Von Martinique nach St Kitts
|
|
Mittwoch, 20.02.2008 (276. Tag)
Bis Dominica sind es 55 nm, also stellen wir uns den Wecker um 6:00. Meine Zähne tun zwar nicht mehr weh, doch im Bett ist es ja sooooo gemütlich und draußen gehen immer wieder Squalls nieder. So braucht es schon ein paar "faule Saus", bis Steffi mich aus der Koje bekommt und wir wegen der Flaute unter Autopilot nach Norden tuckern. Während draußen ein Sturzbach nach dem anderen herunter geht, sitzen wir gemütlich drinnen und frühstücken. Ein Glück, dass nur wenig Verkehr ist und die drei anderen Yachten um uns herum fahren denselben Kurs.
Überall um uns herum hängen fiese Squalls.
Um 9:00 verlassen wir an Martiniques Nordspitze das Lee der Insel und können endlich in Ruhe segeln. An Steuerbord nehmen wir dabei den Schoner Ocean Star war, den wir schon in St Pierre vor Anker bewundert haben. Er stampft erst noch ziellos in der Gegend herum, aber als der Wind auf 5 Bft auffrischt, beginnt die Kiste zu marschieren.
Die Wellen sind wieder hoch und steil und teilweise kann man durch ihre glasigen Kämme gucken. Während der Schoner mit brachialer Gewalt durch sie hindurch bricht, schneidet Apelia relativ sanft dahin. Irgendwie passen Wellen- und Bootslänge wiedermal ideal zusammen und so kommt es, dass wir die gesamte Überfahrt neben dem Schoner bleiben. Auch wenn wir anfangs mehr Höhe segeln, um einen etwaigen Strom zu kompensieren, an Dominicas Südspize treffen wir wieder zusammen.
Die Ocean Star, unser heutiger Wegbegleiter.
Nachdem wir die harten Böen des Kapeffekts abgeritten haben, empfängt uns Dominicas Lee mit sanften 3 Bft und spiegelglattem Wasser. Die Insel ist nur spärlich bevölkert und relativ arm, so dass uns die unberührten Dschungelhänge zuzuwinken scheinen. Leider finden immer wieder Squalls ihre Wege zwischen den hohen Bergen hindurch, doch jetzt steuert wieder der Autopliot und wir verstecken uns einfach unter Deck.
Dschungel und Squalls von Dominica.
Während wir mit echten Wiener Manner-Waffeln von der Karo Teatime veranstalten, kommt uns weit vor der Bucht von Portsmouth ein kleines Sperrholzboot entgegen. Aus unserem Handbuch haben wir erfahren, dass sich die Boatboys ihre Yachten strikt danach aufteilen, wer welche zuerst angesprochen hat. Dass sie deshalb allerdings schon zehn Meilen vor der Bucht warten, erstaunt uns. Die Namen der vertrauenswürdigen Boote sind im Doyle aufgeführt. Steffi hofft auf Big Pope, doch heute geht mein Wunsch in Erfüllung und Cobra schanghait uns.
Während unseres letzten Squalls hänge ich unsere Pütz an die Baumnock um einfach mal zum Test das Regenwasser aufzufangen, was sich im Segel gesammelt hat und hier abfließt. Das Resultat ist beeindruckend: Innerhalb von knapp fünf Minuten füllt sich der Eimer zur Hälfte. Das entspricht etwa einem Liter pro Minute. Ich frage mich allerdings, wie sich das Wassersammeln bei 6 Bft und wilden Wellen gestaltet. Besser ordentlich bunkern und sparsam sein.
Als unser Anker sich im schwarzen Sand der Bucht eingräbt, geht die Sonne bereits unter, doch wir stellen erfreut fest, dass wir endlich mal wieder den Ankergrund sehen können. Jerome, unser Boatboy/Man kommt noch kurz vorbei um sich vorzustellen und wir vereinbaren für morgen früh eine Fahrt auf dem Indian River. Die "Spezialität" der Gegend. Dominica bekommt viel Regen ab und wird daher auch die Insel der Flüsse genannt. Im Gegensatz zu Martinique darf man sie hier allerdings nicht selbst bepaddeln, sondern muss den Service der Einwohner annehmen. Da Dominicas Natur außerdem eine der unberührtesten der Karibik sein soll, sind wir gespannt und planen evtl. auch noch eine Dschungelwanderung. Die fliegenden Fische, die selbst hier in der Bucht dahin segeln, unterstreichen auf jeden Fall die Ursprünglichkeit der hiesigen Natur.
Donnerstag, 21.02.2008 (277. Tag)
Um 7:00 holt Jerome uns an Bord ab und mit Vollgas geht es zur Mündung des Indian River. Auf diese Tour war ich schon sehr gespannt, denn die hiesigen Sperrholzboote faszinieren mich seit unserer Ankunft. Wie erwartet liegt auch Cobra ruhig im Wasser, während wir am Ufer entlang zischen, doch an der Mündung ist auch schon wieder Schluß mit der Rauschefahrt. Wir steigen um in ein Paddelboot und Chicken paddelt uns den Fluß hoch.
Statt nach den Pirates of the Caribean suche ich hier am Indian River nach Tarzans Jane.
Der Anfang ist öde, aber dann rücken die Ufer immer näher und man gleitet mitten durch den sumpfigen Dschungel. Scheinbar gibt es überall Ecken, wo der Disney-Film Pirates of the Caribbean gedreht wurde und die Locals werden nicht müde, diesen Umstand zu betonen. Hier am Fluß wurde auf jeden Fall die Szene mit dem Haus der Hexe gedreht. Chicken findet es schade, dass die Requisiten hinterher wieder abgerissen wurden, aber wir Ökos gucken uns lieber die ursprüngliche Natur an. Nach Papageien suchen wir allerdings vergeblich, die kommen nur, wenn die Mangroven Früchte tragen. Dafür sehen wir andere Vögel und am Ufer überall Krabben, die sich Höhlen in die Böschung graben. Chicken nennt uns die Namen von allem was wir sehen, und bei den Tieren folgt immer noch ein "good to eat" hinterher. Die scheinen hier echt alles zu essen, was lebt.
Am Endpunkt der Tour steigen wir aus. Hier hat man für die Touristen eine Bar gebaut, doch bevor wir uns einen Fruchtsaft gönnen (bekommen versehentlich erst einen Punsch ausgeschenkt, um 8:00 Uhr in der Früh...) folgen wir dem Trampelpfad flußaufwärts und entdecken an einem Baum tolle Eidechsen, die mit ihren Kehlsäcken um die Wette posen.
Macho-Eidechsen werben um die Mädels.
Zurück an der Mündung bringt uns Jerome wieder in Sausefahrt zum Zoll um das Einchecken zu erledigen. Dominica ist den anderen Inseln diesbezüglich um Längen voraus, denn mit dem Einchecken erhält man auch gleich die Auscheck-Clearence, wenn man innerhalb von 14 Tagen wieder abhaut. Damit ist in den meisten Fällen lediglich ein Zollbesuch nötig.
Unser Dinghy haben wir heute morgen am Steg der Strandkneipe Big Papa's angebunden und so schlendern wir durch das Dorf zurück. Hier scheint die Idylle noch in Ordnung zu sein. Im Zentrum mit seinen Läden konzentriert sich das Leben und etwas außerhalb werden die Hütten fast vom Grün überrankt. Überall blüht es und rennen die Hühner mit Küken herum. Für den Nachschub an Chicken-Rotis ist also gesorgt.
An der Strandkneipe nerven uns allerdings gleich wieder die herumlungernden Typen und Jerome versucht uns die Inseltour zu verkaufen. Die 120 US$ für 4 h sind uns allerdings zuviel. In der Karte sind zahlreiche Wanderpfade eingezeichnet, wir wollen morgen also lieber auf eigene Faust los.
Während ich nachmittags lackiere und Steffi mailt, werden wir von den Verkäufern genervt, die in harter Konkurrenz zueinander die Boote abklappern. Nach Jerome, dem Boat-Man im Sperrholzboot, kommt der Fruit-Man im Kajak und schließlich der Ganja-Man mit seinem zerbrochenen Surfbrett. Jeder dängelt sorglos vor unseren Rumpf und ich reagiere zusehends allergischer. Am liebsten würde ich ein Schild mit "No thank you" aufstellen, aber das funktioniert wohl nicht. Selbst wenn wir beide unter Deck sind, lassen sie uns nicht in Ruhe und die Schönheit der Bucht bekommt langsam ihre Macken.
