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Von St. Kitts bis Bahia de Vita/Kuba


Freitag, 07.03.2008 (292. Tag)

Es kommt ja immer anders, als man denkt, obwohl wir es inzwischen besser wissen sollten.
Während Tim bis 11 Uhr am Tagebuch tippt, erledige ich die nötigen Formalitäten: Liegegeld bezahlen, bei Immigration unsere Unterlagen vorlegen und ein Internetcafe ausfindig machen. Es ist hier wie überall: Läuft man als Frau alleine durch die Straßen, kann man sich der Aufmerksamkeit der Männer sicher sein. Ich bekomme ein Liebesliedchen vorgesungen und von Imigration begleitet mich einer bis zum Internetcafe, damit ich es auch ja finde.
Nachdem der neueste Tagebucheintrag (bis heute) ins Netz gestellt und wir die Mails gezogen haben, schauen wir nochmal nach den Wetterdaten. Es sieht gut aus für die kommenden Tage, wir werden wohl eher zu wenig als zuviel Wind haben, aber natürlich kommt er immer schön von achtern.
Da ich Sonntag auf See sein werde, suchen wir noch nach einer Kirche. Die Messe findet abends um 19:00 Uhr statt, also bleibt uns plötzlich ganz viel Zeit zum totschlagen. Abgelegt wird dann halt erst im Dunkeln, aber was soll's. Bei 7 Tagen Fahrt ist die Abfahrtszeit ziemlich unentscheidend.
Seit dem Morgen liegt die Carnival Destiny am Kreuzfahrerkai und die Kunstlandschaft bestehend aus Fastfood-, Schmuck- und Andenkenläden wimmelt nur so von rosigen Amerikanern. Es macht Spaß, mal wieder so viele Studienobjekte vor sich zu haben und wir lassen uns beim Stadtbummel viel Zeit, essen bei sehr lauter Musik einen Roti und schauen uns den Ort an. Zurück am Hafen schnacken wir mit Kathy und Davy aus Guernsey. Er ist gebürtiger Ire und seit wir ihn in St Lucia fragten, warum er die portugiesische Gastlandflagge gesetzt hatte (war sein Sozius schuld), trafen wir uns wiederholt. Jetzt ist endlich mal ein wenig Zeit zum Schnacken und während wir uns unterhalten "tobt" das Wildlife um uns herum. Im Hafen entsteht ein Strudel und eine heftige Rückenfinne läßt sich blicken (Tim: "Also ich bade hier nicht mehr") und kurz drauf kracht es keine 2 m neben uns und wir werden naßgespritzt. Ein Pelikan hat sich auf einen Fisch gestürzt, sortiert seine Flügel und blickt uns mit einem was-guckt-Ihr-denn-so-blöde-Blick an.

Die Carnival Destiny bringt Dollars auf die Insel.


Tim gibt den hiesigen Messen mal wieder eine Chance und begleitet mich zur Kirche. Heute ist der Internationale Tag des Gebetes und deshalb findet ein ökomenischer Gottesdienst in der Moravian Church statt. Tim freut sich über die gepolsterten Bänke, aber das Schneckentempo mit dem wir uns durch das Programm bewegen läßt seinen Gesichtsausdruck immer gequälter werden. Der Kirchengesang ist hier absolut nichts -trotz Orgel- und als die Pfarrerin ihre Predigt hält, zieht sich Tims Stirn mehr und mehr in Falten. Am Ende schüttelt er nur noch fassunglos den Kopf. Eine derartige Show-Veranstaltung habe ich allerdings auch noch nie erlebt. Nachdem die Pfarrerin schon wie ein Poppstar angekündigt wurde, untermalt sie ihre "Inbrunst" mit Lautstärke, bis wir uns nur noch die Ohren zuhalten. Tim frotzelt, dass jetzt wohl der Wahrhaftige in sie gefahren sei, doch inhaltlich gibt es eigentlich gar nichts um sich so zu ereifern. Es ist wirklich die reinste Theaterveranstaltung und wir lassen das zweistündige Event ergeben über uns hinwegziehen.
Auf dem Heimweg gestehen wir uns ein, dass wir eigentlich ziemlich müde sind und keine große Lust mehr zum Lossegeln haben. Die Aussicht auf eine letzte Nacht ohne Lärm und Geschaukel in der gemeinsamen Bugkoje macht die Entscheidung noch einfacher. Ob es an unserer inzwischen relativ nördlichen Position oder dem Wetter liegt ist nicht klar, aber nachts ist es herrlich frisch und wir pennen endlich mal wieder dicht aneinandergekuschelt.


Samstag, 08.03.2008 (293. Tag)

Wir wachen schon um sechs Uhr auf und nutzen die Zeit, alles unter und an Deck vorzubereiten. Bis zur Ankunft des Hafenmeisters um 8:00 gilt es allerdings wieder die Zeit totzuschlagen, also frühstücken wir gemütlich (Cornflakes, mmmmmhhhh) und filmen die Pelikane, die sich ihr Frühstück bei Sturzflügen aus 10 m Höhe zusammensuchen. Jedes Mal wenn sie auf's Wasser krachen klingt es, als ob jemand einen 10-L-Eimer auskippt. Und so wie gestern scheinen sie wirklich ihren Spaß dabei zu haben, sich möglichst nahe an den Yachten ins Wasser zu stürzen. Fregattvögel und Graue Pelikane gehören auf jeden Fall zu unseren Lieblingen.
Um 8:30 legen wir ab und müssen etwas tricksen, um unsere Leinen von den Dalben zu bekommen. Die Ratschläge unserer niederländischen Charternachbarn sind dabei wenig hilfreich. Ich muss mich echt zusammenreißen, als mir der Klugscheißer zuruft, wann ich Gas geben soll, während Steffi vorne zwuschen Bug und Dalben hängt, um die Leine loszuknibbeln.

Auf wiedersehen St Kitts. Kurs: exakt West.


Wie erwartet nimmt uns draußen der Passat mit O 4 in Empfang und unter Passatbesegelung starten wir unsere Fahrt exakt nach Westen. Wie immer wären wir jetzt lieber schon da, als eine ganze Woche auf See vor uns zu haben, doch ich denke das ist normal. Erstmal "einschaukeln", dann wird sich das Gefühl des Unterwegs-Seins schon einstellen. Wir vertreiben uns die Zeit mit Lesen und ich verschlinge Joshua Slocums "Erdumsegelung ganz allein". Was für ein unglaublicher Typ, der sich sein eigenes Boot zusammenbaute und damit um die Erde segelte, als das Yachtsegeln auf hoher See noch völlig unbekannt war. Zur Navigation hatte er einen Kompass, einen Sextanten und einen alten Wecker (Chronograph war ihm zu teuer). Seine Erfahrung muß imens gewesen sein. Er schätzte die Stromversetzungen und sein Boot lief ohne Windfahnensteuerung und trotzdem erreichte er wie geplant die entlegendsten Inselchen. Der Mann hat wirklich meine Hochachtung und ich bin fast beschämt, wenn ich bei dem schaukelnden Boot den Kompasskurs nicht genau genug ablesen kann und dann am Ende doch unter Deck den Kurs über Grund vom GPS ablese.
Nachmittags dreht der Wind auf NO und läßt auf 3 Bft nach. Wir rollen heftigst in den Kreuzseen, als wir genervt die kleine Fock bergen und das Groß setzen. Damit hat das Hin- und Hergeeier aber zum Glück ein Ende und Apelia macht wieder in gewohnter Ruhe 6 kn Fahrt.
Zum Abendessen kocht Steffi eine Suppe, dann hängt wieder jeder in seiner Koje und gewöhnt sich langsam an die Bewegungen und die Geräusche. Apelia macht inzwischen gut 7 kn über Grund und hin und wieder surft sie die langen Wellen hinab. Das anfängliche Mistrauen gegenüber dem Windpilot hat sich inzwischen wieder gelegt, auch hier hält er uns sauber auf Kurs und wir entspannen uns zusehends.
In der Abenddämmerung, als die Wolken zerfasern, krame ich die gute alte Eieruhr zum Wachegehen hervor, doch sie scheint tot zu sein. Auch ein intensives WD40-Bad erweckt sie nicht zum Leben und ich entschließe mich zur Notoperation, die allerdings völlig in die Hose geht. Als die vier Schräubchen von der Deckplatte entfernt sind macht es "zeng" und die Uhr streckt mir ihre Innereien (die Feder) entgegen. Es bleibt nur noch die Entsorgung im Müll und die Hoffnung, dass meine Eltern uns eine Niro-Eieruhr nach Kuba mitbringen.

