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Von Freeport nach Nassau


Mittwoch, 16.04.2008 (332. Tag)

Wir wachen von einem groben, schabenden Geräusch auf. "Krch, krch, krch" macht es immer wieder und als wir vorsichtig über Apelias Seite spähen, sehen wir eine ganze Schule von Papageifischen, die sich an unseren Seepocken gütlich tun. Im Prinzip ja in Ordnung, doch ich habe Angst, dass sie mit ihren Schnäbeln gleich noch was vom Holz abknabbern. Das Geräusch wiederholt sich den ganzen Tag, aber bei diesen Temperaturen (18 Grad C) habe ich einfach keine Lust, unterzutauchen. Stattdessen sitzen wir warm angezogen bei einem heißen Tee unter Deck, tippen am Tagebuch und lesen Zeitung.
Mittags kommen Rob und Carol vorbei. Sie sind richtig neugierig auf unsere Story und wir verquatschen den gesamten Mittag. Sie haben einen herrlichen Humor und wir haben unseren Spaß dabei, die kulturellen Unterschiede zwischen Amerikanern und Deutschen auf's Korn zu nehmen. Von der Hotelanlage und dem Service sind auch sie alles andere als begeistert. Als wir ihnen von der gestrigen Werbeveranstaltung erzählen werden sie etwas nachdenklich. Sie sind seit mehreren Jahren solche "Time-Share"-Mitglieder und machen im Rahmen des Punktesystems auch hier "kostenlos" ihren Urlaub. Was man uns noch an Fußangel verschwiegen hat, ist der weiterhin anfallende jährliche Mitgliedsbeitrag von 1300 $. Da muss man sich als Amerikaner mit weniger als 20 Urlaubstagen schon anstrengen, um den Urlaub entsprechend umzusetzen.
Nachmittags versuchen wir nochmal bzgl. unseres leeren Kontos etwas auszurichten, doch die Postbank scheint viel Zeit zu haben und hat Andreas immer noch nicht zurückgerufen. Dafür habe ich Mail von Mieke (Luiza): Sie liegen zur Zeit in den British Virgin Islands (BVI) und sie und die sie umgebenden Seglern, haben alle dieselben Probleme. Der frisierte Geldautomat steht in English Harbour/Antigua und ja, auch wir sind ihm scheinbar aufgesessen. Nach und nach erfahren wir, dass auch Claes von der Hulda, Karl von der Karo und weitere Bekannte betroffen sind. Einfach jeder, der auf Antigua war ist dran. Da haben irgendwelche Typen massig Kohle gescheffelt. Clever, das muss ich wohl zugeben.
Nachmittags trampen wir in die Stadt zum Einkaufen und werden vom zweiten Auto mitgenommen. Es ist eine Familie und als wir im Auto sitzen herrscht absolute Kommunikationssperre. Wir werden vollkommen ignoriert, doch man bringt uns trotzdem bis vor den Supermarkt. Völlig seltsam, wir werden aus den Leuten hier einfach nicht schlau.
Nachdem wir für 60 $ Lebensmittel eingekauft haben, sind gerade mal unsere kleinen Rucksäcke voll. Das hebt die Stimmung nicht gerade, für's Proviantieren müssen wir ganz genau auf die Preise gucken, sonst werden wir hier arm. Der "Fruit Market" ist eine große Enttäuschung. Preislich liegt er scheinbar noch über dem Supermarkt. Zwei Kartoffeln kosten einen Dollar, von dem restlichen Gemüse gar nicht mal zu reden. Alles ist sowieso importiert, billiges heimisches Obst gibt es nicht. Ach ja, und das schärfste wird uns erst am Ende bewußt: Das ist hier ein DriveIn-Markt. Man fährt bis vor den Marktstand, zeigt, was man haben will, zahlt und mußte zum Einkauf nicht einen Schritt tun. Kein Wunder, dass 90% der Leute hier massiv übergewichtig sind. Man sollte den Einwohnern vielleicht mal klar machen, dass es nichts bringt, überall das Fett heraus zu ziehen (No Fat Yoghurt, No Fat Milch, Low Fat Wurst...), dafür alles zu süßen, massig frittiertes Junkfood zu verspeisen und dann jeden Meter mit dem Auto zurückzulegen. Stattdessen zeigen die überall laufenden Glotzen Werbung für Diäten, Krankenvorsorge, Sicherheitsausrüstungen und Juristen, die den Leuten das Geld hereinklagen "that you deserve". Aus unseren Augen eine völlig kranke Gesellschaft, die in ständiger Angst zu leben scheint und mangels Bildung den Weg aus der Sackgasse nicht findet.

DriveIn Markt, noch Fragen?


Auf dem Rückweg spricht uns ein Handwerker aus einem Haus heraus an und fragt, wo wir hin wollten. Wir sollen kurz auf ihn warten, dann würde er uns einen Bus anhalten. Gibt es also doch einen Bus nach Xanadu? Wir warten ab und seltsamerweise hält plötzlich ein Auto nach dem anderen und die Fahrer fragen, ob alles in Ordnung sei. Touristen in dieser Gegend, das scheint unüblich zu sein. Auf unsere Frage, ob sie evtl. nach Xanadu fahren schrecken sie aber alle zurück und fahren weiter. Total seltsam. Dafür bringt uns der Handwerker zu einer Bushalte, die wir sowieso schon kennen und bedeutet uns zu warten.
Aus einem anhaltenden Bus steigt kurz darauf eine Frau, die auf Krawall gebürstet ist. Wir hatten schon ein paar Mal das Gefühl, dass es gegenüber Weißen einen unterschwelligen Rasissmus gibt, aber sie geht jetzt auf's ganze und quatscht uns in einem fort provokativ an. So flüchten wir irgendwann in den erstbesten Bus und werden zum Glück warm empfangen. Für einen Dollar mehr ist der Fahrer gerne bereit, den Umweg über Xanadu zu machen und er nimmt uns ins Gebet, diese Frau schnell zu vergessen. Es gäbe ein paar seltsame Bahamians, aber die meisten wären so nett wie er. Der gesamte Bus stimmt ihm zu und wieder aufgebaut steigen wir erleichtert in Xanadu aus.
Rob und Carol haben für heute Abend den "Fish Fry" empfohlen bekommen und so teilen wir uns ein Taxi (ist wieder der Fahrer von gestern). Was jetzt allerdings am "Fish Fry" besonders ist, erkennen wir nicht. Es ist eine ganz normale Strandbar, die frittierten (fettigen) Fisch anbietet. Zum Glück haben sie auch (frittiertes) Hühnchen und so sitzen wir frierend im Wind und hoffen, dass der Taxifahrer nicht erst wie vereinbart um 22:00 zurück kommt (tut er dann auch). Zum Glück sind wir mit den beiden zusammen hier und haben somit viel zu quatschen. Rob kann uns außerdem aufklären, dass sich der seltsame Gruppentanz, den die amerikanischen Touristen ganz begeistert hoppsen Electric Slide nennt. "Four steps back and forward, four to the right and left, you turn ninety degrees to the left and then you do that thing". Es gibt auch noch Abwandlungen, daran erkennt man dann die Kreuzfahrer.