Vor Anker in der Bucht von Portsmouth.
Abends treffen wir beim Absenden der Mails im Big Papa's auf einen Deutschen, der den Laden schmeißt. Er ist hier hängen geblieben und schwärmt uns von der geilen Freiheit vor, die er endlich gefunden hat. Mich nervt dieses Gequatsche zusehends. Fast alle Hängengebliebenen, die wir hier in der Karibik treffen machen auf uns eher einen ziemlich kaputten Eindruck und rauchen oder saufen sich im angeblichen Paradies so langsam die Birne weg. Immer nur Sahnetorte scheint auf Dauer ziemlich öde zu sein.
Freitag, 22.02.2008 (278. Tag)
Während des Frühstücks denken wir über unsere Erlebnisse in der Karibik nach und ziehen ein erstes Fazit: Die Natur ist exotisch und hat damit natürlich den Reiz des Unbekannten. Keine Frage, wir können uns kaum sattsehen an der Vielfältigkeit der Unterwasserwelt und des Dschungels. Doch bei all der tollen Natur sind wir zusehends von den Bewohnern enttäuscht. Alles andere als geschäftliche Kontakte ist nicht möglich, wenn man mal von den vielen sexuell orientierten Kontaktversuchen bei Steffi absieht. Es geht immer nur um unser Geld und vielfach haben wir den Eindruck, dass man uns abzockt. Bei den Preisen, die man hier auf den Märkten zahlt, scheinen die Kosten im 100 US$-Bereich für Führungen einfach astronomisch. Spricht uns jemand freundlich an, sind wir inzwischen von Anfang an mistrauisch und nach dem zweiten Satz ist dann auch meist klar, dass man uns etwas verkaufen will. Kontakte über das Finanzielle hinaus macht man nur, wenn man sich abseits der Yacht-Pfade bewegt. Über die Leute im Hinterland erfahren wir meist mehr über das Land und die Natur, als bei den Leuten, die im Tourismus versuchen einen schnellen Dollar zu machen.
Die hängengebliebenen Weißen, die wir hier treffen machen wie gesagt meist einen völlig kaputten Eindruck. Zu den Locals wahren sie einen Abstand und wenn sie mit ihnen reden sind wir meist ziemlich erschrocken von ihrem Herrengehabe. Wenn man sich wie der Master aufführen muß, um mit den Locals klar zu kommen, dann hat sich hier wohl noch nicht viel zum Guten geändert.
Der Wind hat heute nachgelassen und das Wasser in der Bucht ist fast still. Zeit für unsere Mastinspektion, die eigentlich schon seit der Atlantikpassage ansteht. Doch seit Lissabon ist die Mastkontrolle für mich sowas wie ein Zahnarztbesuch und ich schiebe sie gerne vor mir her. Dabei ist gerade hier das Wegschauen wirklich nicht angebracht, also winsche ich Steffi Wantpütting für Wantpütting in den Mast hinauf. Nachdem wir am Bruchbild gesehen haben, wie bei Karos Vorstag zuerst die äußeren Kardelen am Eingang der Preßhülse brachen, sind wir wieder mißtrauisch und Steffi guckt ganz genau. Außerdem überkleben wir alle Fallaustritte mit Gaffa-Tape, damit weniger Regenwasser eindringen kann.
Am Masttopp angekommen kann Steffi endlich Entwarnung geben und während sie ein paar Fotos schießt, fühle ich mich unten wirklich wie nach einem Zahnarztbesuch ohne Beanstandung: Völlig high.
Die Karo und der Rest vor Anker.
Mittags sind die Wanderschuhe frisch gewachst und wir paddeln an Land. Im Sea View Restaurant essen wir zu Mittag und staunen mal wieder über die hiesigen Gerichte. Das ist hier wirklich das Essen des kleinen Mannes und keine auf Touristen ausgerichtete Küche. Gemischt wird alles an Beilagen was da ist: Salat, Reis, braune Bohnen, Spaghetti mit roter Sauce, Maccaroniauflauf und Papaya-Gratin. Obendrauf kommt dann ein Hühnerbeinchen oder "Codfisch" aus Norwegen, fertig. Geschmacklich ist das ganze dabei nach wie vor relativ öde. Von den hiesigen Gewürzen fehlt jede Spur.
Was das Essen zu kurz kommt, macht dafür die Aussicht wieder wett. Am Ufer der Bucht liegen verstreut Wracks von Handelsschiffen, die Hurrikans hoch auf's Ufer gespült haben. Statt Sea View wäre vielleicht Wreck View angebracht.
Aussicht aus dem Sea View Restaurant.
Beim Loslaufen merken wir bereits, dass unsere Karte nicht so ganz mit der Realität übereinstimmt. So biegen wir zu früh ab und laufen einmal in die Berge und kommen weiter südlich wieder auf der Hauptstrasse an. Trotzdem wird uns nicht langweilig, denn die allgemeine Blütenpracht und die Aussicht auf die Bucht entschädigen uns für den Umweg. Außerdem wollten wir ja hauptsächlich zu Fuß unterwegs sein. Wenn wir den Dschungelpfad erst später erwischen, ist das auch egal.
Für alle, die sich im Dezember einen Weihnachtsstern gekauft haben: Hier gibt es die in Baumform..
Nachdem wir den Wanderweg auch beim dritten Versuch nicht finden (vielleicht ist das ja Absicht, damit man einen Führer nehmen MUSS), nehmen wir den Bus und lassen uns zur Abzweigung bringen, an der eine kleine Landstraße zu den Syndicate Falls hoch führt. Auch wenn wir uns bisher nicht besonders für Wasserfälle begeistern konnten, wollen wir noch einen Versuch starten. Außerdem liegen die Fälle im Nationalparkt, also sollte für unberührte Flora und Fauna gesorgt sein.
Dass der Begriff "Nationalpark" in der Karibik anders interpretiert wird als bei uns, unterstreichen die vielen Plantagen, durch die wir laufen. Je höher wir kommen, desto mehr werden es und am Ende laufen wir auf einer von der EU geförderten "Farm Access Road". Und das mitten im Nationalpark... Dafür entdecken wir allerdings einen Papagei, der genau über uns hinweg fliegt. Auf seinen grünen Flügeln leuchten rote Flecken, doch sobald er genau über uns in der Baumkrone gelandet ist, versteckt ihn seine perfekte Tarnung. Es soll unser einziger Dominica-Papagei bleiben.
Nachdem ich zusehends das Gefühl habe auf einer schlabberigen Straße zu gehen, stelle ich fest, dass sich die Solen von meinen Wanderschuhen lösen. Kurze Zeit später macht es "schlapp" und die gesammte Sohle meines rechten Schuhs hat sich sauber abgelöst. Kurz drauf ist auch der linke Schuh dran. Keine Ahnung wieso, vielleicht war das Wasser bei der Bachkletterei am Mt Pele ätzend, auf jeden Fall tappe ich jetzt auf dem blanken Bett der Schuhe.
Mal wieder ein Squall im Hochland Dominicas.
Wir haben keine Ahnung, wie weit es noch bis zu den Wasserfällen ist, also machen wir Autostop und werden vom ersten Jeep mitgenommen, der passiert. Am Steuer sitzt ein Rasta und soweit ich es verstehe, ist er auf dem Weg zu seiner Kanabis-Plantage. Dabei heizt er wie die gesenkte Sau, während er mir den Joint anbietet, den er gerade raucht. Ich will ja ihm gegenüber nicht spießig wirken, aber da schnalle ich mich doch lieber an.
An der Stelle wo er uns absetzt hören und sehen wir weit und breit keine Syndicate Falls. Meine Schuhe hinterlassen Brösel auf dem Weg, über die Berge lugt schon wieder der nächste Squall und in anderthalb Stunden wird es dunkel. Da fällt uns die Entscheidung umzudrehen leicht. Schließlich haben wir ja auch wie gewünscht das Hinterland der Insel gesehen. Beim nächsten Pickup gehen unsere Daumen wieder hoch, er hält an und nachdem wir auf die Pritsche gekrabbelt sind, rast er mit demselben Speed wie vorher Mr. Rasta den Berg wieder hinunter. Das ist wie Achterbahnfahren und als wir unten aussteigen, schlottern uns die Knie.
Mit Vollgas wieder hinab an die Küste.