Diagnose: Tod durch Verstopfung.


In der Dunkelheit entdecken wir weiter südlich viele Frachtschiffe auf Gegenkurs. Wir scheinen uns also auf einer ihrer Routen zu befinden und müssen wachsam sein. Aus Norden kommt ein Kreuzfahrer um die Saba Bank, und da wir seinen Kurs nicht einschätzen können, funke ich ihn an. Es ist ein Schiff der Holland-America-Line und man hört deutlich den niederländischen Akzent des Wachhabenden. Er ist zwar die Höflichkeit in Person, allerdings auch sehr nüchtern, also kein Schnack möglich. Er paßt seinen Kurs um ein paar Grad an und wandert achteraus.
Den Mond haben wir heute nur als schmale Sichel kurz nach dem Sonnenuntergang gesehen und so leuchten in der Dunkelheit nur noch die Sterne über uns. Dafür kommt das Meeresleuchten stärker zur Geltung und es sieht so aus, als ob Apelia auf einem Teppich von kleinen grünen Funken dahin segelt. Wir machen immer noch knapp 7 kn und finden wegen der ungewohnten Geräusche nicht so leicht in den Schlaf.


Sonntag, 09.03.2008 (294. Tag)

Früh morgens sichten wir voraus mehrere orangene Lichter, aus denen wir uns keinen Reim machen können. Ich befürchte, dass es Fischer sein könnten, die wir wegen ihrer Netze am liebsten weit umfahren, doch auf meinen Anruf reagiert niemand. In der Morgendämmerung haben wir uns dann so weit genähert, dass wir das Boot identifizieren können: Es ist ein Bulker, der sich scheinbar einfach treiben läßt. Zumindest fällt uns bei über 1000 m Wassertiefe nichts anderes ein.
Mangels Schlaf sind wir beide ziemlich k.o. und geben unser Wachschema auf. Wer kann geht Wache, der andere darf schlafen. Dafür hebt sich die Stimmung, als ich um 12:00 das Etmal bestimme: Wir haben 144 nm gemacht, so darf es gerne weitergehen. Der Wind hat inzwischen wieder auf O gedreht und wir fahren Schmetterling. Am Anfang brauchte es etwas, bis wir beim Windpilot das richtige Zusammenspiel zwischen der Kettenbelegung und der Neigung der Windfahne heraus hatten, aber jetzt ist Apelias Schaumspur fast wie mit dem Lineal gezogen. Nur gegen Mittag führt eins zum anderen und wir stehen plötzlich still. Der herumschwingende Backstag hat den Pinnenausleger losgerissen, der Pinnenausleger verkeilte sich im Cockpit und so lief Apelia aus dem Ruder. Der Bullenstander hielt den Baum in Luv und wir trieben mit 15 Grad Krängung quer zu Wind und Welle. Eigentlich ist alles ganz harmlos abgelaufen und mit ein wenig Motorhilfe können wir uns befreien.
Nachmittags musizieren wir und es klappt wirklich gut. "Lilly Marlen" ist momentan mein Favorit, dicht gefolgt von "Guten Abend, gute Nacht". "Heute hier, morgen dort" ist zwar nach wie vor angesagt, doch mangels Übung hapert es bei mir noch mit dem Hammering und wir geraten häufig ins Stocken.
Den ganzen Tag über ziehen Squalls links und rechts an uns lang, doch bisher haben wir Glück. Dafür fliegt ein Tropicvogel genau über uns hinweg und schaut sich die Apelia an. Mit ihrer einzelnen langen Schwanzfeder sehen diese Vögel irgendwie nicht langstreckentauglich aus, doch sie beweisen häufig das Gegenteil und umkreisen uns krächzend.

Zwischen den Squalls hindurch fliegen wir nach Westen.


Mit der Dunkelheit dreht der Wind wieder auf NO und wir nehmen die Fock über. Wir sind gerade damit fertig, als uns der erste Squall erwischt. Es frischt auf 6 Bft auf, doch auf diesem tiefen Raumschotskurs ist das relativ egal. Die Windfahne tut ihre ausgezeichnete Arbeit und wir verkrümeln uns unter Deck ins Trockene.
In meiner Nachtwache habe ich irgendwie einen Aktivitäts-Flash und beginne damit, alle Stropps und losen Enden mit Taklingen abzuwickeln. Boris hatte mir in Le Marin einen effektiven und gutaussehenden Takling gezeigt und jetzt kann sich wirklich jedes Ende auf Apelia sehen lassen. Und da ich sowieso schon das Nähzeug hervorgekramt habe, nähe ich gleich noch den ausgerissenen Reisverschluss an die Gitarrentasche. Näharbeiten sind bei Nachtwachen wirklich eine entspannende Beschäftigung. Man hat etwas zu tun und die Zeit verfliegt.
Der starke Schiffsverkehr läßt uns sehr diszipliniert Ausguck gehen und wir lernen, dass man den Widerschein der Lichter noch eher erkennt, wenn man nicht die Kimm, sondern den Bereich knapp darüber fixiert. Der Trick liegt im Auge: Fixiert man, wird ein Bereich auf der Netzhaut genutzt, der hauptsächlich für das Farbensehen am Tag ausgelegt ist (Gelber Fleck). Daneben ist die Dichte an lichtempfindlichen Zellen (ich glaube es sind die Stäbchen) höher, d.h. den schwachen Widerschein der Navigationslichter entdeckt man eher in der Peripherie (jaja, Bio LK, 15 Punkte...).


Montag, 10.03.2008 (295. Tag)

