegeln mit unserer 3-Tonnen-Jolle.
Um Grenadas Nordspitze pfeift der Wind wieder mit knapp 7 Bft und wir binden das zweite Reff erneut ein. Die See ist aufgewühlt und wir müssen richtig kämpfen, um gegen den westlaufenden Sturm und diese Hackseen an zu kommen. Hin und wieder prasseln Massen von Gischt auf uns nieder, doch unter diesen Bedingungen ist das egal. Wir sitzen in T-Shirts und Unterhosen in der Plicht und es ist angenehm warm. Nur Steffi nerven die Dauerduschen, so dass sie sich runter auf's Ohr legt. Andreas kommentiert die Segelbedingungen mit: "Wie Nordsee, nur wärmer".
Nordwestlich von Grenada liegt unter der Wasseroberfläche der angeblich aktive Vulkan "Kick'em Jenny". Er wird genau beobachtet und zur Sicherheit hat man eine "Exclusion Zone" markiert, die man nicht befahren darf. Die Sonne geht langsam unter, als wir uns immer noch so dicht unter Land wie möglich an Grenada entlang hochkreuzen. Sobald wir weiter nach Norden fahren, versetzt uns der westgehende Strom und wir müssen ja außerhalb des Sperrgebiets bleiben. In der Dämmerung wird die Bolzerei dann immer mehr zum harten Geschäft und jeder von uns will eigentlich nur noch ankommen. Vor uns liegt Ronde Island, eine von mehreren kleinen Inseln, doch hier soll man eine rollige Ankerbucht vorfinden. Bis Carriacou wären es noch 12 ungewisse Meilen, worauf wir inzwischen alle keine Lust mehr haben, also peilen wir jetzt die kleine Insel an.
Es wird wieder wilder.
Als wir zum letzten Mal wenden und stark vorhaltend Nord fahren, schiebt uns ein Strom von 3 kn nach Westen. Die Wellen sind wie weggebügelt (zum Glück) und an der Oberfläche zeigen sich gigantische Strudel. Wirklich gruselig, doch wir kommen gut ins Lee von Ronde Island und dann ist der Spuk auch schon zuende. Es duftet allerdings ganz intensiv nach Brühwürstchen. An Land sehen wir keine Bewohner, sollte der Geruch vielleicht vom Vulkan unter uns kommen???
Das einzige andere Boot in der Bucht ist ein Kat, dem der lange Schwell natürlich wenig ausmacht. Auch wir liegen erstaunlich ruhig in der langen Welle und das rauschen der Brandung im Dunkeln vor uns macht aus dem Ankerplatz ein durchaus lauschiges Plätzchen. Nur die Böen, die hin und wieder über den Sattel vor uns gejagt kommen erinnern uns an die wilden Bedingungen, die wir heute gemeistert haben. Steffi hat Tagliatelle mit Käsesahnesauce gekocht. Superlecker, doch sie geben uns den Rest. Nachdem jeder seinen Teller auf hat, gibt es für uns nur noch die Kojen.
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