Zurück an der Bucht dämmert es bereits und die Sonne taucht alles in ein goldenes Licht. Hier und da stehen dicke Boxen auf dem Bürgersteig und die Leute entspannen bei lauter Musik. Es herrscht einfach typisches Karibik-Flair. Roswitha und Karl laden wir heute mal zu uns an Bord ein. Es gibt Pallatschinken und dass man Pfannkuchen auch herzhaft essen kann ist für unsere österreichischen Nachbarn neu.
Samstag, 23.02.2008 (279. Tag)
Jetzt steht es fest, meine Eltern sind vom 20.3. an auf Kuba und es wird Zeit, dass wir voran kommen. Vor uns liegt noch die Nordkaribik, von der es noch ein paar Inseln zu entdecken gibt. Es sind viele, also lohnt es sich, nicht zu lange am selben Ort zu verweilen.
Steffi schwimmt morgens, aber ich kann mich nicht so richtig dazu hinreißen lassen. Es ist erstaunlich, wie die Wasserfarbe den Drang beeinflußt. Das Wasser ist zwar klar, doch dank des Vulkansandes ist es schwarz. Für mich irgendwie nichts.
Im Supermarkt bunkern wir 10 l Petroleum, die einfach aus zwei großen Eimern geschöpft werden und nachdem wir auch unsere Wäsche bei Big Papa's abgeholt haben kann es endlich losgehen. Hier hängen mal wieder viele völlig aphatische Gestalten (zugekifft?) herum, was langsam nervt.
Zu den Iles des Saintes ist es nur ein Sprung von 20 nm und da der Wind etwas abgenommen hat setzen wir die große Fock und volles Tuch. Draußen sind die Bedingungen viel zahmer als bei den letzten Passagen und wir haben eine herrliche Überfahrt. Die Iles des Saintes ist eine kleine Ansammlungen von Inseln südlich von Guadeloupe und vor dieser Landmasse heben sie sich kaum ab. Erst als wir 2 nm vor ihnen sind, erkennen wir die Durchfahrt, die uns zwischen den Inselchen hindurch nach Bourg des Saintes bringt.
Wie im Handbuch angekündigt herrscht hier eindeutig ein bretonisches Flair. Die Inseln sind trocken und haben rein touritischen Nutzen. Sie sind daher relativ dicht bebaut, also alles Attribute, die wir eigentlich nicht suchen, doch irgendwie spricht uns dieser französische Charme an. Wir wähnen uns plötzlich zurück an Brittaniens Küsten und da es uns dort gefiel, fühlen wir uns auch hier wohl.
Zwischen den ankernden Yachten entdecken wir die Impromptu, eine Halber Rassy 46 unter amerikanischer Flagge. Brit hatte uns Gitti und Jürgen schwer ans Herz gelegt. Wenn wir die Impromptu treffen würden, sollten wir den Kontakt zu den beiden ausgewanderten Deutschen suchen und uns verwöhnen lassen. Auch bei den beiden hat sie uns schon angemeldet und als wir in Reichweite kommen, springt Gitti auf und winkt uns brüllend zu.
Der Anker hält heute erst beim zweiten Versuch (was selten vorkommt) und beim Aufklarieren umkreisen uns traditionelle Jollen, die völlig übertakelt sind. Sozusagen die 49er der Vergangenheit. Sie werden von etwa fünf Mann gesegelt und es scheint harte Arbeit zu sein. Bei jeder Bö schwingen sich alle außenbords und ist der Windstoß durchgezogen, müssen sie schleunigst wieder rein, während die Nußschale bedenklich nach Luv krängt. Fünf Stück davon segeln in der Bucht um die Wette. Typisch Frankreich, am Wochenende geht man eine Runde Racen.
Traditionsdinghys umkreisen uns. Das da rechts ist übrigens eine Mooring.
Eine Stunde später sitzen wir schon im Cockpit der Impromptu und genießen bei Rumpunsch und Häppchen die Gastfreundschaft der beiden. Doch auch das Örtchen zieht uns an und so paddeln wir im Dunkeln an Land und drehen noch eine Runde. Das ist hier wirklich die Bretagne und allerseits herrscht eine locker-leichte Urlaubsstimmung. Wir sind in Fronkreisch.
Sonntag, 24.02.2008 (280. Tag)
Während ich an Bord faulenze, besucht Steffi die Messe, die hier von der Orgel und einer Trompete begleitet wird. Die Impromptu legt früh in Richtung Guadeloupe ab und wir planen heute Abend oder morgen nach zu kommen. Es ist nur ein Sprung von 22 nm, für diesen Felsbrocken sollten wir damit genug Zeit haben.
Bepackt mit unserem Schnorchelzeug latschen wir los. Wir wollen in die Baie de Pompierre im Nordosten, die glasklares Wasser verspricht. Auch wenn man es nicht glauben sollte, "verlaufen" wir uns und stehen plötzlich neben dem Ende der Landebahn am Strand. Das Landen und Starten auf dieser Insel muß ein fliegerisches Schmankerl sein. Beim Landen schweben die Maschinen durch eine Schlucht herein und beim Start endet die Bahn 10 m vor und 3 m über dem Strand. Ziemlich cool.
Der Flugplatz. Links die landebahn, im Rücken der Strand.
Endlich an der Bucht lockt das türkise Wasser und nachdem wir uns umgezogen und die Kamera ins wasserdichte Gehäuse gepackt haben, schnorcheln wir ins Unglück. Zunächst fällt mir so nebenbei auf, dass das Gehäuse kaum noch schwimmt, doch ich schalte zu spät. Als ich wenig später einen Flötenfisch im Seegras entdecke, läßt sich die Kamera nicht einschalten und ich entdecke das Problem: Das Gehäuse ist schon zur Hälfte geflutet und unsere IXUS 60 badet genüßlich im tödlichen Naß. Ich könnte wirklich in meinen Schnorchel kotzen, doch jetzt zählt jede Sekunde und nachdem wir wieder an Land sind, geben wir der Kamera die volle Süßwasserspülung. Vielleicht haben wir ja noch eine Chance.
Unsere Stimmung ist im Eimer. Da kann uns kein französischer Urlaubsflair mehr aufheitern. Das ist jetzt schon die zweite Kamera die wir schrotten und es war schon auf Las Palmas eine arge Sucherei, bis wir wieder eine IXUS60 fanden, denn nur dieser Typ paßt in das Unterwassergehäuse. Wenigstens liegt die erste Kamera auf Garantie repariert bei meinen Eltern, doch die Vorstellung, bis Kuba ohne Fotos unterwegs zu sein, nervt gewaltig.
Nachdem wir die Kamera zerlegt und in der Sonne getrocknet haben, starten wir einen Versuch, doch es leuchtet lediglich die Autofocus-Lampe, ansonsten herrscht Stille. Silizium zu Slizium geht mir durch den Kopf und am liebsten würde ich das Ding im höchsten Bogen über Bord schmeißen und mich gleich hinterher versenken. Hätte ich den Fussel auf der Dichtung entdeckt, hätten wir jetzt mal wieder schöne Unterwasserfotos. Vielleicht hat mich Steffis neuer Bikini doch zu sehr abgelenkt.
Wirklich genervt heben wir um 14:00 den Anker und segeln bei halbem Wind nach Point a Pitre in der Mitte Guadeloups. Es sind Bilderbuchbedingungen und unsere Stimmung hellt sich etwas auf. Von hinten kommt langsam ein Zweimaster auf, also trimme ich die Segel und als ich mich an der Fockwinsch zu schaffen mache, geht unsere Winschkurbel über Bord. Was ist das denn bitteschön für ein Scheißtag??? Die Kurbel soll zwar schwimmen, doch in diesen Wellen besteht kaum eine Chance sie wiederzufinden, auch wenn wir dreimal auf und ab segeln. Zu guter letzt bekommen wir danach nochmal eine fette Breitseite und ein Schwall von Wasser begräbt mich im Cockpit. Am besten mache ich jetzt gar nichts mehr.
Als wir bedröppelt zwischen zahlreichen Prollschleudern in die Bas Fort Marina einlaufen, winken Gitti und Jürgen uns vom Steg aus zu und wir können uns endlich bei jemandem ausheulen. Das tut schonmal gut, doch damit noch nicht genug. Als wir rückwärts in unseren Platz dampfen, steht Jürgen am Steg und hält zwei Winschkurbeln in den Händen. Sie hätten sechs Stück in der Bilge herumliegen und wir sollen uns einen aussuchen. Es sind wirklich die nobelsten Harken-Kurbeln und wir können das Geschenk kaum annehmen, doch da haben wir die Rechnung ohne die beiden gemacht. Wir sind wirklich gerührt und auch die langsam vor sich hinkorrodierende Kamera ist bei soviel Freundlichkeit schnell vergessen. Morgen ist ein neuer Tag, mal sehen, was er bringt.