Der Himmel hat sich inzwischen völlig bezogen, so dass es richtig dunkel wird. Dafür wird das Meeresleuchten dann noch intensiver und wir verbringen beide viel Zeit damit, in die schwarze Tiefe unter uns zu starren, wo hier und da Quallen oder anderes Getier grün aufleuchten.
Auch Steffi packt die Nählust und nachdem sie ihre Henne (Kopfkissen) gestopft hat, setzt sie sich gleich noch ans Tagebuch, doch irgendwann wird ihr schwummerig. Wir sind halt noch nicht so richtig eingeschaukelt.
Seit dem Ablegen nervt mich das Geknarze des Fockfalls und in meiner Wache gehe ich Block nach Block durch und fette sie ein. Die Quelle des Knarzens ist allerdings die Falldurchführung im Mast. Hier muß ich am Zielhafen mal schauen. Diese sich wiederholenden Geräusche nerven mich nämlich total und ich mache täglich drei Kreuze, dass Apelia so ein leises Boot ist. Peter vertraute uns auf den Kanaren an, dass ihm unser Boot fast unheimlich sei, da es so still ist.
Ansonsten vergeht der Tag unspektakulär. Mit der aufkommenden Sonne dreht der Wind wieder auf Ost, wir baumen die Fock aus (was immer fixer geht) und Apelia tut den Rest. Wir faulenzen viel in den Kojen, lesen und Steffi managed wie immer die Ernährung. Mich begeistert es immer wieder, im Weltempfänger die Deutsche Welle zu hören, aber das Programm wiederholt sich leider ziemlich bald. Außerdem gibt es in den Nachrichten nichts, was uns wirklich interessiert. Vielleicht reizt mich mehr das Gefühl, etwas aus der Heimat zu hören. Wenn ich genug davon habe, suche ich im Autoradio nach Sendern aus Puerto Rico, deren lokale Musik uns swingen läßt. Während in der bisherigen Karibik Gangsta-Rap und Reggea mit starken und einfachen Rhythmen überwog, hört man hier in der spanischen Karibik mehr die Musik a la "Buena Vista Social Club". Tango, Rumba und Samba. Leider ist Apelias Vordeck etwas zu schmal zum tanzen.
Der Wind nimmt stetig ab, aber unser heutiges Etmal liegt noch bei 138 nm. Dafür wird es ruhiger an Bord und zum ersten Mal auf dieser gesamten Reise kramen wir den Sextanten hervor und schießen die Sonne. Das geht viel besser als erwartet. Der Winkel zwischen Horizont und Sonne bleibt ja gleich insofern ändert sich hier nichts, wenn man schwankt. Interessant ist allerdings, dass man fast durchgehend an der Feinjustierung drehen muss, um die Sonne am Horizont zu halten. Hier bekommt man ein Gefühl dafür, wie schnell sich die Sonne über den Himmel bewegt.
Nautische Jahrbücher haben wir keine, doch mit dem gebrauchten Sextanten bekamen wir einen HP 41 CX mit dem Bobby Schenk Steckmodul. Es ist ein "hochmoderner Elektronenrechner", der auch schon bei den ersten Shuttleflügen zur Navigation verwendet wurde. Damit ist es egal, ob die Werte "von der Bordfrau oder dem Skipper, der auf der Segelschule einen Winter lang astronomische Navigation studiert hat" eingegeben werden. Der Elektronenrechner "wird mit allem spielend fertig". Das Handbuch ist wirklich ein klasse Zeitzeugnis, aber der Rechner funktioniert und so sparen wir uns die eigentliche Arbeit: Das Heraussuchen der Daten aus den Tabellen.

Zum Glück haben wir neben diesem Kram auch einen GPS.


Die ersten Schüsse zeigen, dass es doch nicht ohne exakte Zeit und genaue Messwerte geht. Die heutige Standlinie liegt auf jeden Fall 60 nm neben unserer Position. Doch wir haben Blut geleckt, der Sextant wird fortan in Reichweite gestaut.
Nachdem wir so häufig auf sie geschossen haben, stürzt die Sonne ab und wir beobachten entspannt wie sie im Meer versinkt. Und tatsächlich: Kurz bevor das letzte Fitzelchen von der Sonne hinter den Horizont taucht, verändert sich ihre Farbe von sattem Orange zu gleißendem Grün. Den Green Flash können wir jetzt offiziell bestätigen.
Was uns dagegen zusehends nervöser macht, ist die Wolke rechts voraus. Sie ist dunkel, aber das sind alle Squalls. Beunruhigend sind allerdings die Zipfel, die an ihrer Unterseite hervorstehen und sich erstaunlich schnell bewegen. Pulsierend werden sie länger und kürzer und tänzeln wild herum. Es sind Tornados im Babystadium und dort drüben, keine 10 nm vor uns geht gerade mächtig die Post ab. Ich meine gehört zu haben, dass ein Tornado sich erst beim Erreichen des Bodens so richtig ausbildet und an Energie gewinnt. Bis jetzt ist es noch nicht soweit, aber wenn es denn passieren sollte, wohin wird der Schlauch dann wandern? Wir haben beide Angst und sind doch gebannt, von diesem Schauspiel. Zum Fotografieren ist es schon zu dunkel, also nehme ich ein Filmchen auf und schneide ein Bild daraus. Daher die schlechte Qualität.

Tornadobabys machen uns Angst.


In der Dunkelheit schläft der Wind zusehends ein. Wir bergen das schlagende Groß, schiften die Fock, aber irgendwann verlieren wir die Geduld und motoren. Die Dümpelei in den Wellen ist einfach nicht auszuhalten. Teilweise krängen wir bis zu 30 Grad und alles im Boot sucht sich dann krachend eine neue Position. Unter Motor wird es besser, aber trotzdem, an guten Schlaf ist nicht zu denken.


Dienstag, 11.03.2008 (296. Tag)

Als ich meine Wache um 0:00 beginne weht endlich wieder ein Lüftchen und wir können den Motor abstellen. Die Ruhe danach ist immer eine Wohltat, vor allem wenn man sieht, dass man ohne Maschine und Lärm genau so schnell segelt. Nördlich von uns sind zwei Große auf Gegenkurs und von achtern kommt einer auf, der ihnen ausweicht und genau auf uns zuhält. Ich funke ihn zweimal an, aber nichts regt sich. Beim dritten Mal füge ich hinzu, dass wir genau auf seinem Kurs liegen und leuchte ihn mit der Taschenlampe an. Das wirkt und er weicht aus, allerdings ohne einen Ton von sich zu geben. Die Funker sind hier einiges muffeliger als auf dem Atlantik.
Bevor ich im Morgengrauen nach meiner Wache in die Koje verschwinden darf, setzen wir das Groß. Genau in dem Moment passieren wir ein aufgeblähtes rosa-violettes Tütchen, dass auf der Wasseroberfläche schwimmt. Wir hatten uns schon auf der Atlantikpassage die Augen danach ausgestarrt, es ist eine Portugiesische Galeere. Eine heftig nesselnde Qualle, die mit ihrem aufgeblasenen Kamm ein wenig segeln kann. Leider ist in diesem Moment viel zu tun, und wir schießen an ihr vorbei.
Unter Schmetterling machen wir gut 4 kn. Nichts weltbewegendes, aber wenigstens kommen wir ohne Lärm voran. Das Etmal ist natürlich nicht berauschend, seit gestern 12:00 haben wir 112 nm zurückgelegt.
Unter Deck sorgt Steffi wie immer für unser Wohlbefinden. Heute gibt es Kartoffeln mit frischem Kräuter-Philadelphia. Ein Hochgenuß und so kann es auch Steffi verschmerzen, dass ihr Stundenbuch den heute Nacht verschütteten Tee (Kräutertee aus Jallas Garten) aufopferungsvoll bis auf den letzten Tropfen aufgesogen hat.
Um 19:00 UTC (=15:00 LT) hänge ich das Laptop an den Weltempfänger um Wetterfaxe zu ziehen. Der Wind nimmt stetig ab und in der Vorhersage habe ich irgendwas von einer Kaltfront gehört. Nach unserem Handbuch soll man sich vor ihnen hüten, da sie stürmisches Wetter bringen können.
Ich mache alles wie üblich, doch das Verbindungskabel scheint einen Bruch zu haben. Ist natürlich alles Billigstware mit dünnsten Telefondrähten. Ich schnibbele immer etwas mehr ab, doch ich messe einfach keinen Durchgang. Nach viel Probieren reicht es mir und ich löte ein altes Antennenkabel zwischen die Stecker. Geht auch, im Laptop kommt jetzt wenigstens ein sauberes Signal an. Das empfangene Bild ist nur völlig unsynchronisiert und verzerrt. Ich probiere alle Einstellungen durch, aber nichts geht. Frustriert gebe ich auf.

