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Von Flores nach Faial


Donnerstag, 29.05.2008 (375. Tag)

Unsere Nachtruhe kommt gegen 2:00 schlagartig zu ihrem Ende, als von einem Moment auf den anderen Schwell in den Hafen dringt. Im Gegensatz zu den langen Wellen damals auf den Kapverden, sind die Störenfriede hier einen knappen Meter hoch und etwa 15 m lang und sie bringen die Boote zum tanzen. Wir rollen um etwa 15 Grad und stampfen hart an der Ankerkette auf und ab. Dazu hat noch ein intensiver Nieselregen eingesetzt, so dass wir beim Ausbringen des Rolldämpfers am Baum und des Ruckdämpfers an der Kette klitschnaß werden. Und kalt ist es, wir stapeln alle Decken und die Schlafsäcke über uns, als wir versuchen zurück in den Schlaf zu finden.
Das morgendliche Bild der tanzenden Yachten ist wirklich einmalig. Sowas habe ich noch nie gesehen. Vor allem die großen Zweimaster rollen extrem, während die Rümpfe der kleineren Boote aus unserer Sicht fast hinter den Wellen verschwinden. Durch den Temperatursturz und den andauernden Regen ist im Boot alles klamm und kalt, also aktivieren wir seit langem (seit England) wieder mal unseren Ofen. Er ist hier wirklich Gold wert, bullert mit Vollgas vor sich hin und nach zwei Lüftungssessions wird es in der Apelia trocken und gemütlich. So kann man sich mit dem Wetter arrangieren, auch wenn es an Bord nicht gerade angenehm ist. Wir kämpfen zwischenzeitlich sogar mit leichter Seekrankheit.
Steffi nutzt die Duschen (kostenlos aber kalt) und zeigt, dass man in Ölzeug gepackt ganz vernünftig anlanden kann. Trotzdem sieht es spektakulär aus, wie sie da immer wieder zwischen den Wellen verschwindet.
Bevor wir einen Koller bekommen, packen wir uns am Nachmittag ein und paddeln an Land. Aus dem schwankenden Dinghy über eine Leiter in der Mole hoch klettern ist gar nicht so einfach. Außerdem treiben in dieser Ecke des Hafens überall die kleinen Schirmchen der Portugiesischen Galeeren, mit deren Nesseln wir auf keinen Fall Bekanntschaft machen wollen.
Mit dem andauernden Nieselregen sollte es an Land eigentlich trostlos sein, doch unser Landhunger überdeckt die trübe Stimmung. Vom Hafen geht es über eine gewundene Straße hoch auf die Klippen, wo das Dorf liegt. Wir genießen es, durch die stillen Gassen zu stapfen und staunen über die phänomenale Blumenpracht. Vor allem der Platz um die Dorfkirche und der kleine Park sind das pure Idyll.

Eigentlich trostlos, aber egal, Land ist Land.


Der Internetclub (was auch immer das ist) hat geschlossen, aber im Cafe daneben empfängt man das WLAN so gerade eben und wir können Mails ziehen und die Homepage aktualisieren. Hier ist wirklich nichts mit Tourismus. Die einzigen Leute, die man auf den Straßen sieht sind Segler, die wahrscheinlich froh sind, für ein paar Stunden von ihren rollenden Untersätzen zu kommen. In den Cafes und Restaurants sitzt man zwischen den Leuten des Dorfs und es herrscht eine entspannte Stimmung. Ich habe das Gefühl, dass man den Yachten vollkommen neutral gegenübersteht, sie gehören halt zum Alltag.
Auf dem Rückweg schielen wir besorgt über die Klippen, doch Apelia tanzt an ihrem vorgesehenen Platz, also verziehen wir uns ins Hafenrestaurant. Es ist voller Locals, die hier ihr Feierabendbier trinken und nach und nach trudeln immer mehr Segler ein. Alle haben lange Gesichter, der Schwell macht einem das Leben an Bord zur Hölle, doch keiner will das Boot unter diesen Bedingungen alleine lassen und die Insel besichtigen. Eine Zwickmühle.
Die Portionen sind so groß, dass wir uns mein Gericht teilen und mit einer unangetasteten Pizza zurück zur Apelia paddeln. Der Nieselregen hat inzwischen fast aufgehört und der Schwell scheint auch schwächer zu werden. Wir sind fast bei der Apelia, da entdecken wir die Luiza im Ankerfeld. Mieke und Luc sind vor einer Stunde angekommen und die Wiedersehensfreude ist natürlich groß. Wir verquatschen den restlichen Abend und kommen erst im Dunkeln zurück an Bord. Trotzdem machen wir es uns noch bei einem Tee gemütlich und lesen uns bei laufendem Ofen Eure Emails vor.
Apropos Dunkelheit: Die Dämmerungsphasen sind hier ja wirklich der Wahnsinn. Es scheint, das es Stunden dauert, bis es endlich dunkel wird. Für uns völlig ungewohnt.