Montag, 25.02.2008 (281. Tag)
Morgens im Bett denken wir nach und kommen zu dem Schluß, dass wir uns keine Freude damit machen, bis Kuba auf eine Kamera zu verzichten. Zu einmalig sind die Gegenden, die wir hier sehen und Euch würde es wahrscheinlich auch nicht vom Hocker reißen, den nächsten Monat nur mit Prosa leben zu müssen. Vor allem aus der Ecke von Utrecht erreichten uns Gerüchte über zuviel Text und zuwenig Fotos. ;o) Das erinnert mich an folgendes: Könnte jeder, der das hier liest uns vielleicht mal eine knappe Email mit etwas Feedback schicken? Ist Euch der Text zu lange? Verlieren wir uns zu stark in Details? Wo würdet Ihr gerne mehr drüber wissen? Der Zugangs-Zähler auf unserem Server ist schon seit längerem inaktiv und wir haben überhaupt keine Idee, wie viele Leute hier mitlesen. Mailt bitte an Tim, unter: tim@welcomes-you.com.
Nachdem wir geduscht haben und in Frankreich eingecheckt sind, trampen wir in die Stadt und starten die Suche nach unserer dritten IXUS60. Franzosen auf St Lucia hatten uns vor dem angeblichen Rassismus auf Guadeloupe gewarnt, doch wir bekommen davon gar nichts mit. Vielmehr erscheinen uns die Anwohner um einiges freundlicher als auf Martinique und wir genießen das quirlige Leben im Stadtzentrum. Überall wo wir fragen ist man enorm hilfsbereit, doch unserem eigentlichen Problem hilft das leider nicht weiter. Nirgendwo ist eine IXUS60 zu finden, wenn dann gibt es nur das Nachfolgemodell, die Nr. 70, oder die neuste Nr. 75.
Elektronikläden gibt es hier nur wenige und man empfiehlt uns, ins Industriezentrum Jarry zu fahren. Ein Sammeltaxi nimmt uns mit und wir landen in amerikanischen Verhältnissen. Das Industriezentrum ist ein weitläufiges Areal, auf dem sich riesige Läden mit Lagerhallen abwechseln. Über die große Straße rauscht in einem fort der Verkehr, an Fußgänger hat allerdings kein Sau gedacht und in der sengenden Hitze suchen wir uns unseren Weg entlang des Randsteins. Es ist unglaublich nervig und wir schleppen uns kilometerweit von Laden zu laden. Niemand hat noch das alte Modell, aber jeder kennt wieder ein anderes Geschäft, wo wir Glück haben könnten.
Wir latschen, latschen und latschen wirklich den gesamten Tag durch die Gegend, nehmen Busse, Sammeltaxis und trampen, kehren aber am Abend ohne Erfolg zurück zum Hafen. Die Füße schmerzen und um 20:00 liegen wir k.o. in der Koje. Für heute reicht's.
Dienstag, 26.02.2008 (282. Tag)
Wir frühstücken französisch im Hafenbistro und nehmen den Bus in die Stadt. Geht gleich alles viel einfacher, wenn man sich mit den Verkehrsmitteln auskennt und im Zentrum steuern wir direkt den Connexion an. Das ist ein Elektronikdiscounter und wir haben uns jetzt dazu durchgerungen, einfach eine IXUS70 zu kaufen, egal, ob sie ins Unterwassergehäuse paßt, oder nicht. Wir wollen sie sowieso nicht mit ins Wasser nehmen, EINE Kamera versenken reicht vollkommen.
Irgendwie scheint sich die Geschichte von gestern zu wiederholen: Im Connexion haben sie gar keine Canon-Modelle und auch im nächsten Laden gibt es nur andere Typen. Es ist wirklich wie verhext und nachdem wir gestern zig Läden abgeklappert haben, bekommen wir es einfach nicht mehr auf die Reihe, wo es die IXUS70 gab. Mit dem Sammeltaxi fahren wir wieder ins Industriegebiet und werden beim Canon-Importeur fündig. Falls wir wieder mutiger werden ließe sich das Gehäuse auch etwas anpassen, so dass die Kamera doch hineinpasst. Nachdem eigentlich alles klar ist, stellt sich heraus, dass der Importeur nicht an Privatkunden verkauft. Zu doof.
So wiederholt sich der gestrige Tag im Zeitraffer. Wir klappern wieder die Läden ab, laufen durch die sengende Mittagssonne an dieser beschissenen Straße entlang und nach Steffis Wutanfall (ist es die Sonne, oder die vulkanische Hitze, die mich schwitzen läßt?) beschließen wir frustriert, dass wir jetzt doch zum Carefour fahren, wo wir die IXUS70 garantiert gesehen haben. Zu dumm dass plötzlich weit und breit kein Sammeltaxi mehr zu finden ist. Routiniert wechseln wir zum Trampen, aber es dauert Ewigkeiten bis jemand stoppt. Mitgenommen werden wir schließlich von einem sehr netten Mann, der nach einem Dachdecker aussieht und in seinem Lieferwagen unterwegs ist. Er muss sowieso zum Carefour, das Schicksal scheint sich also langsam zu wenden.
Angekommen im "Shoppingparadies" entdecken wir tatsächlich die IXUS70, aber sie soll hier 350 EUR kosten. Das ist happig, doch das Glück scheint jetzt wirklich an Fahrt zu gewinnen und der winzige Fotoladen am Eingang des Einkaufszentrums bietet unsere Wunschkamera für 70 EUR weniger an. Die Verkäufertruppe ist die reinste Clowngesellschaft und als auch noch unser Fahrer als Verkäufer auftaucht, ist das Glück perfekt. Man übergibt uns die neue Kamera und entläßt uns mit den besten Wünschen. Endlich können wir uns ein Mittagessen gönnen und Ihr dürft wieder Fotos gucken:
Erstes Testfoto mit der neuen Kamera.
Zurück am Boot mache ich mich wieder ans Lackieren. Die Geschwindigkeit mit der der Klarlack seine Macken bekommt ging mir die letzte Zeit dermaßen auf den Senkel, dass ich beschlossen habe, alles sauber abzuschleifen und mit drei neuen Lagen zu beschichten. Das mache ich jetzt immer in kleinen Abschnitten und wenn ich einmal durch bin, fange ich vorne wieder an, egal wie der Lack aussieht.
Steffi checkt unseren Motor durch, da wir inzwischen die 200 h Marke erreicht haben. Damit steht ein Ölwechsel an und wir tauschen auch die Filter. Bisher lief die Maschine wie eine Eins und es sieht nicht danach aus, dass sie uns je im Stich lassen würde.
Zum Abendessen sind wir auf die Impromptu eingeladen. Gitti und Jürgen haben Guadeloupe heute mit ihrem Mietwagen unter die Lupe genommen und laden uns für morgen zum Mitfahren ein. Wirklich blöd, dass wir inzwischen den Wecker auf 4:00 gestellt haben, denn morgen wollen wir durch den Kanal, der die Insel teilt und weiter nach Norden. Um 5:00 muss man dazu vor der Autobahnbrücke stehen und dann geht es mitten durch die Mangroven hindurch. Nach unserer NV-Karte ist der Kanal 1,8 m tief, der Doyle spricht von 2 m und nachdem wir am Steg von 8 Leuten 8 Meinungen eingeholt haben wissen wir, dass die Realität irgendwo zwischen 1,5 und 2,4 m liegen muß. Dolle Aussichten.
Es ist wie immer saugemütlich auf der Impromptu und schweren Herzens zwingen wir uns gegen 22:00 zum Abschied. Zu Hause fällt uns dann erst auf, was für ein Saustall die Apelia doch noch ist. In der Spüle stapelt sich das Geschirr, der Ölwechsler steht noch im Gang und dahinter reihen sich die Werkzeugkisten. Und so wollen wir morgen um 4:00 los? Die Entscheidung fällt einstimmig und prompt, der Wecker wird ausgeschaltet und mit der Vorfreude auf die morgige gemeinsame Inseltour verschwinden wir in der Koje. So ein Leben nennt man auf Englisch Impromptu.