Immer dem Sonnenuntergang nach.


Nach dem Sonnenuntergang kommt wie immer die Winddrehung nach NO. Wir schiften die Fock und endlich läuft Apelia wieder mit guten 6 kn los. So fliegen wir auf dem grünen Funkenregen durch die pechschwarze Nacht und ich schlafe herrlich. Zumindest denke ich das, denn momentan halte ich Steffi durch mein Schlafwandeln ganz gut auf Trab. Ich springe auf und rege mich darüber auf, dass wir schon fahren. Steffi versucht mich mit "ja klar" zu beruhigen, doch ich muss erst halb zu mir kommen, bevor ich mich wieder richtig stinkig ins Bett lege. So geht es seit letzter Nacht wiederholt und selbst wenn ich nachts bei vollem Bewusstsein aufstehe (zumindest meine ich das), merke ich an Steffis angespannter Reaktion, dass sie erst prüfen muss, ob ich ganz normal, oder wieder mal schläfrig unterwegs bin. Auch meinem "ich schlafwandle nicht", dass ich im Brustton der Überzeugung von mir gebe traut sie nicht mehr, nachdem ich schon oft genug das Gegenteil bewiesen habe.


Mittwoch, 12.03.2008 (297. Tag)

Kurz vor meiner Wache holt Steffi mich heraus. Die Destiny Carrier liegt auf Gegenkurs, weicht aber nach dem Anfunken aus und wir gehen wieder dem Bordalltag nach. Steffi verschwindet in der Koje und ich gönne mir im Niedergang sitzend eine Aufwach-Cola. Seltsamer Weise haben vier Büchsen ihre Kohlensäure verloren. Schmeckt scheiße, aber wir sind halt sparsam.
Das Rauschen der brechenden Wellen läßt einen in den Nachtwachen öfter mal zusammenzucken, doch diesmal mischt sich ein ploppendes Geräusch hinzu. Es ist eindeutig, da umkreist uns ein Delphin und unter Deck hört man ihn sogar quietschen. Seit Portugal ist es eigentlich das erste Mal, dass wir wieder längeren Delphinbesuch haben und wie immer stehen wir beide ergriffen im Eingang und versuchen ihm zu folgen. Hin und wieder sieht man die grünlich leuchtende Gischt aufspritzen und den grünen Funkenregen fliegen, aber eindeutig zu sehen bekommen wir ihn nicht. Als dann auch noch ein Tropicvogel über uns krächzt, ist das Naturerlebnis komplett. So schön können Nachtwachen sein.
Um 3:00 passieren wir die Isla Alta Vela, die Südspitze der Dominikanischen Republik, und wechseln damit von der Imray- zu unserer Experimentalkarte. Seltsamerweise gab es in der Karibik nirgendwo Seekarten, die weiter als bis zur Dominikanischen Republik reichten, aber in der Rodney Bay Marina auf St Lucia verkaufte uns der Hafenmeister zwei alte Loran C Karten für je 2 US$. Eine für Kubas Osten (angefangen bei Haiti) und eine für den Westen. Sie sind wohl eher für die Berufsschiffahrt gedacht und wir müssen sie vierteln, bis sie überhaupt annährend auf unserem Kartentisch Platz haben. Da die Einfahrt von Santiago de Cuba "straightfoward" ist, wie der Pilot so schön sagt, werden wir damit wohl gut hinkommen. Dort wollen wir dann die angeblich sehr guten kubanischen Seekarten kaufen.
Kurz nach Sonnenaufgang kommt uns eine Yacht entgegen gesegelt und passiert uns in 100 m Abstand. Wir funken sie an, doch keine Reaktion. Vielleicht haben sie uns gar nicht wahrgenommen und der Wachgehende sitzt gerade unten. Auch Steffi sah sie erst, als sie nur noch eine halbe Meile entfernt war. Das sagt eigentlich alles zur Sichtbarkeit von Yachten.
Die Sache mit den Wetterfaxen läßt mir keine Ruhe und ich setze mich mittags nochmal daran. Steffi putzt sich derweil von vorne bis hinten durch die Bilge. Im Handbuch steht, dass die Behörden gerne mal einen Blick auf die Sauberkeit werfen und unsere Bilge wäre da im momentanen Zustand nicht gerade vertrauenerweckend.
Nachdem alles nichts hilft, gehe ich zu RTFM (Read The Fucking Manual) über und siehe da, es gibt eine Funktion "Schräglauf korrigieren". Nach zwei Empfangenen Bildern stimmt die Ausrichtung wieder und ich bekomme glasklaren Empfang. Die Bilder stimmen uns allerdings nicht zuversichtlich, der Wind soll weiter nachlassen. Es gibt eine Kaltfront über Texas, aber die bleibt dort im Norden und nimmt uns den gesamten Wind. Wir befinden uns eindeutig am Rande des Passatwindes, hier regieren die Hochs und Tiefs des Nordens.
Beim Sonnenuntergang wird deutlich, dass wir uns nach Westen bewegen. Eine knappe Stunde später als in der Ostkaribik verschwindet sie wieder grün aufblitzend hinter dem Horizont. Leider beginnt in dem Moment auch das Groß mangels Wind zu schlagen. Wir bergen es und setzen die kleine Fock als Passatsegel. Damit zuckeln wir langsam weiter.
Nachts begegnen uns drei Große auf einmal. Steffi nimmt all ihren Mut zusammen und funkt sie zum ersten Mal ganz selbstständig an. Einer passiert uns trotzdem so nahe, dass man seine Maschine wummern hört. Ich schlafe allerdings selig und bekomme nichts mit.


Donnerstag, 13.03.2008 (298. Tag)

Als ich meine Nachtwache beginne (0:00 bis 6:00) hat der Wind weiter abgenommen und Apelia beginnt zu rollen. "Rums rums" machen die Gewürze, Bücher und Konserven in den Regalen und das Schlafen wird zur Tortur. Man liegt eingekeilt zwischen den Kissen und kämpft damit, sich trotz des Hin und Hers zu entspannen, damit der Schlaf kommt. Weil's gemütlicher ist und man besser fixiert ist, kuscheln wir uns zusammen in eine Koje, bis uns das Quietschen eines Delphins rauslockt. Er umkreist sicherlich 15 min lang unseren Bug, aber bis auf seine Funkenspur und die hell aufleuchtende Gischt sehen wir keine Details. Dafür hört man das ploppende Geräusch seines Atems, wenn er hoch kommt.
Als Steffi schläft, berge ich die kleine Fock. Der Wind hat immer weiter auf Süd gedreht und uns damit auf 10 nm an die Küste Haitis gebracht. Das reicht, ich habe keine Ahnung, wie die politischen Verhältnisse dort aussehen, also besser Abstand wahren. Es muss hier allerdings ein sehr komischer Strom stehen: Während das Boot 230 Grad segelt, fahren wir über Grund exakt West. Ein Hoch auf den GPS, zumal die Sonnenschießerei bisher noch nicht sehr vertrauenerweckend ist.
Den Rest der Nachtwache liege ich in meiner Koje und höre alte Jazzaufnahmen im Radio. Total entspannend, ich komme mir um 60 Jahre zurückversetzt vor und genieße die Atmosphäre unter Deck. Die Konstruktion der Decksbalken, das seidig glänzende Holz. Mir wird ganz heimelig in unserer Hundehütte. Selbst der morgendliche Squall kann daran nichts ändern. Der Wind dreht zwar und kurzzeitig fahren wir wieder in Richtung Haiti, doch jetzt raus und naß werden? Keine Chance.
Morgens ist der Wind völlig eingeschlafen. Steffi birgt die Fock und startet den Motor, um dieses unerträgliche Rollen zu dämpfen. Die Wellen hatten bisher einfach noch keine Zeit, sich totzulaufen, doch sie sind schon bedeutend kleiner als gestern. Mittags setzt eine plötzliche Brise aus NO ein und wir hissen schnellstens alles Tuch was geht. Es ist allerdings nur ein zarter Lufthauch, der schnell wieder versiegt. Alles wieder runter und weiter per Maschine.
Es ist wirklich total nervig: Der Motor dröhnt mit 2100 1/min vor sich hin und wir machen nur gut 3,6 kn Fahrt. Wir lesen, laden alle vorhandenen Akkus auf und nutzen die Landnähe für ein paar SMS an die Heimat. Wenn die Flaute anhält, könnte es länger dauernd und wir wollen jede Sorge daheim im Keim ersticken.