Emails lesen im beheizten Boot. Gemüüüüüütlich.



Freitag, 30.05.2008 (376. Tag)

Über uns erstrahlt beim Aufwachen ein blauer Himmel und der fast verschwundene Schwell läßt einen an Bord wieder leben. Während Steffi in die Kirche geht, schaue ich beim Internet-Club lang, der heute geöffnet hat. Das EU-Sponsoring klappt hier wie am Schnürchen: In einem großen Raum stehen etwa 10 PCs und in der Sitzecke mit ihren fetten Sesseln kann man es sich beim WLan mit dem Laptop bequem machen. Natürlich alles kostenlos.

Unser allmorgendlicher Ausblick, heute mit Sonne!


Nach und nach trudelt fast die gesamte Seglerschar hier ein. Jeder versorgt die Heimat mit Emails und schaut nach dem Wetter. Natürlich kommt man auch ins Gespräch und wir werden ungewollt Zeuge einer schweren Krise auf einer Yacht, deren Besatzung wir auf Bermuda kennenlernten. Sie bestand aus zwei Pärchen und auf der Überfahrt hat man sich wohl so heftig aneinander gerieben, dass die Gäste jetzt alles daran setzen, von Flores abzufliegen und nicht mehr bis Horta zu warten. Ein trauriges Beispiel, doch sowas kommt beim Segeln leider all zu oft vor.
Andere Segler erzählen von einer wahnsinnig harten Überfahrt und fragen uns, wie wir das blos auf so einem kleinen Boot ausgehalten hätten. Wir gucken sie nur verständnislos an, bis auf die Gewitter haben wir uns immer sicher gefühlt. Ich will uns jetzt nicht als Helden darstellen, aber es zeigt mal wieder, wie subjektiv die Eindrücke von den Besatzungen wahrgenommen werden.

Heute liegen die Yachten wieder friedlich an ihren Ankern.


Nach dem Kontakt zur weiten Welt zieht es uns in die Natur und wir wandern entlang der Südküste zu einer wilden Felsformation hoch. Leider gibt es hier keine Wanderwege, doch auf unserer Straße herrscht kein Verkehr und sie ist teilweise sowas von steil, dass wir hin und wieder atemlose Pausen einlegen müssen. Die Muskeln brennen, doch es tut gut, die Beine wieder richtig zu bewegen und als wir oben ankommen, entschädigt uns der Ausblick für alles. Flores habe ich jetzt schon feste ins Herz geschlossen. Es ist das Allgäu am Atlantik. Die vorherrschenden Farben sind das Grün der Wiesen und das Blau des Meeres. Alles gespickt mit Blumen und wenn die Hortensien links und rechts der Straße blühen, wird alles von blauen Adern durchzogen sein. Ist wirklich genial und wir sitzen lange oben auf den Klippen, hören dem Zwitschern der allgegenwärtigen Singvögel zu und staunen.

Blick von den Klippen zurück nach Lajes.


Der Weg hinab ins Dorf wird nochmal zum Härtefall und als wir unbeholfen ins Dinghy klettern sind wir froh, heute keinen Meter mehr gehen zu müssen. Doch da muss man durch, wir wollen unsere Muskeln nach der zweiwöchigen Pause schnellstmöglich wieder auf Trab bringen.
Den Abend verquatschen wir bei Carlo und Marianne von der dänischen Frigg. Wir haben die beiden vor über einem halben Jahr auf Madeira bei unserer improvisierten Weinprobe kennengelernt. Sie sind diesseits des Atlantiks geblieben, haben alle Kanareninseln besucht und tummeln sich jetzt schon seit einem Monat auf den Azoren. Ist eine gute Alternative, wenn man den Sprung über den Atlantik scheut.