Fish Fry.



Donnerstag, 17.04.2008 (333. Tag)

Es scheint wieder wärmer zu werden, also nutze ich den Morgen und steche alle Strudelwürmer, Seepocken und was sich da sonst noch angesammelt hat von den Backbordplanken. Die Papageienfische haben ganze Arbeit geleistet und es geht flott voran. Trotzdem bin ich froh, dass unser Boot nur so klein ist. Am Ende bin ich total durchgefroren und brauche eine ganze Weile unter der Dusche, bis ich wieder auf Betriebstemperatur bin. Seltsam, wie sich ein paar Grad Unterschied in der Wassertemperatur auswirken. In den Tobago Cays hingen wir fast den ganzen Tag im Wasser herum.
Von der Postbank fehlt weiterhin jede Antwort, doch seltsamer Weise kümmert uns das nur am Rande. Das Geld ist erstmal futsch und wir können wenig daran ändern. Was soll man sich da aufregen. Vielleicht ist es aber auch nur die leichte, karibische Art, die sich unserer bemächtigt hat.
Mittags kommen Carol und Rob vorbei und wir brechen zu einem Daysailing auf. Entlang der Küste segeln wir nach Osten bis zur Lucaya Marina und versuchen unser Glück beim Angeln. Vor der Marina fährt schon seit ein paar Tagen ein alter Rahsegler auf und ab. Scheinbar hat er eine dicke Maschine, denn unter Motor geht's mit gesetzten Segeln gegen den Wind hoch und dann mit schön geblähten Tüchern wieder runter. Ich hatte es erst für eine Touriattraktion gehalten, doch als wir näher kommen entdecken wir hier und da Boote mit Kamerabäumen und ein Motorboot kommt längsseits und bittet uns Abstand zu halten. Der Segler scheint der Nachbau der Bounty zu sein, zumindest prangt der Name am Heck. Sollte also in einem Jahr ein neuer "Meuterei auf der Bounty"-Film herauskommen, schaut mal bei den Segelszenen, ob nicht im Hintergrund ein kleines rotes Boot herumlungert. Wir, der Blockadebrecher der kaiserlich deutschen Marine haben auf jeden Fall unser bestes gegeben.

Bald im Kino: Meuterei auf der Bounty mit Apelia im Hintergrund.


Rob und Carol sind alles andere als zufrieden mit dem Service des Hotels und dem gesamten Umfeld. Das Shuttle in die Stadt würde nur den Besuchern der Verkaufsveranstaltung zustehen, nur seltsam, dass man uns, die die Show besucht haben, genau das Gegenteil sagt. Auch die "Goodies" wie der kostenlose Mietwagen für einen Tag würde nach Rob und Carols Information nur Leuten wie uns zustehen. Das finden wir jetzt doch mal interessant und wir beschließen, uns morgen gemeinsam eine neue Ausrede des Personals anzuhören.
Als wir die Angel kurz vor Xanadu einholen ist unser geliebter "Lucky Lure" abgebissen. Es steht zwar noch 4:2 für uns (Skipjack Thun, kleiner Dorado, großer Dorado, Barakuda), aber dass man in den hiesigen Haifischgewässern besser mit Stahlvorfach angelt ist uns jetzt deutlich. Wobei, was will man mit einem wild um sich schnappenden Hai an der Angel anfangen?
Zurück am Hotel finden wir ein kleines schwarz-weißes Vögelchen, dass lethargisch auf dem Boden sitzt. Wir erfahren, dass es ein "Black and White Warbler" ist und scheinbar hat er eine unsanfte Bekanntschaft mit einer Scheibe hinter sich. Wir schnappen ihn uns, geben ihm Wasser und Steffi hält ihn in der Hand warm, während ich mit Rob vom Strand aus schnorchele. Wir entdecken einen fetten Barakuda, der bewegungslos am Grund steht und uns "the nasty eye" gibt, wie Rob so schön sagt. Wir halten auf jeden Fall respektvollen Abstand, genau so wie bei den Rotfeuerfischen, die vor einem versenkten Stahlrohr stehen. Diese Art wurde hier eingeschleppt, breitet sich scheinbar rasant aus und frißt die Jungen der anderen Fische.
Zurück am Strand halten wir unseren Patienten in den Wind, der ihn eindeutig belebt, bis der kleine Piepmatz rüber in die Bäume fliegt und sofort mit der Nahrungssuche beginnt. Scheinbar wird er es schaffen.
Abends weihen wir endlich unser Grillrost ein. Dazu haben wir wirklich lange gebraucht. Gekauft haben wir es im August letzten Jahres in Sada bei La Coruna, zusammen mit einem Sack Kohle, den wir dann über den gesamten Atlantik geschleppt haben. Somit hat die nächtliche Grillerei am Strand fast etwas feierliches. Zudem ist es unser 333. Tag und da der 300. in Santiago de Cuba mangels Einreisemöglichkeiten nicht so feierlich ausfiel, öffnen wir heute einen der Cava-Pikkolos von den Kanaren. Sogar eisgekühlt im Kühlschrank von Carol und Rob.