Haitis Küste im Dunst.


Wie auch an den vergangenen Tagen, schieße ich zur Mittagszeit die Sonne und siehe da, die Übung (oder das glatte Wasser?) zahlt sich aus. Die Standlinie liegt "nur" noch 20 nm von unserer wirklichen Position entfernt. Um uns herum treibt derweilen ein ganzer Schwarm Portugiesischer Galeeren, denen ihre Position momentan wohl schnurzegal sein dürfte.

Treibendes Tütchen: Potugiesische Galeere.


Nachmittags platzt Steffi nach wiederholtem Blick auf die Geschwindigkeit der Kragen. Wir stoppen ab und bewaffnet mit Schnorchelkram und Schaber taucht sie zum Propeller und befreit ihn von seinem Bewuchs. Vereinzelte Seepocken und Algen stauben auf und man glaubt es kaum: Danach haben wir einen halben Knoten zugelegt und machen jetzt sagenhafte 4,1 kn. Herrlich, wie da die TTG (Time To Go) in den Keller purzelt.
Als ob sich jetzt alles zum besseren wenden würde, kommt eine Brise aus SW auf. Es reicht, um unter Schmetterling die Geschwindigkeit zu halten und wir sitzen beide draußen und genießen die Stille. Was ist es entspannend, wenn man nur noch das Rauschen des Wassers hört. Zum Sonnenuntergang legen wir Vaya Con Dios auf und in Vorfreude auf eine stille Nacht, haue ich mich in die Koje.
Doch die Stille währt nicht lang. Ich bin gerade eingeschlummert, da startet Steffi den Motor und birgt das Groß. Der Wind hat uns wieder im Stich gelassen und es wird wohl doch wieder eine dröhnende Nacht geben. Frustriert versuche ich einzuschlafen, während Steffi das Meeresleuchten im Kühlwasserschlauch des Motors beobachtet und sich fragt, ob der Plankton den heißen Whirlpool des Wärmetauschers wohl ohne Schaden übersteht.


Freitag, 14.03.2008 (299. Tag)

Um es vorweg zu nehmen: Es wird ein ganzer Tag unter Motor. Kein Lüftchen regt sich und auch von den vereinzelten Wolken ist keine Luftbewegung zu spüren. Die Sonne brennt einem wirklich die Haare von der Haut und wir verkriechen uns oft ins Boot, um ihr zu entgehen. Heute wollten wir eigentlich ankommen, aber unter Motor können wir uns das wohl abschreiben. Wenigstens verschwindet Haiti langsam achteraus im Dunst.
Unsere wiederholten Blick auf den GPS lassen uns zusehends rätseln. Die TTG nimmt ja gar nicht ab und ach ja, die Geschwindigkeit wird zusehends langsamer. Ja wirklich, wir schleppen uns irgendwann mit nur noch 2,5 kn über Grund dahin. Nach unserem Handbuch sollte hier der Äquatorialstrom durch die Windward Passage (Haiti/Kuba) drücken und uns helfen, doch er scheint seine eigenen Pläne zu haben. Als wir es gar nicht mehr glauben können, lassen wir uns treiben und tatsächlich, hier gehen 1,4 kn in 115 Grad. Das ist genau auf Haiti zu, also wirklich völliger Blödsinn. Doch der Strom hört nicht auf uns und wir zuckeln im Schneckentempo weiter auf Kuba zu. Unser Etmal ist inzwischn auf 100 nm gesunken, wenn es so weiter geht, stehen uns wirklich Minimalwerte bevor.

Nichts mit lebendigem Sozialismus. Totale Flaute.


Mittags passieren wir einen Schwarm Tölpel, denen bei dieser Windstille auch nichts anderes übrig bleibt, als auf dem Wasser beisammen zu hocken. Ein paar fliegen auf und umkreisen uns und ihr Gekrächze läßt mich zusammenschrecken. In dieser Stille (bis auf das Brummeln des Motors, das aber draußen sehr leise ist) sind solche Töne völlig ungewohnt. Auch ein Tropicvogel zeigt sich und in mehreren Anflügen versucht er scheinbar, auf unserer Mastspitze zu landen. Zum Glück für unsere Antenne allerdings vergebens.

Vergebliche Landeversuche eines Tropicvogels.


Abends verkocht Steffi unser letztes frisches Gemüse zu einer Zwiebelsuppe. Wir haben bewußt nicht mehr eingekauft, denn der Import von Gemüse und Obst nach Kuba ist verboten. An verbotenen Substanzen haben wir jetzt nur noch zwei Eier, die wir morgen weghauen müssen, aber das wird wohl kein Problem. Mal sehen, wie die Zöllner drauf sind.

Bleierne See beim Sonnenuntergang.


Beim Zähneputzen fällt uns ein Mehlschwälbchen auf, dass zielgenau die zweite Saling ansteuert und sich niederläßt. Ein Glück, dass wir die Saling mit Rohrisolation ummantelt haben, so kann es sich schön festkrallen. Die Bewegungen scheinen ihm allerdings zu stark zu sein und es wechselt ein Stockwerk tiefer, wo es gleich zu schlafen scheint. Dieses kleine zerbrechliche Ding in diesem weiten Nichts rührt uns und wir setzen alles daran, dass es eine ungestörte Nachtruhe hat. Über das Deck bewegen wir uns nur noch im Zeitlupentempo und als der Wind völlig einschläft, vollführen wir das bisher leiseste (und langsamste) Segelbergemanöver der Welt. Von Zeit zu Zeit blicken wir prüfend zu unserem Piepmatz hoch, der sich wohl zu fühlen scheint und kein Federchen rührt. Ich leuchte ihm dabei ganz unverschämt mit der Taschenlampe auf den Popo, während Steffi nach obiger Methode den Mast fixiert und ihn damit in der Peripherie sehen kann.
In ihrer Nachtwache steht Steffi kurz vor dem Verzweifeln. Unsere Geschwindigkeit über Grund sinkt und sinkt und nachdem sie eigentlich konstant bei 30 h stehen blieb, erhöht sich unsere TTG noch auf 38 h. Sowas ist wirklich zäh, ein Glück, dass wir wenigstens unser treues 10 PS Maschinchen haben, das ohne Unterlas vor sich hin brummt. Das heutige Rekordtief ist 1,7 kn.


Samstag, 15.03.2008 (300. Tag!)