Samstag, 31.05.2008 (377. Tag)

In der Nacht werden wir beide von einem plötzlichen Schlag geweckt. Der ganze Mast zittert und die Wanten dröhnen. Wir stehen sofort an Deck und befürchten auf Drift gegangen zu sein, doch alles scheint wie immer. Was es war können wir nicht sicher sagen, doch wir vermuten, dass einer der Sturmtaucher, die hier die ganze Nacht quakend auf und ab fliegen, gegen eine der Wanten geknallt ist. Scheinbar hat er es aber unbeschadet überstanden, wir entdecken keine Spuren.
Gestern haben wir eine englische Besatzung getroffen, die sich einen Mietwagen organsiert hatten. Er kommt aus Santa Cruz und um dem Vermieter den Weg zu sparen, haben wir ihn zusammen mit Mieke und Luc für heute reserviert. Den Schlüssel haben die Engländer uns gestern einfach ins Cockpit gelegt, einen Vertrag gibt es nicht, wir wissen nur, dass das Auto ein Jeep ist, der irgendwo auf dem Hafengelände steht.

Startbereit mit Picknickkorb und Chinajeep.


Jetzt am späten Morgen laufen wir fast an dem Vehikel vorbei. Unsere Augen wollen einfach nicht wahrhaben, dass es wirklich dieses Kuriosum ist, das uns heute über die Insel bringen soll. Es ist ein chinesisches Fabrikat, rot, mit goldenen Stoßstangen, Blattfedern und tollen Applikationen wie Chrom-Hufeisen (aus Plastik natürlich), Chrom-Pferdeköpfen (auch aus Plastik) und Holzimitat als Klebefolie als Streifen auf der Karosserie. Genial!
Das Fahrverhalten steht der Optik in nichts nach, eine schlabberige Kupplung, Lenkradspiel bis zum geht nicht mehr, ein dröhnender Motor und eine Federung, die uns hoppsen läßt. Aber egal, die Insel ist nur 17x12 km groß, auf Geschwindigkeit kommt es also echt nicht an und wir zuckeln der Hauptstraße folgend rüber zur Westküste. Aufgrund ihrer vulkanisch zerklüfteten Landschaften gibt es auf fast allen Azoreninseln Kraterseen und als wir an einem entsprechenden Schild langkommen, folgen wir dem Feldweg den Berg hoch und landen in den Wolken. Im Gegensatz zu gestern ist die Insel heute leider auf der Luvseite und in den Bergen von Wolken verhüllt. Keine Chance, hier einen See zu entdecken, also drehen wir wieder um.

Vergebliche Suche nach den Kraterseen.


An der Westküste lassen wir das Auto in Mosteiro stehen. Man merkt, dass Tourismus auf Flores eine untergeordnete Rolle spielt, denn es gibt kaum Wanderwege. Meist folgt man -wie wir gestern- einsamen Straßen, doch hier entlang der Küste gibt es einen Wanderweg vom Süden in den Norden und wir folgen ihm durch die malerische Landschaft. Das üppige Grün und das Gezwitscher der Vögel begeistern uns am meisten. In den Niederungen wird fast das gesamte Land für die Viehzucht genutzt und die Parzellen sind mit hüfthohen Natursteinmauern umgeben. Hier und da finden wir auch Ruinen alter Häuser, das Leben war hier früher wohl ziemlich hart.

Traditionelles Haus, in seltenen Fällen (wie hier) sind sie bewohnt.


Der Pfad führt uns steil bergauf und bergab und unser Muskelkater läßt uns aufstöhnen. Mieke und Luc haben noch keines, doch auch ihnen steht der Schweiß auf den Stirnen. Diese Bewegung ist nach der Atlantikpassage wirklich gewöhnungsbedürftig, doch die Freude über die Ausblicke, die Gerüche und das Zusammensein überwiegt und als wir nach einem steilen Abstieg in Fajazinha ankommen, lassen wir uns im Dorfcafe in die Stühle sinken und genießen ein Eis am Stiel.
Über welchen Weg jetzt zurück kommen, das ist die Frage. Ich wende mich an den einzigen anderen Gast und er bietet sofort an, dass er mich ins Nachbardorf fährt, damit ich das Auto holen kann. Haben will er dafür nichts, er erklärt mir, dass das hier ganz normal sei, wir könnten hier prima trampen. Er selbst hat Flores mit 14 Jahren verlassen und wurde in Lissabon auf's Internat geschickt. Mit 30 kam er dann aber als ausgebildeter Musiklehrer wieder zurück, er bräuchte einfach diese Ruhe. Momentan kann ich das nachvollziehen, Flores ist wirklich ein stilles Idyll.

Saftiges Grün als willkommene Abwechslung zum atlantischen Blau.