Freitag, 18.04.2008 (334. Tag)

Wir geben dem Restaurant noch eine Chance und frühstücken Pancakes, natürlich mit Maplesirup. Sie sind gut, doch der "French Toast" (=Kartäuserklöße aus Toast) ist ziemlich seltsam, also fällt unser finales Urteil negativ aus. Trotzdem hilft mir das ganze Fett dabei, die SB-Plankengänge und den Boden von den restlichen Seepocken zu befreien. Vorne fing das Zeug schon an von selbst abzufallen (beim gestrigen Segeln), aber hinten, im Totwasser halten sich die Viecher leider problemlos. Trotzdem sind wir sehr zufrieden mit dem Antifouling (International Micron Extra). Es wirkt wie vorhergesagt und bis jetzt sieht es noch danach aus, dass wir es ohne Neuanstrich bis nach Hause schaffen.

Unterwasserschiff putzen.


Unsere Rebellion starten wir am Vacation Club, wo auch diesen Morgen wieder die übliche Verkaufsnötigung stattfindet. Gut für uns, denn so haben wir reichlich Publikum, dass interessiert unseren Fragen zuhört. Die Rezeptionsdame stellt sich erstmal dumm, doch angesichts unseres geballten Auftretens, stellt sie uns nach Rücksprache mit dem Management dann doch einen Gutschein für einen Mietwagen aus.
Triumphierend rufen wir damit bei Dollar Cars an, um den Wagen klar zu machen, doch weit gefehlt, so einfach ist es auf den Bahamas nicht. Sie hätten keinen Wagen, der unserem Gutscheint entspräche (davon steht nichts darauf) und dass wir die Differenz zum nächst größeren Auto dazulegen, das ginge auch nicht.

World Class Marina Xanadu.
World Class Marina Xanadu

Es ist eindeutig, man versucht uns mit Ausreden hinzuhalten und rechnet damit, dass wir die Lust verlieren. Doch wir sind zu viert. Wenn drei abwinken, findet sich immer einer, der weiter macht. Nachdem wir der Managerin vom Vacation Club Druck machen ruft sie beim Vermieter an und man verspricht, uns um 13:00 abzuholen, was dann wieder einer Hinhalteaktion entspricht. Weit und breit zeigt sich kein Auto, am Telefon hält man uns hin, bis es uns erstmal zu doof wird und wir eine Runde schnorcheln. Dabei sehen wir wieder viele Barakudas, das Wasser hier ist eindeutig "heißer" als in der Ostkaribik und ich denke es ist nur eine Frage der Zeit bis zum ersten Hai.
Als sich um 16:00 immer noch nichts tut, verlangen Rob und ich nach dem Hotelmanager, doch die Rezeptionszicke kann angeblich niemanden erreichen. Sie hat ihre Rechnung dabei allerdings ohne die Wachleute am Eingang gemacht, die voll auf unserer Seite stehen und verraten, wo die Büroräume liegen. So spazieren wir einfach ins Büro der überrumpelten Hotelmanagerin, die dann doch noch alles für uns regelt. Eine viertel Stunde später steht der Fahrer des Hotels vor der Tür, bringt uns zum Flughafen, wo seltsamer Weise mehrere Autos der kleinsten Klasse stehen und 3,5 h nach dem vereinbarten Termin verlassen wir tatsächlich den Flughafen in einem Auto.
Lang wird es nicht mehr hell bleiben, also fahren wir nach West End, dem Westkapp der Insel. Wie wahrscheinlich alle Inseln der Bahamas ist Grand Bahama alles andere als spektakulär. Der Reiz der Bahamas liegt eindeutig im Wasser. Die Inseln sind flach, steinig und mit kargen Nadelbäumen bestanden, denen hier meistens die Krone fehlt. Es sieht seltsam aus und die Spuren des letzten Hurrikans lockern unseren Eindruck nicht gerade auf.

Mehr gibt es hier einfach nicht zu sehen.


Überall Spuren der Hurrikans.


Westend bietet zum ansonsten eher trostlosen Anblick einen krassen Gegensatz. Hier am Kapp entsteht um den Hafen eine Schickimicki-Anlage und man erzählt uns voller Stolz, dass auch John Travolta eines der Häuser besitzt. In der Marina reiht sich eine fette Motorbratze an die nächste, alle mit den charakteristischen Outriggern und einer Batterie von Angeln bestückt, mit denen die Hobby-Hemmingways zum "Sport"fischen raus gehen. Jetzt am Nachmittag werden überall Berge von Dorados, Wahoos und Barakudas entladen und wir wundern uns, dass diese Region nicht schon totgefischt ist. Der stete Nährstoffnachschub des Golfstroms scheint Abhilfe zu schaffen.

Mit sowas sind die Marinas gefüllt. Segelboote, Fehlanzeige.


Obwohl die Preise für die Bahamas noch völlig annehmbar erscheinen, finden Carol und Rob nichts auf der Karte, so dass wir in der Abenddämmerung in Lucaya, dem West End des kleinen Mannes landen und in einem der vielen Restaurants abendessen. Danach tingeln wir noch durch das Kunstdorf und lassen das Gewusel der Touristen auf uns wirken. Am Count Basie Square spielt eine Band und nach einer Limbo-Vorstellung übernehmen die Electric-Slider die Tanzfläche und springen im Viereck. Das hier ist nicht unsere Welt, doch die Leute sind alle fröhlich und ausgelassen und wir genießen es, uns hier mal ganz unbeschwert treiben zu lassen. Seit wir auf den Bahamas sind, haben wir öfter das Gefühl, schwermütig, zynisch und sarkastisch zu sein. Mit der Mentalität der amerikanischen Tourismusindustrie kommen wir einfach nicht klar. Es wird immer viel versprochen, alles in den Himmel gepriesen, doch die Realität ist meist unglaublich teuer und von bescheidener Qualität.