Mittwoch, 27.02.2008 (283. Tag)
Gitti und Jürgen freuen sich natürlich, als sie die Apelia morgens immer noch im Hafen entdecken und nachdem sie uns mit Croissonts abgefüttert haben, steht dem Inselausflug nichts mehr im Wege. Wir umrunden die Nordspitze von Bas Terre (dem westlichen Teil) und fühlen uns wieder richtig karibisch. Weiße Strände und türkises Wasser grenzen hier an eine üppige Vegetation und die allgegenwärtige Blumenpracht läßt uns staunen. Ich nutze die Gelegenheit zum ausgiebigen Kameratest, hier die Ergebnisse:
Das ist ja mal ein klasse Ausblick von der letzten Ruhestätte, was?
Überall leuchtende Farben.
Pelikane gibt es nach meinem Geschmack viel zu wenige.
Steffi kam...
...streichelte...
...und siegte.
Auf dem Rückweg fahren wir mitten durch Bas Terre und kreuzen damit den Dschungel. Der größte Teil der Insel scheint aus Zuckerrohrfeldern zu bestehen, aber hier auf den Bergen wächst die Natur noch unberührt und an einem Halteplatz entdeckt Steffi Blattschneider-Ameisen. Zunächst sieht es nach einer Reihe von Blattstückchen aus, doch bei genauem Betrachten sieht man, dass sie sich bewegen. Im Verhältnis zu ihrer Ladung sind die Tierchen winzig, doch sie zeigen ein sehr fotofreundliches Verhalten: Sobald sie sich bedroht fühlen, halten sie mucksmäuschen still ("nein, ich bin keine Ameise, ich bin ein lustiges Blättlein..."). Trotzdem haben wir leider kein gestochen scharfes Foto zu bieten.
Blattschneider-Ameise.
Zurück am Hafen wird es jetzt doch ernst und wir verabschieden uns schweren Herzens von Gitti und Jürgen. Sie winken uns noch lange nach, als wir in der Abenddämmerung weiter in den Trichter von Point a Pitre motoren. In der Krümmung vor der Brücke gehen wir bei 3 m Wassertiefe im Dunkeln vor Anker. Das bringt uns gegenüber morgen eine halbe Stunde mehr Schlaf.
Als ich die Ankerlaterne anschleßen will, lebt unsere Pechsträhne noch einmal auf: Bis auf einen sind inzwischen alle anderen der drei Pinne einfach wegkorrodiert. Echt nicht schlecht, bei einem als wasserdicht gekauften Stecker. Jetzt können wir daran nichts ändern, wir schalten also einfach die sparsame 3-Farben-Latern im Topp an. Was man für Farben setzt scheint hier eh niemanden zu interesieren, Hauptsache irgend etwas leuchtet.
Donnerstag, 28.02.2008 (284. Tag)
Der Wecker kommt nicht unerwartet. Irgendwie registrieren wir im Schlaf das Glasen unserer Uhr. 4:30 bedeutet dabei einen Schlag und jedes Mal wenn die Uhr einmal klingelte (20:30, 0:30, 4:30), wurden wir wach.
Draußen ist absolute Windstille, die Lampen der Brücke leuchten noch rot, doch als wir uns um 4:45 davor postieren, kommt der Brückenwärter und dann läuft alles ab wie wir es aus Holland kennen. Da die Farbe der Betonnung nach der Brücke ihre Seite wechselt, setze ich uns erstmal in den Schlick. Und dabei macht einen wirklich jedes Handbuch darauf aufmerksam. Sogar Steffi hatte es mir noch gesagt, aber ich war wohl zu schlaftrunken.
Die Rutscherei im Schlamm hat mich wachgerüttelt und damit wird die Kanalpassage zum entspannten Ereignis. Wir halten uns schön an der rechten Seite auf der 3 m Linie und erst nach der zweiten Brücke wird es einmal kurz spannend, als die Tiefe auf 2,3 m absinkt. Richtig ätzend sind dagegen die Mücken, die in lautlosen Scharen über uns herzufallen scheinen. Man hört wirklich nichts, aber innerhalb kürzester Zeit jucken die Arme und Beine höllisch und wir kramen hektisch die Authanflasche hervor.
Punkt 5:00 öffnet sich die Brücke.
Als wir den Ausgang des Kanals erreichen, zeichnet sich ein leichter Grauschimmer am Himmel ab. Die Stimmung ist wie auf den kleinen Seen Frieslands und um erstmal auszuschlafen, legen wir uns neben dem Fahrwasser vor Anker.
Gegen 8:00 nerven uns die rücksichtslosen Motorbootfahrer und nach einem Frühstück im Freien segeln wir los. Antigua ist das Ziel, doch jetzt erstmal müssen wir dem Fahrwasser durch die Riffe hindurch folgen. Wieder fühlen wir uns dabei an Holland erinnert, statt Friesland- kommt hier allerdings Watt-Feeling auf.
Durch die Riffe Guadeloupes.
Draußen im freien Wasser überfällt uns ein Squall und wir müssen reffen. Die Wellen sind heute unangenehm kurz und steil und sie scheinen aus allen Richtungen zu kommen. Apelia hoppst, rollt und stampft und kommt irgendwie nicht richtig voran. Zusätzlich knallen die Wellen regelmäßig vor den Rumpf und wir haben viel "grüne See" an Deck. Manchmal komme ich mir vor wie im U-Boot.Apelia scheint so komisch tief und träge im Wasser zu liegen, so dass ich immer mal wieder ins Bootsinnere schiele, ob vielleicht ein Leck dafür verantwortlich ist. Doch es muss eindeutig an den Wellen liegen, innen ist alles furztrocken.
Dass auch Antigua trocken ist, sehen wir auf den ersten Blick. Man sieht viel braune Erde bewachsen von Agaven und Kakteen. Der Insel fehlen die hohen Berge um die Passatluft zu melken. Dafür ist das Meer herrlich türkis blau und der Eingang nach English Harbour ist spektakulär. Seit langem mal wieder eine richtig tiefe Bucht. Der Eingang muß früher äußerst wehrhaft gewesen sein, heute zeugen die gut erhaltenen Ruinen am Eingang von der Zeit, als England und Frankreich um diese Gegend stritten.
English Harbour und im Hintergrund Falmouth Harbour.
Auf einer Landzunge in der Bucht liegt Nelsons Dockyard. Man kann hier auch anlegen, doch wenn man die anderen Boote so sieht, kann man sich den Preis denken. Eine Superyacht reiht sich neben die andere und dazwischen liegt der ein oder andere Klassiker. An Land ist alles very british. Man hat die alten Gebäude erhalten und beim Schlendern durch die Anlage fühlen wir uns in die damalige Zeit zurückversetzt.
Der Zoll hat schon geschlossen, also spazieren wir ein wenig durch die Gegend, bewundern die alten Klassiker und lästern über die häßlichen Megayachten. Als wir an die Falmouth Bay kommen wird es noch etwas extremer. Hier liegt wirklich der ganze Megayachten-Schick an extra dafür eingerichteten Betonstegen. Die Motoryachten sind endlos lang und die Masten der Segler erstrecken sich himmelhoch. Hier am Ufer leben die Locals dagegen in einfachsten Hütten und ein Mann mit nur einem Bein bettelt. Bis er das Rentenalter erreicht, wird er keine Unterstützung vom Staat bekommen. Bis dahin muß ihn seine Familie auffangen. Gegenüber die Megayachten, krasser können die Gegensätze wohl nicht sein.
Wir sind gerade in der Koje, da frischt der Wind auf und dreht um 90 Grad. Wir bemerken es durch das kratzende Geräusch einer Mooringboje, also höchste Zeit, sich zu verlegen. Es ist immer wieder schierig, den Schwojkreis abzuschätzen, aber dies ist das erste Mal, dass wir uns nach einer Winddrehung umlegen müssen. Es sind auch nur ein paar Meter, dann liegen wir gut. Man hört jetzt allerdings ein rumpelndes Geräusch von der Kette. Nach unserem Hafenführer liegen diverse dicke Ketten am Grund (in denen sich gerne mal Anker verfangen), scheinbar haben wir jetzt eine erwischt.
Freitag, 29.02.2008 (285. Tag)
Am Morgen dreht der Wind wieder zurück und wir liegen fast auf der alten Position. Ich gehe alleine zum Checkin und zum ersten Mal könnte man sich über die übermäßige Bürokratie aufregen. Von Port Auhtority werde ich zu Customs geschickt, dann zu Imigration, wieder zurück zu Customs und dann nochmal zu Port Auhtority, wo 44 US$ fällig werden. Echt nicht schlecht, aber irgendwovon müssen diese vielen lustlosen Beamten ja bezahlt werden.