In Faja Grande picknicken wir wegen des einsetzenden Nieselregens im Auto und wechseln danach rüber zur Ostseite der Insel nach Santa Cruz, der Hauptstadt. Im Reiseführer steht, dass man für den Rundgang drei Stunden einplanen sollte, doch nach einer halben Stunde wissen wir nicht, was wir hier noch sollen. Das Städtchen ist völlig verschlafen und lediglich in der Kneipe am Dorfplatz herrscht etwas Leben, an dem man uns bei einer Erfrischung teilhaben läßt. Die Leute hier sind wirklich liebenswürdig, selbst diese uralten Fischer, richtiges Urgestein aus Flores grüßen uns offen und freundlich. Wir sind aber auch die einzigen Touristen weit und breit.
Die letzte unbekannte Hauptstrasse führt noch zum Leuchtturm an Flores Nordspitze und kurz vor Ponta Delgada fällt uns auf, dass die Nadel der Spritanzeige jetzt doch ziemlich schnell abwärts wandert. Eine Tankstelle gibt es erst wieder in Santa Cruz und so steigen wir nach dem Rundgang um den Albarnaz Leuchtturm mit gemischten Gefühlen in unsere Klapperkiste und schleichen möglichst ökonomisch zurück zur Hauptstadt.

So ist die Küste überall: Steile Klippen und obendrauf viel Grün.


Mit einem Tankstopp kommen wir spät abends wieder zurück nach Lajes, geben den Schlüssel und das Geld beim Zoll ab und essen wieder im Hafenrestaurant, wobei Steffi und ich uns diesmal eine Portion teilen. Das reicht locker. Wie auch die letzten Tage haben wir Mühe, die Tageszeit einzuschätzen, da es hier wirklich stundenlang dämmert. Auf See, ohne bedeutende Uhrzeit ist uns das nicht aufgefallen, aber hier, wo man sich plötzlich im sozialen Zeitplan bewegt, kommen wir irgendwie nicht damit klar.
Heute Abend ist ein niederländisches Boot hereingekommen und das Pärchen verkörpert diese typischen Ankunftssyndrome: Sie genießen ein kühles Bier und ein gutes Essen, um das sie sich nicht selbst kümmern müssen und obwohl sie müde sind, wollen sie gar nicht schlafen, da das Empfinden dieser Ruhe an Land so schön ist. Die Anspannung fällt von einem ab und man fühlt sich plötzlich so sicher und geborgen. Ein Gefühl, dass man nach ein paar Tagen an Land schon gar nicht mehr wahrnimmt.


Sonntag, 01.06.2008 (378. Tag)

Nachdem es gestern Abend wieder nieselte, begrüßt uns heute morgen ein strahlend blauer Himmel und eine wohlig wärmende Sonne. Das tut so richtig gut und wir frühstücken ausgiebig und setzen uns danach im Schatten eines Schuppens ins Gras und nutzen das offene WLan des Internet Clubs. In der Kirche bekommt Steffi heute schon wieder eine Blume geschenkt (ist wohl bei so einem Inselnamen Pflicht) und nachdem unsere Laptopakkus leer sind, paddeln wir durch das heute wirklich glasklare Wasser zurück zum Boot. Unter uns tummeln sich Schwärme von Fischen, die aussehen wie junge Makrelen, doch die immer wieder vorbeitreibenden Portugiesischen Galeeren vermiesen uns die Schnorchellust. Auch bin ich mit der Wassertemperatur noch nicht im reinen, 21 Grad sind gegenüber den 28 Grad in der Karibik doch eine herbe Umstellung.

Die vier Meter sind mit den schweren Laptops im Ortliebsack ganz schön anstrengend.


Den Rest des Tages hängen wir faul in den Seilen, gehen auf Paddelexpedition und quatschen mit anderen Seglern. So lernen wir Jean-Luc kennen. Er ist mit einer Pogo 8,50 unterwegs und wir sahen ihn schon auf den Kapverden, Grenada und in Bermuda. Immer wenn wir ihn sahen, war seine Familie zu Besuch (Frau + 3 junge Kinder), aber für die Atlantikpassagen hat er Jean dabei. Die zwei sind Bretonen und repräsentieren damit einfach den typischen, angstfreien und vielleicht ein bisschen durchgeknallten, dafür aber genialen Segler. Von Bermuda hierher sind sie in 11,5 Tagen geprescht, schneller als alle anderen, die wir bisher kennengelernt haben. Die Pogo gefällt uns echt gut, alles ist simpel und leicht, doch Jean-Luc wendet ein, dass er sie manchmal am liebsten versenken würde. Auf der Kreuz sei sie heftig und der Lärm unter Deck ist ohrenbetäubend.
Seit gestern liegt eine klassisch anmutende Kunststoffyacht unter niederländischer Flagge im Hafen. Addy und Sabine haben sie für einen Schnäppchenpreis in den USA erstanden und wollen sie in Europa verkaufen. Der Preis ist so niedrig, dass ich ihn hier lieber gar nicht erwähne, wahrscheinlich machen sie damit richtig Gewinn. Nachmittags sind sie bei uns zum Tee an Bord und erzählen, dass Amerika momentan das Schlaraffenland für uns Euro-Verwöhnte sei. Den Amis ginge das Geld aus und damit seien die Preise des Seocond Hand Markts völlig zusammengebrochen.