Samstag, 19.04.2008 (335. Tag)

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die Proviantierung hier in Xanadu alles andere als einfach, geschweige denn günstig ist und wollen deshalb weiter nach Nassau. Die Auskünfte über die dortigen Möglichkeiten sind völlig widersprüchlich, also wollen wir unser eigenes Urteil fällen und heute, wo der Sturm nachgelassen hat, brechen wir auf. Nach einer letzten Dusche im Hotelzimmer und der Verabschiedung von Carol und Rob legen wir ab. Dass es hier keinen Diesel zu tanken gibt überrascht uns so gar nicht mehr, doch da der Tank nur noch 1/4 voll ist, segeln wir bei einem frischen N 4 rüber nach Lucaya.
Leider scheint es nur ein thermischer Wind zu sein und nach kurzer Zeit dümpeln wir in der Flaute und müssen den Motor zur Hilfe nehmen. Frustriert sitze ich an der Reling und gucke ins glasklare Wasser, als sich vor uns ein 3 m langer Rücken erhebt. Zunächst vermute ich einen Delphin, doch als am vorderen Ende ein medizinballgroßer Kopf aus dem Wasser schaut erkenne ich die Umrisse einer wirklich gigantischen Schildkröte. Dass die Viecher so riesig werden, war mir nicht bekannt.
Der Hafenmeister kann uns nicht genau sagen, wieviel Wasser über der Barre steht, also tasten wir uns vorsichtig voran. Bis zum Niedrigwasser sind es noch zwei Stunden und mit 10 cm Wasser unter dem Kiel retten wir uns so gerade noch ins tiefe Becken und an die Tankstelle. Es herrscht ein dauerndes Kommen und Gehen. Ohne Rücksicht braten die fetten Motorbratzen vorbei und wir sind froh, als wir vollgetankt und ohne Schäden wieder ablegen. Jetzt nichts wie raus, bevor das Wasser zu weit gesunken ist. Zum Glück haben wir die Barre für uns alleine und tasten uns darüber hinweg. Dann werden die Segel gehißt und wir sind unterwegs, Kurs 133 Grad auf die Berry Islands zu. Leider ist der Wind alles andere als kooperativ und wir motorsegeln, um Strecke zu machen. Dieses Revier mit seinen unsteten Winden geht uns zusehends auf den Geist.

Resorts und Motorboote in Lucaya.


Seit vorgestern habe ich links unten wieder Zahnschmerzen, doch diesmal lassen sie sich nicht mit Kamillosan-Spülungen beruhigen. Da scheint was faul zu sein und der andauernde Schmerz läßt mich immer zickiger werden. Ich versuche mich abzulenken, doch es hilft nicht. Der Schmerz ist einfach überdeutlich und ich habe sogar Probleme zu schlafen. Da wird wohl in Nassau ein Zahnarztbesuch fällig. Was für ein Mist.


Sonntag, 20.04.2008 (336. Tag)

Um Mitternacht kommt eine leichte Brise auf, die wir dank der Genua nutzen können. Ich schalte den Motor ab und wir genießen die Ruhe. Das Wasser ist fast spiegelglatt, der Vollmond leuchtet alles aus und hinter uns liefern sich zwei grell beleuchtete Carnival-Kreuzfahrer ein Rennen. Nach drei Stunden ist die Idylle mangels Wind aber wieder vorbei und wir motoren weiter durch die Nacht.
Morgens haben wir die Berry Islands querab und fahren durch nur 20 m tiefes Wasser. Eine kleine Umstellung nach den 1000 m der letzten Nacht und dass man am Grund jedes Detail erkennen kann, macht es nicht gerade entspannter. Doch die Karten sind eindeutig, alles ist tief genug und wir genießen die Fahrt. Die Berry Islands bestehen aus einer ganzen Kette kleiner Inseln, hinter denen man herrlich ankern könnte. Doch meine Zahnschmerzen pochen vor sich hin und ich will inzwischen lieber schon heute als morgen zum Arzt, also fahren wir an dieser Pracht vorbei.
Seit wir in den Bahamas sind, haben wir einen Zug an uns entdeckt, den wir nie vermutet hätten: Es nervt uns, dass wir nicht die Nationale am Heck fahren (die ja irgendwo im Meer treibt). Mit den ganzen dicken Motorbratzen um uns herum hat uns das Revolutionsfieber gepackt und wir würden gerne Flagge zeigen. Wir haben zwar nur 1/1000 der Leistung um uns herum, doch wir können damit wenigstens den Atlantik queren. Ich schnappe mir deshalb eine von Andreas Blancoflaggen und male sie mit einem roten und schwarzen Edding aus. Danach gucke ich etwas ratlos im Boot herum, bis mein Blick auf den goldfarbenen Senf fällt. Wer hätte gedacht, dass man mit Senf Flaggen färben kann.

Selbstbauflagge mit Edding und Senf.