Vor Anker neben Nelsons Dockyard.
Mittags spazieren wir den Küstenweg nach Falmouth Harbour und genießen die rauhe Natur. Überall rennen Ziegen herum, wir sehen viele Vögel und noch viel mehr Eidechsen, die vor uns davonhuschen. Eine interessante Abwechslung gegenüber den letzten Dschungel-Inseln.
Trotz der Trockenheit gibt es viele Blümchen (Fleißiges Lieschen).
In Falmouth Harbour entdecken wir einen Stand mit Eiscreme. Damit läßt sich der Schickeria doch noch was abgewinnen. Wir schlemmen beide einen Becher, flüchten danach allerdings heimwärts. Nach ein paar Einkäufen beim "Chandler" (Segelladen) paddeln wir als Abstecher durch die Bucht und bewundern die Klassiker von der Wasserseite. Es sind durch die Bank elegante Yachten und wir fragen uns, wie die Holzmasten und das Tauwerk knarren müssen, wenn die endlosen Quadratmeter Tuch oben sind.
Klassiker, deren Bäume alleine schon länger als die Apelia sind.
Das Admirality In Restaurant macht einen urgemütlichen Eindruck und um es für morgen Abend auszuchecken, genehmigen wir uns zum Sonnenuntergang einen Cocktail. Die Preise sind allerdings ziemlich saftig, die Bedienung völlig unmotiviert und da auch die angebotenen Gerichte very british sind (Pie, Hamburger usw.), werden wir wohl nicht wiederkehren. Der Barkeeper scheint aus irgend einem Grund beleidigt zu sein und mischt meinen White Russian sowas von krass, dass ich schon um 20:00 in der Koje liege und meinen Rausch ausschlafe.
Nachts werden wir nochmal von zahlreichen Dinghies geweckt. Die Rücksichtslosigkeit der Leute ist unvorstellbar. Mit Vollgas 2 m am Bug vorbei ist ganz normal.
Samstag, 01.03.2008 (286. Tag)
Wir suchen vergeblich nach einer Kirche für Steffi und steigen schließlich in ein Sammeltaxi nach St Johns ein. Die Einrichtung dieser Kleinbusse ist in meinen Augen wirklich ideal. Sie fahren völlig ohne Fahrplan, man kan überall zu- und absteigen und die Preise liegen im Bereich von ein oder zwei EC-Dollar. Was würde man sonst zu bestimmten Zeitpunkten an den Bushalten stehen und sich über die Verspätung aufregen. Dazu bekommt man hier gar keine Chance. Man läuft einfach die Strasse entlang und nach maximal 5 min sitzt man in einem Toyota HighAce und schaukelt bei lauter Gangsta-Musik durch die Landschaft. Auch heute sind die Typen mal wieder die Coolness in Person und als dann auch noch drei Honeys einsteigen, gehen die Balzrituale erst so richtig los. Aber die Girls stehen dem in nichts nach und ignorieren alles mit eiskalter Mine.
Trubel in St John's.
Bereits auf der Fahrt fiel es uns auf und auch hier in St John's ist es deutlich: Antigua ist nicht sehr wohlhabend und die Trockenheit macht es wahrscheinlich nicht einfacher. Wir fühlen uns ein wenig an die Kapverden erinnert. Die einzige Einnahmequelle scheinen die Nobelhäfen im Süden und der Kreuzfahrerterminal hier in der Stadt zu sein. Zum Glück ist er heute leer und wir erleben das unverfälschte St John's. Um den Busterminal herum ist Markt und an einem Straßengrill teilen wir uns eine Suppe. Ein echter Fehler. Unter einer dicken Ölschicht schwimmen ausgekochte Fettstücke, die wir nicht anzurühren wagen. Das Gemüse ist total grob zurecht geschnitten und der Geschmack... Naja, also spannend war es nicht. Bei diesem Essen wundert es auf jeden Fall nicht, dass der durchschnittliche Körperumfang ziemlich groß ist.
Wir besuchen das Nationalmuseum und die Perversität der Sklavenzeit jagd uns Gruselschauer über den Rücken. Auf was für Gedanken die Menschheit kommt ist wirklich unfassbar.
Niedergeschlagen spazieren wir zur St John's Cathedral. Von außen ist es eine normale Kirche aus Stein, doch von innen ist sie vollständig mit Holz ausgekleidet. Angeblich um sie sturmsicherer zu machen. Natürlich stehen die meisten Fenster offen und so hat sich ein Kolibri in die Kirche verirrt und schwirrt wie eine Fliege vor einem geschlossenen Fenster auf und ab. Als ich ihn greife schimpft er kurz, liegt dann jedoch ergeben in meiner Faust. Es ist wirklich rührend, wie winzig diese Vögelchen sind. Draußen öffne ich meine Hand und nach einer kurzen Schrecksekunde fliegt er laut zeternd in einen Baum. Zwei winzige Federchen hat ihn die Aktion gekostet, die kleben jetzt in unserem Logbuch.
St John's Cathedral, von außen Stein, von innen ein Holzsarg.
Abends musizieren wir seit langem mal wieder. Es geht ziemlich holperig und wir stellen uns eine Liste von 15 Liedern zusammen, die wir ab jetzt üben wollen. Das letzte "Guten Abend, gute Nacht" klappt schon wieder ganz gut und macht Hoffnung.
Sonntag, 02.03.2008 (287. Tag)
Morgens muß Steffi feststellen, dass die Sammeltaxis Sonntags scheinbar nicht fahren. Oder sie haben sich spontan in normale Taxis verwandelt, denn es scheint ein Kreuzfahrer in St John's zu liegen. Wir merken es an den Touristenscharen, die in Nelsons Dockyard einfallen und Bootstouren gebucht haben.
Ich bastle am Boot und fülle endlich mal den Diesel aus unseren zwei 20 l Kanistern in den Tank. Seit Las Palmas haben wir 40 Motorstunden gemacht, mit den 40 l Diesel ist der Tank also wieder voll. Von einem Nachbarboot borge ich mir einen Trichter und schütte den Sprit durch einen Kaffeefilter. Mike von der Wagtail erzählte uns in Le Marin, dass er Bakterien ("Diesel Bug") in seinem Diesel gefunden hätte und ich will auf Nummer sicher gehen. Wir scheinen allerdings Glück zu haben.
Britisher Flair um Nelsons Dockyard.
Nachdem auch der Wassertank aufgefüllt ist, schwimmt Apelia wieder absolut eben und beim Wegpaddeln bewundern wir wie immer ihre Linien. Wir wollen wieder musizieren, doch hier so knapp vor dem Steg ist es uns am hellichten Tag zu peinlich und wir verziehen uns in die Natur. Auf unserem Spaziergang entlang der Küste haben wir einen netten Flecken entdeckt und an dieser windgeschützten Stelle an der Steilküste setzen wir uns in die Büsche und spielen das Repertoir durch.
Als wir ein Baby schreien hören, setzen wir aus, doch es ist kein Kind, sondern ein Zicklein, das nach seiner Mutter ruft. Scheinbar verwirrt es Steffis Geige und es guckt ganz irritiert zu uns herauf.
Als wir fertig sind (sowohl mit den Liedern als auch mit der Konzentration), haben wir das Gefühl, dass um uns herum eine ganze Schar von Vögelchen zwitschert ("Banana Flips") und als ich aufstehe, fliegt keine 10 m neben uns ein Fischadler auf. Vielleicht ist es nur Einbildung, aber es scheint, als ob unserer Musik die Tiere wenigstens schonmal nicht vertreibt.
Zurück am Boot müssen wir uns beeilen, denn zum Sonnenuntergang wollen wir auf Shirley Heights sein. Es ist ein Restaurant auf dem Berg neben der Bucht, von wo aus man eine tolle Aussicht haben soll und wo Sonntag Abends eine Steelband spielt. Der Pfad führt immer den Grat entlang, mitten durch regelrechte Kaktus-Bäume und gigantische Agaven. Von oben schallt uns schon die Steelband entgegen und wir genießen die Aussicht auf die Bucht und das tiefblaue Meer. So übersehen wir beinahe die Einsiedlerkrebse, die hier überall herumkrabbeln. Ich kannte sie bisher nur unter Wasser, doch diese hier leben an Land und bewohnen ganz unterschiedliche Gehäuse, die allerdings wie Meeresmuscheln und Schnecken aussehen.