Montag, 02.06.2008 (379. Tag)

Irgendwie haben wir Probleme mit der Lokalzeit, oder ist es vielleicht die ewig lange Dämmerung am Abend? Auf jeden Fall finden wir abends kaum in die Koje und morgens, stehen wir so wie heute erst gegen 11:00 auf. Heute ist ein kleiner Festtag: Wir haben unsere gute President-H-Milch angebrochen, die auch wirklich nach Milch schmeckt und genießen sie mit gigantischen Cornflakes-Portionen. Lecker!
Ich schaue kurz bei Addy vorbei und zeige ihm, wie er mit dem Weltempfänger und seinem Laptop Wetterfaxe empfangen kann. Auch kann ich ihm hier und da Tipps geben, denn da er bisher nur auf holländischen Klippern segelte, ist ihm die Polyester-Yachtwelt fremd.
Es dauert natürlich immer länger als geplant und als ich zur Apelia zurück komme, hat Steffi sie schon seeklar gemacht und ohne Motor (klar, oder?) heben wir den Anker und kreuzen aus dem dichten Ankerfeld. Dabei bekommen wir den ein oder anderen kritischen Blick zugeworfen, doch wer nur Wohncontainer gewöhnt ist, der weiß natürlich nicht, wie gut sich ein echtes Segelboot handeln läßt.
Unser Ziel ist Corvo, die kleinste der bewohnten Azoreninseln. Sie besteht im Wesentlichen aus einem Vulkan und da sich der Ankerplatz nur für stilles Wetter eignet, sind die Bedingungen der kommenden Tage ideal: Flaute bis zum Abwinken. Es ist ein Sprung von nur 18 nm und da der Wind hier im Lee von Flores ziemlich schlapp ist, haben wir alles oben was geht (Genua+Groß). Trotzdem kommen wir nur langsam voran und um nicht im Dunkeln ankern zu müssen, starten wir nachmittags den Motor.

Der Vulkanklecks Corvo.


Der "Hafen" besteht wie bei Flores nur aus einer Mole, allerdings ist sie hier kürzer und das Becken dahinter ist winzig. Zum Glück liegt hier momentan keine andere Yacht, sonst wäre der Hafen schon voll. Im Hafenführer (Imray, Atlantic Islands) steht, dass der Ankergrund sehr unsicher sei und jetzt wo wir ihn selbst im glasklaren Wasser sehen, begreifen wir wieso: Er besteht nur aus Findlingen, unser Anker liegt also locker oben drauf und verkeilt sich halt irgendwie zwischen den Steinen. Die Kette verschwindet dabei in den Ritzen. Ich bin froh, dass wir heute eine Trippleine mit Boje am Anker befestigt haben.
Was man draußen nur ahnte sieht man hier deutlich: Es herrscht ein langer Schwell und unablässig rollen die Wellen in den Hafen und branden an den Strand, der genau wie der Grund aus Findlingen besteht. An Bord bemerken wir ihn bis auf das Gegrummel der Ankerkette auf dem Grund kaum, doch wenn man rausguckt, wird einem angst und bange. Etwa 10 m hinter uns werden die Wellen steil und beginnen zu brechen, das ist hier wirklich Hardcoreankern für Mutige. Wir trauen uns nicht, Apelia alleine zu lassen, lesen den Rest des Abends und gehen früh ins Bett.
Gegen 23:00 wird das Rucken der Ankerkette schlagartig anders. Brutal ruckt sie bei jeder Welle ein und Apelia macht einen kleinen Knicks. Soweit ich es im Dunkeln erkennen kann, hat sich die Kette unlösbar unter einem Fels verkeilt und steht damit kurzstag. Jede Welle, die das Boot anhebt läßt sie damit strammkommen. Wie wir sie je da unten befreien ist mir in diesem Moment egal. Ich gebe ein paar Meter Kette und hake unseren Ruckdämpfer ein, erstmal liegen wir sicher.