Als vor uns die gigantischen Bauten des Atlantis Hotel über den Horizont gucken und ich mich auf die Ankunft in gut zwei Stunden freue, bemerke ich hinter uns eine Herkules der US Coastguard, die tief über dem Wasser Kreise zieht. Außerdem kommt uns so manches Motorboot mit Vollgas entgegen und als ich das Funkgerät einschalte erfahre ich, dass sich etwa 5 nm hinter uns ein Seenotfall ereignet hat und etwa 24 Personen im Wasser treiben. Alle Boote werden aufgefordert, sich an der Suche zu beteiligen. Wir sind noch unschlüssig, ob wir mit unseren 4 kn irgend eine Hilfe sind. Inzwischen pflügen etwa 15 große Motoryachten am Horizont herum, doch unser Mitleid mit den Opfern überwiegt und wir kehren um.
Leider wird der Funkverkehr über Kanal 22-alpha abgewickelt, den wir mit unserem Gerät nicht abhören können. Als uns ein Motorboot passiert, winken wir es heran und erfahren, dass es sowieso keine Koordination gibt. Jeder tuckert halt im angegebenen Gebiet durch die Gegend und schaut sich um. Dafür erfahren wir etwas mehr zum Hintergrund: Ein Flüchtlingsboot aus Haiti ist gesunken. Von den Insassen wurden 8 Personen lebend gerettet, 12 Leichen geborgen und der Rest ist das, wonach gesucht wird. Zwei mögliche Koordinaten der Unglücksstelle sind bekannt, also beginnen wir an der Luvseite und wollen in 20 min Schlägen nach Lee kreuzen.
Nachdem wir einen Ballon von vermutlich einem Kreuzfahrer geborgen haben, entdeckt Steffi fast voraus eine Rettungsweste und das Bangen beginnt. Da ist doch eine Leine drangeknotet, die ziemlich stramm nach unten hängt? Zum Glück sind die Sorgen unbegründet. Die Weste ist leer und auch an der Leine hängt keine unschöne Überraschung. Wir machen trotzdem beim Coastguard-Flugzeug Meldung und ändern unseren Plan: Die Weste trieb ziemlich flott mit der Brise, insofern würden wir treibende Körper eher in Luv erwarten. Wir kreuzen also in flachen Schlägen gegen den Wind, finden allerdings nichts mehr. Als die Sonne fast den Horizont berührt geben wir auf und sind damit eines der letzten Boote, die heimwärts fahren, während am Himmel weiterhin die Herkules und die Hubschrauber der Coastguard kreisen. Wie die Geschichte ausgegangen ist, wissen wir nicht.
Nach der verpflichteten Meldung fahren wir im Dunkeln in den Hafen von Nassau ein und passieren die Kais der Kreuzfahrer. Über Funk werden wir dabei Zeugen des Gesprächs zwischen dem Wachhabenden des Kreuzfahrers Westerdam und Port Control, mit dem die Art der Bahamians wohl nicht besser umschrieben werden kann: Die Westerdam will um 22:00 ablegen und in perfektem Englisch fragt der Wachhabende den Hafen, ob der Lotse auch wirklich pünktlich kommen würde, worauf prompt die Antwort folgt: "Yes, he will be there. Now you relax and have a nice evening."
Kurz vor der Marina passiert uns das dreistöckige Partyboot der "Booze Cruise" und neben lauter Musik weht ein dichter Alkoholdunst zu uns herüber. Als wir in die Marina abbiegen, macht die Kanalfähre Stress, hubt vor sich hin und blendet uns mit ihrem Scheinwerfer. "Now you relax..." geht es mir durch den Kopf, aber egal, nach 31 h unter Motor wollen wir endlich ankommen und unsere Ruhe haben.
Es ist 23:00 (die Westerdam liegt immer noch am Kai), als wir an Land gehen und nach einer Nahrungsquelle suchen, doch alle Restaurants sind schon geschlossen. Über die Brücke latschen wir rüber nach "Paradise Island", wo auch das Atlantis Hotel steht. Es ist eine Art Disney-World, das sich über die gesamte Insel erstreckt und hier herrscht noch das volle Nightlife. Etwas ungläubig spazieren wir durch diese bonbonfarbige Kunstwelt, auf die amerikanische Touristen so stehen und hangeln uns immer weiter durch den Komplex. Die einzige Stelle, wo es noch etwas zu essen gibt ist das Casino, aber bei 16 $ für einen Burger haben wir dann doch nicht mehr so einen großen Hunger. Stattdessen kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus und dürfen unbehelligt durch die Anlage lustwandeln. Es gibt große Aquarien voller Rochen, Haien und Barakudas, wilde Rutschen, die aber nur tagsüber in Betrieb sind und über allem tront eine völlig abgedrehte Architektur. Es ist spektakulär, das müssen wir wohl zugeben und auf dem Rückweg spielen wir mit dem Gedanken, am Ende unserer Vorbereitungen hier einen Tag Land"urlaub" zu verbringen.

Überkandidelte Architektur im Atlantis Hotel.


Zurück am Festland entdecken wir direkt neben der Marina eine Tankstelle mit angeschlossenem Fastfoodrestaurant und kommen damit doch noch zu einem Happen. Die Atmosphäre ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Die Kassierer sitzen hinter einer dicken Plexiglasscheibe und die Kundschaft besteht aus jugendlichen "Gangstas". So wie hier alles verriegelt und verrammelt wird, haben sie in Nassau entweder ein Kriminalitätsproblem, oder die Sicherheitshysterie der Amis ist auf die Insel geschwappt. Ein Lichtblick ist dagegen das kostenlose WLAN.

Montag, 21.04.2008 (337. Tag)

Wir beginnen den Tag mit einem Frühstück in der Tanke und ziehen unsere Mails. Leider immer noch nichts neues von der Postbank, aber es mehren sich die Meldungen von Freunden, die seit Antigua abgezockt wurden. Für uns ist der Fall also klar, jetzt muß es nur noch die Postbank begreifen.

Liegeplätze für Motorboote. Ins Wasser hilft ein Gabelstapler.