Das Knattern der Rotorblätter ist ohrenbetäubend, als sich der Blackhawk der US Coastguard von achtern nähert. Sein Scheinwerfer blendet und taucht Apelia in gnadenloses Licht. Trotzdem sehe ich hin und wieder die vier Marines, die sich abseilen und zum Entern bereit machen.
Seit einer halben Stunde haben wir uns mit diesen Idioten herumgeplagt, die uns keinerlei vernünftigen Grund dafür geben konnten, warum wir ihnen hier in internationalen Gewässern alle Details zu unserer Crew mitteilen sollten. Jetzt würden wir es "the hard way" lernen, sie kämen zu uns an Bord.
Ungebeten in internationalen Gewässern unser Schiff betreten? Das ist ja wohl nichts anderes als Piraterie. Noch zehn Meter trennen den vordersten Mann von Apelias Heck und es wird Zeit zu handeln. Ich schnappe mir den Ruhigsteller aus meinem Ölzeugschapp und stelle mich breitbeinig ans Heck. Die Böen der Rotoren peitschen über uns hinweg, aber das ist mir jetzt egal. Rasend schwinge ich den Holzprügel wie einen Baseballschläger. Wenn er bisher noch keinen Fisch gesehen hat, dann wird er halt jetzt mit Marines getauft. Als sich der erste nähert, hole ich weit aus und... "Timchen, Timchen, aufwachen, Du bist jetzt dran."
Ach ja, wir motoren hier noch durch das weite Nichts. Ich habe gestern das Tagebuch der Nare Bazen gelesen, einer niederländischen 1010 die 2001/02 dieselbe Runde machte. Sie waren auch in Kuba und wurden auf dem Weg dorthin öfter mal von Coastguard Hubschraubern und Jets umkreist und ausgefragt. Bisher haben wir noch nichts von den Amerikanern bemerkt, wahrscheinlich konzentrieren sie sich zur Zeit auf andere Gebiete der Welt. Den Wiederschein des Lichts von Guantanamo Bay kann man auf jeden Fall am Horizont ausmachen.
Als ich die Nachtwache übernehme, ist unser 300. Tag angebrochen, doch zum Feiern fehlt uns die Lust: Der GPS zeigt 1,8 kn an. Das ist wirklich zum Kotzen und wir knobeln, ob wir eine andere Taktik einschlagen sollen. Z.B. nur Nord halten und sich dann entlang Kubas Küste nach Westen hangeln. Doch da sich der Strom sowieso völlig anders verhält als es unser Handbuch suggeriert, halten wir lieber stur durch und bleiben auf Kurs, 326 Grad.
Unser einziger Trost ist das Schwälbchen, das scheinbar wie ein Weltmeister auf der ersten Saling knackt. Um 3:00 höre ich beim Lesen wieder das signifikante Qietschen und tatsächlich, um unseren Bug kreiseln drei Delphinchen. Eingepickt stelle ich mich vor das Vorstag und schaue ihnen zu. Im Licht der Buglaterne kann man fast Details erkennen und gebannt lausche ich dem ploppenden Geräusch ihres Atems. Als sie nach Backbord abdrehen bin ich regelrecht enttäuscht, dass das Schauspiel schon vorbei ist. Doch nach einer Stunde sind sie (oder andere) wieder da und geben eine Zugabe. Wahrscheinlich sind es aber gar nicht die süßen Tierchen, die sie vorgeben zu sein. Viel wahrscheinlicher ist, dass es von der CIA abgerichtete Cyborgs sind, die hier Kubas Küsten patroullieren und so manches Menschenleben auf dem Gewissen haben. Ach, ääähhh, ich muß wohl eingeschlummert sein.

Und wiedermal ein Sonnenaufgang.


Im Morgengrauen nimmt die Aktivität auf unserer Saling plötzlich zu. Die Daunen werden durchgeputzt und die Schwungfederchen richtig durchgestreckt. Als Steffi eine Schale mit Wasser auf's Vordeck stellt, verabschiedet sich unser Piepmatz lautlos und verschwindet. Steffi hat ihn nichtmals davonfliegen sehen. Letzte Zeugen seiner Anwesenheit sind zwei kleine Kleckse an Deck. "Wer immer rischtisch kacke kann, der blif jesond", geht ein rheinisches Lied. Er wird es wohl schaffen.
Um 7:20 schreibt Steffi "Kuba in Sicht" ins Logbuch und genießt ihr Wasser, dass sich neben der Motorkiste liegend in eine teewarme Brühe verwandelt hat. Doch das ist egal, die Landsicht hebt die Stimmung merklich an und oh Wunder, die Geschwindigkeit über Grund ist auf 3,8 kn angestiegen. Der Gegenstrom läßt also langsam nach und als dann auch noch ein paar Delphinchen auftauchen, ist die Hochstimmung komplett, die ich allerdings verschlafe.

Mit unter 4 kn tuckern wir auf die Küste zu.


Mittags treibt mich die Hitze aus den Federn. Die Sonne sticht die letzten Tage wirklich extrem und ohne Passat wird es ganz schön heiß. Unsere letzten Eier verarbeitet Steffi in Dampfnudeln, die in dieser Hitze in Rekordzeit gehen. Im Funk hören wir dabei den Captain des "Motorvessel Renata" die Coastguard Santiago de Cuba rufen. Es scheint ein Spanier zu sein und mangels Antwort ruft er immer gereizter, bis sich seine Stimme fast überschlägt. Wir kugeln uns vor Lachen, aber irgendwann geht uns das Geplärre auf den Geist.
Als kleine Stresseinlage meldet Steffi Wasser auf dem Stringer links unten, doch die braune Plörre verrät sich als Cola. Wieder ist eine Dose nicht mehr dicht, wir sollten unseren Vorrat von Las Palmas vielleicht bald mal auftrinken.
Mit dem Sonnenuntergang laufen wir in die Bucht von Santiago de Cuba ein. Es ist ein richtiger Einschnitt in der Steilküste und rechts oben tronen ein altes Fort und ein Leuchtturm. Die Gebäude, die wir in der Dämmerung noch sehen sind alles alte Prachtbauten im Kolonialstil mit Torbögen und großen Veranden. Dazwischen überall Palmen es sieht wirklich romantisch aus. Und es riecht! Es riecht schwer nach feuchten Pflanzen und Natur! Momentan fällt aber auch ein tierischer Tau aus und alles wird klitschnaß.
Die Marina sieht ganz anders aus, als es unser Handbuch (von 2001) vermuten ließ. Hier ist wirklich einiges geschehen. Ins Wasser reicht eine massive Pier, an der nur eine (verlassene) Yacht vertäut ist. Alles ist beleuchtet, auf der Pier stehen Verteilerkästen zur Stromversorgung und das Marinagebäude mit seiner Bar (wo Leben herrscht) sieht richtig "fancy" aus, wie es da so zwischen seinen Palmen hervorlugt.
Wir haben gerade die Festmacher belegt, da kommen zwei Männer angelaufen und erklären uns, dass die Marina seit drei Monaten geschlossen sei (den Grund verstehen wir sprachlich nicht). Wir dürften die Nacht am Steg verbringen, aber morgen müßten wir vor Anker gehen. Also wieder nichts mit der Ankündigung des Handbuchs, nach dem uns eine ganze Delegation von Offiziellen zum Einklarieren erwarten würde. Wir dürfen uns allerdings wohl an Land umschauen, no problemo.
"Willkommen im Sozialismus", sagt Steffi lakonisch, als wir über das Marinagelände laufen und den Ausgang suchen. Es ist wirklich seltsam, die Marina sieht pikobello und neu aus, doch sie ist "geschlossen". Trotzdem brennen alle Lichter und sitzen alle Wachleute und Angestellten herum.
Wir wollen gerade auf die Strasse treten, da kommt unser "Manager" angerannt und meint, wir müssten vor Anker gehen. Inzwischen ist nämlich ein streng dreinblickender Guarda-Mann (Grenzpolizei) aufgetaucht und damit herrscht wieder die offizielle Gangart. Wir wollen natürlich niemanden in Schwierigkeiten bringen und verlegen uns 20 m neben die Pier. Dort trinken wir dann unseren luftgekühlten Pikkolo zum 300. Tourtag, den wir uns eigentlich anders vorgestellt hatten und philosophieren über das Unglück, wenn Sozialismus auf spanische Planlosigkeit trifft. Es ist, wie wenn man sich mit einem großen Konzern (z.B. Telekom) herumärgert: Der kleine Futzy mit dem man zu tun hat führt nur die Befehle von oben aus und an die Verantwortlichen kommt man halt nicht heran.