Dienstag, 03.06.2008 (380. Tag)

Die Nacht verlief ohne weitere Vorkomnisse und auch am Morgen ist die Kette noch schön unter dem Stein verhakt. Scheinbar liegen wir jetzt wirklich sicher und so trauen wir uns halbwegs entspannt an Land.
Das einzige Dorf der Insel, Vila Nova oben auf den Klippen, ist mal wieder ein pures Idyll. Die Gassen sind winzig und die Häuschen schnuckelig alt und klein. Allerdings scheint etwa jedes vierte Haus verlassen und verfallen zu sein, doch das unterstützt den romantischen Eindruck eher noch. Immer wieder sind die Ruinen zu Hühnerställen umfunktioniert worden und hier und da grunzt uns ein Schwein entgegen. Im Hintergrund leuchtet währenddessen das blaue Meer, wer im Urlaub abschalten will, der kommt hierher.

Blick nach Flores, dessen Lee deutlich sichtbar ist.


Es geht erstmal steil in Serpentinen bergauf und als wir mal wieder den Ausblick genießen hält neben uns ein Pickup und der Fahrer fragt, ob wir mitfahren wollten. Da wir uns nicht sicher sind, wie weit es zum Krater ist, wollen wir natürlich gerne und so werden wir zusammen mit den drei restlichen Touristen von Corvo den Vulkan hochgefahren.

Es ist Frühling und damit blüht es an allen Ecken.


Das Ende der Straße kommt völlig unerwartet und so stehen wir plötzlich vor dem Rand des Kraters. Auch hier ist der Ausblick wieder überwältigend. Der Krater hat einen Duchmesser von etwa 1,5 km, ist grün bewachsen, am Boden haben sich Seen und Inseln gebildet und die Wolken, die standardmäßig die Spitzen der Inseln umwabern sind über dem Krater wie ein Auge aufgerissen. Daß wir eigentlich einen anderen Weg nehmen wollten ist da schnell vergessen, nichts wie hinunter in diese Arena, in der hier und da kleine Kuhherden grasen.

Alleine schon die Aussicht läßt uns loslaufen.


Hinab zur Sohle führt noch ein Trampelpfad, doch dann müssen wir querfeldein wandern, was gar nicht so einfach ist. Die Kühe haben die gesamte Wiese zertrampelt und da sie dabei tief im sumpfigen Boden einsinken, ist er völlig "durchlöchert". Wir stolpern also mehr voran als daß wir laufen, doch dieses kleine Paradies läßt uns darüber hinwegsehen. In zwei Stunden umrunden wir den Grund des Kraters und stehen dann wieder oben auf dem Rand.

Füße waschen nach der Sumpfwanderung.


Auf dem Weg hinab zum Dorf entdecken wir zwei Segelboote, die mit geblähten Segeln und weißer Schaumspur eindeutig von Corvo auf Faial zuhalten. Scheinbar wollten sie auch die Insel besuchen, doch da der Hafen mit uns schon voll war, sind sie abgedreht. Ein schlechtes Gewissen haben wir deswegen nicht, doch ihre flotte Fahrt macht uns doch etwas rappelig. War nicht für die kommenden fünf Tage Flaute vorhergesagt?
Die Wetterprognose ist uns jetzt ziemlich egal. Es wehen herrliche 3 Bft aus SW, also ideale Bedingungen, um unter maximalem Tuch nach Faial zu heizen. In sechs Tagen kommen Steffis Eltern uns dort besuchen und da Apelia dringend eine Putzorgie braucht, sollten wir die Gelegenheit nutzen.
Doch vor dem Lossegeln muss erstmal der Anker geborgen werden, was sich als nervenaufreibende Sache entpuppt. Zunächst versuchen wir es elegant, stellen uns genau so hin wie gestern beim Manöver und hoffen, dass die Kette damit ihren Weg aus den Ritzen findet. Leider geht die Rechnung nicht auf und wir müssen drastische Maßnahmen ergreifen: Wir nehmen die Kette kurzstag und bringen sie unter Motor auf Spannung. Bei jeder Welle kracht es erbärmlich, Apelia nickt und zittert, aber nichts tut sich. Ich bin schon kurz davor den Anker an der Trippleine zu bergen und die Kette auf den Grund zu versenken, da knallt es nochmal extra laut und sie kommt frei. Das war wohl haarscharf, die Kräfte waren auf jeden Fall so groß, dass ich Mühe habe, die Kettenglieder aus der Rille der Bugrolle zu ziehen, in die sie sich tief vergraben haben.
Die ersten Stunden haben wir herrlich raume Winde und machen unter Genua und Groß gute Fahrt. Dann beginnt die Brise leider zu drehen und schläft schließlich fast ein, so dass wir den Motor starten. Es sind 130 nm bis Horta und wir haben keine große Lust, hier drei Tage mit schlagenden Segeln auf der Stelle zu dümpeln. Der Besuch von Steffis Eltern und die Aussichten auf warme Duschen und Waschmaschinen treiben uns voran.
Es müffelt etwas nach Petroleum und wir entdecken ein kleines Leck am Kocher. Möglicherweise ist das Ventil der Pumpe undicht, ein Glück, dass wir eines in Reserve dabei haben. Den Angelhaken hole ich abends leer ein, scheinbar sind die Azoren wieder überfischt.