Nach Kakao und Muffins folgt der schwere Gang zum Zahnarzt, doch sobald ich dran bin ist der Bammel verflogen. Zunächst röntgt die Helferin meinen linken Kiefer und fragt mich nach unserer Tour aus. Ich bin etwas überrascht, als sie fragt, ob Deutschland immer noch kommunistisch sei, aber für die Leute hier ist Europa einfach ganz weit weg und eine völlig andere Welt. Auch die Ärztin ist begeistert von unserer Segeltour und ich muß zu allem möglichen Rede und Antwort stehen. Bordalltag, Ernährung, das Gefühl so ganz alleine auf dem Ozean zu sein usw. Sie begreift unsere Problematik sofort und will genau wissen, wie lange wir noch bleiben, denn mein Fall ist grenzwertig: Irgendwann habe ich scheinbar meine Kunststofffüllung (die ich noch kurz vor der Abreise bekam) zerbissen und der sich darunter breitmachende Karies ist so gut wie an den Nerv vorgedrungen. Wie weit es ist kann sie erst nach dem Bohren sagen, aber wenn die Bakterien ihn erreicht haben, müßte der Nerv raus.
Alles keine dollen Aussichten, doch ich bekomme eine Betäubung (im Gegensatz zu Seth auf Kuba) und wie ich da so liege und die Zahnärztin meinen Kopf an ihren großen Busen drückt, fühle ich mich doch glatt wie bei Mama und bin ganz entspannt. Scheinbar komme ich gerade noch rechtzeitig, denn der Nerv ist noch nicht angegriffen. Ich bekomme eine Amalgamfüllung und soll zwei Tage warten. Würde ich dann immer noch Schmerzen haben, müßte der Nerv raus, also erstmal toi toi toi.
Ach ja, und was hat der Spaß gekostet? Röntgen + zweiseitige Füllung + Beratung (weil das in Deutschland ja immer noch gerne extra berechnet wird)? 90$ (=54 EUR). Ich kann's kaum glauben als ich das höre. Liebe Zahnärzte in Deutschland: Hört bitte auf über teure Investitionskosten zu jammern, wenn man Euch nach dem Grund für Eure teuren Rechnungen fragt. Zahnarztpraxen auf den Bahams sind genau gleich eingerichtet und das bei einem deutlich höheren Priesniveau. Seid Ihr schonmal auf den Gedanken gekommen, dass Ihr einfach nur sehr gut verdient???
Den Rest des Mittags spazieren wir durch Nassau, das einen ärmlichen und völlig verschlossenen Eindruck macht. Alle Läden sind vergittert und wenn man irgendwo hinein will, muß man eine Klingel drücken und der Türsummer öffnet. Scheinbar haben sie wirklich ein Kriminalitätsproblem. Licht und Glanz findet sich nur drüben auf der Touri-Insel.

Gullideckel a la Nassau.


Zurück am Boot läßt mich irgend ein Gefühl nochmal ganz genau durch den Marinavertrag gehen und ich entdecke, dass sie zusätzlich zu den 60 $/Tag (2 $/ft) nochmal 8 $/Tag pauschal für Wasser berechnen. Wenn man sein Boot wie die Amerikaner um uns herum täglich mit viel Wasser abspritzt ist das durchaus angebracht, doch wir werden unsere Tanks nur noch einmal vor der Abfahrt füllen und ich versuche, diese Extrakosten loszuwerden. Leider sind die Angestellten völlig lustlos und unflexibel, also zahlen wir und machen uns bereit, um vor Anker zu gehen. Das Gepaddel mit dem Dinghi wird zwar beim Proviantieren mühsam, aber diese horrenden Kosten mit zusätzlich noch so einer Abzocke und das wirklich ohne irgend einen besonderen Service (nicht mal WLAN) sind wir nicht bereit zu akzeptieren.
Durch Zufall frage ich einen Mann, der gerade aus seinem Dinghi steigt nach dem Ankergrund. Es ist ein in Florida lebender Deutscher, der unseren Ärger absolut nachvollziehen kann und uns die Bayshore Marina gleich nebenan empfiehlt, wo man für 75 Cent pro Meter liegt. Das ist weniger als die Hälfte von dieser Marina, der Weg zum Supermarkt ist noch kürzer und Wasser und Strom werden angeblich verbrauchsabhängig berechnet. Wieso nicht gleich...
Wir legen uns neben Liz und George, die ihr Segelboot gerade aufklarieren, um in zwei Tagen heim zu fliegen und erfahren, dass das hier eine "Working Marina" ist. Das heißt, dass hier nur "Arbeitsyachten" liegen, also diese typischen Outrigger-Motorbratzen zum Hochseeangeln, Jetskis und Parasail-Boote. Alle verlassen morgens früh um 7:00 den Hafen und kehren nachmittags zurück. Dann geht die große Metzelei los und die gefangenen Barakudas, Dorados und Wahoos werden am Steg zerlegt. Das Wasser ist hier 3 m tief, aber glasklar und am Grund liegen überall ihre filettierten Skelette. Weiter innen im Hafen setzt sich der Friedhof mit Conch-Muscheln fort. Ich dachte immer, dass sie geschützt seien, doch in den Massen wie sie hier überall verzehrt werden und ihre leeren Schalen die Ufer säumen, passt das nicht so recht ins Bild.

Von drüben winkt der Glanz und der Reichtum.


Abends kehrt Ruhe ein und der Wachmann steht mit seiner Familie angelnd am Steg. Alle sind freundlich und wenn nicht gerade das Partyboot der "Booze Cruise" ablegt herrscht eine ruhige Stimmung. Die ganzen Fischreste locken allerdings die Ratten an und wir sind etwas alarmiert, als wir bei George und Liz an Bord sitzen und ein kleines Exemplar hinter uns lang flitzt. Zur Sicherheit besorgen wir uns Styroporteller und schieben sie auf die Festmacher. Sicherheitshalber lassen wir die Luken aber trotzdem nicht mehr weit geöffnet.


Dienstag, 22.04.2008 (338. Tag)

Um 6:00 ist Schluss mit der Nachtruhe, denn überall um uns herum lassen die Fischer ihre tausende von PS warmlaufen, die nur noch vom Klang der Stereoanlagen übertönt werden. Steffi nutzt den Weckservice für einen Besuch der Morgenmesse und ich tippe ziemlich verkatert am Tagebuch, bis sie mich mit ihrer Heimkehr erlöst und wir ins Starbucks zum Frühstücken gehen. Auch dort gibt es wieder kostenloses WLAN und die Muffins sind doch besser als in unserer Stamm-Tankstelle.
Es ist wirklich entspannend, den Tag so ruhig und mit soviel Zeit zu beginnen und so sammeln wir ausreichend Elan, um uns über die lanweilige Inventur her zu machen. Wir haben noch viele Konserven unter den Bänken und so wird unser Einkauf (bis auf's Wasser) wohl nicht so ein Mammutprojekt wie auf Las Palmas. Auch haben wir wir durch die Herfahrt Erfahrung darin gesammelt, wieviel wir wovon brauchen und können dadurch etwas knapper kalkulieren.