Sonntag, 16.03.2008 (301. Tag)

Da ich noch auf Nachtwache, d.h. auf Schlafen von 6:00 bis Vormittags gepolt bin, komme ich heute morgen nicht gut raus. Und das, obwohl wir die Uhr nochmal 1 h zurückdrehen durften. Das einzige, was mich irgendwann am Schlafen hindert ist der penetrante Gestank der Raffinerie, die direkt hinter dem Hügel der Marina liegt. Wir haben die Stinker schon gestern gesehen (Abgasfilter, Fehlanzeige), aber mangels Wind legt sich heute der weiße Nebel über die gesamte Bucht. Es stinkt widerlich.
Da wir nichts über Marifon hören, paddeln wir zum Steg. An Bord ist es durch die Hitze nicht auszuhalten und selbst wenn noch niemand zum Einchecken da sein sollte, so wollen wir wenigstens im Schatten der Palmen sitzen. Aus unserem frommen Wunsch wird allerdings nichts: Wir haben nicht mal das Ende des Stegs erreicht, da kommt uns schon das Guarda-Männchen in Grün entgegen und macht uns unmisverständlich klar, dass wir nicht an Land dürfen. Wie schon gesagt, er ist halt nur der Befehlsausführer, also keine Chance groß zu diskutieren. Wir stellen uns allerdings so blöde an, dass wir irgendwann zu unserem Manager durch dürfen, der wenigstens Englisch spricht.
Dort bekommen wir eine klare Auskunft: Da die Marina geschlossen ist, ist auch ein Einklarieren nicht möglich. Wir müßten entweder weit nach Westen an die Südküste (und mitten durch die Korallenbänke), oder um das Ostkapp zur Bahia de Vita (sprich: Bita). Dort könnten wir einklarieren. "Klack" ist das einzige, was unsere Unterkiefer darauf erwidern. Was für ein Scheiss, blos weil die Marina geschlossen ist, können wir hier nicht einklarieren??? Aber es ist deutlich, hier ist einfach nicht dran zu drehen.
Wir machen unserem Kontaktman klar, dass wir keine genauen Karten von Kubas Küsten haben und er versichert uns, dass der Karten-Mensch im Laufe des Nachmittags kommen würde. Bis dahin läßt uns auch der Guarda-Mann in Ruhe ankern, wir dürfen halt nur nicht vom Boot herunter. Natürlich ist auch unser Diesel nach den letzten Tagen knapp, doch auch dafür gäbe es eine Lösung, wenn wir Devisen hätten. Aber ohne an Land zu dürfen, können wir auch nicht wechseln...
Es ist ein Teufelskreis, aber bis auf den Guarda-Mann legen sich alle für uns ins Zeug und organisieren uns Diesel und Wasser. Wir zahlen mit Euro, irgendwie geht es also doch und sogar der Kartenverkäufer soll im Laufe des Mittags aufschlagen.

Marina Santiago de Cuba. Pikobello, aber geschlossen.


Wir basteln am Boot und dösen vor uns hin, bis es mir nachmittags reicht und ich nochmal an Land paddele. Unser Manager ist nicht da, und sein Ersatz erzählt uns, dass der Kartenverkäufer erst morgen da ist. Das reicht jetzt langsam, wir wollen hier nicht ewig auf Quarantäne liegen, also sage ich, dass wir dann lossegeln, worauf ich zu hören bekomme, dass das nicht geht, bevor die Coastguard uns nicht ausgecheckt hat. Es ist schwierig, da noch ruhig zu bleiben, also wieder zurück auf's Boot und abwarten.
Um 17:00 werden wir vom alten Manager angefunkt, der sich vielmals entschuldigt und uns die Erlaubnis gibt, loszusegeln. Na also, geht doch und nachdem wir mangels Obst (darf nicht importiert werden) eine Dose Pfirsiche verdrückt haben, gehen wir ankerauf und motoren die Küste entlang nach Osten. Natürlich weht wieder kein Lüftchen, aber wir haben ja 40 l Diesel getankt, bis Bahia de Vita sollte es also reichen. Außerdem schiebt uns heute der Strom, über Grund machen wir 4,5 kn.

Wir passieren wieder das alte Fort am Eingang der Bucht.



Montag, 17.03.2008 (302. Tag)

Die Nachtwache ist zermürbend. Flaute und Brise wechseln sich ab und wir werden Meister im Segel setzen und bergen. Nach Mitternacht kommt in meiner Wache ein NO4 auf und wir müssen sogar reffen. Dafür schweigt endlich der Motor und wir bolzen gegen eine kurze Welle die Küste entlang. Gegen 3:00 passieren wir Guantanamo Bay. Alles an Land ist dunkel, nur hier leuchtet ein Meer von Scheinwerfern. Auf jeder Seite verschwindet eine Lichterkette in den Bergen, das ist wohl der Zaun und dazwischen blinkt und strahlt es vom Fluplatz, den Antennen und den Einrichtungen, in denen Amerika momentan seine Grundsätze verrät. Beim Anblick des ganzen fühle ich mich wirklich unwohl. Um Probleme zu vermeiden, funken wir die Base an um zu erfragen, ob 5 nm Abstand zum Ufer ausreichen, bekommen allerdings keine Antwort.
Als ob die Amis für den Wind gesorgt hätten, schläft er wieder ein, nachdem wir den östlichen Grenzzaun passiert haben und wir müssen wieder motoren. Die Segel lassen wir allerdings ausgerefft stehen, die ganz leichte Brise hilft wenigstens, das Boot zu stabilisieren.
Am Morgen begleiten uns wieder Delphine. Wir zählen etwa zwanzig Stück und sie sausen in großen Kreisen um uns herum. Einer hinterläßt dabei eine große, braune, unanständige Wolke, genau vor uns und ein anderer springt etwa 3 m hoch aus dem Wasser und läßt sich krachend zurückfallen. Eine tolle Show.
Mittags kehrt der Wind zurück. Er weht aus NO und unter Land ist er einiges stärker, so dass wir uns hoch am Wind an der felsigen Küste entlang hangeln. Nach unserer Karte steigt der Seeboden hier fast senkrecht an, also können wir uns auch ohne Detailkarten dicht herantrauen. Das Panorama ist genial. Trocken und lebensfeindlich sieht das Land aus und die mehrere 100 m hohen Wände stürzen fast senkrecht zum Ufer herab. Hin und wieder ziehen sich schroffe Schluchten ins Hinterland, hier würde ich gerne mal wandern. Mittags passiert uns ein Flugzeug der Kubanischen Küstenwache. Es ist ein russischer Antonow-Doppeldecker und er daddelt gemächlich entlang der Felswände.
Im Laufe des Tages nimmt der Wind stetig zu und nach und nach reduzieren wir unsere Segelfläche. Als wir uns gegen 15:00 dem Ostkapp nähern, ist unsere Besegelung auf die Sturmfock und das maximale Reff geschrumpft und vom Kapp ballert uns eine stramme Windstärke 7 um die Ohren. Die Wellen haben sich aufgrund des gegenläufigen Stroms zu steilen 3 m hohen Monstern aufgetürmt, doch sie brechen gerade noch nicht, es gibt also eigentlich kein Grund zur Klage.
Die Sonne nähert sich langsam dem Horizont und da ich diesen Hexenkessel am liebsten vor der Dunkelheit passieren will, steuere ich von Hand und starte den Motor. In diesen steilen Wellen stampft sich Apelia gerne mal fest und mit der Maschinenhilfe kommen wir einfach besser voran. Trotzdem zieht sich die Rundung des Kapps endlos dahin. Nach jeder Landspitze kommt eine neue in Sicht und erst als es schon stockfinster ist, zeigt uns der GPS, dass Cabo Maisi irgendwo querab liegt. Es ist umsäumt von Riffen, also halten wir respektvollen Abstand.