Sonnenuntergang im Azorenhoch. Wir haben 1029 mbar Druck!



Mittwoch, 04.06.2008 (381. Tag)

Die Nachtwache ist bis auf den Frachter Fiesta, der uns in 2 nm Abstand passiert ereignislos. Luc hatte mir auf Flores einen Stapel holländischer Segelhefte ausgeliehen und so bin ich gegen die Langeweile gewappnet. Es ist Neumond und damit haben wir den tollsten Sternenhimmel, den ich je gesehen habe. Den Horizont kann man kaum ausmachen, die Venus strahlt momentan wahnsinnig intensiv und ich halte sie kurz nach ihrem Aufgang für ein Topplicht. Die Milchstraße ist wirklich als Ansammlung von Sternen zu erkennen, es ist genial.
Mit dem Sonnenaufgang bezieht leider der Himmel und wir motoren unter einer trüben Wolkendecke dahin. Immer wieder geht der Blick auf die Time-To-Go vom GPS, voraussichtlich wird es spät abends, bis wir Horta erreichen. Doch diese Flautenbedingungen haben auch ihr gutes. Wir können hemmungslos faulenzen, ausschlafen, zum Frühstück mache ich uns Pfannkuchen und Steffi versucht sich nochmal am Brotbacken im Drucktopf. Außerdem musizieren wir uns durch unser kleines Programm, was allerdings nicht mehr so toll klappt, wir haben zu lange ausgesetzt.
Nachmittags kommt Faial in Sicht. Die Insel sieht aus wie eine Großausgabe von Flores und es bleibt reichlich Zeit, die Details anzusehen. An der Westecke hat sich vor etwa 50 Jahren nochmal etwas vulkanisch getan, so daß neues Land entstand. Die erstarrte Lava ist noch nicht bewachsen und tiefe Schluchten durchziehen das bizarr aussehende Gestein. Für uns steht jetzt schon fest, dass wir dort mal hin müssen.
Hier in Landnähe wimmelt es mal wieder von Gelbflossensturmtauchern, die mangels Wind in Gruppen auf dem Wasser herumtreiben. Wir sind so frei, sie aufzuscheuchen, wenn sie uns im Weg sind und zusammen im Niedergang sitzend, genießen wir ihren eleganten Flug.
Bevor es richtig dunkel ist, hole ich noch die Angelleine herein. Die Azoren scheinen bezüglich des Fischreichtums den Kanaren zu gleichen. Wir haben den ganzen Tag geschleppt und nichts gefangen. Ganz so leicht wie sonst läßt sich die Leine allerdings nicht aufwickeln. Ich vermute, dass Kraut am Haken hängt, doch als der Köder in Sicht kommt entdecken wir eine knapp 20 cm lange Makrele, die sauber angebissen hat. An einem Haken, der so groß ist wie ihr Kopf!!! Und der Köder ist etwa halb so lang wie sie selbst. Ich entlasse sie wieder in die Freiheit. Wir wissen jetzt also, dass wir wieder im Makrelenrevier sind und dass die Burschen sich hier gerne mal selbst überschätzen.
Die letzten zwei Stunden motoren wir durch absolute Finsternis, wobei das Land links neben uns natürlich beleuchtet ist. Am Südkapp müssen wir gegen einen 1,5 kn starken Strom kämpfen, der uns später allerdings um die SO-Ecke schiebt. Seltsame Bedingungen sind das, auch der Wind, oder das Bißchen, was man als ihn ausmachen kann, hat um 180 Grad gedreht.
Pünktlich um Mitternacht fahren wir in den Hafen von Horta ein und werden vom Nachtwächter an ein Päckchen dirigiert. Drüben an den Stegen liegen die "normalen" Boote, aber was hier liegt ist meist über 50 ft lang und hat größtenteils zwei Rümpfe. Um an Land zu kommen ist also Bergsteigen angesagt.
Wir sind noch hellwach und stromern durch den Ort. Am Peter's Sport Cafe ist High Life, doch einen Besuch dieser "legendären" Kneipe heben wir uns für später auf. Die Burg am Hafen sieht mit ihren überwucherten Mauern wild romantisch aus und schließlich entdecken wir auch die vielen Embleme, die die Yachten auf die Kaimauern malen. Das hat hier Tradition und da viele Yachten durch Horta kommen, gibt es auch viele Zeichnungen. Eigentlich ist wirklich alles mit ihnen vollgemalt, der Boden, die Wände, einfach jeder freie Fleck im Hafen wird durch ein Bootslogo verziert und die Kreativität der Besatzungen scheint keine Grenzen zu kennen. Eine Collage wird folgen!