Wir verwandeln Apelias Inneres in Chaos: Inventur.


Als wir durch sind, entscheiden wir einstimmig, genug getan zu haben und tauchen über die Brücke ins Touriparadies ein. Gegenüber dem gestrigen Nassau ein absoluter Tapetenwechsel und wir staunen über die phantasiereiche Architektur, die sich hier wirklich bis ins letzte Detail fortsetzt. Wohnen möchten wir hier nicht, aber für ein Touristenhotel ist es schon ziemlich cool..

Ziemlich abgefahrene Architektur. Könnte man auch größenwahnsinnig nennen.


Von innen genau so oppulent wie von außen.


Etwas erstaunt stellen wir fest, dass man sich scheinbar auch als Nicht-Anwohner frei über die Anlage bewegen darf. Für die Attraktionen braucht man das Armbändchen der Besucher, aber wir latschen unbehelligt durch den ganzen Park, staunen über die wilden Wasserrutschen, den Wildwasserkanal und die Tümpel und Aquarien, die es überall gibt. Das Angebot ist wirklich wie im Aquarium von Lissabon und wir verbringen Stunden vor den großen und kleinen Fenstern der Unterwasserwelt, in der sich vom Seepferdchen bis zum Manta alles tummelt. Lediglich einen Mondfisch vermissen wir.

Vor allem vor den Aquarien verbringen wir viel Zeit.


Die Rutschen machen uns bei diesem sonnigen Wetter doch ganz schön an und so fassen wir beim Gehen all unseren Mut zusammen und fragen nach dem Eintrittspreis für ein Tagesticket. Seltsamerweise steht er nirgendwo offen ausgeschrieben und als wir ihn hören, machen wir erstmal einen Schritt rückwärts: 105 $ kostet das Tagesticket und gilt von 9:00 bis 17:00 Uhr. Ganz schön happig und wie gut, dass wir mit dem Boot unterwegs sind. Im Hafen zahlt man nämlich auf den billigen Plätzen 4 $/ft für mindestens 40 ft Länge, also insgesamt mit 160 $/24 h einiges weniger als zwei Tagestickets. Billig ist das immer noch nicht, aber angesichts der 400 $ für ein Hotelzimmer ist es doch günstiger, seine eigene Unterkunft mitzubringen und in der Marina zu vertäuen.
Abends zeigen uns Liz und George wie man das Domino-Spiel "Texas Train" spielt. Das ist eine ganz entspannte Beschäftigung und wir spielen mit dem Gedanken, irgendwo mal einen Satz Steine zu kaufen.


Mittwoch, 23.04.2008 (339. Tag)

Um 6:00 geht nebenan wieder der 1000 PS-Wecker los und wir verabschieden Liz und George und wenden uns dann unserer Inventur und Putz-Aktion zu. Es ist erstaunlich, aber seit wir in den Bahamas sind und heiß duschen versinken wir an Bord in Schuppen und Steffi verteilt überall ganze Büschel von Haaren. Liegt es an der Ernährungsumstellung oder ist es ein normales "Frühlings"-Phänomen? Wir haben keine Ahnung, aber es nervt gewaltig.

Das hier ist weder ein Gynäkologenstuhl, noch eine Requisite für schlüpfrige Filme. Es ist ein typischer Kampfstuhl der "Sport"-Angler, aus dem sie bequem sitzend die "Bestien" der Meere bezwingen.


Nachmittags machen wir wieder einen Ausflug und spazieren rüber ins "Zentrum". So nennt man die grell leuchtende Mickeymaus-Siedlung, die um die Kreuzfahrtterminals herum errichtet ist. Wir haben inzwischen erfahren, dass sich die Kreuzfahrtgesellschaften alles andere als freundlich gegenüber den Inseln verhalten, die sie anlaufen. Da die Konkurrenz zwischen den Inseln hoch ist, setzen die Gesellschaften sie so stark unter Druck, dass sie kaum noch Liegegebühren zahlen und die Show-Siedlungen um die Anleger sind auch fest in der Hand der Kreuzfahrer. Vom Geld was die Passagiere an Land ausgeben, wandert also das meiste direkt zurück in die Kasse dieser Multimillion-Dollar-Unternehmen und die Inseln sind die Dummen. Ins Hinterland verirrt sich sowieso kaum ein Passagier.

Fenster der Anglikanischen Kirche.


An der Touristeninformation fragen wir nach dem Kino (haben ja noch ein paar Abende vor uns) und werden wiedermal zu einer Werbeveranstaltung für "Time Sharing" shanghait. Diesmal winkt kein kostenloser Mietwagen, sondern 150 $ in bar. "Ja jaaa" denken wir uns, aber einfach mal hingehen kostet ja nichts, und wenn vorher klar ist, dass man am Ende wirklich 150 $ auf die Hand bekommt, dann soll uns das wohl recht sein.
Das Kino liegt in einer Mall und ist "not in walking distance". Zumindest gilt das für die meist ziemlich übergewichtigen Bahamians. Uns sind die 8 km eher eine willkommene Bewegungsmöglichkeit und auf diesem Wege lernen wir auch noch das wirkliche Nassau der Einwohner kennen. Es sieht im großen und ganzen heruntergekommen und arm aus, doch die Leute grüßen uns freundlich ("Hi, how're ya all doin?") und wir haben kein ungutes Gefühl, bis ein Streifenwagen neben uns hält und fragt, ob wir wüßten, wo wir seien. Klar wissen wir das, wir haben ja eine Karte, doch als wir antworten, dass wir zur Mall wollen, sind sie der Meinung wir hätten uns verlaufen und es wäre besser, sie würden uns mitnehmen. Wir verstehen es erst nicht, aber sie haben eindeutig etwas dagegen, dass sich hier Touristen herumtreiben und insistieren, bis wir einsteigen. Auf der Fahrt erklären sie uns, dass es hier ein paar gefährliche Drogenabhängige gäbe. Was daran wahr ist weiß ich nicht, aber einer der Polizisten trägt auf jeden Fall eine kugelsichere Weste. Wahrscheinlich halten sie uns für völlig naive Idioten, die sich unnötig in Gefahr bringen und damit am Ende den Ruf Nassaus schädigen.