Landlebender Einsiedlerkrebs.
Oben angekommen, wissen wir, wo die Gäste des Kreuzfahrers gelandet sind. Das Plateau wimmelt nur so vor Menschen und die Steelband plärrt dagegen an. Die Preise sind hoch, doch wir haben Hunger und gönnen uns einen lieblosen Teller Grillhähnchen. Beim Essen beobachten wir die Leute und haben unseren Spass dabei. Es sind fast durchgehend Amerikaner, und die jüngeren haben schon ordentlich getankt. "Let's get drunk and fucked" scheint durchgehend zu gelten und wir sind kurz davor, Euch hier eine Dekoltee-Kollage zu präsentieren. Die Menge an Auslagen, die sich uns bietet ist schier unvorstellbar, aber trotz des Gewimmels traue ich mich dann doch nicht.
High Life auf Shirley Heights.
Irgendwann sprechen Simon und Kate uns an. Simon skippert die Ocean Star, den Schoner, den wir zwischen Martinique und Dominica im Seegang fotografierten. Er hat uns auch in Las Palmas schon wahrgenommen, als er mit der Argo, dem zweiten Boot seiner Firma, zur Atlantikpassage ablegte. Auf beiden Booten sind Studenten die Gäste, die während des gesamten Semesters mitsegeln und an Bord auch unterrichtet werden. Eine ziemlich coole Art zu studieren, allerdings wohl auch nicht ganz billig.
Alle, die wir auf dem Berg trafen konnten sich nicht vorstellen, zu Fuß hier hoch zu laufen und jetzt, wo wir mit Taschenlampen in der Dunkelheit verschwinden, guckt uns so mancher verwundert hinterher. Doch wir genießen den Nachtspaziergang, sogar als Steffi in einen Kaktus greift, den sie für einen Ast hält. Die Musik der Band begleitet uns bis zum Boot, aber trotzdem hören wir zwischendurch immer wieder ein gruseliges Kratzen. Im Licht der Taschenlampe entdecken wir dann zig Einsiedlerkrebse, die scheinbar nachtaktiv sind und in Scharen durch das Unterholz wuseln.
Montag, 03.03.2008 (288. Tag)
Auf Simons Einladung besichtigen wir morgens die Ocean Star. Das ist kein Boot, sondern schon ein richtiges Schiff mit einem anständigen Maschinenraum und richtigen Seekojen. Wenn es ausgelastet ist, wird es allerdings auch hier eng und wir können nachvollziehen, dass auch die Ausbildung im Miteinander zu den Zielen des Seamester gehört.
Nach einem Frühstück bei der Bakery (mit Vögelchen die von der Hand futtern) machen wir uns seeklar und haben ziemliche Probleme, den Anker aus dem Boden zu bekommen. Ich befürchte schon, dass er sich in 7 m Tiefe unter eine dicke Kette geschoben hat, doch nachdem wir ihn überfahren und ausgebrochen haben, läßt er sich bergen.
Unter kleiner Fock und erstem Reff fliegen wir vor dem Wind entlang der Küste dahin und sparen uns mit der Passage zwischen dem Land und dem Inner Reef einiges an Strecke. Von See präsentiert sich Antigua äußerst anziehend. Weiße Strände und türkisfarbenes Wasser locken zu einem Zwischenstopp, doch wir wollen ja irgendwann nochmal nach Kuba und segeln deshalb an all den Traumbuchten vorbei in Richtung Barbuda.
Buchten laden zum Verweilen ein.
Bevor wir Antiguas Lee verlassen, kocht Steffi eine Gemüsesuppe und wir schlemmen uns durch die Henkersmahlzeit. Dann ist es an Antiguas Nordspitze leider vorbei mit der Ruhe und die Wellen werden richtig ätzend. Apelia planscht mit halbem Wind dahin und kommt irgendwie nicht richtig voran. Erst als wir ausreffen geht die Sausefahrt weiter. Bei den 5 Bft haben wir zwar viel Tuch oben, doch in dieser Kabbelsee brauchen wir den Druck, um ordentlich zu marschieren.
Zwischen Antigua und Barbuda zieht sich ein Rücken und so bekommen wir eindrucksvoll den Zusammenhang zwischen Wassertiefe und Wellenlänge vorgeführt. Bis 20 m sind die Seen wirklich ätzend kurz, doch als der Seeboden auf 30 m absinkt werden sie länger und die Fahrt wird entspannter. Von Barbuda sehen wir allerdings nichts. Erst 6 nm vor der Südspitze entdecken wir hier und da einen Baum und ganz zum Schluß taucht der Strand über der Kim auf.
Barbuda ist eine Laguneninsel und auf der Westseite trennt nur ein schmaler Sandstreifen die Lagune vom Meer. An die einzige Stadt mit ihren 1500 Einwohnern kommt man gar nicht heran, da sie mitten im Zentrum liegt. Vor diesem Sandstreifen, dem "11 Mile Beach", gehen wir vor Anker. Nur vier andere Yachten sind zu sehen, wenn es hier überall so einsam ist, wird Barbuda ein ganz besonderes Abenteuer.
Endloser, einsamer Strand am "11 Mile Beach".
Dienstag, 04.03.2008 (289. Tag)
Das einzige, was wir an diesem paradiesischen Fleckchen auszusetzen haben, ist dass das Wasser nicht klar ist. Der Schwell und der starke Wind wirbeln feinste Partikel auf und es ist trüb, obwohl es in den tollsten Türkis-Schattierungen leuchtet. Es scheint allerdings auch die Kinderstube von so manchem Fisch zu sein, denn nachts sieht man im Licht der Taschenlampe viele kleine Pünktchen wirbeln.
Wir paddeln zu diesem herrlich unberührten Strand und schaffen trotz des Schwells eine trockene Landung. Wir sind halt inzwischen regelrechte Brandungsprofis, wobei uns in diesem Fall die Rahmenbedingungen unter die Schlauchbootwürste greifen. Der Stand steigt steil an und die Wellen lecken mehr daran auf und ab, anstatt zu brechen. Damit reflektiert sie der Strand und draußen bei der Apelia bilden sich dadurch ganz seltsame Wellenmuster.
Heute ist es regnerisch. Der Himmel ist tiefgrau und von Zeit zu Zeit erwischen uns Squalls. Trotzdem spazieren wir nach Norden und gucken auf die Lagune, wo sich 50 cm hohe Wellen am inneren Strand brechen. Der Wind ist heute wirklich stark und mit unserem Dinghy hätten wir keine Chance, rüber in die Stadt zu kommen. Mit dem Handmarifon rufen wir das Wassertaxi Garden of Eden, aber nichts regt sich. Also spazieren wir weiter und treffen nach etwa einem Kilometer auf ein gerodetes Fleckchen mit ein paar hölzernen Sonnenschirmen und einer Bude, wo sich etwas Leben regt.
Trotz der Squalls gehen wir auf Entdeckungstour.
Clifford "Guiness" Crystal ist seit 18 Jahren der Eigentümer des Strandes und dank seiner Öko-Einstellung ist dieses Fleckchen Paradies noch genau so schön und unberührt wie eh und je. Ausländische Investoren haben ihm schon 7 Mio US$ geboten, doch Geld ist das letzte, was er will. Für ihn ist es wichtig, dass jeder auf seinem Strand spazieren kann und dass die Natur so bleibt wie sie ist. Dieser 30 m breite Abschnitt ist das einzige was er dem Tourismus eingesteht und Jalla verköstigt hier die Tagestouristen aus Antigua, nachdem sie sein Bruder zu den Höhlen und zur Fregattvogelkolonie gefahren hat.
Wir sind tief beeindruckt von diesem "einfachen" Mann, der sich so entspannt gegen die Übermacht des Geldes stellt und mithilft, Barbuda als das paradiesische Fleckchen zu erhalten, das es ist. Im Laufe unseres Besuchs lernen wir jedoch, dass er die generelle Denkweise der Bevölkerung wiederspiegelt. Es gab schon öfter revolutionäre Aktionen gegen große Projekte von außen. So wurde der Verkauf des Sandes eingestellt und der Bau eines großen Hotelkomplexes im Süden gestoppt. Alles Aktionen, die die Regierung in Antigua beschlossen hatte, hinter denen die lokale Bevölkerung allerdings nicht stand.