Donnerstag, 05.06.2008 (382. Tag)

Das Einchecken zurück nach Europa wird durch einen Stempel erledigt und dann weist uns der nette Hafenmeister einen Platz in der alten Marina an. Zu doof nur, dass unser Vorgänger jetzt doch erst morgen ablegen will. Auch an einem anderen Platz ist es dasselbe Problem, wir bleiben also noch eine Nacht außen an unserem Megapäckchen liegen.

Im Päckchen mit den Dicken.


Die Karo haben wir schnell entdeckt und klopfen die beiden aus der Koje. Wir vereinbaren, nachher zum Frühstück lang zu kommen, wollen jetzt aber erstmal zu langersehnten, heißen Dusche. Dafür muß man 1,95 EUR extra bezahlen, doch man bekommt ein Stükchen Seife und ein Handtuch gestellt. Ganz schön komfortabel und wir genießen es, vom heißen Strahl durchgekocht zu werden.
Mit dem Frühstück linken uns Roswitha und Karl ziemlich ab. Sie hatten schon im Bett gefrühstückt und als wir mit einer Tüte Brötchen auftauchen steht da ein reichlich gedeckter Tisch mit Brötchen, Teilchen, Saft und allem was das Herz begehrt, ganz allein für uns. Die beiden begnügen sich mit einem zweiten Kaffee und nehmen keinerlei Rücksicht auf unser schlechtes Gewissen. Jaja, so sind sie, die Österreicher...
Es gibt natürlich viel zu quatschen und so kommen wir erst am späten Mittag zurück ans Boot. Wenn wir erst morgen auf unseren Platz am Steg können, hindert uns das ja nicht daran, schon jetzt mit den Bootsarbeiten zu beginnen. Neben dem Bastelkram steht vor allem Lüften an. Auf dem Weg nach Bermuda waren ja ein Teil der Wasserflaschen ausgelaufen und seitdem herrscht im Boot Regenwaldklima. In manchen Ecken haben wir schwarzen Schimmel entdeckt und die meisten Klamotten riechen muffig. Wir hängen alles in die Sonne und beginnen am Bug mit dem Großputz. Alles kommt raus und wird an Deck gestapelt und aufgehängt. Sogar den Kettenkasten baue ich aus, im Laufe des letzten Jahres hat sich am Fußende unserer Koje ein Berg Staub angesammelt.
Mit der Dinghypumpe drücken wir den Dieseltank ab und finden am Anschluß der Rückleitung ein winziges Loch. Wenn wir unter Motor fuhren drückte hier eine minimale Menge Diesel raus, doch das reicht, damit es im Boot danach stinkt. Wir wissen nicht, wieviel ausgelaufener Diesel möglicherweise unter dem Tank steht und wollen ihn ausbauen. Doch er enthält noch 60 l, also keine Chance, ihn herauszuheben.
Von einem Nachbarn borgen wir uns einen großen Kanister und fangen an, den Tank mit so einem Balg, wie man ihn bei Außenbordern hat, leerzupumpen. Das geht alles andere als schnell, also stöppseln wir wieder die Dinghypumpe an die Entlüftung, setzen den Tank unter Druck und treiben den Diesel damit durch den Ansaugschlauch in den Kanister. Klappt wunderbar.
Die Putzerei teilen wir uns auf. Ich mache mit heißem Spüliwasser die Vorhut und dann kommt Steffi mit dem harten Chlorreiniger. Am Ende erstrahlt Apelias Bugkoje wieder in neuem Glanz und es riecht sauber nach Schwimmbad. Ein gutes Gefühl.
Abends holen Roswitha und Karl uns zum Essen ab und zeigen uns den gut getarnten Chinesen. Doch lange halten wir nicht mehr durch und fallen um 23:00 in die Koje.