Bonbonfarbene Kunstwelt um den Kreuzfahrtterminal.


Das Kino ist im Vergleich zum Rest spottbillig (6 $), doch wir können uns auf keinen Film einigen und spazieren zurück. Diesmal durch ein angeblich sicheres Viertel. Für die hiesigen Preise fehlt uns wirklich jedes Verständnis. Junkfood und industriell verarbeitetes Essen ist sehr günstig, aber natürliche und unbehandelte Nahrungsmittel sind wahnsinnig teuer. Bestes Beispiel ist Milch: Ein Amerikaner im Supermarkt zeigt uns, dass auf den meisten Milchpackungen die Inhaltsstoffe aufgelistet sind. Inhaltsstoffe bei Milch??? Ja wirklich, das Zeug ist ein zusammengerührter Mix aus Wasser, fettfreiem Milchpulver, Zucker und allen möglichen anderen Zusatzstoffen. Preis: 3,60 $/Gallone. Die wirklich ganz normale Vollmilch so wie wir sie kennen kostet dagegen 8,30 $/2 l.
Kein Wunder also, dass die Leute hier ein Ernährungsproblem haben und völlig aus dem Leim gehen. Mal ganz davon abgesehen, dass sie keinerlei Ahnung davon haben, was nahrungstechnisch gut für einen ist, und was man nur hin und wieder mal genießen sollte. Wir gehen auf jeden Fall mit gutem Beispiel voran, biegen auf dem Heimweg bei "Dunkin' Dounuts" ab und gönnen uns einen Ananas- und einen Vanilledounut. :o)
An Bord gibt es wieder Salat und dann spannen wir aus von der langen Wanderung. Wir merken eindeutig unsere Beine. Steffi löst ZEIT-Kreuzworträtsel und ich übe mal wieder mit der Gitarre.


Donnerstag, 24.04.2008 (340. Tag)

Wiedermal nutzt Steffi den kostenlosen Weckservice für eine Frühmesse und dann stürzen wir uns auf den Einkauf. Die größe Menge machen die 52 Ein-Gallonen-Flaschen an Trinkwasser aus und für den Sprung zur Marina schnappen wir uns ein Taxi. Der Fahrer scheint entweder bekifft oder nicht ganz wach zu sein, auf jeden Fall fährt er beim Zurücksetzen mit voller Pulle gegen ein anderes Auto. "Did I hit something?" fragt er uns erstaunt, nachdem wir scheppernd zum Stehen kommen. Die Ecke der Stoßstange unseres Kontrahenten ist völlig zerkratzt, aber das wäre schon "all right" meint unser Fahrer und fährt entspannt weiter. Sicherheitshalber merken wir uns sein Nummernschild.

Nassaus Fischereiflotte.


Nach der Arbeit wollen wir uns unsere 150 $ "verdienen", trauen dem Braten allerdings nicht so recht. Und Tatsache, wir sehen scheinbar nicht so recht vertrauenerweckend aus und die Empfangsdame klärt uns auf, dass das Angebot nur für Kanadier, Engländer und Amis gilt. Das würde als Bedingung auf dem Zettel stehen, den wir ausgefüllt haben. Nur komisch, dass wir ihn jetzt nicht mehr anschauen dürfen. Er sei Eigentum des Resorts. Nee, is' klar.
Beim Herunterladen der grib-Dateien zeigt sich für nächsten Dienstag ein mögliches Wetterfenster um nach Bermuda aufzubrechen. Wenn wir uns also den Rutsch-Spaß im Atlantis wirklich geben wollen, sollten wir am Wochenende die Gelegenheit packen. Da es hier sonst nichts zu tun gibt wollen wir gerne und schauen beim Hafenmeister der Nobelmarina vorbei. Richtige Begeisterung schlägt uns hier nicht entgegen. Selbst die billigen Plätze ganz außen sind eher für Motorboote von 15 m oder mehr gedacht und man scheint uns nicht so richtig ernst zu nehmen, als wir nach einem Platz für unsere Apelia fragen.

Hägen Dasz Eis und Megayachten. Sonst noch Fragen?


Im Hotelkomplex gibt es immer noch viele unbekannte Ecken, also schlendern wir durch die endlosen Gänge und werden jovial freundlich von einem Verkäufer angequatscht, als wir uns ein Modell der Anlage ansehen. Er ist tatsächlich der Meinung, wir würden über 700.000 $ für eines der billigsten Appartments verfügen. Als wir verneinen wird er merklich distanzierter und als wir fragen, ob die gesamte Anlage tatsächlich auch für Nicht-Anwohner zugänglich sei, erfahren wir, dass das definitiv nicht der Fall ist und man eigentlich regelmäßig kontrolliert wird. Danach verschwindet er geschäftig und ich habe so ein Gefühl, dass uns ab jetzt die Überwachungskameras folgen.
Wir spazieren trotzdem noch etwas weiter auf dem Hotelgelände herum und bewundern die vielen sehr natürlich wirkenden Becken. Wir entdecken Hammerhaie, ganze Schwärme graziler Rochen und Igelfische, wovon sich einer tatsächlich halb aufgepumpt hat. Wir sind allerdings nicht mehr so entspannt wie letztlich, als wir noch ahnungslos waren und erwarten jeden Moment nach unseren Ausweisen gefragt zu werden. Am Ende stehlen wir uns wie die Diebe davon.
Zurück in unserem simplen Heim verbringen wir den Abend mit den Zeitungen und um 18:00 schlafe ich über meiner ein. Das viele Herumgerenne und die extravaganten Eindrücke haben mich eindeutig geschafft.