Guiness (hier hat jeder einen Spitznamen), fährt uns rüber zur Fregattvogelkolonie, der größten der gesamten Karibik. Schon im Süden haben wir diese genialen Flieger bewundert. Sie haben eine Spannweite von gut zwei Metern und wiegen dabei nur 2,5 kg. Wenn man sie fliegen sieht, versteht man, dass sie zu nichts anderem geboren wurden. Landen sie in den Mangroven, sinken sie mit ihren kurzen Füßchen hilflos im Blätterdach ein und wenn sie im Wasser landen, kommen sie angeblich nur mit der Hilfe von Artgenossen wieder in die Luft, die ihnen buchstäblich unter die Flügel greifen sollen.
Reges Treiben in der Fregattvogelkolonie.
Wir lassen uns sicherlich eine gute Stunde neben den Mangrovenbüschen treiben, in denen die weißbeflaumten Jungen sitzen und von den alten gefüttert werden. Über uns stehen ganze Schwärme in der Luft und es sieht ganz so aus, als ob die Vögel ihre Zeit lieber dort als in den Büschen verbringen.
Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde sie gruselig schön.
Auf dem Rückweg schauen wir noch kurz im Dorf lang, da Guiness Bier für die Bude kaufen muss. Es ist eine verschlafene Siedlung, und die Schule scheint einen Großteil der Fläche auszumachen. Jedes Klassenzimmer ist ein eigenes Holzhäuschen und durch die geöffneten Fenster sieht man die Kinder büffeln.
Zurück am Traumstrand verabreden wir uns für morgen zu einer Höhlentour, musizieren unsere Liste durch und verkriechen uns dann unter Deck, wo es bei heftigen Schauern und heulendem Wind so richtig gemütlich ist. Sind wir verwöhnt, oder ist es zur Zeit wirklich frisch? Zum Schlafen holen wir mal wieder unsere Fleece-Decken heraus.
Mittwoch, 05.03.2008 (290. Tag)
Eigentlich hatten wir vereinbart, dass Jalla uns in den Ort fährt und wir uns an die Tagestouristen dranhängen. Doch der Bus seines Bruders ist schon voll, also nimmt Jalla uns kurzerhand in seinem Jeep mit und wir bekommen eine Privattour (zum selben Preis). So erfahren wir viel über die Lebensweise auf dieser Nordöstlichsten Insel der Karibik. Im Gegensatz zu den Bewohnern der anderen Inseln ist man hier einiges handfester und packt die Sachen an, die man erreichen will. Kombiniert mit dem Wunsch, die Insel so zu erhalten wie sie ist, könnte Barbuda eine tolle Zukunft mit sanftem Ökotourismus blühen.
Die Ostküste ist wild und zum ersten Mal sehen wir, wie sich die Wellen in gigantischen Fontainen draußen am Riff brechen. Durch eine Grotte klettern wir hoch in die "Highlands" (20 m hoch) und genießen die spektakuläre Aussicht.
Mit Jalla auf den Highlands.
Auf dem Rückweg ins Dorf halten wir vor Jallas Haus und er zeigt uns seinen Kräutergarten, in dem verschiedenste Pflanzen wachsen, aus denen man Tee zubereiten kann. Er rupft uns hier und da was ab, für die kommenden Tage sind wir also versorgt. Zurück im Dorf muss er sich dann um die Touristengruppe kümmern und wir seilen uns ab, um für morgen auszuklarieren.
Es wird eine ganze Pilgerwanderung. Bei der Port Authority bekommen wir einen Eindruck von den vorherrschenden Gegensätzen: Es ist ein nagelneues, voll-klimatisiertes Gebäude und die drei feisten Beamtinnen sind die Trägheit in Person. Sie sitzen hinter gigantischen Schreibtischen in fetten, lederbezogenen Bürostühlen, wie man sie bei uns evtl. ganz oben in Chefetagen findet. Hier investiert man also völlig über das Ziel hinaus, während für die Schule das Geld fehlt. Und dabei sind wir wahrscheinlich heute der einzige Vorgang, der den drei Matronen auf den Tisch kommt.
Quer durch's Dorf müssen wir danach zum Zoll, der sich seltsamer Weise im Privathaus des Zöllners befindet. Wir sitzen beim Ausklarieren sozusagen in seinem Wohnzimmer. Immigration ist dann aber wieder ein kleines und bescheidenes Büro im Dorfzentrum.
Zurück am Strand gibt es bei Jalla das Mittagessen und Steffi wagt sich zum ersten Mal an den Lobster. Die Barbudans essen nur den Lobster aus der Lagune und angeblich will auch Fidel keinen anderen, wenn ihn sein Staatskumpel aus Antigua besucht. Da könnten wir also gleich mal eine Ladung als Gastgeschenke mitnehmen, was?
Life in paradiese maaaan.
Bevor wir zur Apelia heimpaddeln, gönnen wir uns noch eine Badesession und machen ein wenig Strandleben. Das Wasser, der Sand und die Einsamkeit wecken dabei unsere Fotografierlust und wir posieren was das Zeug hält. Sieht ja keiner, obwohl, jetzt kann es die ganze Welt sehen...
Madame.
Monsieur.
Zurück am Boot sind wir beide k.o. Es reicht nicht mal mehr zum Musizieren. Beim Pinkeln fallen mir allerdings noch die Fliegenden-Fisch-Babys an unserem Heck auf. Als das Geplätscher losgeht, stauben sie los und es sieht aus, als ob ein Schwarm Libellen über das Wasser hoppst.
Donnerstag, 06.03.2008 (291. Tag)
Es wird Zeit, dass wir in Richtung Kuba aufbrechen. Steffi hat die letzten Abende aus dem Handbuch vorgelesen und jetzt zieht uns die letzte Insel des wahren Sozialismus magisch an. Zwischen uns und Kuba steht allerdings noch eine Strecke von 900 nm, d.h. wir müssen nochmal proviantieren und steuern dazu St Kitts an.
Es sind 65 nm, also gehen wir um 8:00 ankerauf und rauschen mit Vollzeug vor dem kräftigen Ostwind nach Westen. Seit langem mal wieder ein Raumschotsstück, wir haben ganz vergessen, wie entspannt das aufrechte Segeln sein kann. Nur hin und wieder leckt eine Welle über die Seite, meistens nutzen wir sie jedoch zu ausgedehnten Surfs und erliegen dem Geschwindigkeitsrausch.
Es sind noch gut 30 nm, da taucht voraus der "Sombrero" von Nevis auf. Wir hangeln uns durch die Meerenge zwischen den Inseln und folgen dann dem Südzipfel von St Kitts nach Norden, wo wir in Basseterre in die Marina gehen.
Nevis liegt gut geschützt hinter dem Riff.
Es dämmert schon, als Apelia aufklariert ist, doch wir spazieren noch eben zum Einklarieren rüber zum Tiefwasserhafen. Im Gegensatz zu dem Abzocker der Marina (will uns für den doppelten Preis die Anmeldung im Hafen machen) sind die Leute denen wir begegnen fröhlich und hilfsbereit und der Zollbeamte, bei dem wir auch gleich wieder ausklarieren bekommt einen ganz schwärmerischen Gesichtsausdruck, als wir ihm erzählen, dass wir morgen nach Kuba aufbrechen wollen.
Zurück im Boot bleibt uns nur noch die Koje. Täuscht es, oder heult der Wind wirklich laut in der Takelage. Nach den vielen einsamen Ankertagen müssen wir uns erst wieder an den Lärm in einer Marina gewöhnen.
Freitag, 07.03.2008 (292. Tag)
So, jetzt reicht die Zeit nur noch zu einem kurzen Schlusswort. Steffi hat heute Vormittag die letzten frischen Nahrungsmittel gekauft und nachdem wir das Dinghy im Heck verstaut und das Grab-Bag klargemacht haben, steht der Abfahrt nichts mehr im Wege. Ach so, wir müssen natürlich noch eben ins WWW-Cafe, diese Seite hochladen und das Wetter checken, aber bei diesen Passatbedingungen ist nicht mit schlimmem zu rechnen.
Die etwa 900 nm lange Tour wird uns in voraussichtlich knapp einer Woche entlang der Südküsten Puerto Ricos, der Dominikanischen Republik und Haitis führen. Dort biegen wir dann scharf rechts ab und es kommt wahrscheinlich ein wilder Halbwindgang hoch nach Santiago de Cuba. Ich habe keine Ahnung, wie es mit dem Internetzugang auf Kuba steht, aber es könnte sein, dass Ihr Euch ein wenig gedulden müßt, bis Ihr wieder von uns hört.
Also denn, ein paar schöne Tage und evtl. dann aus Kuba!
|