Letztes Foto vor dem wilden Tanz.


Ich stoppe den Motor, hänge die Windfahne ein und verziehe mich zu Steffi unter Deck. Irgendwie muß hier ein seltsamer Strom gegen den Wind stehen, denn die Wellen wurden die letzten Stunden immer brutaler und Apelia bockt wie ein wildes Pferd. Massen von Gischt stürzen ins Cockpit und immer wieder fallen wir krachend in die 3 m tiefen Wellentäler. Und das alles in absoluter Finsternis. Im Schein der Rotlichtlampe hat Steffi sich am Navitisch verkeilt und plottet unseren Kurs auf der Karte mit. Da ich sonst nirgendwo sicheren Halt habe, lege ich mich in meine Koje und habe zum ersten Mal auf der gesamten Tour richtige Angst. Mit dem Wind hat Apelia keine Probleme, doch diese Wellen prügeln uns heute Nacht richtig durch und in meinen Gedanken sehe ich die Verleimungen unter den wuchtigen Schlägen der Wellen erzittern.
Alle 10 min strecke ich den Kopf aus dem Luk und werfe einen Blick in die Runde. Es dauert nur Sekunden, dann bin ich klitschnass, doch zum Glück bemerke ich das gigantische Dockschiff, das sich uns entlang Kubas Nordküste nähert. Wir funken es an, aber der Wachhabende kann unser Topplicht unter diesen Bedingungen nicht sehen. Was macht es eigentlich für einen Sinn, das Licht horizontal zu bündeln, wenn Segelboote meist gekrängt fahren??? Wir schalten den Deckstrahler ein, der unsere Segel in gleißendes Licht taucht und bekommen sofort eine Beileidsbekundung vom Wachhabenden. Er sitzt da in seiner warmen Brücke und sieht, wie sehr wir mit den Wellen kämpfen und unsere leuchtend orangene Sturmfock macht's natürlich nochmal extra spektakulär.
Das Dockschiff hat uns gerade passiert, da kommt ein Squall aus der Finsternis auf uns zugerauscht. Eimerweise ergießt sich der Regen über uns und der Wind frischt weiter auf bis Stärke 8. Wie eine Achterbahnfahrt rums und kracht Apelia jetzt mit 7 kn durch die halb einfallenden Wellen. Es ist fast unmöglich, sich bei diesen Bewegungen durch's Boot zu hangeln, also liege ich in der Luvkoje und wenn uns wieder mal ein brechender Kamm erwischt, ist das Krachen ohrenbetäubend. Normalerweise würden wir Bedingungen wie diese einfach aussitzen, doch waren kurz vor dem Squall nicht noch Topplichter im Osten zu sehen? Im Moment beträgt unsere Sicht 10 m, ganz davon abgesehen, dass wir unter diesen Bedingungen kaum handlungsfähig sind. Zur Sicherheit senden wir daher eine Securité-Meldung um auf uns aufmerksam zu machen. Prompt meldet sich jemand von der Kubanischen Küstenwache. Er scheint anzunehmen, dass wir ein Problem haben und will alles mögliche von uns wissen. Immer wieder nervt er mit Fragen, bis ich ihn ziemlich rüde aufkläre, dass wir keine Hilfe benötigen und er Kanal 16 freigeben soll. Im Moment haben wir wirklich andere Probleme.


Dienstag, 18.03.2008 (303. Tag)

Um Mitternacht sind wir beide völlig übermüdet und erschöpft und wechseln auf 1 h Schichten. Damit darf sich jeder immer eine Stunde ausruhen und da wir inzwischen raume Wellen (3 m) und Winde (7 Bft) haben, bietet sich auch mal die Gelegenheit zu schlafen. Die Wellen sind nach wie vor unglaublich steil und hin und wieder bricht ein Kamm ins Cockpit und füllt es bis zu den Sitzbänken auf. Steffi ist völlig k.o. und wird irgendwann dadurch wach, dass ihr der mp3-Player ins Gesicht fällt. Sie war während der Liedauswahl eingenickt. Bemerkbar macht sich die Übermüdung bei ihr auch durch ein leichtes Überlkeitsgefühl und erst jetzt wird mir bewußt, dass ich keinerlei Anzeichen von Seekrankheit habe. Keine Ahnung wieso, es muß wohl an der reichlichen Ablenkung liegen. Wir segeln ja parallel zur Küste und es gibt viel Schiffsverkehr. Ein dauerhafter Ausguck ist also dringend geboten.
Mittags haben wir uns etwas erholt und beginnen aufzuräumen. Dabei entdecken wir Salzwasser in der Bilge. Irgendwo haben wir ein Leck und ich habe die Kabeldurchführung von der Backskiste ins Boot im Verdacht. Die Backskiste säuft unter diesen Bedingungen gerne mal ab und ich lenze gut 10 l.
Ein Blick in unseren Revierführer weckt Zweifel: Damals war die Bahia de Naranjo der Hafen zum Einklarieren. Sie ist die Bucht eins östlicher von der Bahia de Vita und bevor wir nachher wieder 8 nm gegen den Passat ankreuzen müssen, laufen wir um 18:00 durch den gut ausgetonnten Kanal in die Bahia de Naranjo ein. Wir sind wirklich k.o., doch das glatte Wasser und der Anblick des grünen Ufers wirken wie eine Droge und wir kommen langsam in Hochstimmung. Endlich in Kuba!
Lange hält die Freude allerdings nicht an. Vom Delphinarium kommt uns ein kleines Boot entgegen und verweist uns auf die Bahia de Vita. Diese Bucht ist wegen der Delphine für jeglichen Schiffsverkehr gesperrt. Nicht mal diese eine Nacht ankern ist erlaubt. Unsere Vorfreude sinkt wieder auf ein Tief. Wieder müssen wir uns aufraffen, doch es sind ja nur 8 nm und die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Kubaner weckt warme Gefühle. Wir werden telefonisch bei der Marina angemeldet und als wir die Bucht verlassen, steht eine ganze Gruppe am Ufer und winkt uns nach.
Es wird ein Rennen gegen den Sonnenuntergang. Wir holen die große Fock heraus und rasen mit knapp 8 kn nach Osten. Ein raumer Schlag raus und wieder rein, dann stehen wir vor dem gewundenen Kanal in die Bucht, doch wir sind gerade zu spät, es ist schon finster und die unbeleuchteten Bojen sind kaum zu erkennen. Mit Hilfe der Taschenlampe tasten wir uns vorsichtig in die Mangroven hinein, doch die Marina entdecken wir nirgendwo. Ist uns jetzt aber auch egal, wir befinden uns in geschützten Gewässern und dürfen endlich ausgiebig schlafen. Hinter dem kommerziellen Dock fällt der Anker auf den Grund und wir in unsere Kojen. Wir sind so k.o., dass wir nicht mal die Bugkoje frei machen, sondern getrennt in den Salonkojen schlafen.

Unser Leidensweg um's Cabo Maisi.